10. Land of Confusion - Disturbed
Nachdem sich Gabriel wieder beruhigt hatte, hatten sie sich darauf geeinigt, dass Sam erst eine Dusche nehmen würde, bevor sie beide ein Spiel spielen oder einen Film schauen würden. Die Dusche hatte sich wie der Himmel persönlich angefühlt und bei dem braunen Wasser, was da im Abfluss verschwand, war er wirklich glücklich, dass er diesen Dreck endlich abwaschen konnte. Dieser Dreck hatte somit also schon beinahe mehr gesehen, als unser Protagonist selbst...
Nun, zurück im Text. Sam hatte fertig geduscht, wollte aber seine dreckigen Klamotten nicht wieder anziehen. Andere hatte er ja leider nicht und diese waren eigentlich auch nicht seine.
Auf dem Weg zurück in das Wohnzimmer, oder auch die Männerhöhle, fragte sich Sam. ob ihm die Novak's vielleicht etwas leihen könnten. Bei der Erinnerung daran, dass beide fast einen Kopf kleiner waren als er selbst, schob er diese Idee eher auf nicht ausführbar. Sah so aus, als müsste er erstmal in diesem Bademantel leben, bis seine Klamotten getrocknet waren.
Ja, dein Gedanke ist richtig. Sam hat seine Kleidung ebenfalls unter der Dusche gewaschen und hing sie dann über einen Stuhl im Hauptraum.
Da er nun allein in dem großen Raum, den man eigentlich auch schon Halle nennen konnte, war, hatte er endlich einmal Zeit dafür, sich manche Sachen genauer anzusehen. Ohne dass einer der Novak's ihm über die Schulter schaute. Er sollte auch ja nicht zu viel herausfinden, oder weswegen sie auch immer besorgt waren. Natürlich war er ein Dämon, was auch sonst.
Kopfschüttelnd warf er diese Gedanken beiseite und näherte sich einem der Regale, welches vom Tisch aus weiter links stand. Es war geradezu mit Büchern vollgestopft, so dass sich Sam wunderte, dass die Bücher an den Seiten nicht vom Rest nach außen gedrückt wurden.
Erdanziehungskraft ist schon etwas beeindruckendes...
Sam ließ seine Augen über die Rücken der Bücher wandern. Manche sahen aus, als wären sie mehrere Jahrzehnte alt, andere wiederum, als wären sie nie berührt worden. Er las einen Buchrücken nach dem anderen und war erstaunt über das Wissen, was sich in diesen befinden musste. Er fand etwas über Hexen, über Dämonen, Werwölfe, ungewöhnliche Zeichen, Rituale und vieles mehr. Am Ende der Reihe blieb er jedoch bei einem Buch hängen. Es war im Kontrast zu den anderen Büchern viel heller. Die anderen Bücher wurden von eher dunklen Farben geschmückt, während dieses Buch in einem hellen Rot erstrahlte.
Von Neugierde gepackt streckte Sam seinen Arm aus und zog das Buch behutsam aus dem Regal. Er hatte diesen Hintergedanken im Kopf: Was wäre, wenn Gabriel nun käme? Oder was wäre, wenn Castiel ihn nun sähe? Würden sie ihn verbannen? Gar einsperren?
Wieder schüttelte Sam den Kopf. Blödsinn!
Er drehte das Buch in seiner Hand so, dass er das Cover betrachten konnte. In weißen geschwungenen Lettern stand darauf geschrieben; „Alice im Wunderland". Unter der Schrift war die Zeichnung von einem blonden Mädchen, in einem weißen Kleid. Im Hintergrund erkannte man den Rücken eines Hasen, welcher ein blaues Jackett zu tragen schien.
Verwirrt darüber, was denn der Inhalt des Buches sein sollte, schlug er die erste Seite auf. Er las die ersten Sätze und war nun noch verwirrter, als zuvor. Was für Wissen sollte dieses Buch denn beherbergen? War es etwa ein Tagebuch von einem großen Magier? Einer Hexe?
„Sambo! Hier bist du. Ich habe schon gedacht, du wärst in der Dusche ertrunk... Was hast du da?"
