19 - Krummnase und Co.
Tja und jetzt sitze ich hier inmitten von Männer und Frauen, die wohl ebenso gerne hier ihren Arsch platt hockten, wie ich. Das habe ich mir ganz sicher nicht vorgestellt, als ich diesem verlockenden Angebot nachkam. Oder zumindest meine Kurzschlussreaktion, die bei der Aussicht, auf einen Job als Schauspielerin verursacht wurde, verursachte wurde, hat das nicht bedacht.
Ich selbst weiß nicht so recht, was ich von dem Angebot halten soll. Mein schauspielobessiver Teil brüllt mich schon die ganze Zeit an, mich endlich mal zu freuen, aber mein menschenhassender Teil findet die Idee eher weniger verlockend. Man könnte auch sagen, dass mein Verstand und mein Herz mal wieder auf Kriegsfuß sind.
»Sind Sie denn qualifiziert?«, wollte einer der hier anwesenden Herren, ein Typ Mitte dreißig mit krummer Nase und Haaren, die wohl noch nie in ihrem Leben einen Kamm gesehen haben. Da diese ganze Versammlung nur zu meiner Ehre einberufen wurde, schätze ich mal, dass diese überflüssige Frage an mich gerichtet ist.
»Kommt drauf an. Ich habe keine Ausbildung oder sonstiges gemacht«, gebe ich schlicht von mir und bin stolz darauf, meinen Sarkasmus unter Verschluss zu halten. Dass dafür mein Herz sorgt muss ich wohl kaum sagen.
»Und dennoch sind Sie sich sicher, dass sie etwas taugt, Adam?«, will Krummnase skeptisch wissen und blickt mich an, als wäre ich ein heruntergekommenes Etwas ohne Kompetenz, geschweige denn dem nötigen Schauspielpotential.
»Sehr sicher. Ich habe sie spielen sehen. Sie war einfach unglaublich!«, versicherte Pummelchen ihm und ich überlege, den Herren höflich mitzuteilen, dass ich nicht aus Puderzucker und vor allem nicht aus Luft bin.
»Nun, das Aussehen hat sie schon einmal. Und das mit dem Rollstuhl passt auch perfekt«, mischte sich ein weiterer Mann ein, dessen Stimme ein leises Glöckchen anspringen lässt. Nach einem Blick in seine Richtung weiß ich auch woher. Es ist der Möchtegernkönig von Geogia heute morgen. Dass er hier eine relativ wichtige Rolle spielt, hätte ich mir wohl denken können.
»Ich weiß, dass es vollkommen überraschend und unüberlegt kommt, aber wir stehen unter Zeitdruck und beide in Frage kommenden Schauspielerinnen wurden durch eine andere Rolle verhindert. Gute Schauspieler sind heutzutage schwer zu finden und diesen Glücksgriff hier sollten wir uns doch kaum entgehen lassen, meinen Sie nicht?«, argumentiert Pummelchen und kurz spiele ich mit dem Gedanken, ihm eine herunterzuhauen. Und den anderen gleich mit. Erst wird über mich gesprochen, als hätte sich mein Körper plötzlich in Luft aufgelöst, dann werde ich rein Objektiv wie ein Stück Irgendwas betrachtet und jetzt werde ich auch noch als »Glücksgriff« bezeichnet. Das entspricht so genau dem, was mein Sarkasmus erst hervorgebracht hat.
»Allerdings könnte der Film darunter leiden, da sie weder qualifiziert noch berühmt ist«, wirft eine der beteiligten Frauen ein und streicht sich zugleich eine Strähne ihres dunkelbraunen Haares aus dem Gesicht. Meinetwegen hätte sie gerne an ihrem Haar ersticken können!
Ich bin kurz davor etwas zu sagen, nur, damit ich nicht mehr wie ein Objekt behandelt wurde, als Kian urverwandt seine Hand auf meinen Arm legt. Er war der einzige, der mit anwesend sein durfte, wahrscheinlich als erfahrener Schauspieler, der meine Darbietung in der Luft zerreißen konnte. Gesagt hat er allerdings noch nichts.
