Kapitel 18 - Buffet mit Kuchen
Er konnte gar nicht genug bekommen von Sylvias Lippen, von ihrem Geschmack, der wie süßer Honig auf seiner Zunge zerfloss. Ihr Körper schmiegte sich absolut perfekt an seinen. Und erst ihr Geruch! So süß und betörend wie Maiglöckchen hüllte er seine Sinne ein. Wenn er sich jetzt nicht rasch einbremste, würde ihn seine rasant in ihm aufsteigende Lust womöglich dazu treiben, zu weit zu gehen. Das konnte er auf keinen Fall zulassen, denn er wollte nicht, dass Sylvia einen falschen Eindruck von ihm gewann.
Er wollte ihr seine Zuneigung zeigen, wollte ihr deutlich machen, dass er sie begehrte, aber nach ihrer Enttäuschung mit Edgar wäre es wohl nicht ratsam, mit der Tür ins Haus zu fallen, und sie sofort mit dem Wunsch nach mehr Intimität zu bedrängen. Er konnte sie ja nicht gut einfach hier auf der Picknickdecke nehmen, auch wenn der Gedanke ihm schon durch den Kopf geschossen war. Er musste es langsam angehen, wenn er bei ihr Erfolg haben wollte. Kleine Schritte, die, wenn er es geschickt anlegte, auch zum Ziel führen würden. Er würde sie umwerben, ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen, ihr die Welt zu Füßen legen.
All das schwirrte ihm durch den Kopf während er sie in seinen Armen hielt, ihre weichen Brüste an seine harte Brust gedrückt. Ihre Finger in seinen Haaren und die einladende Wärme ihres Mundes entlockten ihm wohlige Schauer und es wurde bedenklich eng in seiner Hose, wenn er sich vorstellte, was ihr Mund und ihre Finger sonst noch alles mit seinem Körper anstellen könnten.
Schluss jetzt, Armand! Zieh die Notbremse bevor dein Schwanz noch die Führung übernimmt und das Ganze zum Entgleisen bringt.
„Sylvia", sagte er mit heiserer Stimme, als er sich dazu zwang, seinen Mund von ihrem zu lösen, auch wenn jede Faser seines Körpers dagegen zu rebellieren schien. Fasziniert blickte er in ihr Gesicht, das ihm in diesem Zustand der kompletten Hingabe noch hübscher vorkam. Sie hatte ihre Augen immer noch geschlossen, als hätte sie noch nicht bemerkt, dass er sie gar nicht mehr küsste. Ihre Augenbrauen waren leicht zusammengezogen und ihre Stirn in Falten gelegt. In dem durch die Zweige gedämpften Sonnenlicht wirkten ihre Sommersprossen wie kleine goldene Farbtupfer. Als er vorsichtig mit seinem Finger über ihren Nasenrücken strich, kräuselte sich ihre Nase und sie schlug plötzlich ihre Augen auf und sah ihn verwirrt an.
„W—warum hörst du auf?" Sie blinzelte als sie merkte, dass er sie unverwandt ansah, anstatt sie zu küssen.
„Ich möchte nicht, dass du denkst, ich würde zu weit gehen." Er versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen, genauso wie das verräterische Teil in seiner Hose, das geradezu danach lechzte, sich in Sylvias weichem und warmem Körper zu begraben.
„Aber wir küssen doch nur." Sie setzte sich etwas gerader hin und ein plötzlicher Schatten legte sich über ihr Gesicht. „Oder gefällt es dir nicht? Ich bin vielleicht nicht so geübt, wie —"
„Nein, wie um alles in der Welt kommst du denn auf einen solchen abstrusen Gedanken?", unterbrach er sie, bevor sie den Satz zu Ende sagen konnte. „Natürlich gefällt es mir, dich zu küssen, sehr sogar." Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und blickte ihr direkt in die Augen. „Das ist ja das Problem, es gefällt mir zu gut, aber ich glaube, wir sollten nichts überstürzen. Ich möchte nicht, dass du dich von mir zu irgendetwas gedrängt fühlst, was du nicht machen möchtest."
„Oh, das ist sehr umsichtig und rücksichtsvoll von dir." Röte stieg ihr in die Wangen und plötzlich senkte sie ihren Blick. „Ich bin es nicht gewohnt, dass jemand so ... so um mein Wohl bedacht ist."
