Scenery 《5》
Detective Seo Changbin saß in seinem Wagen und blickte auf den Wohnblock auf der anderen Straßenseite. Wie schon so oft fand er auch diesmal die Stille bemerkenswert - jene Stille, die sich über einen Ort legte, nachdem ein Mord verübt worden war. Es war eine Ruhe, welche sich immer weiter ausbreitete und jedes gesprochene Wort verschlang, jedes Knarren einer alten Treppe, jedes Ächzen eines rostigen Scharniers.
Selbst im Herzen der neutralen Zone, am helllichten Tag, hatte sich über diesen Wohnblock, der vom Tod heimgesucht wurde, tiefe Stille gelegt, welche alles umhüllte wie dichter Nebel.
Um den District Nine zu verstehen, musste man von oben auf ihn herabschauen. Jedes Lebewesen, jede Gattung, besaß einen eignen Stadtteil. Manch einer munkelte ihre Heimat sähe aus wie ein Blütenblatt. In der Mitte wurde vor Jahrhunderten eine Neutralezone errichtet. Dort waren die Sirenen und Meerjungfrauen beheimatet, da sie beidseits mit dem Mond und der Sonne agierten.
Licht und Dunkelheit an einem Ort.
In dieser Zone lebten natürlich auch derer, die ihre Heimat verloren, entweder in dem sie verbannt oder ausgesetzt wurden oder sie gingen freiwillig, wie in Minhos Fall, um dort Zuflucht zu suchen. Von diesem sogenannten 'Herzen' des District Nines verstreuten sich die anderen Arten in alle Himmelsrichtungen. Im kühleren Norden hausten die Vampire, deren Bezirk beinahe wie eine uneinnehmbare Festung im eisigen Ödland wirkte. Letztendlich kümmerten sich diese Wesen meistens nur um sich und ihre Zirkel. Manchmal dachte Changbin, sie würden die Einsamkeit dem Leben in ihrer vielfältigen Gesellschaft vorziehen. Im Süden dagegen weilten die Wölfe, dessen gigantisches Gebiet einem Urwald glich, dass man sich niemals darin verlaufen sollte. Dort herrschten warme, beinahe sommerliche, Temperaturen das ganze Jahr über. Niemand weiß, warum. Jedoch hatte der Fae den Verdacht, dass einer der höher gestellten Wölfe die Macht, dass Wetter zu kontrollieren, besaß. Chans Heimat befand sich im Osten, auch wenn er dort nicht mehr Zuhause war. Nichtsdestotrotz verkörperte sein ehemaliger Stadtteil, dass, was man im Mittelalter auch als Knotenpunkt des Handels kannte. Viele der Waren aus anderen Ländern wurden von dort in die jeweiligen Gebiete transportiert. Ein eher weniger angenehmer Punkt war der Schwarzmarkt, dessen florierendes Geschäft stetig an Größe gewann. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Namjoons Elite darum kümmern würde.
Und das würde hässlich enden. Changbins eigenes Viertel befand sich zwischen dem der Dämonen und der Sirenen. Bis heute fragte sich der Detective, was der Sinn hinter diesem Stadtteil war. Hauptsächlich bestand seine Heimat nur aus Parks, Seen, und jedweden Formen der Entspannung.
Vielleicht diente es zum ökologischen und wirtschaftlichen Ausgleich. Doch Changbin hatte nicht das Gefühl. Für ihn zerrte diese Ungleichheit an seiner Seele. Er sah tagein, tagaus den Tod und das Grauen, die Hölle und das größtmögliche Arsenal an Verdorbenheit, dass der gigantische Kontrast zu seinem alltäglichen Leben kaum zu händeln war. Seungmins Art hingegen gedieh inmitten der neutralen Zone und dem Viertel der Drachen. Die Serahpim lebten ihren Hang zur Wissenschaft und der Entwicklung vollkommen aus. Überall herrschte stets und ständig Betriebsamkeit, es war keinem zur Ruhe vergönnt. Man verlangte von jenen ausschließlich Ergebnisse. Changbin verstand, dass es den Jüngeren von dort weggelockt hatte. Trotzdem merkte der Schwarzhaarige, dass der Braunhaarige oft den Blick gen Westen richtete.
