Wie deine Mutter

Nach den ereignisreichen Morgen kehrt sie nach Hause, putzt, kümmert sich um den Garten, um Storm und kocht das Abendessen. Matthew wird in ner knappen Stunde zurück sein und sie ganz sicher mit Küsse überschütten. Oder aber einfach zu müde sein.

Beides möglich.

Doch als Anna vor dem Herd steht und dort einen Eintopf mit viel Fleisch kocht kommt in ihren Kopf wieder dieses kleine Mädchen hoch, das Hunger hat und deshalb gestohlen hat. Die kleine Charlotte tut ihr so leid, dass sie in so verarmten Verhältnisse leben muss und dass ihre eigenen Eltern sie vernachlässigen. Nichts weiter außer ein dreckiges Kleid hat sie angehabt. Und ihre Füße, ihre Schuhe waren bis zu den Fußsohlen abgelaufen. Und wann ist sie das letzte mal Baden gewesen? Annas Sorgen um dieses Kind will sie einfach nicht loslassen.

Kurz passt sie nicht auf und hätte fast den Eintopf verbrennen lassen, doch sie rührt rechtzeitig noch durch, riecht und tut noch ein bisschen süßen Paprika mit rein.

Anna hört das Öffnen der Tür und wand sich um. Matthew kehrt zurück.

Er sieht so dreckig und verschwitzt aus.

,,Du bist zurück, Liebling", begrüßt sie ihn und geht auf ihn zu, hilft ihn bei der Jacke und lässt sich von ihn küssen, nachdem er den Gruß zurück erwidert hat und Danke gesagt hat.

,,Der Tag war auch anstrengend", sagt er und klingt auch ziemlich erschöpft. 

,,Kann ich mir vorstellen", erwidert Anna, hängt seine Jacke auf und geht wieder in die Küche. 

,,Bei mir ist auch einiges drunter und drüber gegangen."

,,Du meinst den Diebstahl bei Loren?"

Anna blickt vom Eintopf auf. ,,Du weißt davon?"

,,Wer weiß es nicht?", beantwortet er ihre Frage mit einer Gegenfrage.

,,Alles Tratschtanten!", murmelt Anna brummig und Matthew lacht kurz auf.

,,Ich geh mich kurz waschen, dann können wir weiterreden", sagt Matthew und geht ins Schlafzimmer, wo eine Schüssel Wasser und ein Lappen bereitstehen.

,,Essen ist auch gleich fertig", ruft sie ihm hinterher.

,,Weiß ich. Riecht übrigens gut", ruft er zurück.

Schmunzelnd ruft Anna ein Danke hinterher und kümmert sich weiter um den Eintopf. Nur fünf Minuten später sitzen sie am Tisch und genießen das Abendessen.

,,Hast wieder ausgezeichnet gekocht", lobt Matthew ihr und sie lächelt breit.

,,Danke", kichert sie leise und nimmt nen Löffel voll Eintopf in den Mund. Welch himmlischer Geschmack sich auf ihrer Zunge ausbreitet.

Sie reden noch über den Arbeitstag und was sie erlebt und gemacht haben, bis Matthew wieder auf das letzte Thema zurückgreift. ,,Nun erzähl, was hat es mit dem Mädchen auf sich, was Loren bestohlen hat?"

Ist klar gewesen, dass das kommt. ,,Die Kleine hat Hunger gehabt und lebt scheinbar unter armen Verhältnissen, da sie nichts zu Essen bekommt und deshalb stiehlt."

,,Wie lange stiehlt sie?"

,,Ein Monat hat sie gesagt", beantwortet sie seine Frage.

,,Warum hast du das Brot bezahlt, was sie gestohlen hat?", will ihr Mann wissen und legt kurz den Löffel beiseite.

,,Ich wollte es einfach. Du weißt, dass ich mich oftmals in Los Angeles um Kinder gekümmert habe und ich habe es noch nie gemocht, wenn ein Kind hungern muss."

Diesmal nickt er nur und widmet sich wieder seinem Essen.

Nachdem sie beide aufgegessen haben räumen sie den Tisch ab, waschen das benutzte Geschirr und stellen es in die Regale. ,,Wie hat sie aufgesehen?", fragt Matthew, nachdem er fertig angetrocknet hat und das Lappen auf die Leinschnur hinhängt.

,,Sie war sechs Jahre alt, trug alte Kleidung, kaputte Schuhe, die man kaum noch als welche bezeichnen kann und sie hatte Dreck überall. Schwarze Haare und blaue Augen."

,,Hat sie ihren Namen genannt?"

Anna stützt sich am Waschbecken ab und seufzt auf. Wenn sie nur an ihren Namen denkt, zieht es in ihren Inneren zusammen.

,,Charlotte."

Matthew starrt sie erschrocken. ,,Was?", bringt er erschrocken hervor.

Nickend bestätigt sie seine Vermutung. ,,Wie deine Mutter."

Vollkommen sprachlos und erschüttert schaut er sie an, ehe er den Blick abwendet und sich das Haar rauft. Seine Brust hebt und senkt sich bei jedem Atemzug, den er tut und Anna weiß, was los ist mit ihm. Seine Mutter, die ebenfalls Charlotte hieß, starb an den Biss einer Klapperschlange.

Und es scheint so, als würde Matthew den Verlust seiner leiblichen Mutter noch ein wenig verstören.

Langsam tritt sie auf ihren Mann zu, legt ihre Hand auf seine Wange und zwingt ihn sanft, sie anzusehen.

,,Du vermisst sie immer noch, nicht wahr?" Das ist eher eine Feststellung als ne Frage.

Zu antworten braucht er nicht, die Antwort steht in seinen Augen geschrieben.

,,Ich kann dich verstehen, Matthew. Du hast deine Familie verloren, ich habe selber keine Eltern mehr, aber wir haben jetzt uns, wir haben Michaela, Sully, Hank und alle anderen. Sie sind unsere Familie."

Getröstet schaut er sie an, legt seine Hand auf ihre und schmiegt seine Wange darin. Dabei schließt er die Augen. Annas Daumen streichelt seine leicht stoppelige Haut. Er öffnet wieder seine Augen und sieht sie zärtlich an. Ebenso zärtlich sieht sie ihn an und legt ihren Arm um seine Schultern. Matthew umschließt sie ebenfalls mit seine Arme und hält sie fest.

Die Wärme, die seinen Körper ausstrahlt, lässt sie wohlig aufseufzen und sie schmiegt sich tiefer an ihn.

Matthew ist ebenfalls froh, sie zu haben. Denn er kann sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top