4 - Gratis Achterbahnfahrt in den Tod
»Reichst du mir den Essig, Mäuschen?«, fragt Oma und sieht von der Schüssel auf. In den letzten Sekunden hat sie den Inhalt mindestens fünfzigmal im Kreis gejagt. Wahrscheinlich schmeckte ihre Salatsoße deshalb so gut. Wir Menschen schwitzen schließlich auch, nachdem wir Sport gemacht haben. Und dann verbreiten wir den intensivsten Geruch, den wir inpetto haben: Schweiß. Vielleicht geht es diesen Atomen ja genauso? Wenn sie gejagt werden, kommt der Schweiß ans Tageslicht, wobei er in diesem Fall lecker ist. Die Vorstellung ist zwar ziemlich abwegig, bringt mich aber trotzdem zum Schmunzeln.
»Mäuschen?«, reißt mich Omas fragende Stimme aus den Gedanken. Fragend blicke ich auf. »Den Essig«, wiederholt Oma lächelnd und deutet mit dem soßeverschmierten Schneebesen auf die Schublade unter mir.
Ich stöhne kurz auf, bevor ich mich herunterbeuge, die Schublade aufziehe und den Essig herausfische. Dann ahme ich ein kleines Mädchen nach, dass zu klein ist, um an die Stange zu kommen, nur dass es in meinem Fall Omas Arme sind. Dankbar lächelnd nimmt sie mir die Flasche ab und ich lasse mich mit einem erleichterten Seufzen wieder zurücksetzen.
So etwas einfach ist für mich immer eine Prozedur von langer Dauer. Vor allem, wenn ich mal wieder auf dem Küchentresen statt im Rollstuhl hocke. So wie jetzt. Ich mag das Gefühl, wenn meine Beine locker herunterhängen können. Vielleicht, weil ich mich dann wenigstens ein paar gottverdammte Sekunden normal fühlen kann.
»Was ist los, Mäuschen? Ist irgendwas passiert?« Überrascht von Omas Stimme blicke ich auf. Normalerweise bin ich ganz gut darin, meine Gefühle hinter einer dicken Tapete zu verstecken. Ich hasse es, wenn ich wie ein offenes Buch bin und dann auch noch eines, dass zu viele Gefühle preisgibt. Denn diese Leute hier sind neugieriger als Raben und stecken ihre Nase in jede noch so kleine Winzigkeit. Ein im Rollstuhl sitzende allerorts verhassten Pessimistin kommt ihnen da gerade recht. Nicht um sonst wird über jede noch so kleine Kleinigkeit, die ich verbreche, hergezogen, als würde herauskommen, dass Taylor Swift das uneheliche Kind von Usain Bold sein - was an sich schon sehr abwegig ist.
Okay, ich schweife mal wieder ab. Also zurück zum Thema Gefühle. Eigentlich habe ich mich immer unter Kontrolle, aber Oma besitzt diese nervige Angewohnheit, hinter meine Tapete schauen zu können. Schön blöd, wenn man nicht möchte, dass jemand seine Gefühlswelt lesen kann und es dann diese eine Person gibt, die es trotzdem kann. Wahrscheinlich sollte ich froh sein, da sie mir schon oft geholfen hat. Freiwillig würde ich ihr nie etwas sagen, aber sie hat meist den richtigen Riecher. Manchmal ist es echt zum Kotzen, dass sie einen anscheinend so gut lesen kann, aber wie soll ich es auch verhindern? Und wie gesagt, ich sollte eigentlich froh sein. Denn nur dank ihr werde ich nicht von meinen eigenen Emotionen gegrillt.
Gerade jetzt finde ich ihre Fragerei allerdings extrem nervig, so viel steht fest. »Nope, alles in Butter!«, antworte ich ihr leichthin und lehne mich lässig zurück. Ich bin gut darin, anderen etwas vorzumachen. Wenn ich will, erhellt das strahlendste Lächeln mein Gesicht oder die verhasste Flüssigkeit rinnt über meine Wange. Ich kann spielen, was und wann ich es will. Und es wird mir abgekauft. Immer. Okay, sieht man mal von zwei winzig kleinen Ausnahmen ab.