Sehnsüchtig, beinahe wehmütig.
Um auf die Drachen zu treffen, musste man sich noch weiter Richtung Westen wenden. Dieses Volk lebte den Stil des Saus und Braus und war ein reines Businessviertel. Jegliche Wolkenkratzer reihten sich aneinander und schrieen ihren Reichtum in die Welt hinaus. Changbin wusste, dass Jeongin aus einer wohlhabenden Familie stammte, war dennoch überrascht, dass seine Eltern ihn einen solchen Job ausüben ließen und nicht wollten, dass er Anwalt wurde.
Changbin kannte diese Stille. Er war an mehr Tatorten gewesen, als er sich erinnern wollte- und er erinnerte sich an jeden Einzelnen.
"Wieso das Opfer vom eigentlichen Tatort zum Friedhof schleppen?", stellte Changbin die Frage in den Raum, welche ihn schon geraume Zeit beschäftige. Felix, der neben ihm im Auto saß, legte die Hand an sein Kinn und schien zu überlegen.
"Es ist doch viel mehr Aufwand die Leiche von A nach B zu bringen, als sie direkt Vorort zu lassen. Ganz zu Schweigen davon erwischt zu werden."
Felix nickte, noch immer in Gedanken versunken. In wenigen Augenblicken würden sie die Wohnung von Riko Yasushi betreten. Erst dann würde die richtige Arbeit beginnen. Es war niemals so, als würde es nichts zu tun geben. Allen voran mussten Beweise gesichert werden, ehe man die Puzzleteil zusammensetzte, wie alles geschehen war.
"Es kann doch sein, dass der oder die Täter gestört wurden, durch Freunde oder Familie. Sie konnten ihre 'Arbeit' nicht in Ruhe fortsetzen und verließen Hals über Kopf die Wohnung."
Changbin biss sich auf die Unterlippe und knurrte. Wenn sie wirklich gestört wurden, dann hätte man diese Tat verhindern können. Seine Hände vergriffen sich im Lenkrad, sodass seine Knöchel weiß hervortraten.
Man hätte Riko Yasushi retten können. Man hätte dieses Leben retten können.
Felix strich ihm behutsam über den Arm. Augenblicklich befand sich Changbin wieder im Wagen.
"Wenn er oder sie Hals über Kopf gegangen sind, heißt das auch, sie haben Spuren hinterlassen. Und dadurch kriegen wir den oder die Täter", meinte Felix und lächelte dieses ehrliche, naive Lächeln, dass Changbin verrückt machte. Es war voller Sonnenschein und Sternenlicht, dass die bloße Geste Changbins Herz zum flattern brachte. So kitschig es auch klang: Felix' Lächeln ließ ihn stets auf den Boden der Tatsachen zurückkehren.
Und in ihrem Job war diese eine willkommene Abwechslung.
Wenige Minuten später befanden sie sich im Flur der Wohnung des Opfers. Es war ein schmaler quadratischer Flur, man fiel sofort hinein, nachdem man durch die Tür getreten war. Danach ging es rechts weiter ins Schlafzimmr, welches ebenfalls quadratisch war. Es war minimalistisch eingerichtet. Nur ein Schrank, ein Bett und ein Spiegel. Dekorationen fanden ihren Platz an den Wänden. Vom Flur aus geradezu war das Bad. Klein aber fein. Für ein oder zwei Personen ausreichend. Links weg trat man dann ins offene Esszimmer, das direkt mit dem Wohnzimmer und der Küche verbunden war. Es war genauso sporadisch eingerichtet wie Bad und Schlafzimmer, doch das abscheulichste spiegelte sich an den Wänden und am Boden wieder. Blut. Überall war Blut an die Wand gespritzt wurden. Und nicht durch arterielle Spritzer aus Wunden, sondern als hätte jemand Jackson Pollock gespielt. Es erinnerte ihn schlagartig an den Fall von vor drei Monaten. Für einen Augenblick kam Changbin ins Staucheln.
