18. Kapitel: David
Vor mir stand David Pacheco, mein ehemaliger, bester Freund, der zu viele Gefühle für mich entwickelt hat und mich im Nachhinein für meine nicht vorhandene Erwiderung seiner Gefühle gehasst hat.
Ich glaube, wenn man ein Foto von mir gemacht hätte, würde ich darauf total ungläubig und geschockt aussehen, so mit offenem Mund. Ich hatte keine Ahnung, warum er überhaupt hier war. Ich dachte, dass ein Geschäftspartner von Diego zum Essen kommen würde. Aber dabei ist doch Mr. Pacheco Rechtsanwalt. Es ist also ein komplett, komplett anderes Gebiet als das von Diego. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die beiden miteinander zusammenhängen. Oder ich bin zu dumm, um es mir vorzustellen. Schließlich fanden die anderen es auch nicht wirklich komisch. Warum sollten sie auch? Mama ist sowieso in alles eingeweiht. Diego hat alles geplant. Und Nico hat total keine Ahnung von dem, was hier läuft. Er grinst nur vor sich hin.
Ich erwachte aus meiner Starre und betrachtete David genauer. Haare etwas hochgegelt, kleiner Tagesbart, weißes Hemd, blaue Jeanshose und etwas schickere Schuhe. Er sah richtig gut aus, das musste ich aber zugeben. Er hatte sich irgendwie verändert, ist erwachsener geworden.
Vielleicht hatte er sich auch im Verhalten geändert. Ich würde liebend gern meinen alten Freund wiederhaben. Es tat auf einer Art gut, ihn wiederzusehen, aber auf der anderen Seite konnte ich einfach nicht vergessen, was er mir angetan hat.
Damals war es mir eigentlich ziemlich egal gewesen, wie viel Geld seine Eltern hatten oder auf welche Schule er ging, auch wenn es eine teure Privatschule gewesen war. Für mich hatte zu diesem Zeitpunkt nur gezählt, dass er mein bester Freund war, mit dem ich immer reden konnte, der mich immer verstand und mir immer helfen konnte. Doch das hatte sich verändert und wirkte zu diesem Zeitpunkt nicht gerade anders.
David kam näher und reichte mir seine Hand. Zögernd legte ich meine hinein. Bei der Berührung seiner Haut erschauderte ich, sodass meine Beine unter mir wegzubrechen drohten, wenn David mich nicht zu sich gezogen hätte, um mir ein kleines Küsschen auf die Wange zu geben. Es war zwar keine große Sache, dass er mich auf die Wange küsste, weil wir es sonst als Freunde auch immer gemacht hatten, aber trotzdem wich ich einen Schritt zurück. David nahm es mir nicht übel, zumindest sah es danach aus, weil er mich höflich anlächelte. Was anderes hätte ich von ihm auch nicht erwartet, da er gut erzogen war so wie ich eigentlich auch, nur sieht man es bei mir einfach zu selten.
,,Es ist schön, dich wiederzusehen, Cia.", sagte er und grinste über beide Ohren.
Sein spitzbübisches Lächeln hatte er also nicht verloren, denn es sah noch genauso aus wie vorher. Diese Art, wie er meinen Spitznamen aussprach, hatte schon immer etwas Eigenes gehabt und mir damals gezeigt, dass ich ihm wichtig war. Es überraschte mich, diese Art jetzt wiederzufinden und neu zu entdecken.
,,Das Gleiche kann ich nur erwidern.", entgegnete ich, weil Diego, der jetzt schräg hinter David stand, mich mahnend ansah. Man konnte Diegos Freude im Gesicht geradezu erkennen, weil er strahlend zu uns kam.
,,Ich denke, ihr könnt schon mal ins Esszimmer gehen. Wir würden dann auch gleich kommen.", meinte er.
,,Eigentlich wollte ich noch Claudia und Victor begrüßen.", gab ich zurück.
,,Das kannst du auch noch nachher machen. So lange wie ihr euch schon nicht mehr gesehen habt, habt ihr viel aufzuarbeiten und zu erzählen.", erwiderte Diego und verließ wieder das Zimmer.
Ich ging einfach ins Esszimmer, ohne drauf zu achten, ob David mir folgte oder nicht. Es machte zwar den Anschein, als sei ich total unhöflich und hätte keine Lust auf dieses Spektakel. Eigentlich wollte ich auch genau das bezwecken.
