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Freund ; das Wort hörte sich für Jimin aus Yoongis Mund merkwürdig fremd und leer an. So als wäre es eher eine Drohung als ein Friedensangebot.
"Du bist also mein Freund?", echote der Dunkelhaarige und versuchte sich die Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
Hätte es Yoongi aber bemerken wollen, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen. Der Kleinere suchte stets nach einer angenehmen Position, die nicht zu nah aber gleichzeitig auch nicht zu weit von dem anderen entfernt war.
Weiterhin konnte er sich nicht entscheiden, ob er seinen Blick nach vorne oder zu seiner Rechten gerichtet halten sollte.
Ein Blick sage mehr als tausend Worte, so meinten viele Leute. Jedoch wollte Jimin nicht, dass Yoongi ihn las wie ein offenes Buch, worin er gut zu sein schien.
"Natürlich. Wir haben uns jetzt wie oft schon gesehen?" Yoongi zählte an seinen Fingern ab "Das ist jetzt das vierte Mal. Sag mir nicht, dass dir unsere kleinen Treffen nichts bedeutet haben.".
Bei Yoongis Worten spürte Jimin aus unerfindlichen Gründen wie sein Blut ihm in die Wangen schoss und dort eine leichte Färbung hinterließ. Beschämt wandte er sich ab und tat so, als hätte er etwas Interessantes auf dem Boden entdeckt.
"Wir hatten vielleicht keinen einfachen Start, aber wir sollten das beste daraus machen. Meinst du nicht?", fuhr der Grünhaarige untypisch für seine Verhältnisse fort.
Jimin wusste, dass der Junge mit ihm spielte als wäre er ein Ball, doch dieses Spiel konnte er für sich nutzen.
"Okay, Freund." dieses Wort betonte er besonders "Freunde sind doch offen und ehrlich zueinander. Und da du doch mein Freund bist, solltest du dich auch wie ein Freund benehmen und mir die Wahrheit erzählen.".
Selbst ein Idiot hätte die Sachlage verstanden, und Min Yoongi gehörte ganz sicher nicht zu dieser Gruppe.
"Die Wahrheit worüber?" der Grünhaarige neigte seinen Kopf leicht zur Seite und hatte seinen Blick wachsam auf den Kleineren gerichtet. Dieser hatte, um die Aussage zu unterstützen, aufgehört auf den, von Gras bedeckten, Boden zu starren und hatte stattdessen seine Augen auf seinen Banknachbarn gerichtet.
Die Augen des Größeren funkelten im Schein der Sonne, welche einen warmen Schimmer im sonst so dunklen Braun dieser hinterließ. Jimin hatte das Gefühl, als wären seine Augen ein Strudel und desto länger er sie betrachtete, desto tiefer wurde er in die dunklen Tiefen gezogen.
Trotzdem hielt er dem Blick Min Yoongis statt und beantwortete dessen Frage "Über die Sache mit der Prügelei, die sich an dem Tag ereignet hat, an dem wir uns das letzte Mal trafen.". Der Dunkelhaarige hätte meinen können, dass sich Yoongis Kiefermuskeln bewegt hatten, war sich aber nicht sicher.
"Was soll damit sein?" seine Augen verengten sich unmerklich und wie es schien, rückte er näher an den Kleineren so, als wollte er die folgenden Worte genau verstehen.
Jimin schluckte und strich sich mit den Handflächen über seine Oberschenkel, bevor er mit nüchterner Stimme antwortete "Warst du in irgendeiner Weise involviert?".
Min Yoongi nahm seinen Blick von dem angehenden Polizisten und ließ ihn in die Ferne schweifen. Für einen Moment schien es, als hätte er seine harte Fassade abgelegt und das, was sich darunter befand, wäre frei gelegt.
Untypisch für ihn, spiegelten sich seine Emotionen in seiner Mimik wider. Gedankenverloren kaute er auf seiner Lippe und wiegte seinen Kopf von einer zur anderen Seite, als würde er etwas abwägen.
In Jimins Brustkorb begann sein Herz doppelt so schnell zu schlagen wie zuvor. Gespannt lehnte er sich auf der Bank nach vorne und beobachtete jede Bewegung seines Sitznachbarn genau.
Dabei wurde seine Aufmerksamkeit auf Yoongis Lippen gelenkt, die stumm Worte formulierten. Jimin hätte nur zu gern gewusst, was der Junge sagte, konnte aber nur wenige Worte ablesen.
