Panikattacke

Dieser Beitrag wurde von der sehr talentierten DELL_A_STORY verfasst. (Ich finde, ihre Geschichten sind der Hammer!) Sie arbeitet in der Forschung und hat im Bereich klinische Neuropsychologie promoviert, daher hat sie sich angeboten, bei diesem Projekt mitzuhelfen, vor allem was die psychologischen Themen angeht. Sie hat auch einige sehr gute und realistische Panikszenen in ihrem Projekt Die Forelli Dynastie geschrieben, falls ihr nach ein paar guten Beispielen sucht. Solltet Ihr Fragen haben, könnt Ihr Euch gerne an sie wenden, oder diese in den Kommentaren loswerden.

Ich wurde gebeten, etwas über Panikattacken zu schreiben. Das werde ich natürlich gerne tun, denn Panikattacken sind etwas, das einem im realen Leben, aber auch in der Literatur relativ häufig begegnet. Vielleicht hat der eine oder andere von euch auch schon mal eine Panikattacke gehabt (zum Beispiel vor oder während einer Prüfung). Das ist schlimm, geht aber meist irgendwann vorüber. Es gibt allerdings auch Erkrankungen, bei denen Panikattacken häufiger auftreten. Hier zu nennen wären Agoraphobie (Angst vor weiten Plätzen oder Menschenmassen), Panikstörungen (hier sind sie quasi das Leitsymptom), posttraumatische Belastungsstörung und andere Angststörungen.

In Geschichten werden Panikattacken häufig eingesetzt, wenn der Protagonist in eine besonders gefährliche und ausweglose Situation gerät oder wenn er mit einem besonders starken Furchtreiz konfrontiert wird. Das ist sicher nicht verkehrt. In der Realität treten Panikattacken aber auch häufig erst lange nach einer angstauslösenden Situation oder sogar „aus heiterem Himmel" auf, also ohne dass der Betroffene genau sagen kann, was die Attacke ausgelöst hat. Es gibt sogar Leute, bei denen Kaffee Angstgefühle auslöst. Oder die Betäubungsspritze beim Zahnarzt. Da ist nämlich manchmal Adrenalin drin und das führt zu Herzrasen und Zittern, was ausreichen kann, um Attacken auszulösen.

So und hiermit verlassen wir mal den wissenschaftlichen Teil dieser Abhandlung (wir kommen aber nochmal dorthin zurück, keine Bange). Schließlich wollen wir eine Geschichte schreiben. Und da helfen trockene Wikipedia-Artikel nicht wirklich viel weiter. Also wenn ihr euch mit dem Gedanken herumtragt, über Panikattacken zu schreiben, werde ich hier mal versuchen, zu beschreiben, wie das so ist. Denn ja, ich gehöre zu den Menschen, die das schon häufiger erleben durften und deswegen darf ich auch in der Ich-Perspektive darüber schreiben. Es muss aber dazu gesagt werden, dass das jetzt ein subjektiver Bericht ist und es daher durchaus sein kann, dass du oder jemand anders seine Panikattacken auf ganz andere Weise erlebt.

Also das erste, was bei Panikattacken in Büchern gern falsch gemacht wird, ist Folgendes: Sie sind viel zu lasch. Der entscheidende Aspekt bei einer Panikattacke ist die Todesangst. Als Autoren solltet ihr darüber mal gründlich nachdenken und versuchen, euch in diese Situation hineinzuversetzen. Wenn ich eine Panikattacke habe, fürchte ich um mein Leben. Oder, um ganz ehrlich zu sein, vor einer Sache, die ich mehr fürchte als den Tod. Selbst wenn in der aktuellen Situation keinerlei reale Gefahr besteht, bin ich im Moment der Attacke davon überzeugt, dass dieser schlimmstmögliche Fall (der Tod) eintreten wird. Und zwar nicht morgen oder in drei Jahren, sondern JETZT. Ich weiß, ich werde sterben. Und mein Gehirn und mein Körper versuchen irgendwie mit dieser schrecklichen Erkenntnis fertig zu werden.