Meine Grandma hätte jetzt gesagt ,,Aber Liebes, wo hast du nur wieder die Manieren gelassen.". Ach, wie ich diese Frau einfach nur vermisse. Sie war jede Sekunde so lebensfroh und voller Tatendrang, dass es mich immer angesteckt hatte, wenn ich bei ihr war. Und jetzt ist sie tot. All meine Hoffnung ist verflogen. Alles in meinem Leben ist nun sinnlos geworden, genau wie es so sinnlos ist, dieses Essen heute zu machen.
Wie kann man auch an diesem Tag ein Geschäftsessen veranstalten? Ich meine, wir gehen morgen zu der Beerdigung meiner Grandma, die ich über alles liebte. Mir ist zwar klar, dass es anscheinend schon früher geplant war, aber man kann es doch trotzdem absagen.
Ich verstehe Diego und meine Mutter einfach nicht. Warum tun sie mir das an? Ich werde hier ja geradezu gezwungen, fröhlich und voller Freude zu sein. Aber ich will es einfach nicht. Ich möchte zurück nach London, zu Louis und Niall, ich möchte meine Grandma zurück. Ich wünsche mir, dass ich ein ganz normales Leben führen könnte, ohne diesen ganzen Scheiß hier. Aber das sind eh nur Wünsche und Träume. Lebe in der Realität, Lucia!
Als dann alle am großen Esstisch saßen, redeten die meisten durcheinander. Victor unterhielt sich mit Nico, Mama mit David und Claudia. Nur Diego war noch nicht anwesend. War ja klar, dass er mal wieder eine extra Wurst spielen muss. Als ich mich so umblickte, musste ich feststellen, dass ich hier total unbeteiligt, ausgeschlossen, allein bin. Jeder redet mit irgendwem und ich sitze einfach nur stumm dar und mache nichts. Das ist mal wieder so typisch für mich, dass es mich gar nicht mehr überrascht.
Diego kam durch die Tür und jegliche Gespräche endeten abrupt. Ich blickte zu ihm, obwohl ich es gar nicht so wirklich wollte. Wie ein König stand er da und sah auf uns hinab, dass es schon übertrieben lächerlich wirkte.
,,Das Buffet ist eröffnet.", sagte er dann nur und ging in die Küche, wo alles Mögliche an traditionellem Essen stand.
Wie man sehen kann, hatte meine Mum total die Langweile, weshalb es an Speisen in diesem Haus überhaupt nicht fehlte. Es wunderte mich immer wieder, wie sie das alles in so kurzer Zeit so perfekt und köstlich hinzaubert.
Wahrscheinlich werde ich das nicht hinbekommen. Versteht mich nicht falsch. Ich meine, ich kann kochen und ich mache es sogar sehr gern, aber... so was hier schaffe ich vielleicht in sechs Wochen.
Meiner Mum kann ich es auch nicht weiter übel nehmen, schließlich ist Kochen ihre Leidenschaft. Sie hat hier in Barcelona ihren eigenen Laden, wo sie eigene Kreationen an Essen entwirft und die Leute mit ihrer Kreativität begeistert. So haben sich übrigens meine Mutter und der hinreißende Diego kennengelernt.
Ich kann noch genau die Worte meiner Mum hören: ,,Und wie charmant er war. Hat mir immerzu Komplimente gemacht und mich vor Scham gerührt." ... KOTZEN!!!
Ich kann es ihr nicht mal böse nehmen, denn sie soll glücklich sein, nur hatte sich ihr Glück etwas schlecht auf mich ausgewirkt, aber das kennt man ja alles schon.
Als letztes stand ich auf und folgte den anderen in die Küche. David lächelte mich an und ich musste aus purer Höflichkeit zurücklächeln. Eigentlich hätte ich mir diesen ganzen Abend auch sparen können, denn ich hatte keine Lust, mir ist stinkend langweilig und ich war total müde. Mit meinem Teller in der Hand lief ich durch die Küche. Mein Gesicht sagte ungefähr genau das aus, was und wie ich mich gerade fühlte...genervt. Nico warf mir einen fragenden Blick zu, auf den ich nur die Augen verdrehte. Er hatte echt keine Ahnung, was hier ablief, weshalb er auch ganz gut gelaunt war.
Aber ich kann es ihm ja noch nicht mal übel nehmen, denn er war ja die letzten Jahre nicht da und weiß nicht, was hier passiert ist, außer das, was er von meinem Dad, Mum, Grandma oder mir gehört hat. Und das war auch nicht immer die Wahrheit. Nun stand ich vor der riesigen Theke mit dem vielen Essen und der Entscheidung, was ich nehmen soll.
