8

Er hatte es sofort gesehen. Als die Scheinwerfer angingen und ihre zarte Figur auf der Bühne erhellten, hatte er sofort das schwarze Armband an ihr gesehen. Als hätte sie gewusst, dass er da sein würde, hatte ihr Blick auf ihm gelegen, bis die Musik anfing und sie ihren Tanz begann.

Alex schluckte.

Hatte sie nicht letzte Woche gesagt, dass sie nie Schwarz trug? Warum hatte sie ihre Meinung geändert? Sie hatte über die Macht gesprochen, die sie über Männer spürte, wenn sie sah, wie sehr sie begehrt wurde. Was war geschehen, dass sie jetzt ein schwarzes Band trug? Und warum hatte ihr Blick auf ihm gelegen, als würde sonst niemand existieren?

Tief atmete er durch und befahl seinem klopfenden Herzen, ruhiger zu werden. Unauffällig schaute er nach rechts und links. Wie auch am Wochenende zuvor waren alle Blicke auf die kleine rothaarige Frau auf der Bühne gerichtet. Es war, als hätte sie einen Zauber über den Club gelegt und jeden Mann hier gefangen genommen.

Fasziniert folgte sein Blick jeder ihrer Bewegungen. Die Choreografie, die sie zeigte, raubte ihm den Atem. Es war nicht nur, dass sie eine akrobatische Meisterleistung hinlegte. Es waren ihre Augen, die er von seinem Platz aus der ersten Reihe so gut sehen konnte. Die Leidenschaft darin. Die Sehnsucht.

Die Verletzlichkeit.

Anders als zuvor wanderte ihr Blick nie über das Publikum, sondern lag konstant auf ihm. Als ob sie nur für ihn tanzte. Unter all ihrer erotischen Ausstrahlung und dem Selbstbewusstsein, mit dem sie die Stange immer wieder erklomm, sah er trotzdem die Lily aus dem Auto. Unsicher. Beinahe ängstlich. Wie ein Hase im Angesicht eines Wolfs.

Alex leckte sich angespannt über die Lippen. Wenn sie Schutz suchte, würde er ihr den geben. Sie hatte keine Vorstellung, wie gut er darin war, andere zu beschützen. Er würde nicht zulassen, dass ihr etwas passierte. Nicht in seinem Club, nicht unter seiner Aufsicht.

Die letzten Takte erklangen und das Licht auf der Bühne ging aus, während es im Clubraum wieder heller wurde. Mit einem Stöhnen fiel ihm ein, dass er natürlich wieder alle seine Sachen im Büro hatte liegen lassen. Erneut hatte er kein Geld bei sich. Dabei hatte sie deutlich gesagt, dass sie bei der nächsten Begegnung umso mehr von ihm erwartete.

Kurz war er versucht, eine der Kellnerinnen ranzuwinken und sich seine Jacke aus dem Büro holen zu lassen. Doch die Gefahr, dass Lily ihn dabei sah, war zu hoch. Er wollte nicht, dass sie wusste, wer er war. Als Besitzer des Clubs wäre jede Interaktion zwischen ihnen von dieser schwierigen Machtimbalance geprägt. So war es mit allen Frauen hier – und das wollte er nicht für sie. Sie würde es sicher irgendwann rausfinden, aber je länger er das rauszögern konnte, desto besser.

»Guten Abend. Wie hat dir meine Vorstellung heute gefallen?«

Ihre sanfte Stimme zog sofort alle Aufmerksamkeit auf sich. Da war sie. Ganz in Rot gekleidet, das mit ihren Haaren um die Wette loderte, die sich in einem aufwändigen Knoten auf ihrem Kopf türmten. Alex gab sich innerlich einen Ruck und setzte sein charmantestes Lächeln auf. »In der Tat. Fast besser als letzte Woche.«

Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen, während ihr Blick aufmerksam auf seinem Gesicht lag. »War ich gut genug?«

Ein weiteres Mal verfluchte er sich dafür, dass er kein Geld bei sich hatte. Lily hatte sich jedes Trinkgeld mehr als verdient. Er wusste, dass er an der Front nur verlieren konnte. »Du trägst heute Schwarz.«

