Kapitel 1 - Himmel und Erde
„Nimmt das denn nie ein Ende?", maulte Armand, als er auf sein Handy schielte. Ein nervtötender Ping nach dem anderen machte ihm ohne Zweifel klar, dass sein Feierabend noch lange nicht in Sicht war.
„Habt ihr denn immer noch nicht genug von der Liebe?" Frustriert, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und nippte an seinem Espresso. Der wievielte das heute schon war, wusste er nicht mehr so genau; den vielen leeren Tassen, die sich auf seinem Tisch stapelten, nach zu schließen, möglicherweise schon zu viele. Obwohl ihm eine Überdosis an Koffein nicht mal ein leises Herzflattern verursachen würde. Einer der Vorteile, ein Gott mit Unsterblichkeitsstatus zu sein.
Noch ein Ping und dann noch einer.
Am liebsten würde er sich seine Ohren mit Musik zudröhnen, aber sein überirdisch tolles Gehör würde ihm da sicher auch wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Probiert hätte er es schon, und es hatte genau nichts gebracht. Nachdem auch in der Zentrale von Wolken der Liebe die neueste Technik Einzug gehalten hatte, gab es von den dauernden Liebeswünschen der Menschen kein Entkommen mehr.
Armands Finger tippten einen ungeduldigen Rhythmus auf der blank polierten Marmortischplatte, während er missmutig aus dem überdimensionierten Panoramafenster starrte. Die gleißenden Sonnenstrahlen, die sich jeden Tag penetrant am Himmel zeigten, obwohl es unten auf der Erde schon längst Zeit für die kühlen Abendstunden war, besserten seine miese Laune um keinen Deut.
Ein Liebesgott mit Sitz hoch über den Wolken zu sein, war nach siebentausend Jahren alles andere als eine reizvolle Angelegenheit. Okay, abgesehen von dem unbegrenzten Kaffeegenuss und anderen Annehmlichkeiten, wie kein Deodorant oder kein Fitnessstudio zu benötigen. Immer umwerfend auszusehen und betörend zu riechen, ohne dafür einen einzigen Finger krumm machen zu müssen, war definitiv keine schlechte Sache. Das musste er schon zugeben.
Trotzdem hatte er des Öfteren nicht wenig Lust, alles hinzuschmeißen und sich wortwörtlich über die Wolkenberge zu machen. Diese Faxen hatte ihm sein Chef jedoch schon gründlich ausgetrieben. Als Liebesgott konnte er nicht einfach kündigen und sich einen anderen Job suchen. Erst wenn er seinen anberaumten Zeitraum von mindestens zehn Millennia abgesessen hätte, oder es einen würdigen Nachfolger gäbe, dann könne Armand sich seiner Pflichten entledigen.
Die Suche nach einem Nachfolger dauerte jetzt schon gut ein paar Jahrhunderte an und anscheinend gab es keinen, der seinem Chef in den Kram passte, also saß Armand fest, ob er nun wollte oder nicht. Einfach weglaufen konnte er auch nicht, nicht wenn er seinen Status als Unsterblicher behalten wollte. Das war etwas, worin er sich ganz und gar sicher war.
So wie die Menschen wollte er garantiert nicht leben. Niemals.
Er würde sicher nicht anfangen auf seine alten Göttertage noch sein im Überfluss vorhandenes Geld für Deo und Klopapier und solch unnützes menschliches Zeug auszugeben. Da blieb er lieber noch ein paar tausend Jahre in seinem Wolkenbüro und langweilte sich weiter mit den ewig gleichen Liebesproblemen der Sterblichen.
Armand fuhr sich mit beiden Händen durch seine ästhetisch verwuschelten braunen Haare, auf die er genauso stolz war wie seine azurblauen Augen, und stieß einen Seufzer aus.
„Na dann, hilft ja doch alles nichts. Mal sehen, was heute noch so auf der Wunschliste der kleinen Dummköpfe da unten steht." Er kippte den Rest seines kalten Kaffees hinunter und wandte sich immer noch recht widerwillig seinem himmlischen Smartphone zu, auf dessen Display die einzelnen Bittgesuche wie Blätter im Herbstwind eintrudelten. Vielleicht war ja ausnahmsweise mal was Interessantes dabei. Allzu große Hoffnungen machte er sich allerdings nicht, denn einer Sache über die Menschen war er sich sicher, nämlich dass sie so ziemlich alle durchgehend einfallslos und schrecklich vorhersehbar waren.