Letztendlich griff ich einfach zu irgendwas, weil ich eigentlich keinen Hunger hatte. Der Besuch heute Abend hatte mir definitiv den Hunger verdorben. Mit dem etwas spärlichen Essen auf meinem Teller kehrte ich an meinen Platz zurück und ließ mich, so total motiviert wie ich war, auf den Stuhl neben David fallen und wollte mir den Orangensaft eingießen, den ich mir aus dem Kühlschrank genommen hatte, doch meine Mum riss ihn mir aus der Hand.
,,Wozu habe ich all die Getränke gemacht, Lucia?", fragte sie und warf mir einen warnenden Blick zu.
Ich hatte echt genug und wusste überhaupt nicht, warum alle so einen Aufstand wegen dieses beschissenen Essens machten.
,,Jaa.", zog ich das Wort etwas zu lang und kassierte dafür gleich den Todesblick meiner Mutter.
Seufzend schnappte ich mir den Orangensaft wieder aus der Hand meiner Mutter und wollte aufstehen, um eines der vorbereiteten Getränke zu holen, doch David hatte ein zweites Glas in der Hand, welches er mir nun mit einem Lächeln im Gesicht überreichte.
,,Auf die Zukunft!", sagte er zu mir und ich schenkte ihm ein Lächeln, weil die Geste einfach nur nett gemeint war. Was sich später vielleicht anders herausstellte, als ich es jetzt noch dachte.
Diego erhob sich von seinem Stuhl und sagte: ,,Schön, dass sich nun alle in diesem Haus und diesem Zimmer zusammengefunden haben. Ich bin sehr dankbar, dass ihr alle hier seid. Vor allem freue ich mich, dass auch Nicolas uns die Ehre erwiesen hat und hier erschienen ist. Trotz des Unglückes der letzten Tage in unserer Familie bin ich glücklich, dass die Menschen, die ich liebe, hier an meiner Seite sind."
Er blickte lächelnd zu meiner Mum, die vor Scham kurz errötete, aber sein Lächeln erwiderte.
,, Ich hätte nie gedacht, dass ich das hier noch erleben werde. Also Dankeschön, dass ihr alle es möglich gemacht habt. Und jetzt wünsche ich euch einen guten Appetit."
Alle murmelten etwas wie ,,Danke" und wandten sich ihrem Essen zu, so dass in diesem Raum bald gefräßiges Schweigen herrschte.
Nachdem jeder sein Dessert verspeist hatte und alle, außer mir, ihre alkoholischen Getränke zu sich nahmen, stand Diego wieder auf. Ich wusste genau, dass jetzt eine Rede folgen würde. Muss er sich denn immer in den Mittelpunkt rücken?
Ich blickte ihn erwartungsvoll an, doch Victor ergriff das Wort: ,,Ich bedanke mich im Namen meiner Familie recht herzlich für das leckere Abendessen. Doch nun kommt der eigentliche Grund, warum Diego und ich dieses Treffen veranstaltet haben."
Alle sahen mich jetzt mit einem lächelnden Blick an, nur Nico wirkte kurz irritiert, machte aber dann das, was die anderen auch machten.
,,Lucia, deine Großmutter und ich waren der Meinung, dass du jemanden an deiner Seite brauchst, der dich unterstützt, dir hilft, dich liebt.", sagte meine Mum und ich schaute sie verwirrt an, aber erinnerte mich noch genau an die Worte meiner Grandma ,,Ich wünsche mir so sehr, dass du glücklich wirst. Egal mit wem.".
,,Ja, das meinte sie und ich habe...", fing ich an, wurde aber durch Diego unterbrochen.
,,Und genau deswegen haben wir eine Entscheidung getroffen..."
David ging jetzt vor mir auf die Knie und holte ein kleines Kästchen vor. Total verdattert starrte ich ihn an.
„Willst du, Maria Lucia Gomez, meine Freu werden?"
Cliffhanger! Ich hätte jetzt zu gerne eure Gesichtsausdrücke gesehen. Ich glaube, damit hättet ihr nicht gerechnet. Diese Idee hatte ich schon so lange.
Na? Was denkt ihr jetzt? Was haltet ihr davon? Wie könnte Lucia reagieren?
Ich muss mich erstmal dafür entschuldigen, dass ich jetzt schon über einem Monat kein Kapitel mehr hochgeladen habe, was zum Großteil daran liegt, dass ich gerade in der Schule viel Stress mit Arbeiten und so habe. Also nehmt es mir bitte nicht übel, dass ich lange nicht updaten konnte. Ich versuche, es zu verbessern, aber versprechen kann ich nichts.
Schöne restliche Woche
Chloe :)
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