Kapitel 5

Haniel legte sich in das für ihn zugewiesene Bett und betrachtete die Decke des Zimmers. "Ich muss aufpassen, dass ich nicht erneut emotional werde, es könnte mir sonst zum Nachteil ausgelegt werden. Und diese seltsame Fähigkeit sollte ich auch nicht ignorieren", murmelte er in die Stille hinein. Seine Flügel raschelten durch die Aufregung leicht und ließen ein paar weiße Federn zu Boden gleiten, da die Schwingen größer als die Bettbreite waren. "Eine größe Schlafmöglichkeit wäre nett." Wie die von Belial.

Es klopfte an der Tür. Dieses Mal war es der Dämon, der anklopfte. Haniel hatte nicht damit gerechnet, dass er ihm nachkommen würde. Als Belial den Raum erblickte, kniff er die Augen zusammen. "Dacht ichs mir doch. Folge mir."

Haniel war völlig perplex. Was soll das? Trotzdem folgte er ihm, auch wenn er misstrauisch war. Sie liefen wieder in Richtung von Belials Zimmer, doch sie gingen nicht in seines, sondern in das neben ihm.

Ein größerer Raum mit einem Balkon erwartete sie, doch was dem Engel sofort ins Auge fiel, war das große Doppelbett. "Das ist eigentlich der Raum für Paare, doch damit sollten deine Schwingen mehr Platz haben." Der Dämon hatte sich an Haniels Aussage und Gesicht bezüglich dem Verstecken seiner Flügel erinnert, als diese aus ihm hervor gebrochen waren. Er hatte wohl mit seiner Vermutung, dass die Engel mit Flügel schliefen, recht gehabt, denn er sah das Leuchten in den Augen des Engels. Seh es als Entschuldigung, doch das sagte er nicht. Stattdessen sagte er: "Schlaf und ruh dich aus. Morgen werden wir unsere Suche fortsetzen." Dann wandte er sich zum Gehen.

Der Grauhaarige hielt ihn auf. Seine Hand drückte sich in den Rücken des Dämons, als Zeichen seiner Dankbarkeit. "Danke." Haniel spürte ein Zittern unter seinen Fingern, welches von Belial ausging, und konnte sich nicht erklären, woran das lag. "Sagt ihr so nicht danke? Ist es eine Umarmung? Ich kenne mich damit nicht aus", der Engel wurde etwas unsicher, denn er war sich sicher etwas falsch gemacht zu haben. "Es tut mir leid."

Ohne Belial anzusehen, drehte er sich um und legte sich bäuchlings auf das frisch bezogene Bett und spreizte seine steifen Schwingen zu beiden Seiten weit aus. Ein erleichtertes Seufzen entwich ihm und ließ ihn ruhiger werden. Das der Dämon nun freie Sicht auf seine reinweißen Flügel mit Silberverzierung hatte, störte ihn keineswegs.

Nicht zu fassen, er hat seine Hand direkt an die Stelle meiner Flügel gelegt, dachte Belial, während er zu dem Engel sah. Diese intime Berührung war eigentlich nur den Gefährten gestattet. Er lief zu dem Engel und setzte sich neben ihn, dann legte er seine Hand an dieselbe Stelle, wie Haniel bei ihm.

Dieser spürte den Druck und hob seinen Kopf leicht an. Fragend blickte er zu Belial, denn er wusste nicht, was dieser bezwecken wollte. "Wieso dankst du mir?"

Sanft fuhr Belial mit der Hand nach rechts, und streifte den Ansatz der Engelsflügel. Weiche Federn schmiegten sich in seine Handfläche, ein ungewohntes aber schönes Gefühl. Er spürte, wie der Engel erschauerte. "Beantwortet das deine Frage? Das war kein Danke, kleiner Engel." Mit einem leichten Lächeln erhob er sich schließlich und ging.

"Oh", entfuhr es Haniel, als dieser die Bedeutung der Geste erkannte. Es war für ihn intim. Der Engel sprang vom Bett auf und folgte dem Dämon auf dem Hausflur. "War es dir unangenehm? Ich werde in Zukunft aufpassen, sollte dies der Fall gewesen sein." Schließlich müssen wir ja noch zusammen arbeiten.

Belial winkte nur ab. "Kein Sorge, kleiner Engel."

"Nenn mich nicht immer klein."

