Kapitel 1
Kapitel 1
Besorgt sah ich zu, wie sich Ophelia im Bett wand. Sie war verschwitzt und ihre orangefarbenen Haare verklebt. Dazu kam ihr schwerer Atem, der mir zeigte, dass sie wohl wieder träumte. Das tat sie eigentlich immer, doch nicht immer war sie so unruhig wie heute. Selbst ihre Magie spielte verrückt, sodass ab und an ein Buch aus dem Regal fiel und die Blätter, die sie für Notizen nutzte, im Raum schwebten. Das würde sie später ärgern, denn sie schrieb gerade an ihrer neuen Geschichte und nummerierte ihre Seiten nicht ordentlich. Daher würde sie diese wieder sortieren müssen.
Mich belustigte der Gedanke ein wenig, da ich ihr schon sehr oft gesagt hatte, sie solle doch die Blätter nummerieren. Allerdings riss mich ihr leises, gequältes Keuchen aus diesen Emotionen und sorgte dafür, dass ich zu ihr blickte.
Ich strich ihr besorgt durch die Haare, während ich leise ihren Namen sagte, um sie aus diesen Albträumen zu reißen. Dass das Geräusch der herunterfallenden Bücher sie nicht weckte, war kein gutes Zeichen. Sie musste sehr tief in diesem Traum stecken.
Sorge breitete sich in mir aus, denn ihre Albträume hatten schon lange keine solchen Auswüchse mehr angenommen. Früher – als wir gerade in dieses Haus gezogen waren – war sie im Grunde jede Nacht weinend aufgewacht und zu mir ins Bett gekommen.
Anfangs hatte ich es für die Albträume eines kleinen, verlassenen Mädchens gehalten, doch nachdem sich ihre Magie bezeigt hatte und jedes Mal verrücktspielte, wenn sie zu sehr träumte, war auch mir klar, dass mehr dahinterstecken musste.
Manchmal hatte ich ganze Abende damit zugetragen sie in den Schlaf zu singen und bei ihr zu bleiben, damit ihre Magie sie nicht verletzte. Es war mit der Zeit besser geworden und sie war nur noch selten zu mir gekommen. Ich hatte das als Zeichen genutzt, dass ihre Albträume weniger wurden, doch scheinbar hatte ich mich getäuscht.
Hatte sie sogar versucht, die Träume vor mir geheim zu halten, damit ich in ruhe schlafen konnte? Das würde zu Ophelia passen. Sie achtete eher auf die Gesundheit anderer als auf ihre eigene.
Dass es ihr im Moment gar nicht gut ging, erkannte ich an ihrer blassen Haut. Sie war eigentlich schokoladenfarben und glänzte immer sehr schön, doch gerade im Moment wirkte sie matt und glanzlos. Dazu kam eine unnatürlich verspannte Haltung. Wenn sie länger so gekrümmt und angespannt blieb, würde das ihren Körper schädigen und wenn sie Pech hatte, für Schmerzen sorgen.
„Alles ist gut. Ich bin hier", sagte ich sanft und ließ wärmende, beruhigende Magie über meine Hände in ihren Körper wandern. Ich konnte sie als sanftes Licht sehen, doch für Ophelia würde sie nur als leichte Wärme existieren, die ihren Körper entspannte.
Ich lenkte sie in ihre verspannten Muskeln und sorgte dafür, dass sich diese wieder entkrampften.
Es reichte. Ophelia entspannte sich sichtlich unter meinen Berührungen und ihr Atem wurde ruhiger.
Ich konnte sehen, wie ihre Lider leicht flackerten, bevor sie diese öffnete und mich aus ihren orangefarbenen Augen anblickte.
Müde, benommen und ein wenig ängstlich sah sie zu mir hoch, als würde sie noch nicht so ganz verstehen, wo sie hier eigentlich war.
„Schon gut", wiederholte ich sanft, als ich bemerkte, dass sie hilfesuchend zu mir blickte.
Es dauerte einen Moment, bis sie mich erkannte. Wahrscheinlich, weil meine roten Haare zu einem Knoten gebunden waren, da ich gerade eben noch unter der Dusche gestanden hatte. So trug ich sie sonst nie.
Ich erwiderte ihren Blick aus meinen ebenfalls orangefarbenen Augen, was sie zu beruhigen schien. Ich spürte, dass die Magie nachließ. Die Blätter sanken zu Boden und die Bücher blieben im Regal. Ein gutes Zeichen.
Ophelia blinzelte ein paar Mal, bevor sie sich die Augen rieb.
Langsam und müde setzte sie sich auf, bevor sie sich durch die Haare fuhr. Es wirkte, als wolle sie sich damit beruhigen oder hatte sie Schmerzen? „Ephemera. Ich hatte schon wieder diesen Traum", murmelte sie mit bedrückter, rauer Stimme.
„Welchen?", fragte ich, denn bisher hatte sie mir noch nie so genau erzählt, von was sie eigentlich träumte. Ich konnte es mir denken, doch ich wollte keine schlafenden Hunde wecken. Mir war es lieber, wenn sie ihre Träume direkt nach dem Aufwachen wieder vergaß.
„Da war dieser See", bemerkte sie und schluchzte plötzlich. „Ich habe geträumt, meine Mutter hat mich in einem Auto in den See gefahren, um mich zu ertränken. Dann kam dieser Engel und hat mich gerettet", flüsterte sie, wobei ihre Stimme immer wieder von Schluchzern unterbrochen wurde.
