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In den nächsten Tagen trafen sich die Jungen mehrmals an ihrem gewohnten Treffpunkt. Sie würden keine Zeit ausmachen, doch irgendwie liefen sie sich immer über den Weg, sodass man nicht mehr nur von einem Zufall ausgehen konnte.

Während sie nebeneinander auf der Bank saßen, lief der normale Plan ab, der immer in Erfüllung ging. Zuerst war Jimin zurückhaltend, doch nach einem Witz von Yoongi, der die Atmosphäre lockerte, spürte er zunehmend wie der dicke Eisblock zwischen ihnen schmolz.

Sie redeten über dies und das, Gott und die Welt. Doch auch wenn sie schwiegen, wurde es nicht unangenehm. Yoongi spielte mit seinem Feuerzeug, während Jimin die Flamme beobachtete oder die Situation auf sich einwirken ließ.

Er hätte niemals gedacht, dass er irgendwann neben dem Grünhaarigen sitzen können würde, ohne Angst oder Hass zu verspüren. Doch desto länger er sich in seiner Gegenwart aufhielt, desto größer wurde das Vertrauen.

Trotzdem blieb der Dunkelhaarige skeptisch und hatte stets den Hintergedanken im Kopf, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm war. Dass der Junge ihn angelogen hatte und zuschnappen würde.

Und genau aus diesem Grund behielt er Min Yoongi im Auge, im Wissen, dass dieser das bemerkte.

Neben seinem neuen Freund vergaß er aber nicht den Kriminalfall, der ihn nun, da er Yoongi ausschließen konnte, umso mehr verwirrte.

Der Mann war immer noch verschwunden und alle Spuren führten ins Nichts. Selbst sein Vater wusste nicht weiter. Die Polizei hatte alle Menschen kontaktiert, die mit ihm in Verbindung gebracht werden konnten, doch diese behaupteten, genauso ahnungslos zu sein.

Jimin fand, dass die Angelegenheit bis zum Himmel stank - Opfer einer gewaltsamen Auseinandersetzung wie vom Erdboden verschluckt.

Der Dunkelhaarige hatte viele Theorien, jedoch waren sie am Ende wie in einem Netz versponnen. Er hatte sogar darüber nachgedacht, Yoongi zu fragen, jedoch war er sich dann doch nicht so sicher.

Jungkook war in dem Moment auch keine Anlaufstelle, da er sich in Jimins Gegenwart immer noch merkwürdig verhielt. Also blieb nur noch er selbst, da auch sein Vater nicht weiter wusste.

Da er aber nicht wusste wie er weiter vorgehen sollte, tat er erst einmal gar nichts. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Ausbildung, die ihn genug auf Trab hielt.

Als er an einem Tag mit Jungkook im Büro saß und Papiere sortierte, hielt er das Schweigen nicht mehr aus "Echt öde, findest du nicht?". Das war zwar nicht gerade ein idealer Konversationsstarter, jedoch war es ihm lieber als die Stille, die über ihnen gelegen hatte wie ein dichter Nebel.

Jungkook, der seine Augen auf die Blätter vor sich gerichtet hatte und fast schon maschinell die Stapel sortierte, hielt in der Bewegung inne und richtete seinen Blick nach vorne.

Er nickte unmerklich und machte sich zurück an die Arbeit so, als wäre es eher ein zufälliges Körperzucken gewesen als eine Reaktion auf Jimins Aussage.

Der Kleinere biss sich auf die Lippe und versuchte sich seine Enttäuschung nicht ansehen zu lassen, obwohl ihm die Abweisung von seinem besten Freund sehr wohl etwas ausmachte.

Bei diesem Versuch beließ es Jimin und konzentrierte sich lieber auf seinen eigenen Haufen an Blättern. Ihm gefielen die Arbeiten, bei denen er richtig mit anpacken konnte, um einiges mehr, jedoch verstand er den Sinn dieser weniger spaßigen Beschäftigungen.

Es verging eine weitere halbe Stunde, die die beiden schweigend und am Arbeiten verbrachten, als Jungkook zum Sprechen ansetzte. Sofort schnellte Jimins Kopf zu seinem Freund, der stets nach unten auf seinen Schreibtisch blickte.

"Ich hab dich in den letzten Tagen kaum zu Gesicht bekommen", erklärte der Größere und strich mit seinem Zeigefinger über die Ecken eines Blätterstapels, als müsste er so seine Aufregung loswerden.

Jimin zuckte mit den Schultern "Wir waren doch ständig zusammen.". Der Dunkelhaarige konnte nicht den Grund für die Beunruhigung seines Freundes ausmachen.

"Aber das war doch nur auf der Arbeit. Danach bist du immer sofort verschwunden", stellte der Jüngere klar und hob seinen Blick, um ihn auf Jimin zu richten.