Ein letztes Mal drehte sich Belial zu ihm um, bevor er schließlich in sein Zimmer ging. "Dann werde erwachsen." Haniel konnte die Worte nicht fassen. Der Dämon forderte ständig seine Ruhe heraus und bereits mehrfach hatte Haniel diese schon vergessen. Mit einem Schnauben, knallte der Engel lautstark seine Tür zu, als er in sein neues Zimmer zurück lief. Er versteht es nicht. Versteht mich nicht. Aber das wird er auch nie können.

Für Haniel war der Tag gelaufen, als er sich erneut ins Bett fallen ließ. Keine Ergebnisse ihrer Spurensuche und eine kräftezehrende Diskussion mit einem unbelehrbaren Dämon. "Was für ein Tag", murmelte er in das weiche Kissen unter seinem Kopf und schloss erschöpft die Augen. Er brauchte dringend Schlaf und am besten so viel, wie er nur bekommen konnte.

Belial wachte wieder früh auf. Im Nachhinein war gestern ein absolut chaotischer Tag gewesen. Es war lange her gewesen, dass ihn jemand so aus der Fassung gebracht hatte. Waren sie wirklich x mal hin und her gelaufen? Konnten sie nicht normal miteinander sprechen? Sie waren beide kindisch gewesen.

Seine Hand drückte sich in den Rücken des Dämons, als Zeichen seiner Dankbarkeit. "Danke."

Er hat es nicht gewusst. Und doch spürte er die Berührung immer noch. Das war doch lächerlich. Also entschied er sich dazu, sich auf andere Gedanken zu bringen. Er zog sich leichte, sportliche Kleidung an und machte sich auf den Weg nach draußen. Er entfaltete seine Flügel und stieß sich vom Boden ab. Immer, wenn er flog, konnte er seine Gedanken sortieren.

Haniel, der ebenfalls früh wach wurde und nicht mehr zurück in den Schlaf fand, machte sich frisch und zog mit Hilfe seiner Magie, die er aufwallen ließ, bequeme Kleidung an. Praktisch, denn so musste er nie an Gepäck denken.

Er verließ sein Zimmer und suchte einen Weg hinaus in den Garten, wo er ein paar Übungen absolvieren wollte, um sich fit zu halten. Keine, die ihn als Engel enttarnten, aber dennoch ihre Wirkung hatten. So streckte er erst seinen gesamten Körper, bevor er zwischen aggressiven und verteidigen Übungen hin und her wechselte. Seine Flügel mussten schweren Herzens aussetzen und so konzentrierte er sich auf seine Beinbewegungen.

Fließend setzte er seine Füße in abwechselnden Kicks ein und erzeugte leichte Luftstöße, die einen Gegner nach hinten schleudern konnten. Normalerweise tat er dies in einer ähnlichen Art mit seinen Flügeln, doch musste er heute umdenken. Praktisch. Einen zweifachen Kick in der Luft konnte er nicht auslassen und so sprang er hoch, streckte seine strammen Beine in schnellen Bewegungen aus, die seine kräftigen Schenkel reizten und drehte sich währenddessen. Seine Haare wehten durch den starken Lufthauch und lagen nicht mehr in ihrer Perfektion nach hinten gelegt.

Es störte Haniel nicht und brachte ihn auch nicht aus dem Konzept. Er war viel zu sehr mit dem befriedigenden Training beschäftigt, als dass ihm das Sorgen bereiten würde. Immer wieder wiederholte er die Übungen, bis er merkte, dass sein Körper eine Pause benötigte. Wie lange trainiere ich bereits, dass ich erschöpft bin?

Ein Schatten am Himmel zog seine Aufmerksamkeit auf sich und ließ ihn hinauf schauen. Er kniff die sturmgrauen Augen zusammen und erkannte Belial am Himmel, welcher mit schwarzen Schwingen dort oben schwebte. Wunderschön. Diese Farbe ist einzigartig. Der Engel wollte ebenfalls fliegen und bemerkte auch seine Flügel im Inneren, die das genauso sahen, doch war es zu gefährlich. Er konnte es einfach nicht riskieren, entdeckt zu werden. Frustriert, drehte er sich um und ging in Richtung seines Zimmers, da er all den produzierten Schweiß von sich abwaschen wollte.

Auf dem Flug hatte Belial seine gedanken geordnet. Auf dem Rückflug hatte er den Engel bei eine Art Training beobachtet. Seine Bewegungen waren fließend und kraftvoll gewesen - geschmeidig wie die eines Kriegers. Belial wusste, dass er ihn nicht unterschätzen sollte, denn sollte es zum Kampf kommen, würde Haniel gewiss eine Stärke zeigen, die man nicht von ihm erwartete.

