25 - Schlechter Horrorfilm
Das Klingen der Eingangstür reißt mich aus der Welt, in der ich in den letzten Sekunden versunken bin. Oder zumindest habe ich so getan, als hätte ich gespannt jedes Wort gelesen. In Wirklichkeit ist das Buch nur eine Attrappe.
Neugierig hebe ich den Blick, hieve mich in den Rollstuhl und fahre zur Tür. Mit einem freundlichen Lächeln spiele ich die perfekte Skyla, die mir im übrigen jetzt schon zum Hals raus hängt. Aber vielleicht sollte ich solche Gedanken später eintritt verschaffen und nicht gerade, wenn direkt neben mir eine Kamera steht. Schnell verschwinde ich wieder in meiner Rolle als Skyla.
Vor mir steht ein süßer Typ mit braunen Haaren und ebenso braunen Augen, der mich verschmitzt anlächelt. Und nein, diese Gedanken kommen definitiv nicht von mir! Naja, jedenfalls gibt Kian einen ganz passablen Typen zum verlieben für Skyla ab, das muss ich schon zugeben. Wobei sie sich jetzt erst einmal kennen lernen müssen.
»Hey«, sage ich und hebe leicht die Hand. Kian Schrägstrich Reed hebt ebenfalls die Hand. »Mein Vater sagte, ich soll Patrisha was vorbei bringen...«, beginnt er mit einem fragenden Unterton in der Stimme, sichtlich verwirrt, mich anzutreffen.
»Sie ist gerade leider nicht da«, kläre ich ihn auf und verziehe mein Gesicht zu einer entschuldigenden Miene. Reed nickte. »Und du bist...?«, will er dann wissen und seine braunen Augen brennen sich in meine. Nervös knete ich die Hände in meinem Schoß.
»Skyla McValley. Patrishas Tochter«, bringe ich hervor und weiche dabei seinem Blick aus. Die Pessimistin in mir würde ihm zwar am liebsten eine Runter hauen, aber wir wollen Skyla ja realistisch erscheinen lassen und nicht wie eine durchgeknallte Psychopathin.
Überrascht zieht eine eine Augenbraue hoch. »Ich wusste gar nicht, dass Patrisha eine Tochter hat«, gibt er zu und ich lächelte nachsichtig. Kannst du auch nicht, du Depp. Skyla ist erst gestern angekommen!
»Ich habe bisher bei meinem Vater gewohnt und bin erst erst gestern hierher gekommen, deshalb«, kläre ich ihn auf. Gott, meine Nerven liegen jetzt schon blank!
»Das heißt, du kennst dich hier noch gar nicht aus?«, stellt er fest. Ach nee, du Leuchte!
Ich schüttele lachend den Kopf. »Nope. Warum? Lust mich herumzuführen?« Skyla bringt mich um. Wirklich. Ihre Naivität und Freundlichkeit lädt mein Frühstück ja geradezu ein, alles wieder hochkommen zu lassen!
Reeds Blick fängt mich ein. »Warum nicht?« Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. »Sehr gerne...« Fragend hebe ich meine Augenbraue. »Reed«, springt er ein und schenkt mir ein entschuldigenden Grinsen. »Reed Trembley«. Fünf Jahre später dann auch mal gecheckt, dass sie deinen Namen wissen möchte?
»War nett, dich kennen zu lernen, Reed. Und auf dein Angebot komme ich sehr gerne zurück«, sage ich, als dieser Volhonk nach drei Stunden immer noch nichts gesagt hatte.
Ein schelmisches Grinsen erscheint auf seinen Lippen. »Gleichfalls, Skyla. Und bist du sicher, dass du mich jetzt einfach hier draußen stehen lassen möchtest?« Ja. Definitiv ja. »Du kannst gerne mit reinkommen, wenn du möchtest«, schlage ich vor und rolle ein Stück zur Seite.
Reed begann zu lachen. »Nein, nein, so meinte ich das nicht. Aber wenn du nichts mehr vorhast, können wir gerne jetzt schon eine kleine Besichtigung machen«, antwortete er und blickt mich amüsiert an.
Schulterzuckend schweift mein Blick Richtung Dorfmitte. »Sicher, warum nicht«, stimme ich zu, bevor ich einen Blick zurück in die Wohnung werfe, »Lass mich nur noch kurz einen Hausschlüssel hohlen.«
»Natürlich, keine Eile«, erwidert Reed und hebt beschwichtigend die Hände. Währen dessen drehe ich mich herum, fahre ein Stück nach hinten und nehme die Schlüssel von der Kommode. Kurz zögere ich und überlege, ob ich meiner Mutter eine Nachricht überlassen soll, entscheide mich aber dagegen. Ich werde sicher nicht lange brauchen und sie ist den ganzen Nachmittag bei der Arbeit.
Schließlich fahre ich ins Freie. »So, wir können.« Reed erwartet mich schon mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und deutete auf meinen Rollstuhl. »Darf ich fragen, was passiert ist?«, fängt er unvermittelt an. Oh man, ganze Unterhaltung gleicht einem schlechten Horrorfilm!
