Kapitel 3
Der Zug hielt und Ophelia stieg aufgeregt aus. Ich folgte ihr langsam.
Wir befanden uns direkt auf der Brücke zu Mana Traeta. Das letzte Mal hatte man uns mit einer fliegenden Kutsche abgeholt, doch nun kamen wir von selbst. Dass es einmal soweit kommen würde, hatte ich nicht gedacht. Trotzdem freute ich mich irgendwie auf die Schule.
Vor uns bauten sich große Tore aus Kristallranken auf. Ich konnte hindurchsehen, doch die feinen Muster, welche die Kristallstangen bildeten, interessierten mich im Moment viel mehr.
Sicherlich würde sich das Tor gleich öffnen, weshalb ich mir die Zeit nahm, die Blumenornamente zu betrachten. Das Tor war ein Kunstwerk für sich und passte in seiner hellen Farbe sehr gut zu dem Gebäude.
„Müssen wir ... klingeln?", fragte Ophelia irgendwann.
Überrascht sah ich auf und blickte zu ihr. Ich war so im Betrachten des Tores versunken, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie lange wir hier eigentlich schon standen.
„Ich sehe nichts zum Klingeln", bemerkte Asara, die zwischen den Brückenseiten hin und her lief und nach etwas Hilfreichem suchte.
Das Tor befand sich nur auf der Brücke. Links und rechts gab es keine Absperrung, sodass ich kurz darüber nachdachte, ob man vielleicht an den Seiten vorbeiklettern konnte. Allerdings war das vermutlich zu gefährlich. Auch fliegen schloss ich aus. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es keinen Schutz gab.
„Gute Frage", erwiderte ich und schlug mit der flachen Hand gegen das Tor. Es gab zwar Geräusche von sich, doch diese waren recht leise.
„Sind wir vielleicht zu früh?", wollte Ophelia skeptisch wissen.
„Nein, glaube ich nicht. Ich verstehe generell nicht, warum das Tor zu ist", sagte ich und betrachtete das Schloss. Der Versuch einen Zauber zu nutzen, um es zu öffnen war groß. Allerdings wollte ich keine Kraft verschwenden und am Ende Ärger bekommen.
„Wie kommen wir denn jetzt auf die Schule?", fragte Ophelia, die mich ansah, als wüsste ich einen Ausweg. Allerdings stimmte das nicht. Ich war genauso überfordert wie sie, versuchte aber, es nicht zu zeigen.
„Eventuell gibt es Probleme. Wollen wir versuchen, uns hineinzuteleportieren?", fragte ich, wobei ich versuchte, selbstsicher zu klingen. Es wäre nicht ganz so schwer, uns einfach nur hinter das Tor zu bringen. Die Strecke war kurz genug, dass ich nicht so viel Magie verbrauchen musste.
Ich blickte auf das Armband, das Belal mir gegeben hatte. Es war gerade einmal rot. Das hieß, ich hatte noch nicht genug Magie gesammelt und war noch nicht völlig fit. Dann wäre es schwarz. So konnte ich immer sehen, wie viel Magie ich zur Verfügung hatte oder ob ich achtsamer sein musste.
Für einen derart leichten Zauber würde es jedoch ausreichen.
„Ich bin nicht so ganz damit einverstanden", bemerkte Achanox angespannt. „Es hat vermutlich seinen Grund, dass wir nicht hineinkönnen."
„Sollen wir jetzt einfach warten, oder wie?", fragte Ophelia verärgert. Ihr war anzusehen, dass sie gern weiterwollte. Vermutlich vermisste sie Amka und Iyas.
Daraufhin wusste Achanox nichts zu erwidern. Zumindest schwieg er.
Ich seufzte leise. „Tretet zusammen und nehmt euch bei den Händen", wies ich sie an. Dafür erhielt ich einen überraschten Blick von Asara, die nur zögerlich nach Achanox Hand griff. Dieser störte sich daran jedoch nicht und auch Ophelia griff nach der Hand der Dämonen. Sowohl sie als auch Achanox waren das Teleportieren durch mich gewohnt.