Es war Zeit für etwas Recherche, denn ihm war etwas eingefallen. Die Engel, die verschwunden waren, dienten sicherlich nicht der Freizeitbespaßung. Einem Engel brachte es nichts, seine eigenen Kameraden zu entführen, da sie ihm bei einem Aufstieg nicht halfen, somit musste sehr wahrscheinlich ein Dämon dahinterstecken. Es war jedoch ebenfalls einem Dämon nicht so einfach möglich, einfach Engel zu entführen, also musste dieser Hilfe haben und die musste direkt aus dem Himmel kommen. Ein Engel hilft einem Dämon Angehörigen seines eigenen Volkes zu entführen. Was konnte dafür der Grund sein?

Beunruhigt über ihre bisherigen Erkenntnisse, machte Belial sich auf den Weg zu Astaroth. Er erzählte diesem von den Spuren, Haniels Aussagen bezüglich der Verwaltung im Himmel und seine Vermutung.

Astaroth sah nachdenklich zu seinem Stellvertreter. "Ich denke, du hast Recht. Doch wer könnte ein solch waghalsiges Manöver wagen, denn er macht sich damit nicht nur Feinde in der Hölle, sondern auch die Erzengel", sagte der Höllenfürst.

Das Streben nach Macht war ein natürlicher Prozess und viele warfen begehrliche Blicke auf Astaroths Position, doch niemand hatte ihn oder einer der anderen Höllenfürsten direkt herausgefordert. Es gab einen Grund wieso, denn sie waren nunmal die mächtigsten Dämonen der Hölle.

"Hört euch um, ob vielleicht ein Engel in der Hölle gesichtet wurde, denn dies könnte derjenige sein, der dem Entführer geholfen hat. Auch wenn dieser sich versteckt, Gerüchte werden unvermeidbar sein", sagte Astaroth und Belial nickte.

Er und Haniel würden wohl einen kleinen Ausflug in der Hölle machen. Er verabschiedete sich von seinem Fürsten und lief zu Haniels Zimmer. Er klopfte, doch erhielt keine Antwort, also entschied er sich später wiederzukommen. Vermutlich wusch er sich nach dessen Training.

Währenddessen schickte er seinem Stellvertreter Nero eine Nachricht mit Anweisungen. Seine Krieger sollten sich nach Gerüchten über Dämonen, die nach Macht streben und etwas versteckten, sowie nach Engeln Ausschau halten. Sie brauchten Unterstützung, denn je mehr Zeit verging, desto unwahrscheinlicher war es, dass sie die Engel lebend fanden.

Haniel trat aus dem Waschraum und blickte sich im Zimmer um. Es hat doch jemand geklopft, wieso ist er nicht hereingekommen? Der Kriegsengel zog sich mit seiner Magie bequeme Kleidung an, welche er in dunklen Farben hielt. Er verließ sein Zimmer und wusste nicht, wohin er sollte, denn er hatte den Weg zum Büro des Fürsten vergessen und den zum Studierzimmer ebenfalls. Überlegend stand er vor der Tür und wägte ab, ob er einfach herumlaufen und auf sein Glück hoffen sollte den richtigen Weg zu finden, oder einfach an Belials Tür zu klopfen und ihn bitten, die Suche fortzusetzen.

Der Engel entschied sich für ersteres, da er dem Dämon nicht bedrängen wollte. Vielleicht ist er auch noch unterwegs. So lief er los und durchschritt einen langen Flur, auf dem ihm niemand begegnete, und er fragte sich, ob Astaroth alleine hier wohnte. Ungewohnt, denn im Himmel lebten alle Krieger unter einem Dach und alleine war man nie. Immer war jemand da, der einen beobachtete und die unreinen Taten weitertrug. Egal, ob diese einem schadeten oder nicht, denn man tat dies mit dem Gedanken 'Ich tue dies für das höhere Wohl'. Haniel selbst, hatte so etwas noch nie getan, da er darin keinen Nutzen sah und keinen verletzen wollte. Jeder beging Fehler, das lag in der Natur aller Lebewesen.

Er achtete nicht auf seine Umgebung, bis er gegen etwas Hartes lief und drohte nach hinten zu fallen. Starke Arme schlossen sich um seine Taille und hielten ihn halb in der Luft und bewahrten ihn vor Schaden. Ein angenehmer Duft stieg in seine Nase, welcher nach Gewitterwolken und Tannenharz roch und ihm gefiel.

