Kapitel 1

Kriegsengel Haniel, welcher vor langer Zeit verlernt hatte, Liebe und Zuneigung in sein Herz zu lassen, stritt mit kräftigen Schritten die goldene Engelstreppe zur Empfangshalle der Erzengel empor und strahlte regelrecht vor Desinteresse. Er wusste nicht, wieso er zu den Höchsten gerufen wurde, da er sich keinerlei Schuld bewusst war und auch keinen Fehler in seiner Einheit der Kriegsengel begangen hatte.

Der 1,85 m große Engel mit weißen Schwingen, die das Licht reflektierten, und sturmgrauen Augen, welche einen verschlingen konnten, strich sich ein letztes Mal seine kurzen dunkelgrauen Haare nach hinten, bevor er die majestätische doppelflügelige Tür öffnete und sich vor sieben Erzengel wiederfand, die ihn eindringlich und prüfend an sahen.

Die sieben hohen Engel Michael, Gabriel, Raphael, Uriel, Jophiel, Camael und Zadkiel nahmen auf ihren Thronen Platz und ließen ihre gesamte Dominanz im Raum spürbar aufwallen, damit sich der starke Kriegsengel vor ihnen seinem Platz bewusst war. Auch wenn es Erzengel widerstrebte dieses Verhalten an den Tag zu legen, blieb dem Weißhaarigen nichts anderes übrig, als seinem langjährigen Freund dies anzutun.

Haniel war sich der Prozedur bewusst und nahm es Michael nicht übel, denn er konnte sich ja schlecht gegen die anderen sechs Erzengel stellen, nur weil ihm das System nicht gefiel. Auch wenn es seltsam klang, so war dies nur ein Sicherheitsmerkmal, sodass kein Chaos in ihrer Welt ausbrechen würde, da jeder Engel dachte, er könnte machen, was er wollte.

So lief es in der Welt der Engel nicht und wird es auch in Zukunft nicht.

"Kriegsengel Haniel, wir haben einen Auftrag für dich", sprach die dunkle Stimme des Erzengel Raphael und besiegelte somit Haniels Schicksal.

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Belial betrat das Zimmer, in dem Astaroth seinen Pflichten als Höllenfürst nachging. Er hatte einen Raben erhalten, dass sein Fürst ihn für einen neuen Auftrag benötigte, doch um was es genau ging, hatte er nicht geschrieben. Nach einem kurzen Klopfen trat er ein.

Astaroth saß an seinem Arbeitstisch nachdenklich über ein Dokument gebeugt, während ihm eine Strähne seines schwarzen Haares ins Gesicht fiel jeder Dämon, nein, jedes lebendige und atmende Wesen würde den Höllenfürsten als einen der schönsten Dämonen beschreiben, die je existiert haben.

Er hatte eine schmale Nase und hohe Wangenknochen. Das ihm ins Gesicht fallende Haar, ließ ihn jünger aussehen, als er war. Das Hemd, dass er trug, war meist oben etwas aufgeknüpft, sodass ein Teil eines schwarzen Stammesmals – mehrere Kreise und Verzierungen – auf seiner hellen Haut zum Vorschein kam.

Vorsichtig löste er sich von dem Dokument und schaute Belial mit seinen gelben Augen an.

"Belial, setz dich", sagte er und stand auf, um sich auf eine Sitzgelegenheit ihm gegenüber zu setzen. Erst jetzt bemerkte der Dämon, dass sie nicht alleine waren. Es saß eine weitere Person auf der Sitzgelegenheit, doch sie trug einen grauen Mantel, der ihre gesamte Silhouette verhüllte. Misstrauisch setzte er sich etwas entfernt neben sie und musterte sie. Sturmgraue Augen trafen auf seine und er erstarrte.

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Was zuvor geschah:

"Um was für einen Auftrag handelt es sich, Erzengel Raphael?" Der Kriegsengel senkte demütig sein Haupt, da der rothaarige Erzengel es nicht mochte, wenn man ihm unverblümt in die Augen sah. Diese Eitelkeit legte er an dem Tag an, seit er in die Dienste der Erzengel aufgestiegen war und verhöhnte alle, die in seinen Augen schwächer als er war. Haniel wusste, dass Erzengel Raphael auch gute Seiten an sich hatte, doch bekam er diese in seinem gesamten Leben nie zu Gesicht. Aber das wollte er auch nicht.

