Chapter Two
Keiner von uns wagte es, sich zu bewegen, wir schienen wie festgewachsen auf dem Boden. Der Wind wehte eiskalt durch die Blätter, brachte meinen Körper zum zittern. Elina starrte wie versteinert in den Himmel, Shaitan stand ebenfalls wie festgefroren da, nur Henry erwiderte meinen Blick, als ich zu ihm sah. " Elina?" Leise drang Henrys Stimme an mein Ohr, doch die Angesprochene starrte weiterhin in den Himmel. Der schwarze Engel war bereits verschwunden, doch er schien meine beste Freundin ziemlich aus der Bahn geworfen zu haben. Ich berührte sie sanft an Arm und sie zuckte zusammen, als hätte ich sie geschlagen, dann sah sie zu mir auf. Ihre grünen Augen waren weit geöffnet und sie sah aus, als würde sie in der nächsten Sekunde zusammen brechen. Ihre Haare waren ganz zerzaust, ihre Augen strahlten eine gewisse Panik aus. Warum hatte der Engel sie so schockiert? Und warum hatte er sie Königin genannt? Warum hatte Henry sich so beschützerisch vor mich gestellt, als könnte ich mich nicht verteidigen?
All diese Fragen flogen mir um den Kopf und umkreisten ihn wie ein Ufo, doch im Moment wollte ich nichts mehr, als meine Freunde heil nach Hause bringen und mich dann ins Bett zu legen. Also nahm ich Elina fest in den Arm und sie schmiegte sich an meine Brust, während ich Henry das Zeichen gab, sie bereit zu machen. Dann löste ich Elina von mir, hob sie hoch und setzte sie auf Shaitan, bevor ich mich hinter ihr auf mein Pferd schwang, um Henry zu folgen, der bereits vorausgelaufen war. Ich trieb das Pferd mit meiner Stimme an und es fiel sofort in einen leichten Trab, bevor ich meine Arme um die noch immer zitternde Elina schlang und sie fest an mich drückte, damit sie ja nicht herunter fiel. Shaitan hatte Henry schnell eingeholt und passte sein Tempo an meinen Freund an, der locker in einem doch schnellen Tempo den Weg entlang lief, den wir gekommen waren. Es wunderte mich sehr, dass Henry sich an den Weg erinnern konnte, denn es sah so vieles gleich aus, dass ich mich ohne meinem Pferd, der sogut wie immer den Weg zu seiner Herde und mir nach Hause fand, mit hoher Wahrscheinlichkeit verirrt hätte.
Während die Bäume also neben mir vorbeizogen, schweiften meine Gedanken wieder zurück zu dem Engel. Ich musste ehrlich zugeben, dass ich ihn etwas erschreckend gefunden hatte, mit seinen roten Augen und den schwarzen Flügeln. Ich hatte früher immer nur aus Legenden gehört, dass Engel immer weiße Flügel und himmelblaue Augen hatten, mir war nie ein Engel mit schwarzen Flügeln und roten Augen untergekommen. Ja sicher, für alles gab es ein erstes Mal, doch es war doch verwunderlich, dass ich einer der ersten Menschen gewesen war, der einen zu Gesicht bekommen hatte. Würdet ihr das auch nicht eigenartig finden? Sogar Shaitan hatte sich vor dem Engel erschreckt und das kam nur sehr selten vor, denn mein Pferd kannte sogut wie alles, er hatte sich noch nie vor etwas erschreckt. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er mehrere tausend Jahre alt war, denn wenn wir ehrlich waren, jedes Pferd hatte vor etwas Angst. Egal wie erfahren und alt es war. Und was mich am meisten zum Grübeln brachte, war die Tatsache, dass der Engel meine Freunde gekannt hatte und sie ihn augenscheinlich auch, denn ich war mir sicher, dass er sonst nicht ' Königin ' zu Elina gesagt hätte. Und nichts hatte meine Freundin bereits so aus dem Konzept gebracht, wie die Begegnung mit diesem Engel. Auch eigenartig fand ich, dass er gesagt hatte, dass Elina mitsamt ihrem Königreich untergehen würde. War meine Freundin etwa eine Königin und ich wusste nichts davon? Und wenn dies stimmte, was war dann mein Freund, wieso hatte er sich so vor mich gestellt?