"Gammahydroxybutansäure", sagte Felix plötzlich und hob einen Lappen vom Boden auf. Changbin schüttelte verwirrte den Kopf, ehe er sich auf seinen Partner fixierte.
"In geringen Mengen zum Beispiel mit Alkohol vermischt, kann GHB aufputschend wirken und wird daher oft auf Partys genommen. In hohen Dosen allerdings wirkt es narkotisch. Es macht die Opfer willen- und wehrlos. Deshalb lautet der inoffizielle Name, neben K.O-Tropfen auch Vergewaltigungsdroge."
Der Detective löste sich aus seiner Starre und trat näher an den Rothaarigen heran.
"Bei den Betroffenen kommt es zum Kreislaufzusammenbruch, dann zu tiefem Schlaf. Ich denke, der Täter hat sie ganz plötzlich überwältigt, in dem er sofort, nachdem sie die Tür geöffnet hat, diese als Waffe benutzte, um sie ihr vor den Kopf zu stoßen."
Felix demonstrierte seine Idee. Er stellte sich vor die Eingangstür und drückte diese mit Schwung auf, um das Vorgehen des Täters nachzuahmen.
"Somit hat er sich Zeit verschafft reinzukommen, um ihr die Gammahydroxybutansäure auf das Gesicht zu drücken, damit er sich im Anschluss in Ruhe mit ihr beschäftigen konnte", beendete Changbin die Überlegungen seines Partners. Bevor sie weitermachen konnten, klingelte Changbins Handy. Ohne aufs Display zu schauen, ging er ran. Zu seiner Überraschung war es Jisung, der völlig überdreht den Tatort, an welchem er sich mit Minho befand, erklärte. Im ersten Augenblick gefror dem Detective das Blut in den Adern, als er den Ausführungen des Vampirs folgte. Im zweiten wurde ihm übel. Nach einigen Befehlen seinerseits legte er auf. Felix blickte ihn derweil auffordernd an, sodass der Fae erst schlucken musste, bevor er die richtigen Wort fand, die es nicht gab.
"Eine fünfköpfige Familie wurde unter brutalen Umständen abgeschlachtet. Am Tatort fanden Jisung und Minho ein weiteres Rätsel. Der oder die Täter hinterließen keine Fingerabdrücke oder andere Fasern", erklärte der Detective kurz und knapp, um sich nicht zu sehr in die Geschehnisse hineinzudenken. Zumindest noch nicht. Er würde dieser Familie gedenken. Später.
"Aber das passt nicht zu diesem Fall. Selbst wenn es an beiden Tatorten Rätsel gab. Hier, bei Riko Yasushi, wurde ein Taschentuch mit einem Betäubungsmittel zurückgelassen und das Opfer auch noch bewegt. Das klingt nicht so professionell, wie der beschriebene Tatort von Jisung", meinte Felix nachdenklich und umrundete den kleinen Couchtisch inmitten des Zimmers. Changbin hing ebenfalls seinen Gedanken nach. Es könnte ein Nachahmer sein. Riko wurde eben früher entdeckt, als die fünfköpfige Familie. Doch etwas nagte an Changbin. Das passte einfach nicht.
Nicht so, dass es sich gut anfühlte.
"Was ist-", begann er.
Der Gedanke, den er aussprechen wollte, kam ihm richtig vor, auch wenn es ihm eiskalt den Rücken hinunter lief und sich ein bitterer Geachmack auf seiner Zunge ausbreitete.
"-wenn wir es mit Lehrer und Schüler zu tun haben?"
___________________________________________
Guten Morgen, ihr Lieben!
Heute kommt mal ein Kapitel am Morgen, da sich das Kapitel gestern nicht hochladen ließ. Sehr zu meinem Ärger, aber hier ist es und ich hoffe, es gefällt Euch!
Was haltet ihr von den Überlegungen seitens Felix und Changbin?
Was findet ihr besser? Morgens ein Kapitel zu haben oder lieber abends?
Feel free to comment!
Flair🌿🌸
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top