Gabriel war so plötzlich hinter Sam aufgetaucht, dass dieser zusammenzuckte und beinahe das Buch fallengelassen hatte. „Gabriel!" schnaufte Sam mit einem dunklen Gesichtsausdruck," Erschreck mich doch nicht so!"
Doch Gabriel hörte gar nicht darauf, was der Riese sagte. Er starrte auf das Buch „Alice im Wunderland" und wirkte aufeinmal wieder etwas melancholisch.
Währenddessen brach bei Sam der Schweiß aus. Würde er nun ärger bekommen? War Gabriel traurig, weil er allein durch den Bunker gewandert war? Bestand das Buch vielleicht aus geheimen Codes, von denen keiner außer der Novak's etwas wissen durfte?
Sam's Gedanken überschlugen sich, dabei hatte Gabriel's plötzlicher Anfall der Melancholie mit etwas ganz anderem zu tun.
„Wo hast du das denn gefunden?" fragte Gabriel ruhig. Schluckend deutete Sam mit einem Finger auf die Lücke, in welche sich bereits einige der anderen Bücher gequetscht hatten, um endlich etwas mehr Platz zu bekommen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Cassy..." er verstummte einen Moment. Erinnerungen schienen in ihm aufzukommen, schöne Erinnerungen, so dass er mit einem leichten Lächeln im Gesicht weitersprach: „ Unsere Mutter hat uns beiden immer daraus vorgelesen. Das ist... jetzt schon einige Jahre her."
„Was für Wissen wollte sie euch damit vermitteln?" fragte Sam nach. Gabriel hatte ihm ein Stück aus seiner Vergangenheit erzählt. Sam freute sich natürlich darüber, aber er verstand immer noch nicht ganz den Zweck dieses Buchs. Deshalb versuchte der Jäger es ihm zu erklären. „Ach Sam. Nicht jedes Buch muss unbedingt Wissen vermitteln, wie du es gesagt hast. Es gibt so viele verschiedene Arten von Büchern. Viele von denen sind voll mit Geschichten, die sich irgendein Mensch ausgedacht und niedergeschrieben hat. Nicht alles muss unbedingt eine Repräsentation unserer Welt sein."
„Ist das nicht lügen? Wenn jeder einfach irgendetwas aufschreibt, woher wisst ihr dann, was am Ende der Wahrheit entspricht?"
Das Lächeln in Gabriel's Gesicht wurde größer. „Wenn du wirklich nur so tust, als hättest du Amnesie, muss ich dir dafür gerade wirklich danken. Wenn nicht, es gibt in eigentlich allen Buchhandlungen verschiedene Abteilungen. Dort steht alles sortiert. Und wenn das nicht hilft-" Nun kam Gabriel Sam näher. Ohne Acht legte der Jäger eine Hand auf die von Sam, welche das Buch hielt. Sam war so weg gefegt von dieser plötzlichen Berührung, dass er komplett zu einer Salzsäule erstarrte und Gabriel gewähren ließ. Dieser drehte die Hand von Sam so um, dass sie nun die Rückseite des Buches sehen konnten. „-haben wir auch noch die Inhaltsangaben auf der Rückseite der Bücher," endete er schließlich und zog sich kurz darauf wieder zurück.
Sam starrte immer noch auf die Hand, die ihm Gabriel kurz zuvor darauf gelegt hatte. Sie fühlte sich warm und rau an. Ein wenig feucht vielleicht.
„Da wir das geklärt hätten, weshalb hast du nur einen Bademantel an?"
Für Sam war jeder in diesem „Haus" ein laufender Meter und so sah auch der Bademantel an ihm aus. Er reichte ihm gerade so über die Oberschenkel, aber er war sich trotzdem sicher, dass, wenn er sich setzen würde, mehr sichtbar würde, als die Menschen sehen wollten. Generell hatte er nichts gegen seine Blöße oder gegen Nacktheit. Es war doch ganz normal. Er hatte gelernt, dass jeder Mensch dem Geschlecht entsprechend ausgerüstet war. So waren sie am Ende doch eh fast alle gleich und doch machten sie einen so großen Aufriss um ihre unbekleideten Körper.
„Meine Klamotten waren dreckig. Ich habe sie gewaschen und jetzt hängen sie dort drüben an einem Stuhl und trocknen."
