Kapitel 19: Der Vollmond
In den nächsten 3 Wochen erfuhr ich was Schmerzen wirklich waren. Die ersten paar Tage konnte ich mich kaum bewegen und mein Kiefer schmerzte wie die Hölle. Der Haferschleim, den man uns jeden Abend in die Zellen warf, schmeckte so widerlich, dass ich mich am ersten Abend übergeben musste.
Die Kälte und der dauerhafte Hunger machten mir sehr zu schaffen. Aber am aller schlimmsten war die Dunkelheit. Tags über standen Kerzen im Flur, aber Abends wurden sie ausgemacht und dann war es stock dunkel. Und mit der Dunkelheit, kamen die Angst und der Schmerz. Tageslicht hatte ich seit 3 Wochen nicht mehr gesehen.
Wir alle wussten welcher Tag heute war. Helena hatte die Tage gezählt, seit dem letzten Mal. Heute war Vollmond. Wieder würde eine von uns sterben müssen. Ich konnte die Panik in den Augen meiner mitgefangenen sehen, mittlerweile hatten wir uns besser kennengelernt. Ich wusste warum Helena und Stella hier gefangen gehalten wurden, sie liebten einander und hatten die Königin gebeten zusammen zu sein zu dürfen. Worauf hin diese sie eingesperrt hatte.
Als wir Schritte hörten schauten wir uns ängstlich an. Jetzt war es endgültig so weit, eine von uns würde sterben.
Zitternd saß ich in meiner Zelle, ich hielt den Atem an. Die Schritte der Wachen kamen näher, niemand wagte es auch nur ein Wort zusagen. Die Soldaten blieben stehen, und zwar genau vor meiner Zelle.
Mein Körper brach in Angst Schweiß aus, ich keuchte auf als die Wachen meine Zelle aufschlossen. Ich hatte damit gerechnet, aber die harte Realität war etwas ganz anderes.
Sie sprachen kein Wort, sondern zogen mich auf die Füße. Da ich wusste, dass es sinnlos war, versuchte ich mich gar nicht erst zu wehren.
Die Finger der Wache umschloss meinen ganzen Oberarm und ich bemerkte, wie dünn ich geworden war. Mein zerrissenes Kleid hing wie ein Vorhang an meinen mageren Schultern herab. Meine Füße berührten das erste Mal seit 3 Wochen den Gang. Grob zog mich die Wache den Gang entlang.
Als ich mich umdrehte und ein letztes Mal in die Augen von Helena sah wusste ich, dass wir uns niemals wiedersehen würden. Trotzdem formten meinen Lippen ein auf Wiedersehen, dass sie stumm erwiderte.
Dann schloss sich die Tür und wir stiegen die kalte Treppe nach oben. Ein deja- vu Gefühle überkam ich als wir hier lang gingen. Vor 3 Wochen war ich mit genauso großer Angst hier entlanggeführt worden. Als wir endlich das Ende der Treppe erreichten fühlten sich meine Beine wie Wackelpudding an.
Als die Tür in den Park aufschwang hätte ich am liebsten geweint. Meine Lunge füllte sich mit sternenklarer Luft, der Vollmond schien hell am Himmel und erleuchtete uns den Weg. Meine Schuhe waren mir abgenommen worden als ich mich am ersten Abend geweigert hatte den Haferschleim zu essen. So machen sie es immer, wenn man nicht gehorchte, musste man etwas von seinen Kleidern abgeben.
Mit bloßen Füßen führten sie mich über den Sandweg durch den nächtlichen Park. Vorbei an den riesigen Blumenbeeten und an den Springbrunnen. Als wir im hintersten Teil des Parks angelangt waren musste ich mich hinknien. Ich blickte mich um, das war also der Ort, an dem ich sterben sollte, um mich herum standen 3 große Brunnen.
„Sie kommt", flüsterte der eine Mann der anderen Wache zu. „Sch... du darfst doch nicht reden. Sonst schneidet sie dir deine Zunge raus."
Als ich aufblickte sah ich die Königin auf mich zukommen. Nur 2 Wachen flankierten sie, sie trug ein wunderschönes Kleid und sah darin aus wie ein Engel und nicht wie eine Mörderin. Als sie näher kam sah ich, dass sie ein Messer in ihrer Hand hielt, es sah alles so aus wie in meinem Traum. Ich bekam Panik, ich wusste was jetzt kommen würde, ich würde mich selbst umbringen müssen.
„Hallo Marlie. Weißt du schon was jetzt passiert?" fragte sie mich mit ihrer Honigweichen Stimme. Ich schluckte: „Ja, Sole hat es mir ganz genau erklärt!" Sie seufzte: „Ach ja, das kleine Plappermaul. Keine Sorge, ich habe sie zum Schweigen gebracht. Sie ist tot."
Erschrocken zuckte ich zusammen, sie hatte Sole umgebracht!
Das Messer in ihrer Hand war blutig, mir drehte es den Magen um und ich dachte verzweifelt an Lucien. Wie sehr wünschte ich mir er wäre hier. Dann hätte ich ihm sagen können, wie sehr er mit seiner Warnung recht gehabt hatte.
Ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich sterben würde. Doch der beendende Stich blieb aus. Als ich hoch blickte sah ich wie genau in dem Moment ein Pfeil die Wache durchbohrte.
„Weg hier!" schrie eine der Wache der Königin zu. Diese rannte mit ihren noch lebenden Wachen davon. In dem Chaos schien sich niemand mehr um mich zu kümmern. Also nutzte ich die Gelegenheit, um mich aufzurappeln und mich zu der Person, die diese Soldaten umgebracht hatte, um zu drehen.
Als ich die Person sah, die mir das Leben gerettet hatte, hätte ich am liebsten vor Freude geweint.
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