»Bist du sicher? Du wirkst etwas betrübt. Wenn etwas ist, kannst du jederzeit mit mir reden, das weißt du doch, oder Mäuschen?«, hackt Oma nach, aber man sieht deutlich, dass sie weitaus entspannter als noch vor ein paar Sekunden ist.
Lächelnd blicke ich sie an. »Ja. Oma, wirklich, es ist alles gut. Und natürlich weiß ich das«, antworte ich sanft und obwohl es so gar nicht zu meinem übrigen Wesen passt, ist jeder Hauch von Spott oder Sarkasmus aus meiner Stimme verschwunden. Oma blickt mich gerührt an. Ihre Worte scheinen sie ziemlich berührt zu haben. Ausnahmsweise waren diese auch mal ernst gemeint gewesen. Zu niemanden anderen - mal abgesehen von Nico - würde ich so etwas sagen und es ernst meinen. Und zu keiner anderen Person bin ich so lieb wie zu Oma. Vielleicht liegt es daran, dass ich sie schon so lange kenne, vielleicht aber auch daran, dass sie mich bei sich aufgenommen hat wie ihre eigene Tochter. Was auch immer der wahre Grund ist, ich möchte ihr keine Sorgen bereiten. Weshalb ich bei ihr auch mal meine verhasste nette Seite heraushängen lasse. Und ja, ich bin durchaus zu so etwas fähig, so unwahrscheinlich das jetzt klingen mag.
»Ich habe dich so lieb, meine Große. Ich hoffe, das weißt du.« Kaum haben die Worte ihren Mund verlassen, werde ich auch schon in eine Monsterumarmung gerissen. Warum mir dabei nie irgendwas bricht, steht in den Sternen. Es verdient aber auf jeden Fall einen Platz zwischen den sieben Weltwundern.
»Ja, ja, ich dich auch«, presse ich dank Luftmangel mühsam heraus. Inzwischen macht mein nach Luft schnappen wohl einem Asthmatiker Konkurrenz. Wie soll man aber auch atmen können, wenn man von gut besetzten 78 Kilo zerquetscht wird, als wäre man ein Plüschtier? Jetzt weiß ich wenigstens, wie sich meine Kuscheltiere früher gefühlt haben müssen.
»Oma, Luft« Langsam wird es mir echt zu viel Körperkontakt und zu wenig Luft. Ich hatte eigentlich noch vor, etwas zu leben. Und wenn ich schon sterben muss, dann bitte nicht wegen einer Umarmung. Ich meine, wie beschissen wäre es bitte, wenn der Bestatter bei der Beerdigung sagt, ich sei durch eine Umarmung gestorben. Dämlicher geht's wohl nicht.
Prompt lässt Oma mich um und meine gequälte Lunge verselbstständigt sich. Bedeutet: Ich mime in den nächsten Sekunden eine halb ertrunkenen Ratte.
Oma geht währenddessen gelassen zu ihrem Salat zurück, der sicherlich schon Heimweh nach ihr hatte. Und bestimmt ist er auch ganz scharf darauf, gleich in Stücke gerissen zu werden. Armer Salat. Wenn er wüsste, dass er nachher auch noch eine gratis Achterbahnfahrt in den Tod machen darf, hätte er sich wohl gewünscht, Oma wäre noch länger bei mir geblieben.
Automatisch verdrehe ich die Augen. Manchmal frage ich mich echt, welche Sicherungen bei mir falsch eingestöpselt sind, dass mein Hirn dazu imstande ist, so eine hirnverbrannte Scheiße zu produzieren. Vielleicht bin ich während des Unfalls ja ein paar mal zu oft auf den Kopf geknallt. Oder ich habe von Haus aus einen Dachschaden. Verrückte haben wir in unserer Familie ja genug.
In den nächsten Minuten versuche ich, meine Gedanken weiter links zu halten und damit im besseren Bereich. Was allerdings auch zur Folge hatte, dass das verräterische Stück von Zunge ein Eigenleben entwickelt, als irgendwo mal das Wort »Film« in meinem Gehirn auftaucht. »Wusstest du eigentlich, dass ein Filmteam zu uns kommen wird?«, rutscht mir die Frage aus dem Mund. Manchmal könnte ich mir echt selbst die Zunge abscheiden. Oder wünschte, ich könnte die Zeit um ein paar Minuten zurückstellen.