Wahrheit, Prügelei und Schuld. Der Dunkelhaarige räusperte sich leise und lenkte somit Yoongis Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Ich will dich ja nicht drängen, aber es wäre schön, wenn du deine Gedanken mit mir teilen könntest", forderte er und pustete sich eine lose Haarsträhne aus der Stirn.
Der Junge neben ihm nickte langsam und griff nach Jimins Hand, der dies trotz seiner Verwirrung zuließ. Nun starrten beide auf ihre ineinander verschränkten Hände. Wieder fiel dem Dunkelhaarigen auf, wie weiß die Haut des anderen war.
Weiß stand bekanntlich für die Unschuld, für das Reine. Wie ironisch.
"Also?" Jimins Augen wanderten von seinen Händen zu Yoongis Gesicht, der immer noch nach unten schaute. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er gesagt, dass dessen Mundwinkel leicht nach oben gezogen waren.
"Ich bin schuldig."
Drei Worte konnten so viel ausmachen. Beziehungen aufbauen und zerstören; dies wurde Jimin in dem Moment schlagartig bewusst.
Er konnte nichts erwidern, dafür war er zu geschockt. Jimin hatte es gewusst, aber nicht glauben wollen. Angewidert schüttelte er die Hände des Jungen ab und machte Anstalten, sich zu erheben.
Doch Yoongi hielt ihn am Handgelenk fest und verhinderte sein Vorgehen.
"Was?", zischte der Kleinere und strafte den anderen mit einem eiskalten Blick, den er normalerweise nur von ihm kannte.
Selbst Yoongi, der sich scheinbar wenig für die Gefühle anderer interessierte, spürte den plötzlichen Temperatursturz und war beinahe eingeschüchtert.
"Willst du gar nicht wissen, wofür ich schuldig bin?", fragte dieser und behielt seine Finger um das Handgelenk Jimins geklammert. Dieser wollte ablehnen, wusste aber, dass seine Meinung sowieso übergangen werden würde, also zuckte er einfach mit den Schultern.
"Das spielt doch keine Rolle. Du hast dich so oder so strafbar gemacht, aber hab keine Sorge. Ich werde für Gerechtigkeit sorgen."
Der Grünhaarige lächelte leicht, was Jimin umso wütender machte. Doch erst als dieser anfing zu lachen, riss sich der Junge gewaltsam los. Seine Geduld war überspannt und er befürchtete Schlimmes, wenn er sich nicht entfernen würde und er wollte sich nicht in die Reihe der Kriminellen stellen.
Mit schnellen Schritten entfernte er sich von der Bank und kickte im Vorbeigehen Steine aus dem Weg. In seinen Gedanken waren es jedoch nicht die Steine, denen er das antat.
Hinter sich hörte er, wie Yoongi sich ihm näherte, weshalb er einen Zahn zulegte. Plötzlich verstummten die Schritte hinter ihm, was er damit schlussfolgerte, dass der Grünhaarige seine Verfolgung aufgegeben hatte.
"Ich bin ein Dieb", rief er ihm hinterher. Jimin blieb nicht stehen, verlangsamte aber seine Schritte. Er wusste nicht, worauf der andere hinaus wollte.
"Ich habe dein Herz gestohlen", fuhr er unbeirrt fort und musste die Worte fast schreien, dass Jimin sie noch verstehen konnte. Dieser hielt in der Bewegung inne und atmete tief aus.
Währenddessen holte der Größere zu ihm auf und legte anschließend eine Hand auf Jimins Schulter, der sich genervt umdrehte.
"Was laberst du?" seine Stimme war um einiges tiefer geworden. Ein Zeichen für seine Wut.
"Das war ein Scherz. Konnte ich doch nicht wissen, dass du wie ein kleines Mädchen anfängst zu heulen", erklärte sich der Grünhaarige und ließ sein gewohntes Lächeln aufblitzen.
Jimin gab einen fauchenden Laut von sich, spürte aber wie er sich langsam beruhigte. Auch Yoongi bemerkte das, denn er klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
"Also hast du nichts mit dem Vorfall zu tun?", vergewisserte Jimin sich, nur um sicher zu gehen. Als Yoongi den Kopf schüttelte, ließ er auch bei sich ein kleines Lächeln zu.
"Ich habe nicht geheult, nur damit das klar ist", fügte er hinzu und streckte die Schultern durch.
"Natürlich nicht, Kleiner, und jetzt lass uns gehen." Yoongi zwinkerte dem Dunkelhaarigen zu, welcher sich von dem anderen zurück zu der Bank führen ließ.
"Und du hast auch nicht mein Herz gestohlen, Idiot."
Beide fingen gleichzeitig an zu lachen und ließen sich nebeneinander nieder.
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