Nico hingegen hatte das Pech vor dem Zelt zu warten, in welchem wir uns gerade befinden. Trotz meines Protestes und ihrer Höflichen bitte, wurde sie draußen stehen gelassen. Wäre das nicht eine mögliche Chance und wäre ich nicht etwas durch den Wind, hätte ich mich wohl geweigert, auch nur einen Fuß in dieses Zelt zu setzten aber so ließ ich mich von Nico hier rein bugsieren. Sie hätte sowieso nicht viel tun können, außer meine Aufregung im gut neunzig Prozent zu schwächen. Warum andere dann Beruhigungspillen schlucken dürfen, ist wohl eine Frage für sich.
Aber zurück zu Kian alias der Nervensäge, der mich trotz meiner Drohung schon wieder berührt hat. Gut, besagte Drohung war vor drei Tagen und bei seinem Spatzenhirn kann das schon mal in die Untiefen der Vergessenheit geraten. Was allerdings nicht heißt, dass ich ihm gerne in die Eier treten will.
»Sag nichts. Lass sie einfach reden, okay?«, bittet er flüsternd, während ich mit einem finsteren Blick meinen Arm aus seiner Gefangenschaft befreie. Schaudernd reibe ich über die infizierte Stelle und überlege, alleine aus Trotz etwas zu sagen, allerdings hat sich dafür das Kind in mir schon zu lange verabschiedet.
»Das das ist Christine Vogéz, die Leiterin des Castings«, flüstert Kian unbeirrt weiter und beugt sich noch etwas näher an mich, damit ich auch ja keines seiner wertvollen Worte überhöre. Oder dass ich ihm besser die Nase brechen kann, wenn man mich fragt. Trotzdem folge ich seinem Kopfnicken zu der Frau mit den dunkelbraunen Haaren, die aus »Aladin und die Wunderlampe« entsprungen sein könnte. Natürlich als Prinzessin Jasmin, was sonst. Das Zeug zu einer arroganten Schnepfe hat sie auf jeden Fall.
»Neben ihr sitzt Vincent Coleman. Er ist der Produzent«, fährt Kian fort, während die hochwohlgeborenen Damen und Herren um mich herum ihre Diskussion über das Ding im Rollstuhl – mich – weiterführen.
»Unseren Regisseur Adam Young« - das Pummelchen - »kennst du ja schon. Er hat Filme wie »Wann immer«, »Killers Beauty« und »Bloodless« gedreht. Sind berühmte Filme, falls du sie nicht kennst«, informiert er mich und ich überlege, ob ich dem Naseweis sagen soll, dass ich diese Filme sehr wohl kenne. So weit hinter dem Mond habe ich dann auch wieder nicht gelebt. Und eventuell hat es »Killers Beauty« auch in meine engere Auswahl geschafft. Im positiven Sinne. Wobei ich jetzt nicht jeden Mitwirkenden gestalkt hat. Es reicht mir zu wissen, dass Tyler Buchnan seinen Job gut gemacht hat.
»Der Typ gegenüber von ihm«, fährt die Nervensäge ohne Unterbrechung mit seinem Geplapper fort und nickt Richtung Krummnase, »ist unser Kostümbildner Joe Bryant.« Ich hoffe nur, er gibt sich nicht der Hoffnung hin, dass mein Hirn sich all die Namen sofort als Unvergesslich einspeichert. Wenn er Glück hat, weiß ich morgen noch, dass ich lieber dem Möchtegernkönig statt dem Pummelchen eine reinhauen sollte.
»Ich schätze mal, dass ich vor Erfuhrt jetzt auf die Knie sinken soll, oder? Tut mir leid, dass sagen zu müssen, aber solche Bewegungen fallen nicht gerade in die Kategorie "einfach zu gestalten"!«, zische ich zurück, die lauten Stimmen der anderen gekonnt ignorierend. Diese haben sich im übrigen immer noch nicht entschieden und so, wie die Sache aussieht, kann das auch noch eine Weile dauern. Was für eine Zeitverschwendung!