„Nicht jetzt." Sylvia zog entnervt die Decke bis ans Kinn. „Ich hab wirklich keine Lust." Sie konnte kaum noch ihre Augen offenhalten und die Blasen an ihren Füßen brannten wie die Hölle. Diese neuen Schuhe, die ihr Edgar geschenkt hatte, waren definitiv eine Fehlinvestition, egal wie toll sie in der Auslage ausgesehen hatten. Morgen würde sie wieder ihre guten alten Turnschuhe nehmen. Stand ja nichts im Regelwerk für Lehrende an der Uni, dass elegantes Schuhwerk Pflicht wäre. Es gab nichts Schlimmeres als mit schmerzenden Füßen nach einem langen Arbeitstag im Hörsaal noch eine extra Schicht im Lager vom Supermarkt einlegen zu müssen. Und überhaupt, hohe Absätze gehörten definitiv in die Kategorie der Folterinstrumente, egal wie sexy Edgar sie an ihren Füßen fand.
Doch an Schlaf war jetzt nicht zu denken.
„Komm schon, jetzt stell dich nicht so an", bedrängte Edgar sie. Er lag hinter ihr im Bett, sein Bauch an ihrem Rücken, und hielt mit seinen Händen ihre Hüften wie einen Schraubstock umklammert. Egal wie weit Sylvia sich wegschob, oder wie steif sie ihren Körper machte, er presste sich ständig näher an sie ran.
Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Das Schlimmste war, dass er es wieder schaffen würde, sie zu überreden, mit Worten, Gesten und seinen unverschämt talentierten Händen. Und morgen früh würde sich Sylvia wieder dafür hassen, dass sie ihm nicht mehr Widerstand entgegengesetzt hatte, es ihm einfach mal wieder zu leicht gemacht hatte. Dass ihr Körper sie verraten hatte.
Wie oft hatte sie schon versucht, mit Edgar Schluss zu machen, aber jedes Mal hatte er sie wieder zurückerobert mit teuren Geschenken und wortreichen Liebesbeteuerungen. Nach jedem Fehltritt stand er wieder auf ihrer Matte mit unwiderstehlichem Schmachtblick, angeblich, um nun für immer zu bleiben. Keine andere Frau würde er je wieder ansehen. Doch das Schauspiel wiederholte sich mit leichten Variationen jedes Mal aufs Neue. Die sogenannten Variationen waren meist braun- oder rothaarig, nur selten blond wie Sylvia.
Sie verachtete sich selbst dafür, dass sie jedes Mal wieder seinem Charme und seinem attraktiven Aussehen erlag; dass ihr Herz immer wieder weich wurde, wenn er sie mit materiellen Gütern geradezu überschüttete, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Aber irgendwann, irgendwann, das hatte Sylvia sich geschworen, würde sie ihm endgültig den Laufpass geben. Würde sie ihm die ganzen Schuhe, Parfums und Designerstücke an den egoistischen Kopf werfen und ihn sitzen lassen. Sollte er doch sehen, wie er ohne sie klarkäme.
Sylvia presste ihre Lippen zusammen und versuchte Edgars forschende Hände zu ignorieren, indem sie sich weiter an den Traum einer Zukunft in Unabhängigkeit klammerte. Sie würde endlich aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen, auch wenn sie keinen blassen Schimmer hatte, wie sie das alleine finanzieren sollte. Ihr Anfangsgehalt als Uni-Assistentin war nicht gerade überwältigend und zusätzliche Überstunden im Supermarkt wären wohl auch nicht genug bei den derzeitigen Preisen am Wohnungsmarkt. Für ein paar Tage könnte sie vielleicht bei ihrer Freundin Caro unterkommen, auch wenn deren Ein-Zimmer-Wohnung kaum größer als ein Handtuch war. Zu ihren Eltern würde sie auf jeden Fall ganz sicher nicht wieder zurückgehen. Das wäre ja wie eine Niederlage einzugestehen, als wäre sie am Übergang zum Erwachsensein gescheitert und müsste nochmal zurück an den Start.
„Mmm, du riechst so gut. Hast du ein neues Parfum?" Edgars Lippen hatten ihren Nacken gefunden und er küsste sie unterm Ohr. Es kribbelte bis in ihre Zehenspitzen.