Er hatte es nicht als Frage gestellt und offenbar fasste sie es auch nicht so auf. Zu seiner großen Überraschung stellte sie ihren Korb beiseite und ließ sich mit einer fließenden Bewegung auf der Bank neben ihm nieder. »Dir entgeht nichts, Alex.«

Er legte seinen linken Arm auf der Rückenlehne hinter ihr ab und ergriff mit der anderen Hand sanft ihr Handgelenk, um einen zarten Kuss auf das schwarze Band zu hauchen. »Darf ich das als Einladung verstehen?«

Er konnte sehen, wie sich eine Gänsehaut auf ihrem Körper ausbreitete. Doch statt des erwarteten wohligen Seufzens und einer geraunten Aufforderung begegnete ihm nur ein entschlossener Blick. »Ich habe dir gesagt, ich trage nie Schwarz.«

Langsam zog Alex seinen Arm wieder zurück, ohne die Berührung zwischen ihren beiden Schenkeln zu unterbrechen. Seine Regeln waren klar: Schwarz bedeutete eine Option, keine Garantie – selbst für ihn nicht. Gerade für ihn nicht. Er schaute ihr direkt in die Augen. »Aber heute tust du es.«

Ihre Mundwinkel zuckten für den Bruchteil einer Sekunde, ehe ihr ernster Gesichtsausdruck zurückkehrte. »Ich bin neugierig.«

Alex presste seine Kiefer härter aufeinander. Es war seine eigene Grenze, die ihm gerade Probleme bereitete. Er war nie derjenige, der die Tänzerinnen in seinen Clubs fragte. Sie mussten von sich aus auf ihn zukommen. Lily wusste zwar nicht, der er ihr Boss war, aber die Regel galt trotzdem. Sie musste es aussprechen.

Gezielt griff er mit seinen Händen nach ihrer Hüfte und hob sie sich auf den Schoß. Sie protestierte nicht, sondern setzte sich nur zu bereitwillig breitbeinig auf ihn und schmiegte ihre kaum bedeckte Brüste an ihn.

»Neugierig worauf?« Er hörte selbst, wie rau seine Stimme klang, doch er konnte es nicht ändern. Er wollte diese Frau.

»Wenn du mich willst...«, hauchte sie ihm ins Ohr, »dann sorg dafür, dass ich dich auch will. Kannst du das schaffen?« Ihre kleinen Hände wanderten in seinen Nacken und spielten mit seinen Haaren. »Ich will wissen, wie es sich anfühlt, vor Begehren zu zerfließen. Die Kontrolle zu verlieren und einfach nur noch zu fühlen. Zu spüren. Kannst du das?«

Ein Stöhnen stieg aus den Tiefen seines Innersten empor. Sein Körper stand in Flammen. War das eine Herausforderung? Es kostete ihn alle Selbstbeherrschung, seine Finger nicht härter in ihre weiche Haut zu graben und sie fester gegen seine Mitte zu pressen. »Wenn du es wirklich willst, kann ich dir das und noch viel mehr zeigen.«

Für mehrere Atemzüge schauten sie sich nur an, ihre Gesichter so nah beieinander, dass er ihren Atem auf seinen Wangen spüren konnte. Er konnte sehen, wie ihr Blick suchend zwischen seinen Augen hin- und hersprang. Sie wartete. Sie wollte, dass er sie fragte. Aber er konnte nicht. Nicht in seinem eigenen Club.

Sie unterbrach den Blickkontakt, um sich stattdessen ein wenig vorzubeugen. Sanft legten sich ihre vollen Lippen auf seinen Hals. Ihre Zunge fuhr spielerisch über seine entblößte Haut, dann entfernte sie sich minimal, um ihren Atem kühl über die Stelle streichen zu lassen.

