20. Kapitel: Ein Trauertag

Was will er denn mit mir reden? Ich dachte, ich hätte mich gestern ordentlich ausgedrückt oder was? Ich will und werde ihn nicht heiraten. Und falls er jetzt versucht, mich irgendwie umzustimmen mit seinen so blöden Argumenten, dass man eine Ehe auch auf einer guten Freundschaft aufbauen kann, dann ist er bei mir endgültig unten durch.

Ich bin doch hier nicht im Mittelalter, wo man sich nicht aussuchen konnte, wen man heiratete, sondern das durch die Eltern bestimmt wurde. So kann man doch nie glücklich werden, oder? Also was auch immer David von mir wollte, er sollte einfach nur verschwinden. Aber dennoch war ich neugierig, was er mir zu sagen hatte.

„Na gut. Rede!", forderte ich ihn auf und sah zu ihm auf.

„Darf ich mich setzen?", fragte er, woraufhin ich mich auf der Bank nach rechts bewegte, damit er sich hinsetzen konnte, ohne mich zu berühren.

„Ich wollte mich erkundigen, wie es dir so geht. Du warst ja schon lange nicht mehr hier. Was hast du in den letzten sieben Monaten so gemacht?", fing er an.

Ach bitte, als ob ihn das wirklich interessierte. Er hatte seit über einem Jahr nichts mehr von mir wissen wollen. Also warum schien es ihn, so blendend zu interessieren, was ich gemacht hatte, seit ich von hier verschwunden war. Es war einfach nur Schwachsinn, mit ihm eine ordentliche Unterhaltung wie damals zu führen. Wir hatten uns beide verändert und sind so verschieden geworden, dass ich es als allgemein sinnlos fand, mich mit ihm über Interessen oder den Alltag zu unterhalten.

„Als ob du das wirklich wissen willst. Was willst du wirklich von mir David?", fragte ich ihn mit hochgezogener Augenbraue.

„Natürlich möchte ich das wissen. Wir haben uns schon über ein Jahr lang nicht gesehen und davon warst du sieben Monate lang weg.", antwortete er.

„Dich hat es doch das ganze Jahr nicht interessiert, was ich mache, wie es mir geht, wo ich bin und so was alles.", erwiderte ich mit einer vorwurfsvollen Stimme.

„Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe und dich deswegen als Freund zurückgestoßen habe und es tut mir sehr leid. Ich hatte echt keine Ahnung, dass du von dem, was gestern passiert ist, nichts wusstet. Diego hat gemeint, du wärst einverstanden, genau wie er, deine Mum, meine Eltern und ich. Hätte ich nur einen leisen Schimmer von allem gehabt, hätte ich erst gar nicht zugestimmt.", erklärte er mir und fragte gleich hinterher, „Also beantwortest du mir meine Fragen?"

Nach langem Überlegen, was nun richtig oder falsch war und ob er die Wahrheit sagte oder nicht, entschied ich mich dazu, seine gestellten Fragen zu beantworten: „Na schön! Also mir geht es den Umständen entsprechend, ich wäre viel lieber bei meinem Dad und meiner Freundin Hayley. Mit ihr wohne ich zusammen bei meinem Dad in Sydney in einer Apartmentwohnung, die in der Innenstadt gelegen ist. Hayley arbeitet bei meinem Vater im Unternehmen, wo sie ihre Ausbildung zur Geschäftsfrau gemacht hatte. Da mein Dad mich darum gebeten hat, bin ich nun seine rechte Hand und Assistentin und gehe meistens mit Hayley auf Geschäftsreisen, weshalb ich in den letzten sieben Monaten schon viel von der Welt gesehen habe, zwar noch nicht alles, aber vieles."

„Da hast du ja mehr erlebt als ich. Und welcher Ort hat dir bis jetzt am besten gefallen?", wollte er wissen.

„London.", sagte ich, wie aus der Pistole geschossen.

„Was ist da so besonders?"

„Na ja, die Leute dort sind wahnsinnig nett und die Sehenswürdigkeiten sind großartig. Außerdem haben wir dort vier nette Typen kennengelernt. Dem einen bin ich etwas näher gekommen.", meinte ich und wurde etwas rot, als ich an Niall dachte, immerhin sprach ich hier mit David.

„Oh.. also hätte ich auch das gewusst, hätte ich Diegos Vorhaben nie zugestimmt.", entgegnete er und legte mir eine Hand auf die Schulter.

Ich erstarrte kurz, aber dann fühlte ich die alte, freundschaftliche Vertrautheit und mir wurde klar, wie sehr ich ihn als Freund vermisst hatte. Freundschaften waren für mich genauso wichtig wie meine Familie, weshalb ich sie normalerweise pflege, um sie lange zu erhalten. Es war nun schön, dass ich die alten Wunden in der Freundschaft von David und mir langsam zu heilen begannen. Zumindest war der Grundstein dafür gelegt, aber ein Pflaster auf einer Schusswunde ändert auch nichts daran, dass du irgendwann verblutest, vielleicht bloß nicht so schnell. Ich kann das Geschehene nicht einfach vergessen, ich muss versuchen mit dem Pflaster auf der Wunde so lange zu überleben, bis ich endlich einen Arzt gefunden hatte, der mich wieder reparierte.

