Der Tod und der Feuerengel auf Plauderflug - 2
„Ich werde dich jetzt hochheben, Menschlein", unterbrach Aidan meinen trübseligen Gedankengang. Er wartet noch nicht einmal auf eine einfache Antwort, sondern klaubte mich ohne Rücksicht von meinem geliebten Boden auf. Wie zuvor bei Samuel lag ich im Brautstil gefangen in den Armen eines Mannes. Auch diesmal begann ich mich sofort lautstark zu beschweren und erneut hämmerte ich schwach auf die breite Brust vor mir ein. Aidan reagierte nicht auf meinen Widerstand, doch meine Hände taten bereits nach kurzer Zeit weh und ich stellte das sinnlose Schlagen ein.
Plötzlich hörte man viele Stimmen gleichzeitig aufeinander losreden. Jeder schien den anderen Übertrumpfen zu wollen, doch von hier oben klang es nur wie das verzweifelte Protestieren vieler winziger Mäuse.
Sofort spannte sich Aidans gesamter Körper an. Im rasanten Tempo verloren die Tattoos auf seinen Armen ihr Feuer. Auch die auf seiner Brust erloschen, bis nur noch ein winziges schwach leuchtendes Mal direkt über seinem Herzen zurückblieb. Das Feuer wanderte durch Aidans Körper, bis es schließlich aus ihm heraustrat. Nach nur wenigen Sekunden thronten gigantische Schwingen aus wilden Flammen auf seinem Rücken. Sanfte Wärme umschloss mich. Mit zwei großen Flügelschlägen, flog Aidan aus dem Stand los. Jeder Muskel spannte sich dabei unnatürlich stark an. Der Start aus dem Stand musste eine unglaubliche Kraftanstrengung von diesem Manne erfordern.
Plötzlich begann meine Kleidung zu qualmen. Entsetzt bemerkte ich, dass einige Fünkchen von den Flügeln scheinbar fest entschlossen waren den Stoff brennen zu sehen. Rasch klopfte ich auf die betroffenen Stellen und stellte fest, dass meine Kleidung durch die Hitze von Aidans Flügeln trocken wie Zunder war. Das konnte wirklich ein unterhaltsamer Flug werden.
Aidan hatte sich scheinbar ausnahmsweise einmal dasselbe gedacht, denn er grummelte: „Was noch einfacher entflammbares hatten sie auch nicht mehr in diesem Krankenhaus..." Er stieg höher auf und ich bekam das Gefühl nicht mehr genug Luft in meine Lungen zu füllen. Ein paar kleine schwarze Funken tanzten vor meinen Augen, doch nach ein paar Minuten hatte ich mich an die dünne Luft gewöhnt. Hier oben war es kälter und wir flogen immer wieder durch ein paar kleine Wölkchen durch, so dass meine Kleidung sich nicht im nächsten Moment entzünden würde.
Ich wollte etwas sagen, doch ein Windstoß peitschte mir schmerzhaft meine Haare ins Gesicht und befahl mir praktisch besser meinen Mund zu halten. Ein Blick nach unten erinnerte mich auch daran, wieso ich dieses Mal auf die logische Seite meines Verstandes hören sollte. Tief unter mir zog in rasanten Tempo die Stadt vorbei. Hätte Aidan plötzlich Lust auf Fleisch am Spieß, könnte er mich einfach auf eine der spitzen Gebäudedächer fallen lassen. Natürlich hätte er als Alternative auch noch eine menschliche, pfannenkuchendünne Flunder essen können, dazu musste er einfach nur gut genug zielen, um ein Flachdach zu erwischen. Sofort drängten sich mir die furchtbaren Erinnerungen von dem Sturz bei meinem ersten Flug auf. Mein Magen zog sich ängstlich zusammen und ich begann flach zu atmen. Auch wenn ich es nicht wollte schossen meine Arme panisch nach vorne und umschlangen Aidans Taille. Als krönende Spitze presste ich auch noch mein Gesicht gegen seinen nackten Oberkörper, um bloß nicht noch einmal nach unten zu schauen.
„Alles in Ordnung?", rief mir der teuflische Flammengeborene mit den himmlischen Flügeln gegen den Wind zu. Wenn ich mich nicht täuschte, lag so etwas wie Besorgnis in seiner Stimme, doch im Moment hatte ich keine Nerven, um mich mit Aidans komplizierter Gefühlswelt auseinanderzusetzen. Mit aller Kraft zwang ich mich zu einem Nicken. Was hatte ich mir auch dabei gedacht mit ihm zu fliegen? Ich war wirklich ein großer Dummkopf.
Erneut rief mir Aidan etwas zu: „Du bist ein kleiner Angsthase, Menschlein!" Auch dieses Mal brachte ich nichts weiter zustande als ein Nicken. Die richtige Antwort wäre vermutlich ein Kopfschütteln gewesen, aber das realisierte ich zu spät.