Heiße Erregung schoss durch seinen Körper. Das Spiel konnten zwei spielen. Er begann, mit seinen Daumen über die Innenseite ihrer nackten Schenkel zu fahren. Das Zittern, das durch ihren ganzen Körper ging, erschütterte ihn bis ins Mark. Sie war so offen, so empfänglich für seine Berührungen.

Eine Hand fuhr über ihren Bauch hoch zu ihrer Brust. Ohne sie aus den Augen zu lassen, ließ er seinen Daumen hauchzart über ihren Nippel streichen. Er spürte das Stöhnen mehr, als dass er es hörte. Ihre Augen waren beinahe schwarz, so riesig waren ihre Pupillen. Er wiederholte die Bewegung mit mehr Druck.

Sie rollte ihre Hüfte in Antwort und Alex spürte, wie etwas in ihm zerbrach. Diese Frau wollte ihn, das sprach aus jeder ihrer Reaktionen, selbst wenn sie die Worte nicht in den Mund nahm. Zum Teufel mit seiner Regel.

»Komm«, hauchte er ihr zu. »Komm mit.«

Kurz meinte er, dass sie unter seinen Händen erstarrte, doch dann wurde sie wieder weich und anschmiegsam. Unter ihren langen Wimpern schaute sie zu ihm auf und lächelte beinahe schüchtern. Für einen Wimpernschlag flog ihr Blick zu seinem Mund, doch noch ehe er realisieren konnte, was das bedeuten mochte, hatte sie sich erhoben und streckte ihm ihre Hand hin.

Lachend ergriff er ihre Hand und führte sie zielstrebig durch den Clubraum. Was auch immer sie dazu bewogen hatte, ihre Einstellung zu ändern, er hieß es mehr als willkommen. Er flüsterte ihr zu, dass sie schon durch die Tür gehen konnte und an der Treppe warten sollte, während er sich um die Förmlichkeiten kümmerte.

Sie schaute ihn kurz seltsam an, doch dann zuckte sie mit den Schultern und verschwand in dem Gang, der zu den Zimmern führte. Erleichtert drehte er sich zu dem Mann am, der hinter einer kleinen Theke an einem Computer saß.

»Hey, Mark. Buch mir die Suite. Für Lily«, wies er ihn an.

Der blonde Mann schaute ihn überrascht an. »Die Neue? Ich dachte, sie trägt kein Schwarz.« Eine klare Anschuldigung schwang in seinem Tonfall mit.

»Sie weiß nicht, wer ich bin. Und wenn du und der Rest der Mannschaft wisst, was gut für euch ist, dann bleibt das auch so, okay?« Er ließ seine Stimme absichtlich kalt klingen.

Sofort setzte der andere Mann sich aufrechter hin. »Sorry, Boss. Ich hab gar nichts gesagt. Eine Suite. Irgendwelche Extras?«

Kurz schaute Alex zu der Tür, durch die Lily verschwunden war. Wenn es nach ihm ginge, würde er alle Extras hinzubuchen, doch das war nicht seine Entscheidung. Also schüttelte er den Kopf. »Nein, heute nicht.«

»Heute nicht? Kommt das jetzt öfter vor?«

Sein Blick verdunkelte sich. »Pass auf, Mark. Du bist hier, um deinen Job zu machen, und nicht, um mir dumme Fragen zu stellen. Ist das klar? Ich habe genug andere, die sich hier gerne den Arsch platt sitzen würden an deiner Stelle.«

»Okay, okay!« Mark wurde direkt wieder kleinlaut und buchte brav das Zimmer für Lily ein. Dann reichte er ihm den Schlüssel rüber, ohne ihm in die Augen zu schauen.

Kopfschüttelnd nahm Alex ihn an sich. Manchmal vergaßen die Leute hier, für wen sie eigentlich arbeiteten. Es war ihm wichtig, dass sich alle sicher fühlten und dass er sie vom Gröberen fernhalten konnte. Aber gerade die Männer waren alle genauso Teil der Organisation wie er. Solches Verhalten wie von Mark konnte er nicht tolerieren.

Es war offensichtlich, dass es Zeit wurde, sie alle mal wieder daran zu erinnern, wer er war.



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