Schließlich griff ich auch nach ihren Händen und schloss meine Augen. Ich sammelte Magie um uns herum, die ich als sanften Windzugspüre. Dann konzentrierte ich mich darauf, das Bild des Platzes hinter dem Tor sehr deutlich vor meinem inneren Auge zu haben.
Die Magie wurde stärker und hüllte uns ein. Ich realisierte erst, dass etwas nicht stimmte, als ich die Kraft dahinter wahrnahm. Das war viel zu viel!
Obwohl ich versuchte, sie zu zügeln, brachte es nichts. Von außen half jemand nach und bevor ich die Teleportation abbrechen konnte, spürte ich das bekannte Ziehen. Dann gab es einen Ruck, bevor wir kurz schwerelos durch die Gegend trieben.
Mir drehte sich der Magen um, als mich Angst packte. Das war gar nicht gut!
Als ich meine Augen öffnete, um zu sehen, was los war, sah ich einen Wirbel aus Farben um uns herum. Wir wurden durchgeschüttelt und plötzlich krachten wir gegen ein Hindernis. Es knirschte, als Achanox sich zwischen mich und den Baum manövrierte. Asara gelang es, Ophelia abzufangen und so wurde keiner von uns ernsthaft verletzt.
Ich brauchte einen Moment, um mich zu fangen. „Jemand hat den Zauber manipuliert", brachte ich mühsam hervor. Ein kurzer Blick auf mein Armband zeigte mir, dass ich alle meine Magie verbraucht hatte.
Das erklärte auch, warum mir leicht schwummrig wurde und ich das Bedürfnis hatte, mich auf den beigefarbenen Boden zu setzen.
Das ließ mich stutzen und ich betrachtete das seltsame Gras. Ich ließ sogar meine Hand darüberfahren, um sicher zu gehen, dass es wirklich Gras war und ich mir das nicht nur einbildete. Es kitzelte auf meiner Hand. Ich spürte definitiv eine weiche Pflanze, doch es fühlte sich nicht so ganz an wie Gras.
„Wo sind wir hier?", fragte Ophelia, die sich etwas an Asara lehnte. Diese wirkte allerdings nicht, als wäre sie ganz da. Sie hatte die Augen zusammengekniffen und war ein bisschen grün im Gesicht. War sie noch nie teleportiert? Irgendwie tat sie mir ein wenig leid.
„Gute Frage", erwiderte ich und sah mich mit großen Augen um. „Vielleicht ...", setzte ich an, als über uns ein großer Schatten erschien. Wind wehte auf und wurde immer stärker, als ein riesiger Drache langsam in unserer Nähe zu Boden ging. Gras und Sträucher bogen sich, während sich Ophelia bei Asara festhielt, um nicht umgeworfen zu werden.
„Ich glaube, wir sind hier in Terra, der Welt der Drachen", stellte ich unnötigerweise fest. Da uns bereits ein Drache begrüßte, war es vermutlich auch den anderen klar.
Ophelia lugte hinter Asaras Körper hervor und betrachtete den Drachen neugierig. Dieser hatte seinen Blick auf uns gerichtet, als seine hallende, tief dröhnende Stimme erklang. „Was wollt ihr hier, Menschen."
„Bitte verzeiht die Störung", erwiderte ich und senkte leicht – als Begrüßung – meinen Kopf. „Wir sind nur aus Zufall hier gelandet. Unser eigentliches Ziel war die Mana Traeta", sagte ich. Warum ihm etwas vorlügen? Vielleicht wusste er ja, warum wir hier gelandet waren.
Der Drache schwieg und blickte mich lediglich an, als würde er auf irgendwas warten. Ich blickte kurz zu Achanox, der mich ratlos ansah.
Noch einmal schielte ich auf mein Armband. Es war fast komplett weiß. Damit würde ich uns definitiv nicht wieder zurückbringen können. Entweder wir warteten – und liefen Gefahr, noch einmal wo anders zu landen – oder wir fanden einen anderen Weg.