Die Nervensäge lacht leise auf. »Nope, aber vielleicht überlegst du es dir zweimal, bevor zu alle vergraulst«, bemerkte er schmunzelnd. Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue hoch. »Zweimal? Ich denke eher, dass ich bei ihnen besonders darauf achte, meiner Klappe freien lauf zu lassen!«
Die Nervensäge seufzt gespielt resigniert auf. »Du bist einfach unverbesserlich«, meinte er theatralisch und bringt meinen Mundwinkel dazu, etwas Yoga zu betreiben. Natürlich ohne meine Erlaubnis, die ich ihm sicherlich nicht gegeben hätte.
»Mag sein. Aber zumindest bin ich nicht so unausstehlich gut gelaunt wie manch andere Person«, gebe ich unbeirrt zurück. »Immerhin bin ich nicht so unausstehlich mies gelaunt wie so manch andere Person«, schießt die Nervensäge sofort zurück und trifft mich damit in etwa so hart, wie wenn man eine Feder nach mir schmeißen würde. Es sehr, sehr kleine Feder.
Ich würde liebend gerne zu einer Erwiderung ansetzten und mal wieder irgendwas typisches raus hauen, allerdings wählt Krummnase diesen Moment, mich mich Worten abzuschießen. Für dich gibt's schon mal einen Minuspunkt, Freundchen! »Miss Hawton. Würden Sie uns vielleicht etwas über Sie erzählen? Alter, Herkunft, Familie, Hobbys, irgendwas?«, will er wissen. Wäre das hier eine stinknormale Situation, hätte ich ihm gesagt, dass er sich seine Fragen sonst wo hin stecken könnte und seine Nase gefälligst aus meinem Leben halten soll, bevor ich sie rauskicken. Aber leider ist das hier keine verdammte, normale Situation. Langsam fange ich echt an, meine Begeisterung fürs schauspielern zu hassen!
»Ich habe das Pech, seit 19 Jahren auf dieser Erde zu wandeln, stecke seitdem in diesem Kaff hier fest und den Rest würde ich gerne für mich behalten«, schaffe ich es irgendwie, meine Antwort noch halbwegs höflich zu formulieren und dabei nicht auf den Typen vor mir loszugehen. Die Schnepfe von Jasmin gibt einen pikierten Laut von sich, als hätte ich es so eben gewagt, vor ihren Augen in der Nase zu bohren, während sich das Pummelchen und die Nervensäge nur schwerlich das Lachen verkneifen können. Der Möchtegernkönig blickt nur gelangweilt in der Gegend herum, wahrscheinlich auf der Suche nach etwas, dass nicht so hirnverbrannt wie das hier ist. Würde ich den Typ nicht lieber in der Hölle schmoren lassen, würde ich sofort mitgehen.
»Das hört sich...nicht schlecht an«, gibt Krummnase nach ein paar Momenten der verzweifelten nach Worten Suchens endlich von sich und wirkt dabei, als hätte er so eben Lancelot getroffen. Und ihn verstanden.
»Würden Sie denn gerne Schauspielerin werden?«, wendet sich die Schnepfe von Jasmin widerwillig an mich und betrachtet mich dabei, als hätte sie einen Haufen Scheiße vor sich und nicht eine äußerst missmutig dreinschauende Rollstuhlfahrerin mit Höfflichkeitskomplexen.
Tja und das, liebe Damen und Herren, war dann wohl die Preisfrage ohne Sieger. Denn obwohl ich gut fünfzig Prozent meines Lebens – wir lassen sie ersten sechs Jahre einfach mal aus – damit verbracht habe, mich als die verschiedensten Personen auszugeben und dieses Schauspiel immer meinem besonders treuem Zuschauer dem Spiegel vorgestellt habe, war da nie der Gedanke, ob ich tatsächlich Schauspielerin werden wollte.