Beinahe sofort pressen sich meine Lippen zusammen. »Unfall«, bringe ich knapp heraus. Wag es ja nicht, noch einmal diese Frage zu stellen, du Arschloch!
Reed ruderte sofort zurück. »Tut mir leid, das hätte ich nicht fragen sollen«, entschuldigt er sich und ich lächele traurig.
»Schon gut, das ist schon echt lange her«, beruhige ich ihn, kann aber nichts gegen die bedrückenden Stimmung tun, die sich über uns legt.
Reed beschließt, das Thema zu wechseln. »Hast du schon von unserer Bäckerei gehört? Gilda backt die besten Brötchen der Welt!« Ersthaft? Du hast dem Mädel gerade ihre schlechtesten Erinnerung vorenthalten und quatschst jetzt über Brot?
Ich schüttele grinsend den Kopf. »Nope. Aber da müssen wir auf jeden Fall hin!«, beschließe ich und Reed stimmt lachend zu.
Neugierig blicke ich ihn an. »Was ist mit dir?«, frage ich interessiert.
Verständnislos runzelt er die Stirn. »Was soll mit mir sein?« Herrgott, sie will etwas über die Wissen!
»Was kannst du gut? Oder was magst du?«, erkläre ich schmunzelnd. Reed lacht daraufhin kurz auf, bevor er die Stirn runzelt.
»Uff, gute Frage. Ich liebe Joggen. Vor allem im Wald. Und Musik«, zählt er auf und lacht los. »Oh man, ich bin so kreativlos!« Yep, bist du. Vollkommen einfallslos!
»Gar nicht«, widerspreche ich, kann mir ein lachen aber nicht unterdrücken. »Und was für Musik?«, harke ich gespannt nach.
Schulterzuckend antwortete er: »Pop, das klassische halt«. Allerdings wurde mein Blick dabei von seinen Haaren in Beschlag genommen, durch die er sich mit einer Hand fuhr. Gott, was für ein selbstverliebter Arsch!
»Uh, ich auch!«, gebe ich begeister und mit leuchtenden Augen von mir und Reed lachte angesichts meiner Begeisterung leicht auf.
Inzwischen hatten wir den Ortskern erreicht, der um diese Tageszeit reichlich gefüllt war. Zu meiner Überraschung entdeckte ich sogar einen Markt. »Donnerstags ist immer Markt«, erklärt mir Reed, der meinem Blick gefolgt ist und deutet dann auf ein Gebäude am Rande.
»Das da ist das Polizeipräsidium. Patrishas Reich«, fährt er fort und ich bestaune mit großen Augen die Umgebung. Selten war ich so fasziniert von etwas gewesen, wie von dem Anblick, der sich mir gerade bot.
»Und das da ist die Bäckerei, von der ich dir Erzählt habe. Du kannst ihn sogar bis hierher riechen« Mit der Hand deutet er knapp auf einen Laden ganz am Ende.
Konzentriert ziehe ich die Luft ein und kann tatsächlich einen Hauch von geschmolzener Butter und frischem Brot riechen. Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen.
»Da muss ich hin!«, sage ich und fahre begeistert los. Reed grinste nur wissend und folgte mir durch die Menge, bis wir schließlich am Eingang standen. Zu meinem Pech führten ein paar Stufen hoch und es gab weit und breit keine Rampe, die ich hätte nutzen können. Reed scheint sich ähnliches zu denken.
»Shit!«, flucht er, »Daran habe ich gar nicht gedacht!« Dann fügt er mit einem entschuldigen Blick hinzu: »Tut mir leid, Skyla. Soll ich dich vielleicht rein tragen?« Leg einmal deine schmierigen Finger an mich und ich kastriere dich!
Ich schüttelte leichthin den Kopf. »Nicht nötig, alles gut. Aber vielleicht kannst du mir ein Brötchen holen?«
Eifrig nickend steigt er die Treppe hoch. »Klar doch! Bin sofort wieder da!«, verspricht er und tritt durch die Tür. Während er im Laden ist, blicke ich mich etwas umher, lächele den vorbeikommenden Menschen freundlich zu und Grüße den ein oder anderen. Dann kommt Reed endlich wieder heraus, eine braune Tüte in der Hand.
»Eine Tüte bester Brötchen«, scherzt er und recht sie mir. Dankend nehme ich sie entgegen und öffnet sie einen Spalt weit. Der Duft von frischem Brot steigt mir beinahe Augenblicklich in die Nase und ich seufzte genießerisch auf. Diese Dinger zu essen wird eine echte Freude sein!
»Gott, riechen die gut!«, seufzte ich und beiße in ein Brötchen. Leise aufstöhnend lasse ich mir den Geschmack auf der Zunge zergehen. Ich hätte nicht gedacht, dass Brötchen so gut schmecken können.