Das müsst ihr euch wirklich richtig klar machen. Eine Panikattacke ist nicht nur ein bisschen Zittern und Schwitzen. Es ist als würde man sterben. Und das ist schlimm. Wirklich sehr, sehr schlimm. Davon erholt man sich nicht in ein paar Minuten wieder. Meine Panikattacken dauern gern Stunden und gehen mit starker Hyperventilation und Muskelkrämpfen einher. Danach schlafe ich oft einen halben Tag und habe zwei bis drei Kilo abgenommen (und nein, ich kann das nicht als Diät-Methode empfehlen).

Anmerkung: In der Literatur wird aber auch immer wieder von Attacken berichtet, die angeblich nur Minuten dauern. Ich beneide diese Menschen ein bisschen, auch wenn es unfair ist, weil ich natürlich niemandem Panikattacken wünschen würde (von ein, zwei Ausnahmen abgesehen).

Na schön, aber wie fühlt sich das jetzt an?

Bei mir passiert das häufig ganz plötzlich. Ich liege zum Beispiel im Bett und habe so ein komisches Gefühl und dann kommt mir der Gedanke, dass diese schlimme Sache, vor der ich mich fürchte, eintreten könnte. Manchmal fange ich da schon an, komisch zu atmen (das merke ich aber oft nicht). Diesen Teil nennt man Hyperventilation. Ich schnappe dabei aber nicht nach Luft wie die Leute im Kino, sondern atme einfach sehr tief. Gleichzeitig habe ich ironischerweise das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

Und dann geht es oft sehr schnell. Urplötzlich habe ich den Eindruck, dass ES (= die schlimme Sache, beispielsweise ein Herzinfarkt) unmittelbar bevorsteht. Ich gerate verständlicherweise in Panik. Adrenalin schießt durch meine Adern (und ja, das kann schmerzhaft sein). Es brennt in meiner Brust. Meine Knie werden weich. Mein Hals schnürt sich zu. Manchmal zucke ich auch, weil ich so einen seltsamen kleinen Fluchtreflex habe. Ich fasse mir auch oft an den Hals, weil es sich so anfühlt, als würde ich gewürgt werden. Dabei atme ich immer schneller und tiefer. Mein Mund wird trocken. Ich muss häufig gähnen. Und trotzdem fühlt es sich an, als würde ich ersticken. Das macht die Panik natürlich nicht besser. Mir wird kalt. Meine Fingerspitzen kribbeln. Meine Lippen kribbeln. Ich versuche mir einzureden, dass ES schon nicht passieren wird, aber mein logisches Denken wird immer wieder von Panik-Spitzen unterbrochen. Dabei wird viel Adrenalin ausgeschüttet, mein Herz rast, meine Brust oder mein Bauch krampfen sich zusammen. Ich bäume mich leicht auf, manchmal fasse ich auch um mich und suche was zum Festhalten. Meine Augäpfel fangen an zu kribbeln (fühlt sich jedenfalls so an). Ich kann nicht mehr schlucken. Mir ist schwindelig. Meine Handgelenke werden langsam taub, genauso wie meine Beine. Das Kribbeln breitet sich immer weiter aus. Ich kann meine Hände nicht mehr bewegen, meine Lippen verkrampfen sich. Auch mein Brustkorb krampft weiterhin. Manchmal so fest, dass es sich anfühlt, als würde jemand auf meiner Brust sitzen. Dabei sind das nur meine eigenen Muskeln, die sich so stark verkrampfen, dass es weh tut. Meine Gedanken rasen und drehen sich immer wieder um die Sache, vor der ich mich fürchte. Meist wiederholen sie einen bestimmten Satz oder einfach nur NEIN, NEIN, NEIN. Irgendwann kann ich mich nicht mehr bewegen oder sprechen. Manchmal habe ich auch den Eindruck, ich würde ganz leicht neben mir stehen. Meine Umwelt scheint irgendwie von mir weggerückt zu sein, so als ob ich nichts wirklich berühren könnte. Als wäre alles hinter Glas. Übelkeit habe ich bestimmt auch manchmal, aber das steht bei mir nicht so im Vordergrund.

Ja, ich weiß, das klingt alles wahnsinnig furchtbar. Aber wenn man mir in diesem Zustand eine Plastiktüte gibt und ich eine Weile hinein atme, kann ich mich schon bald wieder bewegen und mache zehn Minuten später dumme Witze über Panikattacken. Was nicht bedeutet, dass die Attacke dann schon wieder vorbei wäre. Die Biester sind hartnäckig und kommen gern immer wieder. Wie Nachbeben bei einem Erdbeben.