So eine Zeitumstellung wäre schon ziemlich cool. Und nützlich. Wenn mal etwas nicht nach Plan läuft, geht man einfach ein paar Minuten zurück und schwups: alles wieder Heil. Wer auch immer so ein Teil auf den Markt bringen würde, wäre danach steinreich.
»Filmteam? Meinst du das von diesem einen Buch?«, reißt mich Omas fragende Stimme aus den tiefen Untiefen meiner intelligenzschädigenden Gedanken. Um jegliche weitere Beweise meiner Dummheit zu verstecken, nicke ich einfach nur. Oma ist schließlich nicht blind und dumm auch nicht. Und wenn sie meine stumme Antwort nicht kapiert, weiß ich, dass es Zeit für einen Arztbesuch ist.
»Mm, Aurelia hat gestern etwas davon erzählt. Warum fragst du?«, antwortet Oma dann langsam, als müsse sie erst überlegen. Mein Kopf schießt nach oben, als hätte mir jemand einen Kinnhaken verpasst - der- oder diejenige hätte spätestens drei Minuten später das Weite gesucht - und ich blitze Oma sauer an. Sie wusste es? Ersthaft?! Und warum hat sie mir nichts erzählt?
Schon klar, ich werde zum trotzigen Kleinkind. Aber ich finde es eben nicht besonders nett, mir so etwas nicht zu sagen. Vor allem, wenn es sich um Oma handelt. Gut, eigentlich interessiert mich so etwas einen Scheiß. Oma erzählt es mir trotzdem immer. »Damit ich auf dem neusten Stand bleibe«, sagt sie immer. Ich finde es einfach nur nervend. Aber etwas dagegen machen, kann ich sowieso nicht. Und irgendwie ist es auch schön, zu wissen, dass jemand an einen denkt.
Tja und genau jetzt, wenn es mir mal wichtig ist, sagt sie es mir nicht. Fairerweise kann sie ja auch nicht wissen, dass ich stimmungsschwankendes Etwaw ausgerechnet diese eine Neuigkeit wissen will. Meiner Meinung nach hat zum ersten Mal wirklich eine Bedeutung, wenn auch nur eine Erbsengroße. Aber im Gegensatz zu den anderen Informationen über die Blumenfarbe von irgendwelchen Dorfbewohnern, ist diese Nachricht wohl Globusgroß.
»Und du wolltest es mir nie irgendwie sagen oder so?«, frage ich mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus in der Stimme. Wobei, fragen kann man das nicht nennen. Die Frage ist so ziemlich zu einhundert Prozent rhetorisch.
»Ach Mäuschen, natürlich wollte ich es dir erzählen! Ich habe es doch auch erst gestern erfahren und als ich nach Hause kam, lagst du schon im Bett. Ich wollte dich nicht wecken. Und heute Morgen kam mir Anlynn dazwischen«, entschuldigt Oma sich und legt den Schneebesen in die Spüle. Mit einem liebevollen Lächeln auf den dünnen Lippen kommt sie auf mich zu und legt ihre runzeligen Hände auf meine Beine. Bei jemand anderen hätte ich meine Beine weggezogen oder ihm auf die Hände geschlagen. Ich hasse Berührungen. Nur Oma oder Nico bekommen keine Beleidigungen an den Kopf geknallt.
Ich sage nichts. Was sollte ich auch sagen? Mit Kreativität hatte ich noch nie Probleme, aber momentan herrscht in meinem Kopf die eisige Lehre der Antarktis. Es ist wahrscheinlich sowieso besser für alle beteiligten, wenn ich meine Klappe halte.
Oma übergeht mein Schweigen einfach. »Freust du dich schon?« Ihre Augen funkeln neugierig. Sie fragt nicht, woher ich das mit dem Filmteam weiß. Klar, die kennt Nico und weiß, dass das Energiebündel sofort mit Neuigkeiten herausrücken wird. Und diese Nachricht ist die Neuigkeit des Jahres. Ohne Witz, so etwas ist noch nie passiert. Was allerdings nicht zwangsläufig heißt, dass ich davon begeister bin. Eher das Gegenteil.