Weil das Schweigen anhielt, entschied ich mich dazu, es selbst noch einmal zu versuchen. „Gibt es hier ... jemanden, der uns helfen kann?", fragte ich vorsichtig. Vielleicht wusste er als Drache auch gar nicht, was genau ich gesagt hatte. Dass er überhaupt meine Sprache sprach, war sowieso ein Wunder.
Wenn ich mich richtig erinnerte, war Terra zwar die Heimat der Drachen, doch es gab einige Magier, die es hierhergezogen hatte. Einige studierten die Drachen, andere züchteten sie. Ronin hatte in dieser Art etwas erzählt.
Kurz erwartete ich, dass der Drachen wieder schwieg, doch ein leises Brummen kam aus seiner Kehle. „Hier entlang", sagte er nicht begeistert und wandte sich um. Dabei schlug er fast mit dem Schwanz nach Ophelia, doch Achanox zog sie rechtzeitig weg.
Ich seufzte erleichtert. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieser Drache nicht sonderlich gastfreundlich war. Aber was erwartete ich auch? Vermutlich waren wir direkt in sein Revier eingedrungen.
Achanox blieb bei Ophelia, als ich mich entschied dem Drachen zu folgen. Eine andere Wahl hatte ich auch nicht. Hier waren wir mitten im Nirgendwo. Soweit ich schauen konnte, gab es nur dieses seltsame Gras. Obwohl ich weit in der Ferne Berge und auch einen Wald entdeckte, glaubte ich nicht, dass es auf Terra ganze Siedlungen gab. Daher wäre es schwer auf Magier zu treffen, wenn uns niemand führte.
Gemeinsam stapften wir über die Wiese, wobei es deutlich wurde, dass dem Drachen das Laufen nicht so lag. Er bewegte sich schwerfällig und langsam voran. Jeder Schritt hinterließ tiefe Spuren in der weichen, fruchtbaren Erde.
Wir gingen vorbei an Büschen voller Beeren und einigen anderen Pflanzen, die hier alle wild auf der Wiese wuchsen. Darunter einige essbare und einige, die ich nicht einordnen konnte. Daher hielt ich mich auch von ihnen fern, obwohl ich Hunger verspürte. Was normal war. Ich hatte meine Magie völlig für den Zauber verbraucht und mein Körper wollte sich stärken. Das ging am besten mit einem guten, reichlichen Essen.
Er führte uns zu einem Hügel. Zuerst verstand ich nicht genau warum, doch dann erkannte ich, dass die Ansammlungen an Steinen, die hier standen, einen Eingang bildeten.
„Hier", brummte der Drache, der sich zu Boden legte und zusammenrollte. Sein Blick war jedoch direkt auf uns gerichtet, als würde er sichergehen wollen, dass wir nichts taten, was Probleme machte.
Ich wollte gerade auf das seltsame Steingebilde zugehen, als Ophelia mich am Oberteil packte, sodass ich mich zu ihr umwandte. „Was ist?", fragte ich leise, denn Ophelia wirkte blass.
„Das sieht nicht ... ungefährlich aus", bemerkte sie zögerlich.
Ich versteifte mich ein wenig. Das war nicht gut. Wenn Ophelia das bemerkte, dann musste etwas dran sein. Sie hatte ein sehr gutes Gespür für derartige Dinge. Vielleicht führte der Drache uns in eine Falle? Aber warum?
„Was denkst du, was nicht stimmt?", fragte ich zögerlich. Sollte ich es trotzdem wagen? Aber bei meiner Menge an Magie vielleicht nicht die beste Lösung.
„Ich werde hineingehen", sagte Achanox mit erhobenem Haupt. Er schien keine Widerrede zu dulden, da er bereits an mir vorbeiging.
Zögerlich wandte ich mich zu ihm um und beobachtete, wie er sich dem Steintor näherte.
Kurz überlegte ich, ob ich ihn aufhalten sollte, doch ich entschied mich dagegen. Achanox war ein mächtiger Dämon, der wusste, was er tat.
