Ein ungebetener Gast - 1
Dieses kleine Kapitel widme ich an AngelinaEvita, da ihre Geschichte "Das Herz des Alphas", meine erste Werwolfsgeschichte war, welche ich ganz verschlungen habe. Ihre Idee ist nicht die typische 0815 Werwolfsgeschichte und mithilfe eines sehr schönen Schreibstils fesselt sie einen an ihre Worte. Leider war die Geschichte für längere Zeit nicht mehr hier zu finden, doch umso mehr freue ich mich, dass sie nun auf einmal wieder aufgetaucht ist.
„Ich freue mich darauf Sie wieder zusehen", äffte ich Samuels aalglatte Stimme nach, während ich durch den Flur zu meiner Wohnung entlangstapfte. Eine Lampe über mir flackerte unheilverkündend, so als wolle sie mich tadeln. „Glaub bloß nicht, dass du besser dran bist", knurrte ich zu ihr hoch, während ich bereits meinen Schlüssel suchte. „Bald geht es dir genauso wie der da", ich blickte kurz auf die Lampe hinter der flackernden Übeltäterin, die bereits seit Wochen nicht mehr leuchtete. „Sobald du aufhörst zu funktionieren, ist dein Leben vorbei, dann denkt keiner mehr an dich. Ich glaube unsere Schicksale sind nicht so verschieden, allerdings kann ich mich wenigstens noch ein bisschen dagegen wehren." Triumphierend warf ich dem flackernden Licht einen hochmütigen Blick zu, während ich überheblich meinen altmodischen Schlüssel in der Hand schüttelte.
Es war unsinnig sich mit einer Lampe zu streiten, das wusste ich und niemand brauchte es mir zu sagen, doch gleichzeitig tat es gut einen Teil meines tiefen Zornes auf etwas loszulassen. Ich ging die letzten Schritte durch den Flur zur meiner Wohnungstür und wollte bereits den Schlüssel ins Schloss stecken, als mir etwas Merkwürdiges auffiel. Mit den Jahren hatte sich meine Tür verzogen. Aus diesem Grund befand sich immer ein Spalt zwischen Tür und Rahmen, wenn das Zimmer nicht verschlossen war. Aus diesem Grund musste man beim Zusperren der Tür auch immer mit seinem gesamten Körpergewicht gegen sie drücken und erst dann konnte man den Schlüssel drehen. Als ich jedoch nun meine Tür erstaunt ansah, konnte ich eindeutig den breiten Spalt zwischen ihr und den Rahmen erkennen.
Hatte ich sie heute früh nicht abgeschlossen? Sofort verwarf ich diesen Gedanken. Das war nicht möglich. Ich achtete stets darauf meine Wohnung immer abzuschließen, denn Diebstähle gab es heutzutage überall. Die Armut der meisten Menschen zwang viele in eine kriminelle Laufbahn. Bis jetzt hatte ich immer Glück gehabt und war vor einem Raub verschont geblieben, doch wenn ich den Spalt zwischen Tür und Angel betrachtete, zweifelte ich stark daran, dass es auch heute so war. Ein kleines, veraltetes Schloss wie das Meine konnte man leicht knacken. Es würde einen geschickten Dieb wohl kaum Aufhalten.
Kalte Angst durchströmte mich. Sie war anders als die Gefühle, welche bei dem Gespräch mit Samuel in mir hochgekocht waren. Neben der Furch hatte die Wut und ein weiteres animalischeres Gefühl stets feurig in mir gelodert. Beim Anblick des Spaltes jedoch schien sich mein Innerstes in eine antarktische Wüste zu verwandeln. Die Luft gefror in meiner Lunge, während ich zitternd nach der Türklinke griff.