Natürlich fand ich die Vorstellung, eines Tages mal vor Kamera zu spielen, ganz nett, aber um mir das richtig vorstellen zu können, hatte meine Fantasie immer zu wenig Feuer unter dem Hintern. Zumal ja noch die Sache mit meinem Hass gegenüber der inkompetent Spezies namens Mensch ist. Dass ich jetzt die Möglichkeit bekomme, bei einem Film mitzuspielen, kommt...unerwartet. Einerseits will ich es ja. Ich bin vielleicht pessimistisch und zynisch, aber auch ich besitze etwas, das man Träume und Leidenschaften nennt. Und meine wohl größte und einzige Leidenschaft ist die Schauspielerei. Was ich jetzt auch machen könnte.
Allerdings würde das auch heißen, dass ich mich mit Menschen umgeben müsste. Oft und mit vielen. Keine besonders tolle Aussicht für meine Menschenhasserin. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mir geschworen habe, mich von Leuten wie denen hier fern zu halten. Die Worte sind mir noch ganz genau im Ohr und ich habe sie nicht ohne Grund gesagt.
Kurz gesagt: Die Antwort ist wohl irgendwas zwischen "auf jeden Fall" und "auf gar keinen Fall". Weshalb mir auch meine Zunge diese schwerwiegende Entscheidung abnimmt, bevor ich sie killen kann. »Ja!«, sagt meine Zunge mit so viel Bestimmtheit, dass ich kurz selbst verwundert bin, wie überzeugend das verräterische Ding sein kann.
»Sie wissen, dass wir hier große Ansprüche haben und Sie zudem eine Hauptrolle übernehmen werden? Ich vertraue auf Adams Meinung, aber lassen Sie sich gesagt sein, dass wir Sie nicht fürs Rumstehen und fehlen bezahlen. Sie müssen beweisen, dass Sie das Geld und den Aufwand auch wert sind. Und obwohl ich stark bezweifele, dass Sie es je so weit schaffen werden, könnte dies eine großartiges Sprungbrett zu einer guten Kariere werden. Also vermasseln Sie es bloß nicht, um Ihrer und um unserer Willen, verstanden?«, belehrte mich der Möchtegernkönig mit einer solchen Hochnäsigkeit, dass ich ihm am liebsten den arroganten Blick aus der Fresse hauen möchte. Was bildet sich dieser aufgeblasene Ochse eigentlich ein? Und warum denken hier anscheint alle, dass ich komplett nutzlos bin?
Ein Berg. Es brauchte einen verdammten Berg, um den Kessel zu stopfen, der gerade kurz davor war, überzukochen. Ich hasste diese Menschen. Hasste es, dass sie mich behandelten, als wäre ich nicht viel mehr Wert als der Dreck an ihren verdammten Schuhen. Hasste es, dass sie über mich herzogen und mich beachteten, als wäre ich ein dreckiger Straßenköter. Am liebsten würde ich ihnen ins Gesicht sagen, dass sie mich mal können, ihnen meinen wunderbaren Mittelfinger zeigen und dann hoch erhobene Hauptes von dannen rollern. So eine Unverschämtheit hatte ich schon lange nicht mehr anhören müssen und wäre das hier nicht diese ganz spezielle Situation, wäre ich wohl spätestens jetzt an die Decke gegangen.
So aber riss ich mich am Riemen und nur einer mit genug Grips im Hirn konnte hören, wie angepisst ich wirklich war. »Ich denke, dass ihre Ansprüche nicht allzu hoch sein können, wenn Sie schon so viel über mich wissen. Und wer hat gesagt, dass ich Kariere machen möchte? Ich bin einzig auf Mr. Youngs bitte hier und wenn ich es richtig mitbekommen habe, bin ich hier diejenige, die Ihnen den Arsch retten wird, wenn ich mich dazu bereits erkläre, diese Rolle zu übernehmen. Ich brauche weder eine Schauspielerin, noch bin ich auf das Geld oder den Job angewiesen. Also bitte, hören Sie auf, mich von oben herab zu behandeln!« Ich gebe mich wirklich, wirklich mühe, das Arschloch nicht mit Blicken zu skalpieren und ich glaube, zu siebzig Prozent habe ich sogar Erfolg. Wobei mich die Mitglieder dieser kleinen Rund trotzdem anschauen, als hätten ich Mister Möchtgernkönnig gerade eines mit der Bratpfanne übergezogen.