„Das Problem ist nur, dass Diego weiß, dass ich ihn gern habe und er hat ihm den Kontakt mit mir verboten.", erklärte ich ihm.

Es war das erste Mal, dass ich das jemanden erzählt habe. Weder Hayley, Nico, Louis, mein Dad noch sonst jemand wussten davon. Ich weiß nicht, warum es mir so leicht fiel, es David zu sagen und ihm alles anzuvertrauen. Vielleicht hätte ich vorher darüber nachdenken sollen, ehe ich es ihm erzählt habe. Ich hatte dieses komische Empfinden, dass ich ihm vertrauen kann, was wahrscheinlich daran lag, dass wir ewig Freunde waren, andererseits hatte er mein Vertrauen in ihn damals gebrochen. Ich kann es also nicht wirklich erklären, warum gerade er es ist, dem ich alles erzähle.

„Cia? Hast du mir zugehört?", fragte David mich und riss mich damit total aus meinen Gedanken.

„Was?"
Total verwirrt blickte ich ihn an.

„Ich fragte, warum Diego ihm einfach den Kontakt mit dir verbieten kann.", wiederholte er, was er gesagt hatte.

„Weil Diego sozusagen sein Boss ist.", antwortete ich schlicht, um weiteren unangenehmen Antworten aus dem Weg zu gehen. Aber da hatte ich die Rechnung ohne David gemacht, der manchmal echt wie ein kleines Nervenbündel sein und dich über alles ausfragen konnte.

„Wie kann Diego sein Boss sein?", fragte er. Und so ging seine Fragerei los.

„Er ist in einer Band und Diego ist der Tourmanager oder so, weil Simon oder wie auch immer der heißt, ihm das Ruder überlassen hat.", antwortete ich, wie ich es bei diesem komischen Abendessen, dass wir mal mit ihnen hatten, verstanden hatte.

„Aber dann müsste dieser Typ doch in dieser komischen Boyband One Direction sein, die sich für total besonders halten.", meinte er nachdenklich.

Ich verdrehte die Augen. David kann zwar schon liebenswürdig und intelligent sein, aber manchmal frage ich mich echt, wo seine Gehirnzellen abgeblieben sind und wie man nur so nervig sein kann.

„Ja ist er. Und nein sie halten sich nicht für etwas Besonderes, denn das dachte ich am Anfang auch und sie haben mir das Gegenteil bewiesen.", erwiderte ich und dachte an das erste Zusammentreffen mit Harry, der mich auf der Straße fast umgerannt hätte und mir seinen Kaffee über meine Bluse geschüttet hat. Da hatte ich noch die Eingebung, dass der Typ total bescheuert war. Wahrscheinlich kam es auch einfach nur davon, dass ich ihn nicht kannte. Oder auch Niall, der mich vor einem Sturz hinter der Bühne gerettet und es eigentlich nur gut gemeint hatte, woraufhin ich ihn total angegiftet hatte wie so eine Zicke. Er hatte mir echt bewiesen, indem er mich vor Diego im Gang rettete, dass er nicht dieser egoistische Schnösel ist, wie er und die anderen immer dargestellt werden.

„Ach wirklich? Ich wette mit dir, dass er gleich eine Neue hat, wenn du nicht mehr interessant bist und dich dann wahrscheinlich auch noch betrügen würde.", stellte David mir seine Sichtweise dar.

„Nein! Du kennst ihn noch nicht mal und steckst ihn gleich in eine Schublade.", erwiderte ich etwas sauer.

„Wenn du meinst. Ich werde immer für dich da sein ob als guter oder fester Freund. Also wer von den Vieren ist es, der dir so den Kopf verdreh hat, dass du ihn vor mir verteidigst?", entgegnete er.

Ich schüttelte nur den Kopf, denn etwas wirklich Festes mit Niall war es ja überhaupt nicht. Ich konnte noch nicht mal die Gefühle, die ich für ihn hatte, deuten.

„Also dieser Louis kann es nicht sein, denn der hat eine Freundin.", überlegte er laut und legte die Betonung besonders auf das 's' in Louis Namen. Es war zwar falsch, aber ich wollte es ihm nicht unter die Nase reiben.

„Ja sie heißt Danielle. Ich bin sowohl mit ihr als auch mit Louis befreundet.", stimmte ich ihm zu, obwohl mir Danielle nicht ganz so sympathisch ist. Sie ist halt das kleine, niedliche, hübsche Mädchen an der Seite eines Weltstars. Mehr kann ich zu ihr nicht sagen.

„Von wirklicher Freundschaft kann man da doch noch nicht reden.", erwiderte David und ehe ich ihm widersprechen konnte, setzte er seine Überlegungen fort, „Also dieser Liam hatte was mit dieser Cheryl. Doch die sind nicht mehr zusammen, stattdessen hatte er letztens so nen großes Mädel mit braunen Haaren. Und der Ire hatte auch eine, aber die hat ihn, glaube ich, eine Abfuhr vor laufender Kamera gegeben. Also bleibt nur noch dieser Harry. Sag bitte, dass es nicht dieser Typ mit den etwas längeren Haaren ist."