„Du hast was?!" schrie Gabriel schockiert los. Seine Augen schnellten zu den Stühlen. Kaum hatte er Sam's Kleidung gesichtet sprintete er auf diese zu und überließ den verdutzten Sam einfach sich selbst.
„Du kannst die doch nicht einfach nur mit Wasser auswaschen! Da geht der Gestank Dachgarten nicht raus! Was denkst du, wie wir riechen würden, wenn wir den Geruch des Blutes nicht auswaschen würden? Genau! Wie wandelnde Leichen! und dann so trocknen lassen? Übereinander? Dir schimmeln diese Sachen noch und wie du die aufgegangen hast! Du machst es dir mit dem Bügeln nur selbst schwer!"
Der Riese konnte dem Emotionsumschwung von Gabriel kaum folgen. Erst war er traurig, dann glücklich und jetzt aufgebracht? Alles innerhalb weniger Minuten. ganz sicher, worüber dieser sich gerade aufregte, war er sich nun nicht. Bügeln? Das Wort hatte er bisher noch nicht gehört. Das mit dem Gestank verstand er ja, aber wie wuschen denn andere ihre Wäsche?
„Schau mich nicht so ahnungslos an Mister ich-weiß-nur-noch-wie-man-atmet! Bevor wir hier jetzt irgendwas anfangen, zeige ich dir wie man seine Wäsche richtig wäscht!"
So kam Sam zu einer weiteren Stunde von „Menschenkunde". Gott gab es da aber auch viel zu lernen. In einer unglaublichen Geschwindigkeit wurde er in irgendein Zimmer gezerrt und bekam dort in einem schnell Durchlauf erklärt, wie er den dort stehenden Kasten zu bedienen hatte. Der Kasten war anscheinend eine Waschmaschine. Sam war sich nicht ganz sicher, ob er das alles bereits verstanden hatte. Wenn seine Wäsche fertig war meinte Gabriel, dass er ihm Hochzeiten wollte, wie man diese richtig trocknet und bügelt. Welcher Mensch auch immer sich dieses Wort ausgedacht hatte, der Riese fand es äußerst seltsam.
Über eine Stunde hatten sie nun also verschwendet, in welcher Castiel nicht im Bunker war und so schnell würden sie auch nicht zu ihrem eigentlichen Vorhaben kommen. Kaum hatten sie das mit der Waschmaschine geklärt, viel Gabriel wieder diese Sache mit Sam's Kleider-Problem auf.
„Wenn Cassy zurück ist müssen wir uns unbedingt aufmachen und dir was neues kaufen. Hmm," Gabriel verschränkte für einen Moment die Arme vor der Brust, „Aber bis dahin habe ich eine Idee! Ich hoffe du bist ein Badboy, denn wir werden gleich das Gesetz brechen."
Nein. Sam war kein Bad boy, oder was auch immer. Total verkrampft stand er in dem Zimmer von Gabriel's Bruder. Dieses wirkte genau so trostlos wie sein eigenes Zimmer, aber immerhin stand auf Castiel's Kommode ein Foto mit seiner Familie drauf.
Vor Sam stand Gabriel, welcher seine Nase beinahe komplett in die Kommode hielt, in welcher sein Bruder seine Klamotten aufbewahrte. Sam mochte Gabriel's Idee gar nicht.
Der Jäger ließ sich davon gar nicht beirren. Auch den unsicheren Worten Sam's schenkte er keinerlei starke Beachtung. Er kramte etwas heraus, was ihm gefiel und hielt es dann an Sam. Entweder er nickte, oder schüttelte den Kopf, warf es in den Raum und wühlte weiter. So hatte er Sam bereits eine Hose so zurecht geschnitten, dass ihm diese gerade bis zu den Knien reichte. Unten rum sah sie etwas zerfetzt aus, aber Gabriel meinte bei Sam's Einsprüchen bloß, dass das heutzutage in war. Was auch immer das bedeuten sollte.
Das größte Problem schien Sam's Oberkörper zu sein, denn egal wie oft Gabriel etwas heraussuchte, gegebenenfalls zurecht schnippelte, warf er es zum Schluss wieder weg. Bei jedem weiteren Objekt auf dem Boden fühlte sich Sam noch unwohler. Wie konnte Gabriel nur so unbedacht die Klamotten seines Bruder zerstören? Für einen Fremden?