»Nein«, brumme ich schlicht und zwinge mir auch kein Lächeln auf die Lippen. Die Wahrheit ist, dass ich wirklich überhaupt keine Lust auf diese Menschen habe. Ich hasse Menschen. Gut, ich gebe ja zu, dass ich echt viel hasse, aber Menschen hasse ich wirklich. Und sowieso bin ich schon viel zu lange in dieser Isolation, als dass ich das Bedürfnis nach anderen Menschen verspüren könnte. Ich bin glücklich, so wie es jetzt ist. Und dass diese Fremden mein Leben zerstören werden, passt mir so gar nicht in den Kram. Denn dass sich hier so einiges ändern wird, liegt glasklar auf der Hand.
»Warum denn nicht?«, fragt Oma auf meine Frage hin ehrlich verwundert. Ich seufze leise auf. Klar, sie freut sich wie eine Maus, wenn sie ein riesiges Stück Käse gefunden hat. Für sie ist das so etwas, wie eine Besuch von seinem Idol für diverse Teenager. Natürlich kommt dieses Filmteam definitiv nicht hier her, um ein paar alte, komplett abseits vom Schuss lebenden Leute zu treffen. Das weiß Oma wahrscheinlich auch, aber interessieren tut es sie ganz offensichtlich einen Dreck. Denn egal weshalb Menschen kommen, Hauptsache hier kommt etwas leben rein. Oma ist in diesem Punkt kein Deut besser als die verschrobenen Käuze vom Dorf der Verrückten.
Warum der Filmproduzent ausgerechnet dieses elende Kaff ausgewählt hat, ist mir wirklich ein Rätsel. Ich wusste gar nicht, dass solche Leute Ricout Green überhaupt kennen. Selbst die meisten Menschen aus der nächstgelegenen Stadt kennen unser Dorf nicht.
Na ja, ich hoffe, ich werde es nie herausfinden. Denn das würde bedeuten, dass ich mit einem von ihnen in Kontakt treten muss und das will ich um jeden Preis vermeiden. Aber jetzt zurück zu Omas Frage, bevor sie noch an meiner Aufmerksamkeit zweifelt.
»Keine Ahnung« Die Ausrede ist so ziemlich das Klischee des Jahrhunderts, schon klar. Allerdings merkt Oma so, dass ich gerade mehr Lust auf einen Besuch bei Mr. Petersen habe, als mit ihr darüber zu quatschen. Und dann lässt sie mich hoffentlich in Ruhe.
»Ich merke schon, du hast keine Lust«, erwidert sie schmunzelnd und ich nicke leicht. Der Plan ging auf. Mal wieder. Eigentlich kann ich mich immer auf diesen kleinen Notfallplan verlassen. Nur selten funktioniert er nicht. Und wenn es heißt, dass das Thema nun abgehakt ist, bedeutet das, dass er mal wieder gezogen hat. Was allerengste nicht heißt, dass ich aus der Audienz entlassen wurde. Wenn sie mich wirklich komplett in Ruhe lassen würde, würde ich mir auch ernsthaft Sorgen machen. Und ganz ehrlich: Ich will nicht, dass sie mich in Ruhe lässt.
Ich mag Oma. Und ich mag es, Zeit mit ihr zu verbringen. Auch, wenn ich es nie sage. Wie gesagt: Gefühlsduselei ist echt nicht mein Ding.
»So, mein kleiner Miesepeter, jetzt hilf Oma mal beim Kochen.« Energisch klatscht sie in die Hände und blickt mich auffordernd an. Endgeister blicke ich zurück. Das kann sie doch unmöglich ernst meinen!
»Jetzt schau nicht so. Du musst schon auch mal kochen können. Und Bratkartoffeln wirst du wohl noch braten können - oder?«, lacht sie auf meinen panischen Gesichtsausdruck hin. Ich habe aber auch allen Grund zur Panik. Mich sollte man echt nicht an den Herd lassen, es sei denn man wollte angekokeltes, versalzenes und meist noch hartes Essen essen. Das Letzte, was ich gekocht habe, war eine Suppe. Das war vor zwei Jahren. Danach lag ich vier Wochen lang im Krankenhaus.