„Das ist mein Duschgel, das gleiche wie immer." An den frischen Geruch von Orange und Mandelblüte kam kein noch so hochpreisiges Duftwässerchen ran. Vielleicht sollte sie lieber an ihren nächsten Einkauf im Drogeriemarkt denken, um sich von Edgars Verführungskünsten abzulenken.
Er knabberte an ihrem Ohrläppchen und sein heißer Atem jagte ihr Gänsehaut über den Rücken. Eine Warnung. Wenn sie jetzt nicht sofort die Notbremse zog, würde es wieder genau so enden wie schon hunderte Male zuvor.
„Lass mich." Sie zerrte seine Hand weg von dem Ort zwischen ihren Beinen, den er gerade zielsicher anpeilte. „Ich bin müde, außerdem muss ich morgen früh raus. Ich muss um acht eine Vorlesung halten."
„Na und? Ich doch auch", grummelte er, während er ungerührt ihr T-Shirt hochschob und einen ihrer Nippel zwischen seine Finger klemmte. Hitze wallte zwischen ihren Schenkeln auf, und sie schaffte es gerade noch, einen verräterischen Seufzer zu unterdrücken.
„Du kannst aber zu spät kommen, ohne eine Rüge zu kriegen, ich nicht", maulte sie. Als etablierter Dozent konnte er sich sowas erlauben, während Sylvia als Anfängerin im Lehrbetrieb der Uni sich nicht so einfach über die Einhaltung der Stundenpläne hinwegsetzen konnte. Der Rektor beobachtete sie ohnehin schon mit Argusaugen, da war kein Zuspätkommen drin. Sie zog seine Hand weg von ihrer Brust und ihr T-Shirt wieder über ihren Bauch.
„Ich mach's auch kurz." Bevor Sylvia reagieren konnte, packte Edgar mit einer Hand ihre beiden Handgelenke. Mit einer gekonnten Drehbewegung hatte er sie blitzschnell unter sich liegen und ihre Hände über ihrem Kopf fixiert. Er presste sie mit seinem Körper in die Matratze und schob sein Knie zwischen ihre Beine.
Sylvia war zwar alles andere als schwächlich oder unsportlich, aber, würde er es darauf anlegen, könnte er sie mit seinem durchtrainierten Körper spielend leicht überwältigen. Nicht, dass es je so weit gekommen wäre, aber der hitzige Blick in seinen Augen, der in solchen Momenten immer aufblitzte, hatte ihr schon oft mehr als deutlich gezeigt, dass er solchen Katz-und-Maus Spielchen nicht abgeneigt war.
„Du willst das doch auch." Ein siegessicheres Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als seine freie Hand in ihren Slip wanderte und es dort bereits genauso feucht war, wie sie es befürchtet hatte. „Ein bisschen Entspannung tut uns beiden gut." Langsam küsste er ihren Hals entlang, über ihre Schultern, ließ seine Lippen über ihre Brüste wandern, während seine Finger im altbekannten Rhythmus zwischen ihren Beinen kreisten.
„Edgar", hauchte sie mit nachlassender Überzeugungskraft. Sylvias Körper war offenbar Edgars Meinung, egal was ihr Kopf dazu sagte. Er hielt ihre Hände immer noch in festem Griff über ihrem Kopf gefangen und presste seine Hüften fordernd gegen ihren Schoß, seine Hand dazwischen eifrig bei der Sache.
Wenn sich das nur nicht so verdammt gut anfühlen würde. Sylvias Becken tanzte im Takt zu Edgars Fingern.
In dem Moment hatte sie endgültig verloren. Ihr letzter Widerstand schmolz dahin unter den Händen, die genau wussten, wie sie herumzukriegen war. Wieder einmal war sie dort, wo sie eigentlich nicht sein wollte, aber Edgar sie immer wieder hinbekam, nämlich unter ihm, nackt und willig.
„Braves Mädchen", murmelte er und schon waren erst seine Boxershorts und dann ihr Slip verschwunden.
Er küsste sie auf den Mund, wild und stürmisch, und seine Lippen entfachten ein loderndes Feuer in ihr. Sylvia schloss ihre Augen und gab sich hin; folgte ihrem Körper, der sich nach Leidenschaft sehnte, auch wenn der Preis dafür ein gebrochenes Herz war.
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