Eine winzig kurze Zeit durfte ich die Stille genießen, doch dann hob Aidan wieder seine Stimme an, denn der Mann schien auf einmal in Plauderlaune zu verfallen: „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben." Sein Satz bewirkte natürlich sofort das Gegenteil. Ich umklammerte Aidans Taille so fest, dass ich an ihm selbst dann noch gehangen wäre, wenn er mich losließe. Doch meine Arme begannen bereits nach kurzer Zeit zu zittern, trotzdem hielt ich mich stur fest. Hatte ich mir nicht immer vorgenommen mehr Sport zu treiben? Nun hier war die beste Gelegenheit dafür.
Gerade als meine Arme anfingen taub zu werden, begann Aidan erneut zu reden, scheinbar musste dieser Mann nur eindeutig in der überlegenen Position sein, um den Mund aufzubringen: „Ich gebe dir mein Wort, dass ich dich nicht fallen lasse. Fühlst du dich nun besser?"
Dieses Mal reagierte ich richtig und schüttelte den Kopf. Für Aidan war das jedoch die falsche Antwort, denn sofort begann er zu fluchen: „Verdammt, Menschlein! Was soll ich denn deiner Meinung nach noch machen? Ich habe dir eben mein Wort gegeben! Du kannst mir glauben, dass ich das auf keinen Fall brechen werde!"
Ich zuckte bloß mit den Schultern. Mittlerweile stiegen mir Tränen in die Augen, denn ich hatte Angst, dass ich Aidan so wütend gemacht hatte, dass er mich Trotz seiner Rede nun fallen lassen würde.
Zu meiner Erleichterung geschah jedoch für lange Minuten absolut gar nichts. Ich konnte mich sogar langsam wieder beruhigen. Als ich wieder halbwegs gefestigt war und nicht im nächsten Moment, um Gnade flehen würde, begann Aidan natürlich wieder zu reden: „Du weißt, dass ich die Worte in dem Bunker nicht so gemeint habe?"
„Glaubst du doch selbst nicht...", schniefte ich leise zu mir selbst, bevor im laut zurief: „Aus welchem Grund solltest du mich sonst derartig verletzen wollen?"
Einen Moment schwieg Aidan. War er vielleicht wirklich betroffen? Dann setzte er zu einer Antwort an: „Wir mussten so schnell wie möglich erfahren, was es mit deinen neuen Kräften auf sich hat. Scheinbar konntest du sie jedoch nur freisetzen, wenn du extrem wütend warst, also habe ich ein bisschen nachgeholfen. Ich habe nicht geahnt, dass du so überreagieren würdest."
„Ich und überreagieren?", schrie ich Aidan empört zu. Ich hob sogar mein Gesicht von seiner Brust an, um ihm besser wütend mit meinen Blicken erdolchen zu können. „Du hast sogar meine Familie beleidigt. Dir ist jegliches Tabu egal und du besitzt so viel Empathie wie eine Erbse! Glaubst du wirklich, dass du nur ansatzweise begreifen kannst, was du da von dir gegeben hast?!"
„Deinen Worten nach bin ich dazu scheinbar nicht in der Lage", erwiderte Aidan kalt.
Wütend biss ich die Zähne zusammen, um nicht etwas zu sagen, was mich schließlich als plattes Spiegelei am Boden zurücklassen würde. Ein: „Ich finde, ich habe zumindest eine Entschuldigung verdient!", konnte ich mir jedoch nicht verkneifen.
„Du wirst keine Entschuldigung bekommen", erwiderte Aidan.
„Ach ja und wieso nicht? Immerhin hast du mich ziemlich stark verletzt." Es sah mir nicht ähnlich etwas Derartiges zuzugeben, doch scheinbar brauchte Aidan wirklich ein wenig Nachhilfe, um die Situation zu begreifen.
Einen Moment schwieg er. Scheinbar versuchte er seine Worte vorsichtig zu wählen, doch als er den Mund aufmachte, bemerkte ich sofort, dass seine Bemühungen umsonst waren: „Deine Verletzung bedauere ich sogar im Nachhinein. Es lag nicht in meiner Absicht dich ins Krankenhaus zu bringen. Ich schätze, ich hätte meine Worte anders wählen sollen, doch ich habe wie gesagt nur versucht zu helfen. Meine Entscheidung war zu dem damaligen Zeitpunkt die richtige."
Mein Mund klappte auf, dann wieder zu. Dieser Mann hatte es einfach nicht begriffen. Ich redete doch nicht von meinem Schwächeanfall, sondern davon, dass mich seine Worte tief in meinem Inneren hart getroffen hatten. „Du bist ein unsensibles, selbstverliebtes, arrogantes Arschloch."
Aidan zuckte als Antwort bloß mit den Schultern. Für ihn war die Diskussion scheinbar erledigt. Wütend wollte ich noch einmal nachsetzen, doch dann wurde mir wieder bewusst, wo ich mich befand. Meine Laune sank auf den Nullpunkt, doch wenigstens hatte ich nicht mehr ganz so viel Angst und konnte den restlichen Flug in unangenehmen Schweigen überleben.
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