Am Ende schnitt Gabriel einen Pullover einfach einmal vorne von oben nach unten auf. Nun war es so etwas wie eine Jacke, nur ohne Verschluss und in... in hässlich.
„Das zieh ich nicht an."
„Komm schon Sambo! Das ist doch besser als nichts? Und so schlimm ist es nun auch wieder nicht."
Nein, es war natürlich überhaupt nicht schlimm. Er hatte nur einen einfachen blauen Pulli mit dem Aufdruck einer Biene so zertrennt, dass man meinen könnte, die Biene sei geköpft. Fäden des zerschnittenen Stoffes ragten am Rand hervor, so dass Sam sich wünschte, er könnte einfach weiterhin in diesem Bademantel bleiben.
„Gabriel. So weit ich weiß, mögen Menschen es nicht, wenn sie unbekleidet durch die Gegend spazieren. Und das," Sam deutete auf diesen armen Pulli, welchen er nun eher als Fetzen beschreiben würde,"Würde meinen Oberkörper zeigen."
Der Jäger antwortete mit Gelächter. „Sam, Sam, Sam. Du musst wirklich dein Gedächtnis etwas ankurbeln, wenn dir selbst das entfallen ist." Gabriel drückte ihm den Fetzen an die Brust. „Jetzt zieh es schon an. Wenn du dir Sorgen um deinen geheimen Bierbauch machst und es zu schlimm aussieht, fällt mir bestimmt noch was anderes ein."
Letzten Endes setzte Gabriel doch seinen Kopf durch und überredete Sam dazu, dieses Ding anzuziehen. Während er seinen Bademantel öffnete spürte er die Augen des anderen auf seinem Körper. Er fühlte sich so, als würde Gabriel ihn gerade ausziehen, obwohl es doch seine Hände waren, die den Knoten öffneten und den Bademantel von seinen Schultern streiften. Er schlüpfte in das Ding und sah erst dann wieder zu dem kleineren. Dieser hatte seine Hand über sein Kinn gelegt, so dass sie gleich seinen Mund mit bedeckte. Seine Wangen hatten einen leichten rötlichen Schimmer angenommen und seine Augen huschten erst zu Sam und dann wieder weg, als könnte er dessen Anblick nicht länger als eine Sekunde ertragen.
„Es ist so schlimm, wie ich es gesagt habe," zog Sam seinen Schluss daraus und sah an sich herab. Hatte er einen Bierbauch?
„Nein!" Schoss es aus Gabriel ein wenig zu schnell heraus. Er räusperte sich und zupfte dann an seinem Shirt herum, während er seine Augen noch einmal über Sam's Oberkörper wandern ließ, bevor er diesem wieder in die Augen blickte.
„Du siehst... Hm, so kann ich dich nicht raus lassen. Du wirst wie ein Magnet alle Singles dieser Welt anziehen. Warum sagst du denn auch nicht, dass du ein Ninepack hast!" Erneut drifteten Gabriel's Augen zu Sam's entblößtem Oberkörper ab. „Obwohl. Noch ist es kalt draußen. Du wirst eine Jacke anziehen. Problem gelöst." Diesmal sah er dem Riesen nicht mehr in die Augen.
Dies war definitiv eine neue Reaktion für Sam. Ivy wollte ihn nicht einmal richtig ansehen und verlangte, dass er sich sofort etwas überzog. Ganz genau an ihre Worte erinnern konnte er sich natürlich nicht mehr. Immerhin war das für ihn wie ein Erwachen aus einer langen Nacht des Trinkens gewesen. Nur ohne den Kater.
„Okay," Gabriel räusperte sich erneut," Ich habe da eine alte Karaokemaschine. Cas... Cassy wollte nie mitspielen, deshalb dachte ich, dass du vielleicht... vielleicht Lust dazu hättest?"
Die Art und Weise, wie zögerlich und vorsichtig Gabriel gesprochen hatte, ließ in Sam eine Wärme aufkommen, die er zuvor noch nicht gefühlt hatte. Egal was dieses Karaokedingenskirchens war, er würde das auf jeden Fall mit dem Jäger machen.
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