Ich stellte mich auf das Schlimmste ein. Beinahe konnte ich meine Wohnung bereits in Trümmern vor mir liegen sehen, doch so war es nicht. Als ich einen Blick in das Zimmer warf, war alles wie beim Alten. Es sah nicht glänzend aus, ganz im Gegenteil der Staub stapelte sich in den Ecken, doch nichts schien verschwunden oder zerbrochen zu sein. Meine Klamotten lagen wie heute früh weit verteilt auf meinem großen weißen Teppich und ich wusste, dass mein Kleiderschrank so gut wie leergeräumt war. Die Laken auf meinem Bett waren genauso zerwühlt wie nach meinem Aufstehen und auch die Küchennische war wie ich sie verlassen hatte, vollgestellt mit ungewaschenem Geschirr. Selbst meine Zimmerpflanze Berta verdorrte in ihrem künstlichen Sonnenlicht in einer Ecke. Der einzige Ort den ich nicht sofort mit einem Blick begutachten konnte, war das kleine Bad, doch was sollte jemand dort wollen? Ich trat in die Wohnung und schloss leise die Tür hinter mir, rasch schnappte ich mir noch eine dreckige Pfanne aus der Küchennische, bevor ich weiterschlich. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sich jemand in meinem Bad aufhielt, doch wie sagte man so schön? Vorsichtig ist die Mutter der Porzellankiste. Auf Zehnspitzen schlich ich bis direkt vor die kleinen weiße Tür, ein einziges Mal atmete ich noch tief durch, hob die Pfanne in meiner rechten Hand zum Schlag bereit an und riss dann mit der Linken die Tür auf. Im Bad wartete nur geduldig eine Toilette auf mich, die ich wohl auch mal wieder reinigen musste. Selbst hinter den Vorhang der Dusche war absolut niemand.
Verwirrt zog ich mich zurück und öffnete Schubladen, in denen ich die ein oder andere kostbare Kleinigkeit aufbewahrte. Alles schien genauso wie zuvor. Bis auf die Tür, die mittlerweile das Herzstück des seltsamen Rätsels war. Ich öffnete die letzte noch nicht durchsuchte Schublade und fand dutzende Briefe und ein Foto vor, die ich hierher verbannt hatte. Einen Moment hielt ich in meiner Bewegung inne und kämpfte gegen das Bedürfnis das Bild aus der dunklen Schublade herauszunehmen. Die strahlenden Gesichter meiner Eltern blickten mich an. Die blauen Augen meines Vaters leuchteten vor Freude. Er hielt meine Mutter an der Hand und schien seine Lebensfreude auf ihre grünen Augen zu übertragen. Im Gegensatz zu seiner schwarzen Kurzhaarfrisur hatte sie langes braunes Haar, das sie kunstvoll zurückgeflochten hatte. Meine kleine Schwester hatte die Haarpracht meiner Mutter nicht nur bewundert, sondern auch geerbt. Auf dem Foto hatte sie die gleiche Frisur wie die elegante Frau in der Mitte. Die pausbäckigen Wangen des Kindes und die vielen Sommersprossen um seine Nase drückten geballte Lebensfreude aus. Meine Schwester war damals etwa fünf Jahre alt. Auch mein achtjähriges ich war auf dem Foto zu sehen. Mit steifer Haltung stand ich vor meinem Vater. Meine Augen, ebenso blau wie die des Mannes hinter mir, blickten ernst in die Kamera. Selbst nach mehrfachen Aufforderungen hatte ich damals nicht gelacht. Meine braunen Haare waren schräg geschnitten, zerzaust und kurz. Schon damals war ich ein kleiner Rebell gewesen und hatte sie mir nach einem Streit mit meiner Mutter selbst abgeschnitten.