"Ist es deine Angewohnheit, kopflos durch die Weltgeschichte zu spazieren, oder ist das wieder eine der seltsamen Angewohnheiten der Engel, wie beispielsweise einfach in fremde Zimmer zu laufen oder Flügel anzutatschen?" Belial wusste, dass er den Engel nicht ärgern sollte, doch er tat es trotzdem. Seit wann, bist du so kindisch? Doch wenn er ehrlich war, genoss er die Abwechslung, denn die Reaktionen des Engels waren mehr als amüsant. Er hatte keine Angst vor Belial, was schlichtweg an seiner Unwissenheit lag.

Der Duft von Kamelien und Orangen ging von dem Engel aus, der noch etwas feuchte Haare hatte. Der Geruch passt zu seinem Gesicht, aber nicht zu seinem sturen Wesen.

"Die Kriegsengel leben nicht alleine und teilen sich ihre Zimmer nach Bedarf mit zwei oder mehr Engeln. Türen gibt es im inneren unserer Häuser nicht und werden daher als nutzlos erachtet. Das ich deine Flügel angefasst habe, liegt daran, dass es eine Geste der Dankbarkeit unter uns ist. Es tut mir leid, wenn ich dir mit meinem Verhalten zu nahe kam. Würdest du mich aber nun wieder gerade hinstellen, oder möchtest du mich weiter in deinen Armen halten?" Haniel fand die Stellung, in der sie gerade waren eher lustig, denn Belial hielt sein ganzes Gewicht und war leicht über ihn gebeugt. Bin ich ihm auf Dauer nicht zu schwer?

"Dein Mundwerk wird dich noch irgendwann in Schwierigkeiten bringen, dabei könntest du damit viel schönere Dinge anstellen." Er sah die Verwirrung in dem Gesicht des Engels, dann überzog ihn eine Röte. Er hat es wohl verstanden. Spaß beiseite, Belial wurde ernst. "Haniel. Nach Rücksprache sind wir uns nun sicher, dass ein Dämon hinter dem Ganzen steckt, der aber Hilfe von einem Engel erhält, der Zugang zu Informationen oder die entsprechenden Fähigkeiten hat. Ist es dir möglich, die von dir genannten zwei Engel, zu überprüfen? Ob sie in letzter Zeit irgendwohin verschwunden sind oder sich auffällig verhielten?"

"Es ist praktisch unmöglich die beiden zu überprüfen. Sie sind nie alleine und immer in der Nähe ihrer Erzengel, die mir den Auftrag erteilt haben in der Hölle und auf der Erde zu suchen. Was mir persönlich aufgefallen ist, dass Chasan öfters für Uriel in die Hölle reisen musste, was ungewöhnlich ist, denn Erzengel erledigen wichtige Angelegenheiten selbst."

Belial überlegte. Es war vielleicht eine Spur, doch sie durften auch den anderen nicht außer acht lassen. "Gibt es niemanden, der sich vielleicht etwas umhören könnte, dem du vertraust? Zudem werden wir zwei nun einen Ausflug machen. Wir werden auf Spurensuche in der Hölle gehen. Wenn ein Dämon mit einem Engel zusammenarbeitet, muss das Spuren hinterlassen", sagte der Dämon und schaute zu den Engel, der in Gedanken zu sein schien.

Haniel überlegte. Es war ihm verboten mit Außenstehenden über diese Angelegenheit zu sprechen, doch er gab Belial recht, so würden sie Ewigkeiten brauchen. "Ich bin sehr gut mit Erzengel Michael befreundet. Er wäre der Einzige, der nah genug an die Personen im engeren Kreis herankommt." Es war gewagt, sich an den Erzengel zu wenden, doch welche Wahl blieb ihnen? Der Kriegsengel konzentrierte sich auf Michael und sandte ihm über die Gedankenverbindung, wie der momentane Stand war und welches Problem sie nun hatten. "Ich kümmer mich darum, bleib du in der Hölle und suche weiter", war die direkte Antwort des Erzengels und diese Information teilte Haniel Belial mit.

"Gut. Wir warten, bis ich Rückmeldung meiner Krieger bekommen habe, dann brechen wir auf. Ruh dich bis dahin aus, denn es wird eine anstrengende Reise. Ich breite solange alles Notwendige vor."

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