Schweigsame Charlotte

Die Kutschfahrt ist mit Stille umhüllt. Keiner sagt etwas, nur die Räder, die Pferde, das leise Pfeifen des Windes in den Bäumen, der die Blätter zum rascheln bringt und das kaum vernehmbare leise Weinen des kleinen Mädels, das in Annas Arme liegt und scheinbar untröstlich ist.

Anna hält das kleine Mädchen weiter in ihre Arme, tröstet es so gut es geht. Charlottes Schluchzen wird leiser, aber sie zittert noch und die Nacht wird kühler.

Mit Erschütterung stellt Anna fest, dass Charlotte sich so dünn in ihre Arme anfühlt. Hatte sie etwa all ihre Brote aufgegessen? Oder ist was Schlimmeres vorgefallen?

Die junge Frau kann das nicht so genau sagen, aber ihre Sorge um das kleine Mädchen wird so dadurch nur noch schlimmer. Sie braucht unbedingt was zu essen. Zum Glück ist noch ein Rest von der Kartoffelsuppe über, die sie gestern gekocht hat. Die Menge im Topf müsste für drei reichen. dazu können sie Brot essen.

Sachte streichelt Anna Charlotte übers Haar, ihr Zittern wird auch weniger, was gut ist. Sie scheint erschöpft.

Armes Kind, was musst du nur durchmachen, denkt Anna besorgt und schaut auf sie herab. Ihr dunkles Haar und ihre Kleidung sehen nicht gut aus, sie sieht verdreckt aus und wie als hätte sie längere Zeit im Wald verbracht.

Ob sie vor ihre Eltern weggelaufen ist?

"Wir sind da", hört sie Matthew sagen und hält die Kutsche an. "Bring sie rein und wasch sie erst. ich kümmere mich um die Pferde." Ihr Mann steigt ab.

"Gut, ich erwärme währenddessen unser Essen", erwähnt sie noch und hilft Charlotte herunter, bevor sie mit ihr bei der Hand das Häuschen betritt.

Die Tür zieht sie hinter sich zu und die kleine Charlotte schaut sie neugierig und verängstigt um. Das Haus hier sieht viel größer aus als das, wo sie gelebt hat. Ihre besteht nur aus zwei Zimmern und Charlotte wird wieder in ihre letzte Erinnerung zurückversetzt.

"Ist dir kalt?", wird sie von Anna gefragt, die das Zittern mitbekommen hat.

Ein kleines Nicken bringt das Mädchen zustande.

"Komm, Kleines, du nimmst erstmal ein Bad und wäschst dich, ich mache dir dann etwas zu essen, okay", versucht sie sanft auf Charlotte einzureden, die sie sofort ins Schlafzimmer bringt und dort die kleine Wanne aufstellt. "Ich mache schnell das Wasser heiß", sagt Anna noch und hängt eine Kanne mit Wasser auf einem aufgeheizten Kamin auf.

Nach mindestens zwei Ladungen und eine Ladung kaltem war die Wanne bereit und Charlotte wird darin gewaschen.

"Soll ich mich kurz um das Essen kümmern?", hören sie Matthew rufen, der scheinbar eben erst reingekommen ist.

"Wenn es geht, klar", ruft Anna zurück und wäscht Charlotte weiter das Haar, dann greift sie nach dem Krug und bitte dem Kind, den Kopf nach hinten zu legen, bevor sie das kühle Wasser über ihr gesamtes Haar gießt, um die Seife darin zu entfernen.

"So", meint sie und stellt den Krug auf den Boden ab. "Nun fühlst du dich besser, stimmt's?"

Anna lächelt sie sanft, Charlotte hingegen noch leicht traumatisiert und verwirrt, was Anna traurig stimmt.

"Charlotte?"

Sie schaut auf. "Hm?"

"Was ist vorgefallen?", wiederholt sie ihre Frage von letztens.

Charlotte schaut herunter und schüttelt den Kopf.

"Willst wohl nicht darüber reden, oder?" Ein erneutes Kopfschütteln erhält sie.

"Ich verstehe." Anna steht auf. "Ich hole dir erst mal ein paar frische Klamotten, dann können wir essen."

Ein Nicken bekommt sie als Antwort und Anna geht kurz ins Wohnzimmer. Matthew rührt gerade den Topf, die Suppe riecht herrlich.

"Hat sie was gefragt? Oder gesagt?", fragt ihr Mann sofort, kaum, dass sie die Truhe öffnet, um einige alte Klamotten aus ihrer Kindheit zu holen. Viele ihrer Klamotten, die sie die Jahre über aufgehoben hat, sind zu fein, also sucht sie etwas, was sie gerne getragen hat. Einen einfachen roch und ein Hemd, das zwar Charlotte zu groß ist, aber dennoch passend könnte.

"Nicht viel", sagt sie mit bedauern in ihrer Stimme. "Irgendwas muss vorgefallen sein, denn sie verschweigt was."

"Vielleicht ist sie von etwas traumatisiert."

"Vielleicht."

"Sie wird es uns sicher sagen." Irgendwas an seinem Ton lässt Anna aufhorchen.

"Kann es sein, dass du ihr noch etwas misstraust, weil sie Loren beklaut hat?", stellt sie ihn die Frage und schaut ihn abwartend an.

Ein leiser Seufzer entfleucht ihm. Also ja, wie sie erkennt. "Ein wenig, aber ich vertraue dir, also werde ich lernen, auch ihr zu vertrauen. Solange sie nicht uns beklaut."

"Wird sie schon nicht."

"Was macht dich so sicher?"

"Das sagt mein Gefühl", erwidert sie nur.

Matthew nickt nur und rührt weiter in den Topf, solange kehr Anna wieder zu Charlotte zurück, die eben aus der Wanne steigen will.

"Ich hab ein paar Klamotten für dich." Die legt sie aufs Bett hin. "Warte kurz, ich helfe dir beim Abtrocknen."

Sie hilft Charlotte beim Abtrocken, rubbelt ihr Haar mit einem Handtuch und zieht sie an.

"So, nun bist du angezogen", sagt Anna sanft und sieht sie an. "Hast du Hunger?"

"Ja", antwortet sie leise.

Anna richtet sich auf und hält ihr die Hand hin. "Na komm, das essen ist sicher schon fertig."

Charlotte ergreift ihre Hand und geht mit ihr raus, wo Matthew bereits den Tisch gedeckt hat.
Und so, wie es im Topf brodelt, ist sicher das Essen schon fertig und kann serviert werden.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top