»Ich glaube, ich werde süchtig nach denen«, gebe ich zu und Reed lacht. »Verständlich!«
Eine fröhliche Melodie unterbrach den Moment und stellte sich schnell als Reeds Klingelton heraus. Entschuldigend fischte er sein Handy aus der Tasche. »Nur ganz kurz«, versprach er, bevor er sich einige Meter entfernte und den Anruf entgegen nahm.
Während er telefonierte esse ich mein Brötchen fertig und kann mich nur gerade so davon abhalten, auch noch das zweite zu essen. Als Reed schließlich wieder zurück kommt, hat sich ein düsterer Ausdruck auf sein Gesicht gelegt.
Fragend hebe ich meine Augenbraue, aber er schüttelte nur den Kopf. »Ich muss gehen, tut mir leid«, erklärte er kurz angebunden und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen.
»Kein Problem«, gebe ich mit einer wegwerfenden Handbewegung von mir, »Man sieht sich sicher mal wieder.« Zerstreut nickte er, schenkte mir ein letztes Lächeln und verschwindet dann in der Menge.
»Und cut!«, ertönte das langersehnte Szenenende und ich kann endlich wieder ich sein. Noch eines Sekunde länger und mein Hirn wäre vor lauter unterdrücktem Sarkasmus explodiert. Skyla ist einfach nur eine anstrengende Persönlichkeit und für meine Nerven die reinste Folter.
»Ich glaube, wir waren überzeugend genug«, stellt Kian neben mir fest und ich hebe widerwillig den Blick.
»Ich hab's beim ersten Mal nicht verkackt«, lasse ich ihn wissen und ernte prompt ein Schmunzeln.
»Ich weiß, ich weiß, das war ich«, gibt er zu und hebt ergeben die Hände. Obwohl sich alles in mir wehrt, kann ich mir ein Grinsen kaum verkneifen.
»Idiot!«, versuche ich, die Situation zu retten, aber es ist längst zu spät. Er hat mein Grinsen längst bemerkt und weiß Gott warum, lasst das mein Alarmsystem eiskalt. Verräterisches Teil! Eigentlich sollte es laut los kreischen, nur weil er mit mir redet. Vielleicht sollte ich mal ein paar Reparaturen vornehmen!
»Danke«, erwidert er ungerührt, bevor er seinen Blick auf mich senkte und den gleichen intensiven Blick anwendet, den er eben schon bei Reed gemacht hatte. Unbeeindruckt hebe ich eine Augenbraue.
»Was genau soll das werden, wenn's fertig ist?«, will ich wissen. Wenn er jetzt versucht, meine Augäpfel raus zu lasern, mache ich genau das bei ihm mit einem Messer.
»Nur etwas testen«, gibt er schmunzelnd zurück und beschwichtigt damit meine Neugierde in etwa so viel, wie eine Erbse den Hunger stillen würde. Zumal es mehr als seltsam ist, dass ich überhaupt neugierig bin. Mich interessiert nichts und niemand, am allerwenigsten dieser Typ vor mir, der ein Ego größer als der Mond hat.
»Aha. Und was, wenn ich fragen darf?« Woher zur Hölle kam diese beschissene Frage? Die Angi, die so etwas fragt, gibt es schon seit langem nicht mehr, also aus welchem gottverdammten Winkel kam das jetzt?
Wenn Kian überrascht ist, lässt er es sich nicht anmerken. »Wenn's funktionieren würde, würdest du nicht fragen«, antwortet er. Ihm ist schon klar, dass Rätselraten definitiv nicht zu meiner Lieblingsbeschäftigung zählen, oder?
Mit einem Augenrollen wende ich mich ab. »Tja dann hast du wohl versagt«, stelle ich mit einem süffisanten Lächeln fest.
Unbekümmert zuckt er mit den Schultern. »Ich kann's ja heute Abend noch mal versuchen.«
Dass er damit das aufgezwungene Essen meint, wird mir erst im vierten Moment klar. Demonstrativ verschränke ich die Arme vor der Brust. »Wer sagt, dass ich komme?« Wenn er jetzt ich sagt, haue ich ihm eine runter oder nehme die gleiche Argumentation wie bei Lancelot. Inkompetenter Kater oder inkompetenter Mensch machen im Endeffekt keinen Unterschied.
»Du wirst kommen«, antwortet er mit einer Sicherheit, die meinen Trotz zum leben erweckt. Alleine dafür sollte ich schon nicht kommen.
»Träum weiter, Nervensäge!«, gebe ich in einem herablassenden Ton von mir, ehe ich mich abwende und davon fahre. Ich weiß, dass er nicht locker lassen wird und genau deshalb bringe ich meine Nerven schon einmal in Sicherheit. Allerdings weiß ich auch, wer heute Abend vor seinem Wohnwagen stehen wird. Wie sehr ich Hormone doch hasse!
***
Sind es wirklich die Hormone oder doch vielleicht etwas anderes...?
Wir lesen uns xD
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