Ein viel zu netter Mörder - 1
Keuchend stolperte ich weiter. Mein Herz galoppierte in meiner Brust. Immer wieder warf ich einen verzweifelten Blick zurück. Wieso rannte ich in die Arme eines Monsters? Sollte ich nicht doch lieber fliehen? Rasselnd holte ich Luft. Vielleicht sollte ich auch einfach stehen bleiben. Ich hatte keine Ahnung wie lange mein Körper die ungewohnte Kraftanstrengung noch aushielt. Bereits jetzt tanzten kleine flimmernde Flecken in meinem Gesichtsfeld herum. Ein unerträglich schmerzhafter Stich in meine Seite zwang mich dazu meinen Oberkörper etwas nach vorne zu beugen. Trotzdem rannte ich geduckt so schnell wie es mir möglich war weiter. Vielleicht beobachtete mich Mr. Giordano bereits, um sich zu versichern, dass mein Anruf keine Falle war. Kleine Tränchen rannten mir über meine Wange und vermischten sich mit dem salzigen Schweiß.
Plötzlich erschienen zwei Lichter, die in einem irrsinnigen Tempo um eine Kurve vor mir bretterten. Ängstlich blieb ich stehen und hielt mir die Hände vor die Augen. Ich brauchte einen Moment bis ich mich endlich an die grelle Helligkeit gewöhnt hatte. Erst dann konnte ich den Wagen vor mir erkennen. Erleichterung und gleichzeitig Panik stiegen in mir auf. Mr. Giordano war gekommen!
„Miss Laurence?", hörte ich die bekannte sanfte Stimme des Leviathans.
„Ja", brachte ich keuchend heraus. Nun, wo ich endlich stehen geblieben war, hatte sich das Seitenstechen um ein vielfaches verstärkt. Nur meine gewaltige Angst vor dem Mörder, gab mir überhaupt genug Kraft um zu sprechen.
„Ach du lieber...", kam es stockend von Mr. Giordano. Ich blickte auf und erkannte, dass der große Mann scheinbar besorgt auf mich zu gestürzt kam. „Ich muss Ihnen gestehe, dass ich zuerst wirklich gedacht hatte, dies sei eine Falle der Flammengeborenen. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich nicht unverzüglich losgefahren bin. Komm, ich helfe Ihnen in den Wagen."
Fast schon erleichtert nahm ich den stützenden Arm des Leviathans an. Ich wusste nicht, ob ich alleine genug Kraft gehabt hätte, um mich aufzurichten, die wenigen Schritte bis zum Wagen zurück zu legen und schließlich einzusteigen. Nun, wo ich mich in den Händen des Mörders befand, schien mir die Panik endgültig meine letzten Kraftreserven zu rauben, denn ich wusste, dass ich nicht länger fliehen konnte.
Mr. Giordano setzte sich nun ebenfalls wieder in den Wagen. Er warf mir einen besorgten Blick zu, bevor er wieder den Motor anschaltete und in einem zügigen Tempo wendete. Ängstlich klammerte ich mich an meinem Sitz fest.
„Ich weiß wie unangenehm für Sie das manuelle Fahren ist, leider kann ich trotzdem den Autopiloten hier draußen nicht verwenden, da wir sonst zu langsam vorankommen. Sobald wir wieder auf einer befestigten Straße fahren, schalte ich ihn ein. Haben Sie bitte keine Sorge. Ich bin diesen Wagen schon sehr häufig gefahren", erklärte Mr. Giordano entschuldigend. Ich war dankbar dafür, dass er dabei seinen Blick nicht von der holprigen winzigen Straße abwand.
Trotzdem fuhr er meiner Meinung nach viel zu riskant. Wer weiß vielleicht würden die Explosionen nach diesem Abend ein plötzliches Ende finden, weil wir beide in diesem Wagen zu Tote kamen. Zitternd blickte ich nach draußen und schaute der Landschaft dabei zu wie sie an uns vorbei raste. Als endlich die Stadtgrenze in Sicht kam, atmete ich erleichtert auf, doch erst als der Autopilot eingeschaltet war und langsam wieder das Tempo drosselte, fühlte ich mich zumindest etwas sicherer.