Wut kochte in ihm hoch, Wut auf den Mann, der auf Sylvias Gefühlen viel zu lange ungestraft herumgetrampelt war.
„Sylvia, du verdienst es, mit Umsicht und Respekt behandelt zu werden, das ist wohl das Mindeste und sollte eigentlich selbstverständlich sein." Er hatte einen solchen Hass auf Edgar, dass er froh war, nicht in dessen Nähe zu sein, denn er könnte sonst wohl für nichts garantieren.
„Leider sind nicht alle Menschen so nett wie du." Sie seufzte und es wäre ihm fast entfahren, dass er ja auch kein Mensch sei, aber er konnte die Worte gerade noch zurückhalten.
Das war ein Thema, von dem er noch keine Ahnung hatte, wie er es ihr beibringen sollte. Auch wenn seine Tage als Unsterblicher gezählt waren, so würde er doch irgendwann mit der Wahrheit über seine Person rausrücken müssen, besonders wenn er ihr mühsam gewonnenes Vertrauen nicht aufs Spiel setzen wollte. Er hatte nämlich das untrügliche Gefühl, dass sie es nicht schätzen würde, wenn sie plötzlich herausfinden würde, dass er ihr einen so wichtigen Teil seines Lebens vorenthalten hatte. Von der Wahrheit über Natalia mal ganz zu schweigen. Er konnte nur hoffen, dass sich seine sogenannte „Cousine" nicht mehr weiter in sein zukünftiges Leben einmischen würde.
Ein plötzliches zischendes Geräusch aus der Luft ließ ihn aufhorchen. Das hörte sich irgendwie an wie — nein das konnte nicht sein. Wieso sollte jemand hier herkommen? Das Haus war doch offensichtlich als besetzt registriert. Mehrere rasch aufeinander folgende Zischgeräusche machten nun auch Sylvia offensichtlich nervös.
Scheiße, das kann nur eines bedeuten. Wir haben Besuch.
„Was war denn das? Hast du das auch gehört?" Sie lugte durch die Zweige der Trauerweide und wandte sich dann wieder ihm zu.
Es schien, dass ihm seine Entscheidung was die Enthüllung seiner Geheimnisse anbetraf, gerade abgenommen worden war.
Er presste seine Lippen aufeinander und nickte langsam. „Wie es scheint, wirst du meine Familie früher als geplant kennenlernen."
Sie zog ihre Augenbrauen zusammen. „Deine Familie? Wie reist denn die an, dass sie solche Geräusche macht?"
Ach, die fliegen mit Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum, das ist alles.
Das sagte er natürlich nicht, sondern er versuchte es möglichst elegant zu umschreiben. „Die haben eine sehr eigenwillige Art und Weise sich fortzubewegen. Wir sollten besser zum Haus gehen, bevor sie noch alles auf den Kopf stellen."
Sylvias Miene verdunkelte sich. „Sind die denn auf der Suche nach dir?"
„Möglicherweise." Er erhob sich von der Decke und bot ihr seine Hand an.
„Hast du denn was angestellt?" Sie nahm seine Hand und blickte ihn ziemlich besorgt an.
„Nicht direkt."
„Was soll das heißen?" Nun versuchte sie ihre Hand wegzuziehen, doch er hielt sie fest.
„Es ist nicht so wie du denkst, aber muss dich warnen, meine Familie ist sehr speziell, nicht wie andere Menschen."
Mist, wie sollte er sie denn darauf vorbereiten, dass sie möglicherweise gleich ein paar Göttern gegenüberstehen würde?
„Wie meinst du das? Seid ihr Vampire oder was?" Sie lachte, aber es schien ihr im Hals steckenzubleiben.
„Nein, das sind wir nicht, aber wir sind trotzdem anders."
Plötzlich starrte sie ihn mit offenem Mund und aufgerissenen Augen an. „Das Licht auf deiner Brust und Natalias rotes Glühen! Die roten Augen! Das ... das ..." Sie entriss sich seiner Hand und trat einen Schritt zurück. „W—was bist du denn?"
Er wollte zu ihr hingehen und sie in seine Arme schließen, ihr sagen, dass es doch vollkommen egal war, was er war. Doch sie hob abwehrend ihre Hände, so blieb er stehen und sah sie nur an.