Ich Genie habe nämlich einen Schnellkochtopf genommen und beim Deckel abmachen hat sich der kochend heiße Inhalt dazu entschieden, mir mal eben in den Schoß zu hopsen. Es tat scheiße weh und auf die ungläubigen Blicke der beschissenen Ärzte kann ich in Zukunft eindeutig verzichten. Seit dem lasse ich schön die Finger davon und bleibe lieber bei Brot oder Müsli. Wobei man auch sagen muss, dass meine Kochkünste nie da gewesen sind oder einen Dauerurlaub auf den Malediven machen.
»Das war ja auch mein Wunsch, seit ich heute Morgen auf die Beine gekommen bin!«, grummele ich. Oma geht nicht auf meine Gemecker ein. Hätte ich an ihrer Stelle auch getan. Ändern kann sie sowieso nichts, wenn ich einmal meine pessimistische Seite den Vorrang gelassen habe. Da kann sie genauso gut auf Anlynns steinharte Kekse beißen. Ohne Witz, diese Dinger sind super, um Zähne raus zu bekommen. Als mich ein Wackelzahn mal so sehr genervt hat, dass ich deswegen einen kleinen Wutausbruch hatte, hat mir Oma nur kommentarlos den Keks hingehalten und drei Sekunden später war dieses Scheißding draußen.
»Na, na, das heißt Hintern«, korrigiert Oma meinen Ausdruck. Sie gehört wirklich nicht zu der Sorte Omas, die ihren Kindern den Allerwertesten versohlen, wenn solche Ausdrücke durch die Luft fliegen. Dass sie es trotzdem nicht gerne hört, muss ich wohl kaum sagen. Was mich allerdings nicht davon abhält, sie weiterzuverwenden. Eigentlich müsste man ja meinen, dass man mit neunzehn eine gewisse Vernunft besitzt und sich als »reif« bezeichnen kann. Allerdings macht sich hierbei der fehlende Sozialkontakt bemerkbar und ich wage schwer zu behaupten, dass ich mit meinem Gemüt einer pubertierenden Vierzehnjährigen mit Hormonschwankungen Konkurrenz mache.
»Wie auch immer. Ich werde nicht kochen!«, protestiere ich mich fester Stimme. Lieber springe ich aus dem Fenster, als mich diesem Teufelszeug zu nähern. Und ja, ich kleiner Schisser habe tatsächlich angst vor dem Kochen. Wobei ich auch allen Grund dazu habe.
»Ach Mäuschen, das ist doch schon zwei Jahre her. Und du musst doch kochen können, wenn ich einmal nicht mehr da bin«, seufzt Oma und ich senke meinen Blick. Am liebsten hätte ich gesagt, dass sie immer da sein wird, aber dafür bin ich nicht naiv genug. Oma ist zum Glück noch nicht so alt, gerade mal dreiundsiebzig, aber ich weiß selbst, dass sie irgendwann nicht mehr da sein wird. Nur daran denken möchte ich auf gar keinen Fall. Lieber genieße ich die Zeit mit ihr, so kitschig sich das jetzt anhört.
»Ich ziehe zu Nico. Sie kann kochen«, gebe ich monoton von mir und Oma beginnt mal wieder zu lachend. Diesmal hört es sich aber eher traurig an. »Mäuschen, dass ich wirklich eine süße Idee, aber Nico wird später heiraten, das kann ich dir versprechen.« Als ob ich das nicht selbst wüsste! Wenn irgendjemand geboren war, um zu heiraten, dann meine kitschvernarrte Freundin, die mich schon damals im Krankenhaus dazu zwingen wollte, mit ihr ein Hochzeitsbuch zu basteln. Ich lasse meine Reaktion jetzt einfach mal ungesagt.
»Oma, bitte, hör auf. Ich bin nicht blöd!«, stoße ich hervor. Die Stimmung in diesem Raum passt mir so gar nicht. Wenn ich Friedhofsstimmung will, gehe ich zu den Grabstätten. Hier, bei Oma, springt einem das Leben förmlich in den Schoß.
»Das habe ich auch nie behauptet. Und jetzt komm, ich werde auch dabei bleiben.« Auffordernd hält mir Oma ihre Hand hin. Wie eine fette, haarige Spinne betrachte ich sie und weigere mich, sie zu ergreifen. Ich werde nicht kochen und damit basta!
