Ryuzaki sah mich verblüfft an, damit hatte er nicht gerechnet.
"Du kennst meinen richtigen Namen? Woher kennst du ihn?"
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich habe mich gerade einem völlig fremden Typen als Kira verraten.
"E-es stand in der Zeitung", versuchte ich mich aus dieser misslichen Lage zu retten.
"Ryoko", sagte er in einer beruhigenden Stimme.
"Ich weiß, dass du das Death Note besitzt. Ich mache dir keine Vorwürfe deswegen, aber leugne es nicht."

Seine Stimme klang so sanft, so weich wie die eines Engels. Er ist ja eigentlich tot, vielleicht ist er ja ein Engel. Ich senkte meinen Kopf, ich schämte mich. Soeben habe ich einen Engel angelogen. Eine warme Hand tätschelte meinem Kopf, den ich sofort hob. Ich sah in seine tiefschwarzen Augen. "Ich möchte nur, dass du nicht dasselbe schreckliche Ende wie Kira, Light Yagami, findest", flüsterte er mir zu. Selbstbewusst trat ich einen Schritt zurück, zumindest versuchte ich, selbstbewusst zu wirken.
"Willst du mir verbieten, das Death Note zu benutzen?", fragte ich ihn laut und deutlich, und plötzlich schwand mein Mut.

Er schüttelte nur den Kopf, was mich sehr überraschte. "Ich kann dir nichts verbieten. Und selbst wenn, würde ich es nicht tun."
Ich war verwirrt. Er wollte mir nicht verbieten, Kira zu sein, aber mich vor einem grausamen Ende schützen? Was ist er?
"Ich habe dennoch eine Bitte an dich."
Neugierig sah ich ihn an. "Benutze das Buch so wenig wie möglich. Vertrau mir, das ist wichtig."
Also hielt er mich doch davon ab, als Kira zu agieren. Aber seiner Bitte nachzukommen könnte auch für mich von Nutzen sein, ich könnte Near somit verwirren.
Ich muss Light unbedingt befragen, inwiefern man den Tod beeinflussen kann.

Ich hörte jemanden durch die Haustür kommen, es konnte nur Mutter sein. Zu allem Überfluss ging sie direkt zu meinem Zimmer. "Ryoko, ich muss mit dir reden. Kann ich reinkommen?", fragte sie im freundlichen Ton. "Ähh... Ja, komm rein", rief ich und warf Ryuzaki einen kurzen Blick zu. Als Mutter eintrat, war er verschwunden.
Die junge Brünette setzte sich auf meinen Schreibtischstuhl, ich nahm auf der Bettkante platz.
"Es geht um Vater... Du hast sicherlich mitbekommen, dass Kira wieder mordet, oder?" Ihre Stimme klang besorgt, und plötzlich hatte ich Angst. Ist Vater etwas zugestoßen?
Den Gedanken verwarf ich sofort, ich bin Kira und ich würde Vater nie im Leben töten.

"Ist etwas mit ihm passiert?", fragte ich ebenso besorgt, um den Schein zu wahren. Mutter schüttelte den Kopf. "Aber er begibt sich durch die Ermittlungen in Lebensgefahr." Am liebsten hätte ich sie jetzt beruhigt, dass Vater nicht sterben wird, aber dann hätte ich mich verraten.
Ich ließ den Kopf sinken. "Können wir ihm irgendwie helfen?"
"Du erstrecht nicht", meinte sie bloß. "Außer Near verlangt es."
Ich nickte, ließ meinen Kopf immernoch unten.
Mutter legte ihre Hand an meine Wange und lächelte mich traurig an.
"Vater meint, er verdächtigt dich."
Entgeistert starrte ich sie an, ich versuchte, künstlich zu heulen. Die Tränen ließen jedoch auf sich warten.
Für mich war diese Nachricht nichts neues, denn zu dieser Erkenntnis bin ich selber gerade gekommen.

Ich spürte eine andere Hand auf meiner Schulter. Durch meine Mutter musste ich den Drang unterdrücken, nach hinten zu schauen. "Ich bin mir sicher, dass sie sich irren", meinte sie, lächelte noch einmal kurz und verließ dann den Raum.
Ich sah schließlich über meine Schulter, Light stand direkt hinter mir.
Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, wie er den Raum betreten hat. "Mach dir keinen Kopf, wir schalten Near aus", meinte er und zum ersten Mal sah sein Grinsen wirklich freundlich aus. Ich richtete mich auf und erwiderte sein Grinsen.
"Hast du Lust auf einen Spaziergang?"
Der Shinigami legte seinen Kopf schief.
"Ich muss mit dir reden, und zwar unbeobachtet."