„Ich bin —"
„Armand? Wo steckst du denn, Mann? Bist du nicht schon zu alt zum Verstecken spielen?"
Bevor er noch irgendetwas sagen konnte, schob Tarkov schon die Zweige der Trauerweide zur Seite und stapfte auf sie beide zu. „Hey, ich hab ihn gefunden!", rief er über seine Schulter in den Garten. „Hab ichs doch gewusst, dass du dich hier verstecken würdest an deinem Lieblingsplätzchen." Dann fiel Tarkovs Blick auf Sylvia, die ihn mit einer Mischung aus Schock und Neugierde anstarrte. „Oh, und da ist ja auch deine kleine Menschenfreundin." Er wackelte mit den Augenbrauen. „Natalia hat mir schon eine Menge von ihr erzählt."
Na bestens!
„Tark, ich hab keine Ahnung was du hier machst, aber ihr zieht besser mal wieder alle ab. Ich bin hier beschäftigt, wie du siehst." Er hob eine warnende Augenbraue. „Du störst."
„Hey, Alter, nun sei aber mal nicht so unfreundlich. Du hast mich der Kleinen ja noch nicht mal vorgestellt."
Sylvia sah nicht so aus, als würde sie in Begeisterungsstürme ausbrechen ob der Aussicht, Bekanntschaft mit Tarkov machen zu können. Trotzdem würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, noch dazu wo er schon die anderen herannahen hörte.
„Sylvia, das ist Tarkov, Tarkov, das ist Sylvia."
„Hallo", hauchte Sylvia und zu seiner Überraschung streckte sie Tarkov ihre Hand, wenn auch sehr zögerlich, entgegen.
Er nahm sie mit seinen Bärentatzen entgegen und schüttelte sie heftig, während Sylvia ihn immer noch mit riesigen Augen anstarrte. „Freut mich sehr, dich kennenzulernen. Du kannst mich übrigens Tark nennen, gehörst ja jetzt quasi zur Familie, auch wenn Armand sich von uns absetzen will."
„Von euch absetzen will?" Sie blickte verwirrt zwischen ihm und Tarkov hin und her, doch dann tauchten hinter Tarkov schon Maurizio und Esteban auf, Natalia in der Mitte der beiden.
„Tut mir leid, Armand", trillerte sie. „Ich wollte sie aufhalten, aber als sich die Nachricht verbreitete, dass du wortlos aus Wolkenstand abgehauen bist, war da nichts mehr zu machen."
„Wolkenstadt? Wo genau liegt denn das?" Sylvia starrte von einem zum anderen und Armand konnte ihre aufsteigende Panik förmlich fühlen. „W—wer seid ihr denn alle?"
„Hast du ihr denn nichts von uns erzählt?", ergriff nun Esteban das Wort. Seine dunkle samtene Stimme klang wie immer in Worte gekleideter Sex.
Wenigstens hatte er heute seine Ketten und Peitschen nicht mitgebracht und war auch in einem für ihn normalen Outfit erschienen. Trotzdem war wohl der schwarze Lederoverall mit Ziernieten und die passende Lederkappe für Sylvia ziemlich gewöhnungsbedürftig, denn sie schielte ihn unsicher an, während seine nachtschwarzen Augen ihren Körper aufmerksam betrachteten. Zu aufmerksam für seinen Geschmack.
Armands Augen verengten sich zu Schlitzen.
Oh nein, Esteban, denk nicht mal im Traum daran. Sylvia wird garantiert nicht Teil deiner Sammlung an irdischen Gespielinnen.
„Ich hatte noch keine Zeit. Ich bin ja noch nicht wirklich lange hier und dann taucht ihr hier aus heiterem Himmel auf." Er wandte sich an Natalia. „Ihr könnt doch auch nicht einfach alle so abrauschen. Was sagt denn Mr. Z dazu?"
„Mr. Z mag vielleicht auszucken, wenn du dich davon stiehlst", sagte Maurizio, der wie immer mit seiner strahlend weißen Kochschürze aufgetaucht war und seinen beeindruckenden schwarzen Schnauzbart zwirbelte, „aber wenn wir alle so eine kleine Rebellion hinlegen, sind ihm wohl die Hände gebunden, außer er will uns alle absetzen, aber dann muss er eine Menge neuer Götter einsetzen. Dazu ist er ganz sicher zu faul. Außerdem würde er sonst meinen 1A Lieferservice vermissen." Maurizio strahlte ihn stolz an, als hätte er ihm gerade ein geniales neues Rezept dargelegt.
