18
Die nächsten Tage waren merkwürdig still. So, als hätte sich eine Decke über die Kleinstadt gelegt und damit alle Geräusche verstummen lassen.
Jungkook und Jimin hatten wieder ausgedehnteren Kontakten, welcher vor allem aus regelmäßigen Nachrichten und Anrufen von Seiten des Größeren bestand und auch Yoongi sah der Ältere hin und wieder.
Sie sprachen nicht über das unangenehme Treffen zwischen seinen beiden Freunden, sondern taten so, als wäre dieses nie passiert.
Das öffentliche Leben schien nun neue Dinge gefunden haben, über die es sich aufregen konnte und auch Jimins Nachbarn waren ungewöhnlich ruhig, als wären sie zu sehr damit beschäftigt, sich Abkühlung vor den steigenden Temperaturen zu verschaffen.
Natürlich ging die Suche nach Choi Kibum weiter, dessen Verschwinden der Öffentlichkeit noch vorenthalten wurde. Niemand wollte, dass es einen erneuten Eklat gab, wo es doch in der letzten Zeit schon so viel Trubel gegeben hatte.
Trotzdem wusste Jimin Bescheid und das war genug, um ihm nachts den Schlaf zu rauben. Manchmal lag er einfach nur wach und ging in seinem Kopf die Straßen der Stadt entlang, überlegend welche Wege Kibum hätte gegangen sein können.
Als er ihn im Krankenhaus besucht hatte, hatte er nicht den Eindruck gemacht, als würde er einen Ausbruch planen. Jimin hatte es schon aufgegeben, sich zu fragen, wie er sich nur mit einem Auge und mehreren Verbänden einen Weg die Treppen hinunter zu dem Hinterausgang bahnen konnte.
Zu viel denken tat keinem gut und der Dunkelhaarige war dabei keine Ausnahme, denn egal, was er tat, irgendwie schaffte er es immer wieder, sich in Schwierigkeiten zu bringen und da diese leider wie ungebetene Gäste länger blieben als es einem lieb war, musste er sich zurückhalten und sein Leben wie ein normaler junger Erwachsener leben.
Leider wusste er aber gar nicht, was das so genau heißen sollte. Normal. Für den Dunkelhaarigen war sein Verhalten normal, wie es war. Andere würden dies wahrscheinlich nicht so empfinden, trotzdem verstand er nicht, wieso sein Vater ihn so dazu drängen wollte, aufzugeben, wo er doch eine zusätzliche Hilfe war.
Der Dunkelhaarige war nicht dumm und er wollte auf gar keinen Fall so abgestempelt werden, als könnte er nur Unheil über jeden und alles bringen. Wenn er schon Polizist werden sollte, dann sollten seine Mitmenschen Vertrauen in ihn stecken und ihn respektieren, aber so fühlte er sich in dem Moment nicht.
Irgendwie schien niemand so recht zu verstehen, dass Jimin nur helfen wollte. Stattdessen wollten alle immer nur den rücksichtlosen und adrenalinsüchtigen Jungen in ihm sehen, der von dem Beruf seines Vater zu sehr eingenommen war.
Aber der Dunkelhaarige wollte seinen Vater stolz machen und allen beweisen, dass er vetrauenswürdig war und das wollte er erreichen, indem er den Fall löste.
Vielleicht würde er sich selbst in Gefahr bringen, aber das war es, was Polizisten taten. Manchmal musste man Risiken eingehen und Jimin schreckte nicht vor ihnen zurück.
Natürlich empfing er sie auch nicht mit offenen Armen, wie sein Vater und Jungkook es annahmen, aber besser war es, wenn er vorbereitet war, anstatt von ihnen überrascht zu werden.
Nun war es aber nicht so einfach, einen Kriminalfall zu lösen, ohne die Erfahrung und Mittel eines Polizisten oder Detektiven zu haben. Er hatte ja nicht einmal mehr einen Ansatz, von dem er sich hätte weiterarbeiten können.
