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Bedächtig setzte Park Jimin einen Fuß vor den anderen, während er genau darauf achtete, dass er bei keinem Schritt das Gleichgewicht verlor. Der Kiesweg, dem er folgte, war von der letzten Nacht noch nass und die Eiseskälte hatte ihr bestes getan, um den Jungen davon abzuhalten, sein Ziel noch vor dem Sonnenuntergang zu erreichen.

Dennoch war das das erste Mal, dass er seit langer Zeit wieder hier war und er hatte nicht mal einen Grund für sein Kommen. Es war ein Impuls gewesen, der ihn, dazu verleitet hatte zu glauben, dass es der richtige Moment war, auch wenn Jimin sich nun über seine Entscheidung ärgerte.

Entnervt musste er feststellen, dass seine neuen Schuhe schon erste Gebrauchsspuren aufwiesen, worauf er mit einem Schnalzen der Zunge reagierte. Nun passten sie sich, aber wenigstens ihrer Umgebung an - ein verwaschenes Grau wie die Farbe des Himmels.

Rasselnd atmete er die kalte Luft in seine Lungen ein und spürte das Stechen, welches diese dort hinterließ. Was war es nur für eine Idee gewesen mitten im launischen März einen verlassenen Bahnhof aufzusuchen?

Kopfschüttelnd griff er in seine Jackentasche, wo er sein Handy verstaut hatte und fischte dieses heraus. Er hatte eine neue Nachricht und so wie erwartet, stammte diese von seinem Vater.

Es war nicht so, dass ihn sein Vater nervte, - er kam sehr gut mit ihm aus - aber er tendierte dazu, überfürsorglich zu sein, wenn es um seinen einzigen Sohn ging.

Mit frierenden Händen entsperrte der Dunkelhaarige sein Handy und rief dann die SMS seines Vaters auf. Und auch dieses Mal behielt Jimin Recht - Mit gleich drei Ausrufezeichen forderte ihn sein Vater auf nicht zu spät nach Hause zu kommen und das Essen, welches im Kühlschrank stand, warm zu machen, falls er Hunger bekam.

Mit einem Lächeln auf den Lippen ließ er sein Handy zurück in seine Tasche gleiten und hob seinen Blick.

Erfreut stellte er fest, dass der Bahnhof in seinem Blickfeld aufgetaucht war und nur noch wenige hundert Meter entfernt lag. Sofort begann sich ein warmes Gefühl in ihm auszubreiten und er musste sich davon abhalten, nicht loszustürmen.

Ja, er war erwachsen und ja, manchmal war es ihm peinlich, aber diesen Ort zu sehen, machte ihn glücklich.

Auch wenn er nicht rennen wollte, beschleunigte er sein Tempo doch und schlitterte die letzten Meter nur noch.

Gerade als er seinen gewohnten Platz auf einer der Bänke einnehmen wollte, bemerkte er plötzlich eine Bewegung aus seinen Augenwinkeln. Überrascht fuhr er herum und musste erschrocken feststellen, dass er nicht alleine war.

Wenige Meter entfernt von ihm stand ein Junge mit dem Rücken zu Jimin. Er schien ihn noch nicht bemerkt zu haben - ein Anzeichen dafür, dass er in etwas vertieft war und nach den Sprühgeräuschen her zu urteilen, wusste Jimin auch genau, was es war.

"Hey, was machst du da?" fuhr der Dunkelhaarige den jungen Mann an, der sich in Sekundenschnelle zu ihm umgedreht hatte.

Jimin konnte aufgrund der schwarzen Kapuze, die dem Jungen tief ins Gesicht hing, kaum etwas von seinem Gesicht ausmachen, was ihm aber auffiel, waren die leuchtend grünen Haaren.

Doch bevor er eine Möglichkeit gehabt hätte noch einen Schritt auf ihn zu zu machen, hatte der Junge sich schon wieder von ihm abgewandt und war in die andere Richtung davon gestürmt. Perplex starrte Jimin dem Jungen hinterher und realisierte erst im nächsten Moment, was gerade vor sich gegangen war.

Ohne noch einen Moment zu zögern, setzte auch er sich in Bewegung und folgte dem Grünhaarigen. Zum Glück hatte er sich schnell wieder gefasst und so hatte der Kerl keinen großen Vorsprung.

Trotzdem schien der Junge einen großen Vorteil über Jimin zu haben. Jimin war zwar sportlich, was er vor allem seinem Vater zu verdanken hatte, aber er was es nicht gewohnt über glitschige Gleise rennen zu müssen und so verlor er den Erbsenkopf schnell aus den Augen.

Nach Atem ringend bremste er sich ab und stützte sich auf seinen zitternden Knien ab. Egal ob es daran lag, dass er nicht vorbereitet gewesen war oder der Junge ihn aus der Fassung gebracht hatte, der Dunkelhaarige ärgerte sich darüber, dass er ihn nicht hätte fangen können.

Mit langsamen Schritten fuhr Jimin seinen Weg fort, merkte aber schnell, dass der Junge schon längst über alle Berge war und so beschloss er umzukehren.

Mit schlürfenden Schritten nahm er den selben Weg über die Gleise zurück, bis er wieder zurück an der Station angekommen war. Jetzt da er darüber nachdachte, wusste er nicht, was er sich davon erhofft hatte dem Jungen einfach so zu folgen.

Er hätte ein Schwerverbrecher sein können und Jimin wäre ihm in die offene Falle gelaufen. Er hatte nicht mal etwas dabei gehabt, um sich im Notfall verteidigen zu können.

Kopfschüttelnd versuchte er die Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben.

Jimin war angehender Polizist, mit dem Burschen wäre er sicher klar gekommen, das zumindest versuchte er sich einzureden.

Doch trotzdem verging die Frustration, die sich in ihm angestaut hatte, nicht mal bei dem Anblick der alten Poster, die schon seit Jahren an dieser Stelle hingen. Auch das unauffällige J, welches er als kleiner Junge in das vermoderte Holz geritzt hatte, vertrieb nicht das schlechte Gefühl, denn was er daneben sah, machte ihn wütend.

Frische Graffitifarbe war quer über eine Werbung gekritzelt und Jimin wusste genau woher dieser Schandfleck stammte. Der Junge machte einen großen Satz vorwärts und legte einen Finger auf die farbige Chemikalie, bevor er diesen angewidert wieder wegzog.

Nach weiteren Anzeichen für den Besuch des Jungen suchend, ließ er seinen Blick über den Bahnhof gleiten, bis er diesen vor seinen Füßen ruhen ließ.

Was für ein Idiot, dachte er, als er die halb aufgebrauchte Sprühflasche quer über die Station kickte und sich zum Gehen umdrehte.


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