„G— Götter?" Sylvias Augen weiteten sich immer mehr und dann schienen plötzlich ihre Knie nachzugeben. Armand konnte gerade noch rechtzeitig zu ihr hinübertauchen und seinen Arm um ihre Taille schlingen, bevor sie an seiner Brust zusammensackte.
Maurizio zog seine buschigen schwarzen Augenbrauen zusammen. „Habe ich etwas Falsches gesagt?"
Armand seufzte, während er Sylvia mit beiden Armen aufrecht hielt. Sie schwankte immer noch bedenklich und murmelte unverständliche Worte in sein T-Shirt. „Nein, nicht wirklich, außer dass Sylvia nichts über uns Götter wusste, bis jetzt." Er strich langsam über ihr Haar und hielt sie eng an sich gepresst. Er spürte wie ihr Herz in rasendem Galopp dahinjagte.
„Oh", sagte Maurizio und kratzte sich verlegen am Nacken, während seine runden Backen so rot wie Cocktailtomaten wurden. „Dann wäre das wohl jetzt raus, das Geheimnis. Ich dachte nur, weil du ja jetzt hier auf der Erde bleiben willst, dass du deiner Auserwählten schon die Wahrheit anvertraut hättest."
„Jetzt wo die Katze endlich aus dem Sack ist, können wir doch schon mal alles für die Abschiedsfeier vorbereiten, oder Jungs?", mischte sich Natalia ein. Sie strahlte in die Runde, hakte sich bei Esteban und Maurizio unter.
„Abschiedsfeier?" Das klang ganz danach als würden noch mehr Probleme auf ihn zukommen.
„Ja, klar. Oder hast du gedacht, du kannst dich so einfach davonschleichen, ohne dich richtig zu verabschieden?" Tarkov klopfte ihm auf die Schulter. „Maurizio hat sich selbst übertroffen mit seinem Buffet mit Kuchen."
„Armand", murmelte Sylvia in sein T-Shirt, „ich ... ich glaube, ich muss mich kurz hinsetzen." Sie hatte ihre Arme um seine Taille geschlungen und warf ihm einen Blick zu, den er nicht zu deuten wusste, der ihn aber in eine innerliche Unruhe stürzte.
„Vielleicht braucht dein Mädchen etwas zum Essen. Sie sieht ziemlich blass aus", bemerkte Maurizio.
„Oder ein wenig guten Sex", schlug Esteban vor. „Hast du es damit schon versucht, Armand? Ich könnte sonst gerne —"
„Du wirst nichts dergleichen denken oder machen!", schnauzte ihn Armand an und zog Sylvia fester an sich ran. „Sylvia ist nicht eines deiner Sexperimente."
„Kommt schon, lasst ihn doch in Ruhe." Natalia begann Esteban und Maurizio in Richtung Haus zu dirigieren und bedeutete Tarkov ihnen zu folgen. „Wir bereiten erstmal alles vor und dann sollen die zwei nachkommen, wenn Sylvia bereit dazu ist." Sie schenkte ihm ein Lächeln.
„Danke. Gebt uns ein paar Minuten." Armand nickte kurz, aber ein Lächeln kam ihm nicht über die Lippen.
Unter lärmendem Gerede zogen seine Götter-Kollegen in Richtung Haus ab und dann war er wieder mit Sylvia allein.
Er half ihr, sich auf die Picknickdecke zu setzen, auf die sie bereitwillig hinsank. Sie zog ihre Knie an, um die sie dann beide Arme schlang und starrte regungslos geradeaus. Er nahm neben ihr Platz, doch die Verbundenheit, die er noch vor wenigen Minuten während ihres Kusses empfunden hatte, schien plötzlich wie weggeblasen. Was, wenn sie nun nichts mehr von ihm wissen wollte? Was, wenn er ihr Herz für immer verloren hatte? Eine schwarze Wolke der Verzweiflung legte sich um ihn und mit jeder Sekunde, die Sylvia ihn anschwieg, zog sich das eiserne Band um seine Brust enger zusammen.
So hatte er sich das nicht vorgestellt. Nun war er nicht nur ein Liebesgott ohne Job, sondern womöglich auch ohne Liebe.
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