Wie schon gesagt, ich bin ein Hyperventilierer und Hyperventilation steckt auch hinter vielen der beschriebenen Symptome. Es gibt aber auch Menschen, die hyperventilieren bei einer Panikattacke nicht. Bei denen stehen vielleicht Schweißausbrüche, Übelkeit und Herzrasen im Mittelpunkt. Dazu muss auch gesagt werden, dass ich inzwischen weiß, dass ich eine Panikattacke habe. Das hilft leider nicht gegen die Panik, aber es macht mir einige der Symptome, die ich währenddessen erlebe, verständlicher. Viele Menschen mit Panikattacken wissen jedoch nicht, dass sie gerade eine Attacke erleben.

Prinzipiell ist es so, dass vielen Panikattacken ein Teufelskreis zugrunde liegt. Der Körper nimmt eine Veränderung wahr (die komplett harmlos sein kann) und bewertet sie mit GEFAHR! ACHTUNG! ALARM! Daraufhin stellt sich Angst ein, die wiederum zu mehr körperlichen Veränderungen führt (Herzfrequenz steigt, Atmung wird flach und schnell etc.), was das Gefühl von Bedrohung verstärkt und zu noch mehr Angst führt. Natürlich ist das alles etwas anderes, wenn es eine echte Bedrohung für Leib und Leben gibt. Die Symptome sollten sich aber nicht zu sehr unterscheiden.

Hyperventilation. Bezeichnet im Grunde nur eine schnelle und vertiefte Atmung. Dabei wird dem Körper kein zusätzlicher Sauerstoff zugeführt, sondern nur Kohlenstoffdioxid abgeatmet. Dadurch sinkt die Konzentration von CO2 im Blut, der pH-Wert des Blutes verschiebt sich und es wird alkalisch (= respiratorische Alkalose). Die Blutgefäße werden enger gestellt, es kommt zu Benommenheit und Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit. Gleichzeitig kommt es zu einem Kalziummangel, weil bei einer Alkalisierung des Bluts manche Proteine im Blut ihre positive Ladung abgeben und stattdessen Kalzium-Ionen „einfangen", die sonst frei herumschwimmen. Dadurch kommt es zu Muskelkrämpfen, zum Beispiel an den Händen (Pfötchenstellung) oder um den Mund (Karpfenmaul).

Das klingt sehr lustig, aber eigentlich ist es ziemlich gruselig. Es fühlt sich nämlich so an, als würden die Handgelenke taub werden. Dadurch kann ich meine Hände nicht mehr heben und sie bleiben so komisch abgeknickt (wie Pfötchen eben). Und meine Lippen verkrampfen zu einem „O", sodass ich nicht mehr reden kann. Äußerst unangenehm. Lösung: Ins Zwerchfell atmen (aber das geht oft wegen der Panik nicht) oder eine Tüte zur Hand nehmen. Dadurch normalisiert sich der Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut und die Symptome gehen zurück. Außerdem helfen mir Wärmflaschen gegen die Krämpfe. Hyperventilation tritt übrigens nicht nur bei Stress und Panikattacken oder anderen psychischen Zuständen auf, sondern kann auch körperliche Ursachen haben. Solltet ihr also darunter leiden, macht es Sinn, einen Fachmann zu konsultieren.

Derealisation. Das ist auch etwas, das bei Panikattacken auftreten kann. Dabei wird die Umgebung als fremd oder unwirklich wahrgenommen.

Depersonalisation. Hierbei hat man das Gefühl, neben sich zu stehen und nicht mehr man selbst zu sein.

Das gilt jetzt für alles, was ich hier beschrieben habe. Solltet ihr unter Angstattacken oder anderen Symptomen dieser Art leiden, sucht euch fachmännische Hilfe. In den meisten Fällen lassen sich Angststörungen gut behandeln. Und selbst wenn es nur eine einmalige Sache war, wird euch kein Arzt und erst recht kein Psychotherapeut den Kopf abreißen, wenn ihr mal zum Gespräch vorbeikommt. Ganz ehrlich nicht. Die werden von der Krankenkasse dafür bezahlt. Und das nicht schlecht, kann ich euch verraten. 

Ich hoffe, ich konnte euch hiermit schreibtechnisch, menschlich und emotional weiterhelfen.

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