Obwohl Treffen mit Jungkook nun weniger unangenehm waren, zählte er ihn dennoch nicht als eine Anlaufstelle in dieser Angelegenheit. Vielleicht hätte er ihm geholfen, Näheres herauszufinden, aber er würde nicht verstehen, wieso Jimin so versessen auf diesen Fall war.
Selbst der Dunkelhaarige konnte sich seine Obsession nicht erklären. Alles was er wusste, war, dass sich seine Gedanken tagein tagaus darum drehten und ihm keine Ruhe gaben.
Also tat er das, was er immer tat, wenn er handeln wollte - er sprach mit den Beteiligten. Da nun sowohl Yoongi als auch Kibum keine Hilfe mehr waren, blieb ihm nur noch eine Wahl. Eine Wahl, die er eigentlich hatte verhindern wollen, weil er sich dadurch nichts versprach.
Trotzdem machte er sich an einem warmen Tag von seiner Schreibtischarbeit los, als er eine ihm bekannte Stimme im Flur des Polizeireviers vernahm. Eilends sprang er auf und hastete zur Tür, die für bessere Konzentration geschlossen war.
Den verwirrten Jungkook in dem kleinen Raum zurücklassend stolperte er den Flur entlang, bis er den Empfangstresen erreicht hatte. Jimin war an diesem Tag mehrmals raus gelaufen, dachte, dass er seine Stimme gehört hatte, hatte sich dann aber doch nur getäuscht.
Doch dieses Mal stand er wirklich da. Beide, sowohl der Polizist hinter der Theke, als auch Yoon Chan, den er sehnlichst erwartet hatte, drehten sich zu ihm um. Yoon hatte seinen Mund noch leicht geöffnet, als wäre er soeben dabei gewesen, etwas zu sagen.
"Jimin", rief er aus und lächelte ihm freundlich zu, bevor er plötzlich innehielt und sich seine Mundwinkel genauso schnell wieder nach unten zogen. Rasch wandte er sich wieder dem anderen Polizisten zu und lehnte sich etwas vor, um ihm etwas zu zu flüstern.
Der Jüngste blieb etwas verunsichert stehen und starrte auf seine dunklen Sportschuhe, die im Kontrast zu dem hellen Fliesenboden standen. So eine Reaktion hatte er von dem verpeilten, aber dennoch liebenswürdigen Yoon Chan nicht erwartet. Vor allem, weil er bei ihrem letzten Treffen im Krankenhaus so froh war, Jimin zu sehen.
Bei dem Gedanken zuckte er unmerklich leicht zusammen und hob seinen Blick, um die beiden Männer zu betrachten, die in eine Diskussion vertieft waren. Leise atmete er die Luft aus, die sich in seinen Lungen gesammelt hatte und rieb sich über die Augen, als würde er alle Sorgen wegwischen, die sich in seinem Sichtfeld eingenistet hatten.
Für einen Moment überlegte er, zurück zu seinem besten Freund zu gehen und wieder zu kommen, wenn Yoon frei für ein Gespräch war, doch das war gar nicht nötig, da dieser seine Stimme plötzlich hob und beide Anwesenden erschrak "Ich bitte Sie.".
Jimin verkrampfte sich instinktiv und sah mit an, wie der junge Polizist nach einem Kopfschütteln seines Gesprächpartners auf der Sohle kehrtmachte und durch die Tür in den warmen Nachmittag verschwand.
Es vergingen wenige Sekunden, ehe er sich in Bewegung setzte und an dem misstrauischen Polizisten vorbeieilte. Draußen angekommen, sah er sich vor dem Gebäude um und fühlte wie ihm sein Herz in die Hose rutschte, bevor er den jungen Mann ausfindig machen konnte.
