Kapitel 1: Behütet
„Hilf uns bitte, behüte das Dorf."
Es dämmert bereits, und der Himmel zieht immer weiter zu.
Die ersten Tropfen fallen, ich spürte jeden einzelnen von ihnen durch meine dünne Robe sickern, und schon bald schüttete es aus allen Eimern.
Ein stürmischer Wind zieht auf, zieht durch mein Kleid, mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter.
Noch immer knie ich im Matsch vor unserer Wächterstatue, hebe verzweifelt meinen Blick und starre direkt gen schwarzes Ungetüm.
„Theresa ich flehe dich an!"
Als scheinbare Antwort zucken Blitze über meinen Kopf, gefolgt von ohrenbetäubenden Donnerschlägen.
Schützend halte ich meine Hände über den Kopf, als ob das etwas bringen würde.
Ein dumpfer Aufprall in des Sturmes Wut, ich werde hellhörig, hat die alte Eiche etwa nachgegeben und womöglich jemanden verletzt?!
Ein Lichtblitz erhellt die Nacht für einen kurzen Augenblick. Schockiert richtet ich mich auf, ich zittere am ganzen Leib.
Eine schreckliche Angst vor dem was mich gleich erwarten würde, beschreibt es wohl am besten.
Wenige Meter entfernt, im dämmrigen Licht der Laternen, liegt ein scheinbar lebloser Körper bäuchlings im Dreck.
Mit großen Schritten nähere ich mich, und verunglücke dabei fast selbst. Mein Fuß rutscht im nassen Gras weg, doch irgendwie halte ich mich mit einem unschönen Spagat auf den Beinen. Die Person liegt nun zu meinen Füßen, behutsam greife ich ihre Schulter und verlagere sie auf den Rücken. Das blutüberströmte Gesicht, die geschlossenen Augen eines jungen Mädchens, ein grauenhafter Anblick.
Ich atme durch, nehme all meinen Mut zusammen und fasse ihr an den Hals -bange Augenblicke- und dann, endlich die Erlösung, sie hat einen Puls, ihr Herz schlägt.
Mit festem Griff unter Armen und Knien, hebe ich sie an, und mir wird erst jetzt gewahr, wie sehr ich mich eigentlich selbstüberschätzt habe.
Es war nicht weit bis nach Hause und doch würde es eine Herausforderung werden das schwer verletzte Mädchen in dieser Sturmeswut Heim zu bringen.
Doch was würde mir anderes übrig bleiben?
Mit Müh und Not, erreiche ich den Hof und will gerade gegen die schwere Holztüre treten, um mich bemerkbar zu machen, doch Mama kommt mir zuvor und öffnete diese mit einem vorwurfsvollen Blick: „Erika wo bist du nur gewesen, ich habe mir solche, ", sie verstummt schlagartig, als sie das Mädchen erblickt.
Doch anstatt in Panik zu verfallen, erkennt sie den Ernst der Lage direkt, umfasste die Beine der Verletzten und hilft beim reintragen.
Behutsam legen wir sie auf eine Holzbank.
Fröstelnd schließe ich die Tür hinter uns, und wende mich wieder dem Mädchen zu.
Mama reinigt ihre Platzwunde an der Stirn, währenddessen kümmere ich mich um ihre schlammige Robe, ich schiebe das blutdurchtränkte Gewand zur Seite und muss ersteinmal Schlucken. Eine gewaltige Stichwunde klafft im Bauchbereich, doch damit nicht genug, denn weiterhin kann von einer sauberen Wunde gar nicht erst die Rede sein, Blut und Matsch überall. „Ach du scheiße...", murmel ich vor mich hin.
Doch ich mache unbeirrt weiter, befeuchte einen Lappen und reinige den Bereich notdürftig. Anschließend bedecke ich die tiefe Furche noch mit unseren dörfischen Heilkräutern und verbinde das Mädchen behutsam. Letztendlich war ich überraschend zufrieden mit dem Ergebnis.
Auch ihre Kopfverletzungen, bereitete wenig Schwierigkeiten.
Ich ziehe die restliche durchnässte Kleidung aus und trockne das Mädchen behutsam ab. Ihre tiefblaue rechte Schulter fällt direkt ins Auge.
Was da wohl passiert ist?
Wir heben sie in das Gästebett meines Zimmers, dabei handelte es sich zwar nur um ein altes, mit Kissen ausgepolstertes Holzgestell, doch das würde für diese Nacht wohl reichen. Ich durchsuche die rustikale Kommode am Fuße des Bettes und werde fündig. Ziemlich fertig und dennoch sehr glücklich ziehe ich eine Wolldecke aus der Schublade und umhülle das Mädchen sanft.
Mama, die noch immer im Raum steht und mittlerweile lächelnd zusieht, gibt mir einen Kuss auf die Stirn und lobt voller Stolz meine Rettungsaktion.
Keine Vorwürfe, kein Gehader, warum ich nicht daheim gewesen bin. Vermutlich kennt sich den Grund sowieso, aber genau deshalb liebe ich sie.
Ich schiebe einen kleinen Hocker heran und setzte mich vor das Bett. Mein Blick wandert aus dem Fenster, der Regen donnert unaufhörlich gegen die Scheibe, und die Bäume schwanken bedenklich im Wind. Noch immer wütet der Sturm über unserem Dorf.
Ob es wohl allen gut geht?
Bei diesem Gedanken fällt mein Blick unweigerlich auf das friedlich schlafende Mädchen.
Ob sie sich je von diesen schweren Verletzungen erholen wird? Wut überkommt mich, Wut auf mich selbst, nein, so darf ich auf keinen Fall denken.
Da liegt sie nun, das weiße Verbands Material durchzieht ihre goldblonden Haare, während vereinzelte braune Strähnchen um meine Aufmerksamkeit werben.
Ich umfasse ihre zitternde Hand, sie ist kalt und nass. Das Mädchen kämpft gerade, das sieht man ihr zwar an, doch selbst in diesem Augenblick ist sie Bildhübsch.
Behutsam ziehe ich ihr die Decke bis unters Kinn.
Ich stehe auf, endledige mich endlich meines durchnässten Kleides und stülpe mir ein warmes trockenes Nachthemd über.
Doch bevor ich die Lichter löschen kann, zieht es mich noch einmal zu ihr, nachdenklich streiche ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
Ich kenne noch nicht einmal ihren Namen und trotzdem fühle ich mich in ihrer Anwesenheit irgendwie behütet.
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