Ein Rascheln von Kleidung drang an die Ohren des Grauhaarigen und kündigte an, dass sich der Erzengel erhoben hatte. Die kräftigen Schritte hallten durch die gesamte Empfangshalle und verliehen dem Anmut des Besitzers mehr Autorität.

"Haniel, erhebe dein Haupt", erklang die liebliche Stimme von Jophiel, welche für das Gleichgewicht in ihrer Welt stand.

Haniel kam der Aufforderung nach und erkannte, dass ihn goldene Augen betrachteten, welche eine Wärme ausstrahlen, die ihm nicht ganz behagte.

"Du, als fähigster Kriegsengel unserer Einheit, wirst in die Hölle gehen und dich mit Höllenfürst Astaroth zusammenschließen, der das weitere Vorgehen mit dir besprechen wird. Denke aber daran, dass du deinen Weg nicht verlässt und dir deiner Aufgabe immer bewusst sein musst." Raphaels Worte ließen keinen Zweifel der Unsicherheit walten und duldete auch keinen Widerspruch.

So kam es, dass er wenig später mit einem grauen Mantel bekleidet auf den Weg zum Himmelstor war und dieses durchquerte, mit dem Ziel, seinen Auftrag schnell hinter sich zu bringen.

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Belial schaute die Gestalt an, die nun auch die Kapuze des Mantels nach hinten zog. Ein grauer Haarschopf kam zum Vorschein, der ihn an flüssiges Silber erinnerte. Für einen Moment schaute er diesen einfach nur still an. Wer ist das? Fragend schaute er zu Astaroth.

Astaroth hatte Belials musternden Blick gesehen. "Belial. Ich habe einen Auftrag für dich, der höchster Geheimhaltung Bedarf", sagte er mit ernster Miene.

Belial wusste, dass Astaroth es ernst meinte und wartete geduldig. Er würde ihm erklären, um was es ging und wer dieser Fremde war.

"Ich habe heute eine Nachricht aus dem Himmel erhalten. In den letzten Wochen sind immer mehr Engel, die ihren Pflichten auf der Erde und in der Hölle nachgingen, einfach verschwunden. Niemand weiß, wo sie sind und was mit ihnen passiert ist. Nun wurde entschieden, dass man sich auf die Suche nach ihnen begeben soll und sie haben mir einen Vertreter aus ihren Reihen geschickt." Er deutete mit dem Gesicht zu dem Grauhaarigen, der bisher keine Miene verzogen hatte.

Ein Auftrag von höchster Geheimhaltung direkt aus dem Himmel? Es gab nur eine Möglichkeit, wer diesen Auftrag gegeben hatte, es mussten die Erzengel persönlich gewesen sein. Wenn der Auftrag von den Engeln kam, dann... musste dieser Mann neben ihm auch ein Engel sein.

Als hätte dieser seine Gedanken erraten, stand er auf und legte seinen Umhang ab. Weiße Flügel breiteten sich auf dessen Rücken aus, die bisher zusammengefaltet unter dem Mantel versteckt gewesen waren. Grüne Augen trafen erneut auf sturmgraue.

Haniel selbst wusste nicht, warum dieser Dämon mit den grünen Augen ihn anstarrte und es verunsicherte ihn etwas. Er wusste nicht wieso, denn kräftemäßig war er ihm ebenbürtig, doch berührten diese Augen etwas in ihm, von dem er nicht glaubte, es zu besitzen. Sein Herz. Könnte es sein? Ein Dämon? Er beschloss, dem erstmal nicht nachzugehen und tat es als nebensächlich ab, auch wenn es das vielleicht nicht war. Damit würde er sich jetzt nicht befassen.

Der Grauhaarige wandte seinen Blick von dem Schwarzhaarigen ab, während er all diese Gedanken und auch das Gefühl tief in sich einschloss und seinem Engeldasein nachkam. Kalt und immer auf das Wichtigste fokussiert.

"Ist das der Dämon, dem Sie ihr Leben anvertrauen würden, Fürst Astaroth?" Dieser bestätigte mit einem Nicken die Frage und schien den Auftrag nicht weiter ausführen zu wollen, sodass sich Haniel seufzend bereiterklärte und dem Dämon namens Belial auf den neuesten Stand brachte.