Ich zog sie in meine Arme und streichelte zärtlich ihren Rücken. „Das war nur ein Traum", sagte ich beruhigen. „Du wirst ihn bald wieder vergessen haben", prophezeite ich, denn so war das nun einmal mit Träumen. Meist waren sie nur in den ersten paar Minuten nach dem Aufwachen präsent.
Mehr als sie auf diese Art zu beruhigen, konnte ich nicht tun, doch es reichte, denn sie entspannte sich etwas.
„Geh ins Bad, dich duschen und dann bereite ich uns ein leckeres Essen vor", sagte ich, damit ich sie aus dem Bett bekam. Würde ich sie jetzt einfach allein lassen, würde sie den gesamten Tag nicht aufstehen.
Mein Plan war, dass sie den Traum schneller vergaß, weshalb ich versuchte sie abzulenken. Was mir nicht gerade leichtfiel. „Ich räume in der Zeit hier auf", bemerkte ich trocken, damit sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge lenkte.
Ophelia sah sich um und gab nur ein leises: „Oh", von sich, als sie das Chaos entdeckte. Dann schob sie langsam ihre Beine aus dem Bett und rieb sich erschöpft die Augen, bevor sie gähnte. „Ich fühl mich so ausgelaugt", bemerkte sie, während sie sich umständlich aus der Decke schälte. Ihre Bewegungen waren langsam und irgendwie fahrig. Ganz anders, als ich sie sonst kannte. Eigentlich war sie ein Frühaufsteher. Immer gut gelaunt und voller Tatendrang.
Sanft strich ich ihr durch die Haare. „Das ist bei einem Albtraum normal", versicherte ich. Solche Träume raubten einem immer die Kraft. Ich wünschte, ich könnte etwas tun. Nur war mir das nicht möglich. Nicht mehr, als ich sonst schon für sie tat. Meine Magie würde ihren Körper stärken und hoffentlich dafür sorgen, dass ihr der Traum nicht mehr länger nachhing. Würde ich noch mehr Magie benutzen, konnte ich ihr ungewollt schaden. Gerade Ophelia reagierte sehr sensibel auf die Magie anderer.
Ophelia streckte sich, bevor sie aufstand und sich noch einmal umsah. Ihr Blick fiel dabei auf die Notizen und sie seufzte frustriert. „Große Klasse", murmelte sie vor sich hin, bevor sie sich bückte und einen Zettel aufhob, den sie kurz musterte.
„Ich habe dir gesagt, du sollst sie nummerieren", bemerkte ich belustigt.
Ophelia verdrehte die Augen. „Ja, ja", brummte sie, bevor sie den Zettel auf den Nachttisch legte. „Ich mach das nach dem Duschen", entschied sie und bewegte sich Richtung Bad.
Als ich sah, wie sie darin verschwand, hob ich meine Hand und nutzte Magie, um die Bücher ins Regal zu befördern und die Zettel auf einen Stapel. Sortieren musste Ophelia sie allein. Dabei konnte ich ihr nicht helfen. Immerhin wollte sie mich auch nicht spoilern. Ich durfte ihre Geschichten immer erst lesen, wenn sie beendet waren. Also eigentlich nie, da sie bisher keines ihrer Bücher beendet hatte. Aber das musste sie auch nicht. Wir hatten keinerlei Geldsorgen.
Was an meiner Vergangenheit und meinen Freunden lag. Obwohl ich sie schon lange Zeit nicht mehr gesehen hatte, verwalteten sie mein Geld und auch meine Besitztümer.
Nicht alle wussten von meiner Entscheidung, mich zurückzuziehen, doch da sie sicherlich alle auf die ein oder andere Art mitbekommen hatten, was in der Welt los war, würden sie es sicherlich verstehen.
In mir kam die Sorge auf, dass ich meinen großen Bruder vielleicht einmal besuchen sollte, damit er wusste, dass es mir gut ging. Allerdings würde ich ihn dann mit in meine Sachen hineinziehen und das wollte ich nicht. Für ihn – und seine Familie – war es sicherer, wenn er nicht zu leicht mit mir in Verbindung gebracht werden würde.
Während ich meine Gedanken schweifen ließ, räumte ich das Zimmer auf und begab mich in die Küche, um dort Kaffee aufzugießen. Nebenbei schnitt ich Obst fürs Frühstück. Dazu würde ich Rührei und Schinken vorbereiten. Etwas, was wie nebenbei ging.
Ob mein Bruder schon nach mir suchte? Zutrauen würde ich es ihm. Seitdem die Dämonen versuchten aus der Hölle zu fliehen, war die Welt nicht mehr so, wie sie sein sollte. Ich hoffte sehr, dass er bereits einen Plan hatte, wie er damit umgehen wollte, aber ich war zuversichtlich.
Der Duft von Kaffee und gebratenem Schinken erfüllte den Raum und ließ mich leise seufzend. Genießerisch schloss ich meine Augen und konzentrierte mich wieder auf das Hier und Jetzt.
Ophelia würde sicherlich bald fertig sein und bis dahin wollte ich das Essen fertig haben.
Während des Kochens bemerkte ich, dass unsere Vorräte bald zur Neige gingen. Daher musste ich bald wieder auf die Jagd. Ob Ophelia mitkommen wollte?
Wir hatten diesen Wald komplett für uns. Er lag zwar auf der Erde, doch trotzdem gehörte er meinem Bruder. Als Magier aus Mana verbrachte er nicht viel Zeit hier. Auf der Erde nutzte er sowieso eine falsche Identität, da es hier keine Magie gab. Daher konnte ich mich hier auch frei am Wild bedienen und musste mich niemanden verantworten.
Trotzdem hielt ich mich an die Schonzeit und holte die Vorräte aus anderen Quellen, wenn es nötig wurde.
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