„Auf Grund Ihrer Erleichterung könnte man fast annehmen, ich sei wie ein Verrückter gefahren", stellte Mr. Giordano mit einem Stirnrunzeln fest.
Dass er wirklich wie ein Verrückter gefahren war, wollte er scheinbar nicht einsehen. Ich wagte es dieses eine besondere Mal nicht die Tatsache auf den Tisch zu legen, sondern zuckte nur verlegen mit den Schultern.
„Miss Laurence", begann Mr. Giordano erneut und blickte mich dabei besorgt an, nach einem kurzen Moment der Stille fuhr er fort: „Sollten wir vielleicht zuerst einen Arzt aufsuchen?"
Ich blinzelte überrascht. Irgendwie hatte ich diese Reaktion nicht von einem Terroristen erwartet. Einen Moment überlegte ich, dann antwortet ich ehrlich: „Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Falls Sie etwas Kühles zuhause haben, sollte das völlig ausreichen. Mehr als eine große Beule habe ich nicht von meiner Gefangenschaft davongetragen." Mr. Giordano musterte mich misstrauisch, so als sorgte er sich darum, dass ich ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Wie zur Bestätigung begann mein Magen lauthals zu knurren. Vielleicht hätte ich doch nicht einen Großteil von Liams Essen gegen die Wand schmeißen sollen.
„Ich habe zuhause nicht sehr viel Nahrung, es sollte jedoch für eine einfache Mahlzeit noch reichen", versicherte mir Mr. Giordano rasch. Einen Moment lang schwieg er, dann knurrte er wütend: „Ich habe von den Flammengeborenen, insbesondere Samuel, noch nie viel gehalten, doch dass sie derartig skrupellos sind, hätte selbst ich nicht gedacht."
Müde zuckte ich mit den Achseln, was hätte ich auch darauf antworten sollen? Irgendwie lief das Gespräch überhaupt nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Wieso fragte mich Mr. Giordano nicht aus, weshalb man mich angeblich als eine Waffe gegen die Flammengeborene benutzen konnte? Stattdessen war er wütend, weil man mich gefangen gehalten hatte. Er war sogar besorgt! Konnte sich ein gewissenloser Mörder wirklich so gut verstellen?
„Wir kommen bald bei meiner Wohnung an. Bitte erschrecken Sie nicht, nach Ihrem Anruf habe ich einige Sicherheitsleute von Alpha hinzugezogen. Sie werden Ihnen jedoch auf keinen Fall etwas tun", erklärte Mr. Giordano mit einer sehr sanften Stimme. Als ich wieder als Antwort bloß schwach nickte, ballte der Leviathan plötzlich die Hände zu Fäusten. Die offensichtlich aggressive Gefühlsregung ließ mich sofort zusammenfahren. Würde er jetzt sein wahres Gesicht zeigen?
Doch wieder kam es ganz anders, als ich es erwartet hatte. Als seine silbernen Augen mein erschrockenes Gesicht erblickten, lockerten sich seine Hände sofort. Zu meinem Erstaunen fuhr er sogar mit den Fingern durch seine langen, zurückgebundenen, platinblonden Haare und entfernte dabei das Band, das sein Haar im Nacken gebändigt hatte. Die langen seidigen Strähnen fielen sofort leicht zerzaust über seine Schultern und milderten den zuvor strengen Eindruck. „Bitte haben Sie keine Angst vor mir. Ich werde Ihnen wirklich nichts tun."
In diesem Moment hielt der Wangen an und Mr. Giordano stieg aus. Mit zittrigen Beinen folgte ich seinem Beispiel. Das schlechte Gefühl war plötzlich wieder in meinem Magen, auch wenn die Zweifel immer noch durch mein Gehirn streiften. Konnte sich ein gefährlicher Mörder wirklich so friedfertig und nett benehmen? Als ich die ersten zaghaften Schritte wagte, kam mir Mr. Giordano sofort zu Hilfe. Seine Hand legte sich sanft um meine Taille. Dank seiner Hilfe schaffte ich es mein Körpergewicht einigermaßen sicher auf meinen wackeligen Beinen zu verteilen. Wäre ein Terrorist überhaupt in der Lage einen anderen Menschen so selbstverständlich zu helfen?
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