Dieser war in eine plötzliche Starre gefallen, weil ihm bewusst wurde, was der andere meinte. In der letzten Zeit war er, sobald die Arbeit getan war, nach Hause oder zur Station gerast, ohne sich mit mehr als einem Wort von Jungkook zu verabschieden.

"Jimin?" Jungkook lenkte seine Aufmerksamkeit erneut auf sich. Er erwartete ganz offensichtlich eine Erklärung für sein seltsames Verhalten.

Der Dunkelhaarige rieb sich die Augen, um etwas Zeit zu schinden und dachte scharf nach, entschied sich dann für eine verschleierte Form der Wahrheit.

"Ich treffe mich öfters mit einem Freund." Er konnte sich in dem Augenblick gut vorstellen wie Min Yoongi auf das Wort Freund reagiert hätte und musste sich ein kleines Lächeln verkneifen, was den Größeren verwirrte.

"Freund?", wiederholte dieser und kniff die Augen einen Stück weit zusammen, als könnte er nicht glauben, dass er dieses Wort gerade aus Jimins Mund gehört hatte.

Der Ältere nickte und drehte sich wieder zu seinem Schreibtisch um. Für ihn war die Frage beantwortet, doch das sah sein Kollege anders.

"Was für ein Freund?", bohrte Jeon weiter nach. Wie es schien, konnte er diese einfache Erklärung nicht einfach so hinnehmen.

"Einfach ein Freund. Du weißt, dass du nicht mein einziger bist?" Jimins Stimme klang schärfer als beabsichtigt und er musste seine Miene zurückhalten, sodass sie nicht verrückt spielte und Jungkook falsche Signale übermittelte.

Die Frage brachte seinen Freund zum Schweigen. Auch er wandte sich nun seiner Arbeit zu und ließ das Gespräch in der Luft verpuffen.

Als Jimin sicher war, dass sich Jungkook zu sehr konzentrierte, als dass er es merken würde, sah er ihn an. Seine Mundwinkeln hingen etwas nach unten und auch die dünne Falte zwischen seinen Augenbrauen verriet dem Dunkelhaarigen, dass er seinen Freund verletzt hatte.

Während er die Papiere weiter sortierte, überlegte er, was er falsch gemacht haben könnte, abgesehen von seinem beißenden Unterton.

Jungkook war meistens jemand, mit dem man gerne seine Zeit verbrachte. Mit ihm wurde es nicht so schnell langweilig, aber Jimin kannte auch seine Schattenseiten.

Vorsichtig warf er erneut einen Blick auf seinen Freund, der wieder ganz in seine Arbeit vertieft war. Er hatte seinen Mund leicht geöffnet und rümpfte hier und da die Nase.

Als Jungkook sich ohne Vorwarnung in seine Richtung drehte, wandte er sich so schnell es ging ab. Bei dem Prozess ließ er aber den Stift in seiner Hand fallen, der mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufkam.

Peinlich berührt bückte er sich nach dem Kugelschreiber. Auf dem Weg zurück nach oben stieß er sich jedoch den Kopf an der Tischkante und stöhnte laut auf, bevor er sich an die schmerzende Stelle griff.

Sein bester Freund hatte das alles aus großen Augen aus mitangesehen, täuschte aber vor zu schreiben, als sich die Tür öffnete und ein Polizist im Rahmen erschien.

"Es ist 18 Uhr", verkündete er mit monotoner Stimme und zog sich sofort zurück. Die beiden Jungen erhoben sich gleichzeitig von ihren Stühlen.

Nachdem sie ihre Unterlagen weggeräumt hatten, machten sie sich auf den Heimweg.

Jimin, der keine große Lust dazu verspürte, Jungkook zu begleiten, machte sich eilends mit seinen Kopfhörern in den Ohren aus dem Staub. Es zog ihn erneut zu der lahmgelegten Station, wo er auf Yoongi traf.

Er hatte seine Arme auf der Banklehne ausgestreckt und seinen Kopf im Nacken. Obwohl seine Augen geschlossen waren, hörte er wie Jimin sich an ihn anschlich.

"Hey Kleiner."

"Wie oft soll ich dir das noch sagen? Ich bin höchstens einen Zentimeter kleiner als du", beschwerte sich der Dunkelhaarige, was den Größeren zum Schmunzeln brachte.

"Was meinen Spitznamen bestätigt, denkst du nicht?" Jimin schüttelte den Kopf, ein Lächeln auf den Lippen.

Yoongi klopfte neben sich auf die Bank, als Zeichen dafür, dass er sich zu ihm setzen sollte, was der Junge tat.

Gerade als er sich neben ihm niedergelassen hatte, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

"Jimin?"

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