"Wie bereits gesagt wurde, verschwinden Engel verschiedener Klassen spurlos und hinterlassen keinerlei Spur, der man Folgen könnte. Das Problem an der Sache ist nicht nur, dass diverse Engel verschwinden, sondern durch diese Tat die Welt der Menschen ins Ungleichgewicht geraten kann, da diese ihre Schutz- und Traumengel verlieren, die sie in ihrem Leben begleiten.

Finden wir die Täter nicht, führt dies möglicherweise zur Auslöschung der Menschheit, was verhindert werden muss."

Schweigend hörte Belial zu und bedachte seine Worte mit Sorgfalt, denn dies war kein einfacher Auftrag. Ich werde also mit diesem Engel zusammenarbeiten müssen. Es behagte ihm nicht mit einem Fremden zu arbeiten, von dem er rein gar nichts wusste.

"Wie lautet dein Name und was ist dein Stand?", fragte er. Der Engel schaute ihn mit diesem Blick an, der ihn innerlich aufkratzte. Warum? Es war nicht Überheblichkeit oder Arroganz, es war etwas anderes, das er nicht benennen konnte. Sein innerer Dämon wurde unruhig, was kein gutes Zeichen war. Er konnte dieses Wesen vor sich nicht einordnen.

"Mein Name ist Haniel und ich bin ein Kriegsengel, mehr musst du nicht wissen."

Die Einstellung ging Belial gegen den Strich, doch er würde nicht gegen Astaroths Anweisung handeln. Es stellte sich nur die Frage, wie er mit ihm zusammenarbeiten sollte.

"Warum wurde ein Kriegsengel wie du geschickt? Hast du irgendwelche Ansätze oder Hinweise? Vielleicht eine Liste mit den verschwundenen Engeln?", fragte Belial, hielt dessen prüfendem Blick stand.

Er brauchte etwas, wo er ansetzen konnte, sonst hingen sie in der Luft.

Haniel konnte die Skepsis des Dämons nachvollziehen, denn es war nicht üblich, dass ein einfacher Kriegsengel für so eine wichtige Angelegenheit beauftragt wurde. Dennoch taten es die Erzengel und dachten sich etwas dabei.

"Meine einzigen Hinweise sind eine mir mitgegebene Liste, welche die Namen der verschwundenen Engel beinhaltet, und dass die Engel erst nach dem Überqueren der Himmelspforte verschwinden. Ich will meine Welt nicht ausschließen, aber das sind meine Ergebnisse.

Der letzte verschwundene Engel ist ein kleiner Traumengel, der auf dem Weg zu seinem Stützpfeiler der Dämonenwelt war, um von dort aus die Dämonen im Traum zu begleiten. Leider kam er dort nie an und sein Weg endet im Reich des Fürsten Astaroth", gab Haniel Preis und ließ kein Detail aus.

Nun lag es am Fürsten selbst, inwieweit er seiner rechten Hand vertraute und ob er die Karten offen auf den Tisch legte oder nicht. Vertraut er ihm wirklich?

"Kannst du uns die genauen geographischen Daten geben? In der Zwischenzeit werde ich euch beide einen Raum herrichten lassen, in dem ihr eure Besprechungen und Planungen vollziehen könnt. Vorerst nehmt ihr das Studierzimmer im Westflügel. Engel Haniel, es wird auch ein Raum für dich zur Verfügung gestellt, in dem du dich ausruhen kannst", sagte der Höllenfürst und schaute Belial an. "Ich möchte, dass du mich auf dem Laufenden hältst und Bescheid gibst, solltest du mehr Unterstützung benötigen. Ihr zwei solltet das diskret handhaben, damit kein unnötiger Aufruhr entsteht. Dafür solltest du", nun schaute er Haniel an, "deine Schwingen verstecken."

Astaroth hatte keinerlei Zweifel, dass sein Stellvertreter das Problem beseitigen würde. Sie kannten sich schon so lange, dass er ihm blind vertraute. Auch wenn viele Belial unterstellten, er habe die Absicht, Astaroth zu stürzen und dessen Position einzunehmen, so hatte sein Freund ihm mehrmals abschätzig versichert, dass er keine Lust auf diesen "Scheißjob" habe.

Belial nickte und erhob sich. Sein Blick blieb für einige Sekunden an dem Engel und dessen schöne Schwingen hängen. Auch Astaroth sah das. Wie es aussieht, hast du nun etwas gefunden, dass die Leere in dir etwas vertreibt. Er wollte Belial nicht an die Dunkelheit verlieren, doch er wusste, dass diese in den letzten Jahren in seinem Freund gewachsen war.

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