Als er ihn um eine Ecke biegen sah, sprintete er los und wäre beinahe von einem Auto angefahren worden, wäre er nicht schnell zur Seite gesprungen. Mit den Ausrufen des Fahrers im Ohr, holte er den Polizisten ein, ehe er tatsächlich verschwinden konnte.
"Chan!" er selbst erschrak aufgrund der Intensität und Lautstärke seiner Stimme. Es war unbeabsichtigt und dennoch wirkungsvoll.
Jimin hatte seine Hand auf der Schulter des Mannes, sodass er nicht anders konnte, als stehen zu bleiben, sich umzudrehen und ihm ins Gesicht zu sehen.
Yoon Chan beäugte ihn misstrauisch und schüttelte die Hand des Jüngeren ab. Sein Blick war kalt, fast schon eisig, und gab Jimin den Eindruck, als stünde er in dem Moment jemand anderem gegenüber.
Er ließ seine Arme hilflos neben seinem Körper baumeln und räusperte sich zügig. Der Dunkelhaarige hatte schon früh gelernt, dass es einem nur selten half, Schwäche zu zeigen.
"Ich", begann er und unterdrückte den Drang, sofort wieder zurück ins Gebäude zu rennen, wo er versteckt zwischen Papierstapeln vor Yoons schneidenden Blicken sicher war "habe dich die letzten Tage auf der Arbeit vermisst.".
Er konnte verstehen, wieso der Größere nun seinen Kopf schief legte und ihn verständnislos musterte. Jimin hatte nie sonderlich viel Interesse an dem Polizisten gezeigt, bis auf kurze Begrüßungen hatte ihn seine Existenz nicht sonderlich gestört, aber auch nicht erfreut.
Er war für ihn nichts weiter als ein Kollege gewesen, der sich ab und zu als hilfreich erwiesen hatte. Nun kam in Jimin die Frage auf, wer alles über ihn so dachte, diese verdrängte er aber schnell in eine hintere Abteilung seines Gehirns.
"Schön", erwiderte der Angesprochene knapp und tappte mit einer Schuhspitze laut auf dem Boden auf. Der Dunkelhaarige war kein Meister im Deuten von Personen, doch dieses Zeichen verstand er sofort.
"Schau mal, ich weiß, dass alles irgendwie anders verlaufen ist, als wir es wollten-", begann Jimin mit versöhnlicher Stimme, wurde aber von Chan unterbrochen. "Wir?", wiederholte er und kniff die Augen zusammen wie zum Schutz vor der knallenden Sonne.
"Huh?", machte Jimin und starrte den Älteren mit verständnislosem Blick an. Seine Augen huschten über das Gesicht seines Gegenübers. Über die blasse Haut, die durch die herausscheinenden Adern schon fast durchsichtig wirkte und die hellbraunen Augen, in denen sich die Sonnenstrahlen bündelten.
Als Yoon langsam seinen Kopf schüttelte, fielen ihm einige Strähnen seines unordentlichen Haares in die Stirn, doch er kümmerte sich nicht darum, dies zu ändern.
Stattdessen machte er einen Schritt nach hinten, als wolle er einen besseren Blick auf den Kleineren werfen. Erst dann antwortete er in kühlem Ton "Stehst du auf unserer Seite, Jimin?".
Fast wäre seiner Kehle ein Lachen entkommen, so surreal fand er die Frage, doch Yoon machte nicht den Eindruck, als wäre das für ihn ein Witz.
Auch nach mehrmaligem Blinzeln änderte sich der Anblick, den Jimin zu sehen bekam, nicht.
Von Licht geflutete Augen, die ihn röntgten, als könnten sie bis auf den tiefsten Grund seiner Seele schauen und all das Böse, das sich dort verbarg, in ihm ausfindig machen.
Plötzlich fühlte sich der Junge unglaublich verletzlich. Als bräuchte es nur einen Blick, um Menschen zu erschaffen und sie wieder zu zerstören.
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