Das Pummelchen räuspert sich. »Nun werte Kollegen, ich denke, die Sache ich geklärt. Miss Hawton wird die Rolle der Skyla übernehme und ich werde mich um den Papierkram kümmern. In drei Tagen sollten wir endlich mit den Dreharbeiten beginnen können«, versuchte er, die Situation zu entschärfen, während ich mich mit emotionsloser Miene zurücklehne und die Arme verschränke.
»Mach das, Adam«, meldet sich nach einer gefühlten Ewigkeit Krummnase zurück und zum ersten Mal seit meinem Eintreffen hier sieht mich jemand außer der Nervensäge und dem Pummelchen wirklich an. Ein leichtes Lächeln umspielt den Mundwinkel des Typen und veranlasst meinen Magen dazu, mein Mittagsessen wieder auszukotzen. Wenn ich mir so was ab nun jeden Tag geben muss, kotze ich wirklich!
Zum Glück kommt jetzt endlich Bewegung in die Meute und die meisten beginnen, aufzustehen und ihre Glieder zu strecken, als hätten sie gerade fünf Stunde gesessen und nicht ein paar Minuten. Wenn die wüsten, wie es sich anfühlt, die ganze Zeit zu sitzen, würden sie wahrscheinlich aufhören, sich wie eine alte Oma mit Muskelproblemen aufzuführen!
Das Pummelchen kam relativ schnell auf mich zu, gratulierte mir herzlich und zwang mich dazu, meiner Hand ein Schütteltrauma zu genehmigen. Er betonte noch mal, wie glücklich er war, mich zu haben und dass unsere Zusammenarbeit sicherlich toll werden würde. Das Lustige dabei? Er meinte es wirklich ernst!
Einzig meiner guten Laune, die plötzlich da war, sobald meine Schnecke von Hirn auch mal kapiert hat, was genau gerade passiert war und eine Stimme in meinem Kopf laut kreischend Konfetti durch die Gegend wirft, bevor ich sie endlich killen kann, hat das Pummelchen es zu verdanken, dass ich keinen sarkastischen Kommentar von der Leine lasse. Wobei ich sagen muss, dass gute Laune auch ganz nett sein kann. Irgendwie.
Dann musste ich unter ein paar Unterlagen meinen Namen kritzeln und ihm versprechen, meinen Ausweis, den Impfpass und so weiter später zu geben, wenn er mir den Skript geben und alles weitere besprechen würde, was ich mit einem braven Nicken quittierte. Tja und das war's dann auch schon. Mit einem »Wir sehen uns!«, dass in dem Fall wohl keine Drohung war, ging er uns ließ mich etwas verloren auf der Wiese stehen. Wobei man zwischen all den Menschen um mich herum wohl kaum als »verloren« gelten kann.
Unschlüssig, ob ich nun endlich die Fliegen machen darf oder doch noch hier gefangen gehalten werde, blicke ich zu der Nervensäge, die die ganze Zeit auf dem sicherlich unbequemen Plastikstuhl sitzen geblieben ist und prompt seinen Blick auf mich richtet. Fast, als würde er spüren, dass ich ihm ein Fitzelchen meiner Aufmerksamkeit schenke. Wie unheimlich!