Irgendetwas kam mir hier gewaltig faul vor, doch ich hatte weder den Kopf, noch die Geduld, jetzt tausend Fragen zu stellen. Ich wolle nur mehr in mein Bett und schlafen. Doch so leicht war das auch nicht, denn wir waren immer noch in diesem verflixten Wald und es war kein Ende in Sicht. Alles sah gleich aus, doch mein Freund und mein Pferd waren sich ganz sicher, in welche Richtung sie zu gehen hatten. Ich schloss die Augen und horchte den Atemzügen von meiner Freundin, die meine Arme fest um ihren Körper geschlungen hatte. Ihre Hände waren kalt und das Zittern schien sie zu begleiten, seit wir losgeritten waren. " Wie lange brauchen wir noch Henry?" fragte ich ihn. " Wir sind gleich am Waldrand, dann müssen wir nur mehr nach Hause." kam die Antwort sofort zurück. Ich trieb mein Pferd noch ein bisschen schneller an, ließ mich noch dem Takt seiner Schritte tragen und so verfiel Shaitan in einen langsamen Galopp. Obwohl Henry wohl der Anschein erwecken wollte, als würde es ihm nicht ausmachen, wusste ich, dass es selbst für einen Menschen wie Henry anstrengend war, so viel zu laufen und ich brachte Shaitan mit meiner Stimme langsam zum stehen. Henry hielt schwer atmend neben mir an, während ich meine Arme von Elina löste und sie sich wieder gerade hinsetze. Dann sprang ich ab und landete weich neben meinem Freund, der mich ratlos ansah. Ich deutete mit dem Kopf in die Richtung des Pferdes und mein Freund schüttelte bloß den Kopf, doch als ich mich wiederholte, ging er langsam auf den Hengst zu und strich über den Hals. Ich trat neben seinen Kopf und strich ihm sanft über die Nüstern, während Henry sich auf seinen Rücken schwang. Dann trieb ich das Pferd mit meiner Stimme an und ich lief übe die Koppel, mein Pferd neben mir. Wir schafften es unbeschadet bis zum Zaun, bevor Henry sich von dem Pferderücken gleiten ließ und Shaitan mit Elina elegant über den Zaum setze, ehe er auf der anderen Seite auf uns wartete. Wir kletterten darüber und liefen dann bis zu den Straßen, bevor auch Shaitan wieder in den Schritt verfiel und wir - so leise es mit einem Pferd eben ging - durch die Straßen schlichen. Wir hatten Glück, denn niemand konnte die Schritte des großen Pferdes auf dem Erdboden hören. Da auch hinter unserem Haus ein kleiner Stall für mein Pferd war, beschloss ich, dass meine Freunde heute Nacht in meinem Zimmer schlafen würden, denn ich wollte sie nicht alleine nach Hause gehen lassen. Und ich wusste auch nicht, ob es eine so gute Idee war, Elina alleine zu lassen, denn sie hatte sich noch immer nicht davon erholt. Sie war immer noch blass um die Nase, auch ihre Haare waren zerzaust und sie schien, als wäre sie in ihrer eigenen Welt gefangen. Als würde sie mit Menschen sprechen, die ich nicht sehen oder hören konnte. Als wären sie für mich unsichtbar.
Als wir bei meinem Haus angekommen waren, stellte ich Shaitan in den Stall und versorgte ihn schnell, bevor ich Henry half, die zitternde Elina ins Haus zu bringen, ohne dabei sehr viel Lärm zu machen. In meinem Zimmer angekommen, zog ich mein Bett aus und meine Freunde zogen sich um, bevor wir uns in mein Bett legten. Elina lag in der Mitte, die Decke fest um sich geschlungen, als wollte sie sich vor etwas beschützen, wovor Henry und ich ihr nicht helfen konnten. Ich strich ihr noch einmal sanft über den Kopf und küsste sie auf die Stirn, wünschte Henry eine gute Nacht und schloss meine Augen. Doch von einem ruhigen, erholsamen Schlaf war ich weit entfernt. Lange lag ich noch wach und starrte Löcher in die Dunkelheit. Meine Gedanken schienen mich einfach nicht loslassen zu wollen.
Wer waren meine Freunde wirklich? Wer war das Mädchen, dass neben mir im Bett lag? Wer war der Junge, der neben mir im Bett lag? Wer waren diese Menschen? Waren sie überhaupt Menschen? Was hatten sie mit Engeln zu tun? Wieso hatte der Engel sie als Königin bezeichnet? Was hatte der Engel gemeint, als er sagte, dass er ihr Königreich stürzen würde? Was meinte er, als er sagte, er würde die ganze Welt versklaven und wir seien dem Untergang geweiht?
So viele Fragen und keine Antworten. Ich wusste keine Antwort auf eine dieser Fragen. Ich konnte mir nichts ausmalen, konnte mir nichts irgendwie zusammen reimen. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er im nächsten Moment explodieren. Und immer und immer wieder stellte ich mir eine Frage.
Wer waren diese Menschen, die neben mir lagen und schliefen? Welche Last trugen sie auf ihren Schultern, welche Geschichte hatten sie zu erzählen?
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