„Woher weißt du denn so viel über sie?", fragte ich ihn etwas geschockt, denn eigentlich interessierte er sich überhaupt nicht für Boybands und den ganzen Kram. In dieser Hinsicht waren wir uns ziemlich ähnlich.

„Du kennst doch bestimmt noch meine kleine Schwester Veronica, oder?"

„Klar. Sie war doch mal ein riesen Fan von Pferden und Ponys.", gab ich zurück.

„Genau und seit ein vielleicht zwei Jahr findet sie diese Band so toll, dass ich mir ihre grässlichen Songs im Auto anhören muss. Jeden Morgen labbert sie mich mit dem ganzen Scheiß zu und erzählt mir den neusten Klatsch über sie.", beantwortete er mir meine vorher gestellte Frage.

„Alles klar. Und nein es ist nicht Harry. Hayley, meine Freundin, war die Große mit den braunen Haaren, die mit Liam dort war. Und ich war die, die Niall eine Abfuhr gegeben hat.", stellte ich alles klar.

„Also der Ire. Und so wie aussieht, seid ihr euch näher gekommen und das finde ich auch total okay, solange er dich nicht verletzt, so wie ich es getan habe. Diesen Fehler werde ich niemals wieder machen.", meinte er dann.

„Danke!"

Dann umarmte ich ihn. Ich weiß nicht woher ich auf einmal diesen Mut dazu nahm, ihn zu umarmen.

„Wie ich sehe habt ihr zwei euch unterhalten.", sagte eine Stimme von der Veranda, die eindeutig meiner Mum gehörte.

„Ja haben wir.", gab ich schlicht zurück.

„Das ist schön, aber wir müssen in einer Stunde in der Kirche zur Beerdigung sein.", erwiderte sie. Ach ja, die Beerdigung. Die hatte ich für eine gewisse Zeit vergessen, weil mich David zum Glück abgelenkt hat.

„Ich mach mich ja schon fertig.", meinte ich daraufhin und meine Mum verschwand wieder in das Haus.

„Also wenn du jemanden brauchst, der bei dir sein soll, bei dem du dich ausheulen kannst, ich stehe dir jeder Zeit zur Verfügung.", sagte David mir und strich mir fürsorglich über meinen Oberarm.

„Es wäre schon, wenn du mir heute bei der Beerdigung... meiner Grandma Gesellschaft leisten würdest.", gab ich zurück, ehe ich selbst im Haus verschwand, um mich umzuziehen.

Ich hatte schlicht und einfach ein schwarzes Kleid und schwarze High Heels an. Meine Harre fielen offen über meine Schulter. Ich betrachtete mich noch einmal im Spiegel, obwohl es sowieso egal war, wie ich aussehe.

An diesem Tag war mir einfach alles andere drum herum egal, es ging nur um meine Grandma. Ich wollte nur um sie trauern, obwohl es ihr ganz und gar nicht gefallen hätte, wenn ich nur heule und dumm da sitze. Sie hätte gewollt, dass ich mein Leben weiterlebe und versuche, meine Träume wahr werden zu lassen. Außerdem wäre sie ja nicht komplett fort, denn sie hat immer einen Platz im meinem Herzen und Erinnerungen an sie werden niemals ganz aus meinem Leben verschwinden.

Ich ging hinunter in den Eingangsbereich, wo schon alle bereit standen, damit wir in die Kirche zur Beerdigung fahren konnten. Auf dem Weg dorthin herrschte vollkommendes Schweigen. Auch während der Zeremonie in der Kirche sagte niemand außer dem Pfarrer ein Wort. Alle schluchzten und weinten nur.

Draußen bei ihrem Grab legte jeder nacheinander eine Blume für sie nieder. Mit gesenktem Kopf hielt ich die dunkelrote Rose in meinen Händen und wünschte, sie würde wieder hier an meiner Seite stehen. Schweigend legte ich sie auf ihr Grab und brach davor wiedermal in Tränen zusammen. Ich wurde von starken Armen hoch gezogen und vergrub mein heulendes Gesicht in ihnen. Ich weinte einfach nur und Erinnerungen an meine Grandma überfluteten mich und brachten mich nur noch mehr zum Weinen. Mir war es egal, dass jeder sah, dass ich mich an David kuschelte, welcher mir beruhigend über den Rücken strich. Er war der einzige, der gerade für mich da war, denn Hayley, Louis oder Niall waren nicht da. Ich brauchte einfach eine Schulter, an der ich meinen ganzen Gefühlen freien Lauf lassen konnte. Auch wenn es David war, er war mir im Moment am liebsten.

Woher kommt wohl dieser plötzliche Sinneswandel?

Ich hoffe, dass ihr euch über das neue Kapitel freut.

Schönen restlichen Sonntag

Chloe :)

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