Grinsend legt er den Kopf leicht schief. »Und, wie fühlt es sich an, zum ersten Mal in einem Film mitzuspielen, Kollegin?« Abschätzig zucke ich mit den Schultern. »Kann ich dir sagen, wenn ich wirklich vor der Kamera stehe und mich nicht mit einem Primaten unterhalten muss«, gebe ich unschuldig zurück und Kians Mundwinkel beginnt zu zucken. Verschwörerisch beugt er sich vor, allerdings mit so viel Abstand, dass ich nicht das Bedürfnis habe, ihm in seine Visage zu spucken.
»Du weißt aber schon, dass du mit dem Primaten vor der Kamera stehen musst, oder?«, will er schmunzelnd wissen und ich verdrehe die Augen. »So viel Hirnschmalz kannst du mir ruhig zutrauen«, gebe ich augenrollend von mir, muss allerdings zugeben, dass mich seine Worte minimal beunruhigen. Mir war schon irgendwie klar, dass ich mit der Nervensäge zusammenarbeiten muss, allerdings habe ich das nicht so wirklich zu Herzen genommen. Zu viel Nervenverschwendung. Aber vielleicht hätte ich meine Nerven einfach mal außen vor lassen sollen und mich lieber fragen sollen, in welcher Beziehung unsere Rollen eigentlich stehen. Und was für ein Charakter meine Rolle eigentlich hat.
Und genau da wurde mir wohl doch nicht ganz so schlauem Dummerchen dann auch mal klar, dass ich die Sache in etwa so gut überdacht habe, wie mit Kian ins Gespräch zu kommen – gar nicht. Vielleicht wäre es an der Zeit, das ganze nachzuholen...?, schlägt mir mein Hirn freundlich vor und sage ihm, wo es seinen Ratschlag hinstecken könnte. Wobei ich schon sagen muss, dass das verdammten Ding irgendwie recht hat.
»Um was geht's denn in der Story?«, fange ich ganz harmlos an und ernte daraufhin einen Blick, der eindeutig sagt, für wie wahrscheinlich die Nervensäge diesen Blick gehalten hat. Oder wie niedrig er mein IQ schätzt. Ich glaube, die fünf habe ich sogar noch geschafft.
»Jetzt schau mich nicht so an, sondern benutzt dein verdammtes Sprechorgan und sag's mir!«, gebe ich mit einem genervten Stöhnen von mir und entlocke der Nervensäge ein Grinsen. Wenn er dafür endlich mit der Sprach rausrückt, soll's mir recht sein.
»Hauptperson – du – ist die siebzehnjährige Skyla McValley. Ihre Eltern sind geschieden, sie lebt bei ihrem Vater und ist seit ihrer Geburt querschnittsgelähmt, kann nicht laufen und sitzt deshalb im Rollstuhl«, beginnt er und wird prompt von meiner erstaunten Wenigkeit unterbrochen. »Warte was? Es gibt eine Protagonistin, die mal nicht perfekt ist?«, rufe ich gespielt geschockt aus, bevor mir klar wird, was ich gerade tue. Scherze ich etwa?!
Die Nervensäge scheint ähnlich überrascht, allerdings überspielt er seine Verwunderung mit einem kleinen Grinsen. »Offensichtlich ja. Und sie wird als blond und blauäugig beschrieben, genau wie du bist. Deshalb bist du ja auch so perfekt für die Rolle«, gibt er zwinkernd zurück. Ungeduldig wedele ich mit der Hand. »Wie auch immer. Erzähl weiter, bevor wir hier noch an Weihnachten stehen!«
»Okay, okay, ich mach ja schon«, beruhigt er mich lachend und fährt glücklicherweise fort, bevor ich noch mal meine Spucke verschwenden muss. »Also jedenfalls lebt sie bei ihrem Vater, mit dem sie ein eher schwieriges Verhältnis hat, bis dieser zu seiner neuen Freundin und deren Kinder ziehen muss – zwei verwöhnte Zicken – und sie sich dazu entschließt, zu ihrer Mutter zu ziehen. Diese ist Polizistin und lebt in einem kleinen Dorf am Rande der Welt. Und ja, genau deshalb sind wir auch hier«, meinte er, als er meinen Blick sah, in dem wohl gerade die Glühbirne angesprungen ist.
