Kapitel 6
Es war erst der erste Schultag und ich hatte schon jetzt die Schnauzevoll. Wären wir doch lieber weggeblieben!
Nach dem Unterricht hatten wir erneut eine Strafarbeit aufgebrummtbekommen. Büchereinräumen in der Bibliothek.
Noch einmal würde ich das nicht mit mir machen lassen! Dafür würdedieser kleine Scheißer büßen, denn er war komplett ohne Ärgerdavongekommen.
Mit einem Stapel Bücher – die ich alle einsortieren sollte –lief ich an einem Fenster vorbei und blieb kurz stehen.
Draußen war herrliches Wetter und die Sonne lachte. Am liebstenhätte ich meine Zeit beim Drachenreiten verbracht, doch das würdewarten. Trotzdem gönnte ich mir einen Moment und ließ meinen Blicküber das Schulgelände wandern.
Überrascht trat ich näher an das Fenster heran, um zu sehen, ob ichmich nicht täuschte und da Amka an einer Wand stand.
Tatsächlich, es war sie, aber was tat sie da? Es sah aus, als würdesie mit ihrem Schatten sprechen und dabei wild gestikulieren.
Versuchte sie für irgendwas zu üben? Vielleicht für die mündlichenPrüfungen? Hatten wir so was überhaupt?
„Du stehst ja schon wieder faul herum", erklang eine Stimme, diemich leise knurren ließ. Ich kannte diese Stimme und war daher nichtüberrascht Leon zu sehen. Warum war er hier? Beobachtete er mich, ummir erneut mein Leben schwer zu machen?
„Was willst du?", fauchte ich ihn an. Er ging mir auf die Nervenund seine bloße Anwesenheit machte mich wütend.
Leon lachte lediglich und winkte ab. „Mir ein Buch ausleihen",sagte er und musterte den Stapel Bücher, den ich auf meinen Armenhatte.
Ich ahnte schlimmes, denn er suchte bereits mit seinem Fingern dieTitel ab.
Kurz verspürte ich das Bedürfnis, ihm einfach die Bücherentgegenzukippen und so zu tun, als wäre es ein Unfall, doch dieVorstellung, dass dabei Bücher in Mitleidenschaft gezogen wurden,hielt mich davon ab.
Es fiel mir schwer Bücher schlecht zu pflegen, weshalb ich einfachstillhielt.
„Ah, da ist es ja", sagte er und zog – wie ich erwartet hatte –einfach ein Buch aus der Mitte heraus. Sofort nutzte ich Magie, umdie restlichen Bücher zu stabilisieren, wofür ich einen beleidigtenGesichtsausdruck erhielt. Scheinbar hatte er sich etwas anderesgewünscht, doch ich würde mich nicht von ihm ärgern lassen! Nichtschon wieder.
Erleichtert sah ich zu, wie Leon die Schultern senkte und sichabwandte. Hoffentlich fand er jemand anderen zum Ärgern!
Daher machte ich mich auf den Weg, um die Bücher wegzuräumen. Dazumusste ich reicht weit nach hinten in der Bibliothek und blieb ab undan stehen, um ein Buch ins Regal einzuräumen, als ich jemanden rechtlaut sprechen hörte. In einer Sprache, die mir nicht bekannt war.
Überrascht, dass die Magie sie nicht übersetzte, blieb ich stehenund suchte nach dem Ursprung. Dabei spürte ich ein sanftes Kribbelnim Nacken, welches mir die Nackenhaare aufstellen ließ. Was war das?Magie? Sie war dunkel und kalt.
Ich atmete leise aus und bemerkte, dass mein Atem gefror und einkleines, weißes Wölkchen bildete.
Das ließ mich schlucken, während ich mich umsah. Ich war in einemBereich voll Bücher, die nicht gerade für die jüngeren Schülergedacht waren. Daher war ich auch überrascht einen Jungen aus demersten Jahrgang zu sehen. Er hatte ein Buch aufgeschlagen, blickteaber immer wieder zur Seite, als würde er mit jemanden sprechen. Waser sagte, verstand ich jedoch nicht. „Entschuldigung, dieseAbteilung darf man nur mit Genemigung betreten", grüßte ich,woraufhin er auf zuckte, das Buch fallenließ und wegrannte.
Ich hob meine Augenbraue und sah ihm hinterher. Seltsamer Junge.
Sofort hockte ich mich hin, um mir das Buch zu betrachten. EineAbhandlung über magische Artefakte. Warum hatte er sich so wasangesehen?
Kopfschüttelnd stellte ich das Buch zurück. Vermutlich hatte ernicht gewusst, dass er nicht hier sein durfte. Sollte ich ihn deshalbmelden? Ich entschied mich dagegen. Hoffentlich machte er es nichtwieder.
Ich lief weiter, um endlich die Bücher einzuräumen, als ich eskrachen hörte. Staub wurde aufgewirbelt und drang selbst zu mir vor.In dem Gewirr aus Regalen erkannte ich, dass eines begann zuschwanken. Es kippte, was mich dazu veranlasste, die Bücherfallenzulassen und das Regal, gegen welches das andere kippte,festzuhalten, damit es nicht umfiel.
Ich ließ meine Magie über das alte Holz wandern, sodass ich dasandere – umgekippte Regal – erreichte und wieder aufrichtenkonnte.