Als er eine Hand gegen den Steinbogen legte und in die dunkle Öffnung blicken wollte, zuckte er zurück, bevor er einem Messer auswich, das hinausgeschossen kam. Er drehte sich mit diesem mit und fing es auf, bevor er es zu uns vordringen konnte.
Wenn ich die Flugbahn richtig berechnete, dann hätte es mich direkt getroffen.
Also doch eine Falle?
„Was soll das?", fragte Achanox in die Höhle hinein. „Wir sind hier, weil wir jemanden suchen, der uns sagen kann, wie wir hier wieder wegkommen. Nicht, um Schwierigkeiten zu machen", brummte er verstimmt.
So, wie ich ihn kannte, würde er dem Messerwerfer vermutlich die Hölle heiß machen, sollte er es noch einmal versuchen.
Es kam noch ein Messer geflogen, das erneut von Achanox abgefangen wurde, bevor er fluchend eintrat.
Ich blieb mit Ophelia und Asara draußen, um zu warten. Mich einzumischen wäre nur unnötig. Achanox würde das schon machen und wenn ich ehrlich war, wollte ich mich ausruhen. Das letzte Schuljahr hatte mich ganz schön mitgenommen. So schwer war das Leben hier schon lange nicht mehr gewesen.
Vielleicht sollte ich mich mit Achanox für ein paar Tage zurückziehen, um mich auszuruhen.
Ich hörte Schritte und stellte mich vor Asara, die Ophelia schützte. Angespannt blickte ich zur Dunkelheit und versuchte, etwas zu erkennen. Allerdings gelang es mir nicht, bis ich Achanox erkannte. Dieser fuhr sich durch die Haare und trat brummend hervor. Er sah nicht verletzt oder erschöpft aus. Lediglich ein wenig Eis in seinen Haaren zeigte, dass er wohl mit jemanden aneinandergeraten war. „Blöder, alter Sack", grummelte er vor sich hin. „Der Zug hält bei den Bergen", sagte er seufzend.
Ich musterte ihn eingängig und hob meine Augenbraue. „Was war los?", wollte ich wissen.
Achanox schickte mir die Bilder eines alten Mannes, der im Bett lag und versuchte mit Messern die Tür zu treffen, um den fremden Besuch loszuwerden. Die meisten der Messer waren jedoch in der Erdwand gelandet.
Ein leises Lachen verließ meine Lippen. „Der Arme", sagte ich, was Achanox die Augen verdrehen ließ.
„Was ist?", wollte Ophelia wissen, die sich hinter Asara hervortraute.
„Ein alter, verbitterter Mann", bemerkte Achanox, der uns ein Stück von dem Erdhügel wegscheuchte.
Ich blickte noch einmal zum Steintor, bevor ich mich an den Drachen wandte und leicht verneigte. „Danke für deine Hilfe", sagte ich, was den Drachen nur schnauben ließ.
Der rauchige Wind blies mir ins Gesicht und die Haare aus der Stirn.
Ich nahm das als Zeichen, dass wir gehen sollten. Vermutlich war der Magier kurz davor, zu sterben und der Drache bewachte ihn in seinem Grab. Das würde auch erklären, warum er allein sein wollte.
„Finden wir denn die Haltestelle?", fragte Asara zögerlich. „Der Zug hält bei den Bergen ist nicht gerade eine sehr genaue Anweisung", fügte sie hinzu. Noch immer war sie sehr vorsichtig und unentschlossen. Es machte sie sehr niedlich, doch ich wünschte mir, dass sie etwas mehr für sich und vor allem Ophelia einstehen würde.
„Keine Sorge. Er hat mir das Bild übermittelt und auch den Weg", versicherte Achanox abwinkend und schlenderte los. Er wirkte überrascht entspannt – jetzt, wo wir uns von dem Erdhügel entfernten. Das passte nicht so ganz zu ihm, war ich mir doch ziemlich sicher, dass er vorgehabt hatte, einen Streit anzufangen.
Ich ließ mich daran allerdings nicht stören. Es war sicher gut, wenn ich mit Ophelia die Ruhe genießen konnte.
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