Seufzend legte ich das Bild zurück. Bereits damals hatte ich nicht zu ihnen gehört. Ich war ein Außenseiter gewesen. Nicht nur weil ich mich nicht in ein Tier verwandeln konnte, sondern auch weil ich mich selbst ausgegrenzt hatte. Ich hatte die Kinder und ihre Bemühungen mit mir zu spielen abgelehnt. Zu oft hatte ich mitbekommen, wie ihre Eltern sie ermahnt hatten nett zu mir zu sein. Ich wollte kein Hindernis für meine Familie darstellen, sondern jemand, auf den sie stolz sein konnten. Aus diesem Grund war ich nach meiner Schulausbildung sofort ausgezogen. Ich hatte die feste Überzeugung gehabt, dass mir Erfolg im Berufsleben helfen würde, stolz in die Augen meiner Eltern zu blicken und nicht diesen tiefen Schmerz der Selbstverachtung dabei zu spüren. Aus diesem Grund absolvierte ich einige Praktika, während ich nebenbei halbwegs erfolgreich drei Jahre Informatik studierte. Bereits vor meinem Abschluss hatte ich angefangen Selbstständig zu Arbeiten und langsam meine Unternehmen aufzubauen. Der Kontakt zu meiner Familie wurde mit jedem neuen Erfolg und jeder weiteren Arbeit weniger, bis er vollkommen abbrach. Einmal alle drei Monate schickten mir meine Eltern einen Brief. Sie alle fanden sich gesammelt in dieser Schublade wieder. Ich hatte sie nie gelesen. Zuerst hatte ich keine Zeit für sie gehabt. Alle anderen Dinge, die mir halfen meine Angst zu vergessen, waren wichtiger gewesen, doch nach einiger Zeit war es mein schlechtes Gewissen, das mir verbot diese Briefe zu lesen. Ich war eine schlechte Tochter, das wusste ich. Blind hatte ich mich in ein Leben gestürzt und meine Familie zurückgelassen, weil ich zu schwach war um meine Fehler zu akzeptieren. Vielleicht würde ich eines Tages den Mut finden, erneut meiner Familie gegenüber zu treten. Doch heute war dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen.
Ich gab mir einen Ruck und sperrte die dunklen Gedanken wieder in eine kleine Kiste in der hintersten Ecke meines Verstandes ein. Mit etwas zu viel Kraft schloss ich die Schublade energisch. Als ob ich meiner Familie je gegenüber treten würde. Wäre mein Leben weiter normal verlaufen, hätte ich es vielleicht irgendwann geschafft ein Schritt auf sie zu zugehen, doch mit diesem neuen Vertrag an der Backe...
Ganz sicher nicht. Ich musste mich einfach mit meiner derzeitigen Situation abfinden. Das Leben war nicht gerecht und auch nicht fair, dass hatte ich doch schon immer gewusst.
Ich war müde. Der Tag hatte mich vollkommen ausgelaugt. Trotzdem stapfte ich in die Küche und schob das dreckige Geschirr auf einen Haufen. Irgendwann musste ich den Abwasch machen, doch nun war auch hierfür nicht der richtige Zeitpunkt. Lustlos zog ich die letzte vorrätige Fertigpackung aus dem Regal. Ich schnappte mir den Wasserkocher, füllte ihn auf und schaltete ihn anschließend ein.
Während ich kurz wartete, ging ich ins Bad und wusch rasch mein Gesicht ab. Als ich meinen Anblick im Spiegel sah, zuckte ich zurück. Meine Augen wirkten eingefallen. Meine Haut war blass und spannte sich ungesund über mein Gesicht, so als hätte ich seit Wochen kaum etwas Essbares zu mir genommen. Schwarze Augenringe erzählten langatmige Geschichten über den alltäglichen Stress.
„So kann es nicht weitergehen", flüsterte ich meinem Spiegelbild zu, doch in meinem tiefsten Inneren wusste ich es besser. Es würde so weiter gehen Tag für Tag. Stunde für Stunde würde an mir vorbeiziehen und ihre Spuren an mir hinterlassen. Das Rad der Zeit würde an mir nagen und ich würde mich gegen mein Schicksal auflehnen, bis ich eines Tages zu schwach dazu war und sterben würde.
Ein Herzliches Willkommen zurück,
ich hoffe, dass das Kapitel trotz fehlender Betaüberprüfung halbwegs gut zu lesen war. (Am 18.2.2018 wurde die geprüfte Version eingesetzt)
Immerhin wollte ich euch eine Freude machen und nicht mit einem Rechtschreibteufel verseuchten Text infizieren.
Was glaubt ihr wieso die Türe offen war?
Ich freue mich auf eure Meinung und hoffe, dass ihr dieses Kapitel gut überlebt habt.
LG Sarah
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