Als ich nach dreißig Sekunden noch immer nichts getan habe, seufzt sie resigniert auf und lässt ihre Hand sinken. »Na schön, dann eben nicht. Sei aber wenigstens so lieb und schneide die Äpfel. Ich will heute noch Apfelmus machen«, bittet sie. Zum Glück sieht sich nicht aus, als hätte ich ihr gerade mit der Bratpfanne eins übergebraten. Sie wirkt eher etwas enttäuscht.
Ich könnte es herausfinden. Ich könnte genaustens herausfinden, wie sie sich fühlt. Ein kleiner Teil in mir scheint alleine bei den Worten aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen, aber ich verbanne das aufsteigende Gefühl zurück ins Bett, wo es hoffentlich weiter schlafen wird. Ich habe Jahre dafür gebraucht, bis ich das Auren-Sehen endlich unter Kontrolle hatte. Sprich: Bis ich es endlich abstellen konnte. Es nervt einfach nur und ist extrem unheimlich. Diese Arbeit wegen meiner Neugierde aufs Spiel zu setzen, ist das Letzte, was ich will! Weshalb ich jegliche positiven Gefühle für diesen Gedanken in die Hölle verbanne.
Eigentlich verspüre ich gerade das Bedürfnis, meinem Bett Hallo zu sagen, aber der vernünftige Teil in mir sagt mir, dass ich so etwas Oma nicht antun darf. Weshalb ich auch nicke und mir von Oma die Äpfel bringen lasse. Klar, ich könnte sie auch selbst hohlen, aber dann müsste ich wieder runter in den Rollstuhl, einen Umweg durch das Wohnzimmer machen und das ganze wieder rückwärts. Da ist es schon um Längen einfacher, wenn sie vier Sekunden ihrer Zeit für mich opfert.
Stillschweigend mache ich mich an die Arbeit und lausche dem Ticken der alten Standuhr im Wohnzimmer nebenan. Meine Gedanken sind mal wieder auf dem Jahrmarkt unterwegs und demnach auch ziemlich durcheinander. Dass sie sich um nur ein Thema handeln, macht es nicht gerade erträglicher. Mir wäre alles lieber, als über diesen verfluchten Filmdreh nachdenken zu müssen. Sogar ein Besuch beim Arzt.
Aber so darf ich mir jetzt den Kopf über dieses nerven raubende Filmteam zerbrechen. Am meisten beschäftigt mich die Frage, was hier passieren wird. Sollte irgendjemand meinen Lieblingsplatz anrühren, wird dieser im Leben nicht mehr glücklich, so viel steht fest! Nur weil diese Futzis hier einen Film drehen wollen und höchstwahrscheinlich geldspuckende Springbrunnen haben, heißt das noch lange nicht, dass sie hier alles zerstören oder für sich beanspruchen dürfen.
Die anderen Dorfbewohner werden ihnen wahrscheinlich die polierten Stiefel küssen, so versessen wie alle auf Berühmtheiten stehen. Von mir bekommen sie höchstens ein Rollen über besagte Stiefel. Und ja, ich hasse diese Menschen jetzt schon. Dabei weiß ich, dass ich tief im Inneren eigentlich nur Angst vor Veränderungen habe. Aber das werde ich mir ganz sicher nicht eingestehen. Dafür habe ich dann einfach zu viel Stolz.
Völlig entnervt von meinen eigenen Gedanken stöhne ich kaum hörbar auf. Ich bin kurz davor, das Messer beiseite zu werfen und einfach hier raus zu stürmen, als es an der Tür klingelt.
***
Endlich! Die ganze Zeit habe ich keinen Cliffhanger eingebaut - ja, ich weiß, wie sehr ihr sie hasst und zudem hat sich keiner so Richtig ergeben - aber jetzt werde ich so viele wie möglich einbauen! Also, die Schonfrist ist vorbei! *reibt sich vor freudig die Hände*
Achso und an alle, die mich noch nicht aus SOTP kennen: Ich bin bekannt für Cliffhanger! Also freut euch schon mal darauf! *lächelt unschuldig*
Tja und jetzt die Fragen aller Fragen:
Wie findet ihr Runa alias Angis Oma? Warum diese den Deutschen Ausdruck verpasst bekommen hat, werdet ihr im übrigen noch erfahren xD. Und wer das wohl an der Tür ist^^?
Also, genug bequatscht. Wir lesen uns xD
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