»Sie hasst es anfangs dort, bis sie den äußerst attraktiven und charmanten Reed kennenlernt.« »Lass mich raten, der Part übernimmst du«, fahre ich dazwischen und Kian nickt lachend. »Siehst du hier sonst jemanden, der die Rolle des charmanten und sehr gutaussehenden Typen übernehmen kann?« »Mal abgesehen von dem Kriterium, dass es männlich sein muss? Ich glaube, das Grass könnte sie selbe Kompetenz wie du besitzen«, hole ich ihn von seinem eindeutig zu hohen Ego runter, meine es aber zum Leidwesen meiner Selbst als Scherz. Yep, ich, Angi Hawton, Spezialistin in Pessimismus und Zurschaustellung schlechter Laune, scherzt. Ich glaube, der Wertuntergang steht und bevor!
»Danke für das Kompliment. Soll ich darauf eingehen oder lieber weitererzählen?«, überspringt Kian mein seltsames Verhalten gekonnt. Und obwohl ich liebend gerne meinen Fehler wieder ausbügeln würde, wollte ich doch viel lieber Nico von dieser Neuigkeit berichten. Ich bin wahrlich niemand, der jedes noch so kleine unbedeutende Staubkorn mit der ganzen Welt teilen muss, aber selbst ich habe bei manchen Nachrichten Mitteilungsdrang. Und das hier ist so eine Nachricht.
»Auf jeden Fall beginnt sie, sich in ihn zu verlieben« - typisch! - »und verbringt immer mehr zeit mit ihm. Dann allerdings wird die Bäckerstochter tot im Wald aufgefunden, Chaos bricht aus und Skyla war zum kurz vor dem Mord im Wald, hat ein paar Fetzen eines Streites mit bekommen, es aber nicht weiter beachtet. Sie wollte es Reed sagen uns ging zu dessen Haus, traf dort allerdings nur seinen Zwillingsbruder, der sie vor ihm warnte. Das Schluss vom Lied ist, dass sich Reed als Mörder entpuppt, sie sich von ihm abwendet und stattdessen mit seinem Zwillingsbruder zusammenkommt. Das wäre die Kurzfassung«, bringt er seinen Wortschwall etwas außer Atem zu Ende.
Während seines ganzen Gelabers habe ich ausnahmsweise mal aufmerksam zugehört und muss sagen, dass sich die Story nicht schlecht anhört. Klischeehaft, aber nicht grottig. Es könnte sogar ganz nett sein, sie zu drehen. Allerdings verdrängt eine einzige Frage jegliche andere Gedanken an den Inhalt des Film. Wenn Kian Reed ist, wer ist dann der Zwillingsbruder?
»Und wer spielt den Zwillingsbruder?«, will ich mit einer unguten Vorahnung wissen und bete, dass sich meine Vorahnung nicht bestätigt. Bereut habe ich in meinem Leben genug, da möchte ich nicht auch noch diese eine verdammte Entscheidung bereuen müssen.
»Wer außer mir könnte das denn übernehmen, Engelchen?«, ertönte in dieser Sekunde eine Stimme, die meine merkwürdige gute Laune davon pustet wie ein Luftballon. Dieser Typ hat auch einfach das beschissenste Timing der Welt!, denke ich mürrisch, bevor ich den Kopf hebe und in smaraggrüne Augen blicke. Aric.
***
Okay, okay, ich weiß, dass ich irre spät bin und ich habe schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass ich es heute noch schaffen würde. Aber: Ich habe es und das Kapitel wurde eindeutig länger, als ich erwartet hätte ^^'.
Ehm ja. Was sagt ihr zu diesem Verlauf? Freut ihr euch? Und was sagt ihr zu dem Kian-Aric-Schauspiel-Depackel oder wie auch immer man es nennen soll? Und wehe hier kommentiert jemand nicht! xD
Euch noch einen schönen Abend *hust* gute Nacht *hust* und wir lesen uns ^^!
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