Jemand fluchte leise und hustete dann. Ich brauchte nicht lange, umdie Art zu erkennen. Ophelia!
Leise fluchend ließ ich die Regale mit Magie in ihreAusgangsposition zurückwandern, bevor ich losließ und zur Quelledes Problems lief.
Ophelia saß am Boden und war komplett mit Staub bedeckt. Leon standin der Nähe und lachte erheitert, zog sich aber sofort zurück, alser mich sah.
„Ist mir dir alles in Ordnung?", fragte ich besorgt und halfOphelia dabei, aufzustehen.
„Schon, ja", murmelte sie, sah aber irgendwie benommen aus.Trotzdem erhob sie sich langsam. Ihre Beine waren wackelig, doch dasschien zum Glück nur der Schreck gewesen zu sein.
Ich ließ meinen Blick über sie wandern, konnte aber keineVerletzungen sehen. Nur Dreck. Ziemlich viel.
„Wie bist du so dreckig geworden?", fragte ich skeptisch. Hierwar nichts verstaubt, daher konnte es nicht einfach so passiert sein.
„Keine Ahnung. Ich habe ein Buch ins Regal gestellt und plötzlichkam der Staub von oben", sagte sie und blickte hoch an die Decke.Der Staub rieselte von ihren Haaren und ließ mich niesen.
Ophelia wollte gerade etwas sagen, als auch sie niesen musste. Dabeischwankte sie etwas und krachte gegen das Regal. Sofort kam von obenwieder Staub hinab gerieselt. Ich verstand sofort, dass es sich umeinen Zauber handelte.
Dieser blöde Leon. „Gehen wir uns waschen", murmelte ich undwischte mir den Staub aus dem Gesicht. Es half leider nichtsonderlich viel.
„Ist besser", murmelte Ophelia mit rauer Stimme, bevor sie leisehustete.
Ich legte ihre einen Arm um und führte sie hinaus aus derBibliothek. Vielleicht sollten wir zu dem kleinen Brunnen gehen underst einmal das Grobe abwaschen, bevor wir den Staub überallverteilten.
Wir liefen gerade am Gebäude mit der Bibliothek entlang, als es überuns klirrte.
Ich hob meinen Blick und erkannte, wie einer der alten Holzstühlezum Fenster hinausgefallen kam. Er riss das Fensterglas mit, das inSplittern hinabfiel.
„Pass auf", sagte ich und zog Ophelia zur Seite, während ich siemit meinem Arm und Magie vor dem Glas schützte.
Was war denn da auf einmal los? Warum warf jemand Möbel aus derBibliothek?
Der Stuhl krachte in unserer Nähe zu Boden und zersplitterte.„Verdammt", zischte ich und zog Ophelia weiter, da ich aus demAugenwinkel sah, dass noch etwas herunterfiel.
Erneut krachte es, doch das Geräusch war seltsam. Plötzlich schrieOphelia hysterisch auf, was mich dazu veranlasste, michherumzudrehen, um zu sehen, was gefallen war.
Mir stockte der Atem und ich brauchte einen Moment, um zu verstehen,was das war. In dieser Zeit riss sich Ophelia bereits von mir los undrannte auf den Körper zu. Sie sammelte bereits Magie in ihrenFingern und legte sie auf den Rücken.
Ich schwankte kurz auf sie zu, bevor ich meine Schritte verfestigteund sie wegzog. „Ich muss ihm helfen", rief sie panisch, doch ichzog sie weiter weg.
„Es ist schon zu spät", sagte ich entschuldigend, denn diePerson war direkt in die Splitter des Stuhles gefallen. Ein StückHolz ragte ihm aus der Kehle und sein Kopf war unschön platt.Außerdem war ein Arm und ein Bein verdreht. Bei dem anderen konnteman sogar den Knochen sehen.
Kein schöner Anblick und eindeutig rührte das nicht nur von demFenstersturz her.
„Ich muss ihm helfen", schrie Ophelia erneut und riss sich vonmir los, um auf den toten Körper zu zustolpern, bevor auch sie zurealisieren schien, dass es zu spät war.
Auf halbem Wege sackte sie auf die Knie und begann zu schreien.
Ich lief zu ihr und zog sie eng an mich, sodass sie den Toten nichtmehr sehen konnte. Für ihn kam jede Hilfe zu spät, das war mirklar. Trotzdem kamen die Lehrer auf uns zu und Drya untersuchte denToten, stellte jedoch auch nur fest, dass es zu spät war.
„Was ist passiert?", fragte Magister Revonius, der außer Atemklang. Ophelias Schreie waren zu einem Schluchzen geworden.
Ich schluckte leicht, um meine Stimme wiederzufinden. „Wir kamenaus der Bibliothek und ... plötzlich fiel der Stuhl. Dann ..." Ichkonnte nicht zu ende sprechen und zeigte nach oben auf das Fenster.
„Seid ihr verletzt?", fragte Magister Revonius, der uns eingängigmusterte. Ich schüttelte den Kopf und fragte, wie er auf die Ideekam, bevor mir auffiel, dass wir Blutspritzer abbekommen hatten.
„Nein. Wir sind nicht getroffen wurden", flüsterte ich mitbelegter Stimme. Was war passiert?
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