5. Kapitel

Inzwischen war es nach elf Uhr und Zane war immer noch nicht zurückgekommen. Er antwortete weder auf Zerénas Nachrichten, noch ging er an sein Handy, wenn sie in anrufen wollte. „Das kann doch nicht wahr sein, so ein Dickkopf!"
Sie lief in ihrem Zimmer auf und ab während sie sich sicher zum hundertsten Mal ihren Streit durch den Kopf gehen ließ. „Was hab' ich denn nur falsch gemacht?"

Sie sah nachdenklich aus dem Fenster. „Das würde ich wirklich gern wissen."
Sie beschloss, eine Weile zu lesen und dann einfach ins Bett zu gehen, falls Zane bis dahin noch nicht wieder da war. Zane wusste schließlich, wo sich der Schlüssel befand, also war das ja kein Problem. Die andere Frage war jedoch, ob sie auch nur eine einzige Minute Schlaf finden würde, solange sie sich solche Sorgen machte.

Seufzend hatte sie sich auf den Weg in die Bibliothek gemacht, sich irgendein Buch aus dem erstbesten Regal gezogen, ohne auf den Titel zu achten. Die Zeit flog an ihr vorbei und beim nächsten Blick auf die Uhr war es plötzlich nach zwölf.„Das kann doch jetzt wirklich nicht mehr sein.", gähnte sie, legte das Buch beiseite und rappelte sich wiederwillig vom Sofa hoch.

Während sie in der Eingangshalle sinnlos auf und ab ging, fragte sie sich, wann ihr Vater und Simon wieder zurückkommen würden. Simon war ihr Zwillingsbruder, was ihnen allerdings keiner so recht zu glauben schien, da er einfach das genaue Gegenteil von Zeréna war. Er hatte braune Haare und war ziemlich dünn, sah aber trotzdem irgendwie gut aus. Zumindest wenn man auf intelligent aussehende Jungs mit Brille stand.

Für sein Alter war er ziemlich weit, er hatte zwei Klassen übersprungen und war, im Gegensatz zu Zeréna, schon mit der Schule fertig. Er besuchte ein College für Hochbegabte, er erzählte jedoch nie wirklich, was man da so machte. Seine Brille und seine so gar nicht jugendliche Art ließen ihn viel älter und reifer wirken, er konzentrierte sich auf sein Studium, hatte dennoch aber immer ein Ohr für seine Mitmenschen und sorgte sich immer um alle.

Er schien es auch gar nicht zu bemerken, dass die Hälfte der Mädchen, die Zeréna aus seinem Umfeld kannte, ihm total verfallen waren. Das war ihm dann immer doch ein wenig peinlich, wenn Zeréna ihn darauf ansprach.

Sie dachte sich oft, dass ihr Bruder außergewöhnlich war. Niemand studierte mit 17 schon, niemand konnte so gelassen mit allem umgehen wie er und vor allem könnte niemand tausende Mädchen um sich scharen und es nicht mal bemerken. Das lag wohl einfach an seiner viel zu aufrichtigen und erwachsenen Art.

Und dann ihr Vater. Sie hatte schon immer eine bessere Bindung zu ihrem Vater als zu ihrer Mutter gehabt. William Evans ließ seiner Tochter vieles durchgehen, was ihrer Mutter nicht mal im Traum gefallen würde. Zerénas Meinung nach lag das daran, dass ihre Mutter sich noch nicht so ganz von ihr lösen wollte. Sie hatte ihren Sohn schon so früh an das erwachsen sein verloren.

Während sie weiter über Simon und ihren Vater nachdachte, ging sie ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Dann fiel ihr plötzlich wieder etwas ein.
„Ach verdammt! Ich hab' Candy total vergessen!" Candy, eigentlich Cassandra, war ihre beste Freundin.

Am Anfang hatte Zeréna immer versucht, ihr ‚Cassy' als Spitznamen anzuhängen, doch aus irgendeinem Grund konnte sie den so gar nicht leiden. Dann war es eben Candy geworden.
Weil sie sich in letzter Zeit so über Zane geärgert hatte, schien sie alles andere ausgeblendet zu haben. Sie rannte ins Wohnzimmer, schnappte sich ihr Handy von der Kommode und warf sich ins Sofa. Dann rief sie Candy an. Hoffentlich war sie noch wach!

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang beleidigt. „Telefonhotline für vergessene beste Freundinnen, ja hallo?" Zeréna lächelte. Ganz im Ernst, was war sie nur für eine Freundin, dass sie dieses wunderbare Mädchen hatte vergessen können?

„Es tut mir ja leid! Zane hat sich so komisch benommen, ich habe beinahe alle meine Nerven an ihn verschwendet! Und außerdem hättest du mir auch schreiben können!"
„Nö! Du hast gesagt, du würdest dich melden. Dann schreib ich dir bestimmt nicht du Pflaume."

Sie lachte. „Hast du Zeit? Wir müssen die letzten fünf Tage, sieben Stunden, 43 Minuten und keine Ahnung wie viele Sekunden nachholen, in denen in deinem Köpfchen nur Platz für den herzallerliebsten Zane war."
Auf Zerénas Lippen schlich sich ein Schmunzeln. „Ja hab' ich, aber ich kann nicht zu dir, Mom ist nicht da. Außerdem ist es schon spät." Spät ist gar kein Ausdruck.

„Na dann komm ich eben zu dir! Bis gleich!" Sagte Candy voller Tatendrang.
„Hey warte mal, wir haben doch schon..." Candy hatte einfach aufgelegt.
...nach zwölf Uhr nachts.

Eine halbe Stunde später klingelte es an der Tür. Zeréna war froh, Candy endlich wieder zu sehen. Leider waren sie nicht auf derselben Schule, aber im Abschlussjahr zu wechseln, war auch ziemlich schlecht. Sie öffnete die Tür und vor ihr stand eine breit grinsende Candy.

Sie fielen sich in die Arme und lachten laut los. „Ich hab' dich vermisst Zera!"
„Ich dich auch!" Zeréna lächelte glücklich. Candy drehte sich nichmal zu dem Auto in der Einfahrt um und winkte. „Viel Spaß Mädchen!", rief Candys Mutter Zoe ihnen zu und fuhr dann winkend davon.

„Dass sie dich so spät nachts noch irgendwo hinfährt."
„Solange sie weiß wo ich bin, lässt sie es langsam zu. Diesen Bonus sollte ich aber nicht zu oft ausspielen.", sagte das Mädchen Grinsend. Candy sah wirklich toll aus. Sie hatte fluffige, schulterlange, braune Haare mit blonden Strähnchen, grasgrünen Augen und ein hübsches Gesicht. Nur einen Freund wollte sie nicht. Nachdem sie vor kurzem von einem Jungen betrogen wurde, hatte sie erstmal genug von Jungs gehabt.

Candy lief an ihr vorbei ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa. Ihr Blick fiel auf etwas in der Ecke des Fernsehers. „Aha!"
Candy stand auf und verschwand aus Zerénas Sichtfeld. Sie lief schnell ins Wohnzimmer und sah, dass Candy eine DVD in der Hand hielt.

„Nicht nur, dass du mich vergisst, jetzt schaust du auch schon Twilight ohne mich! Womit habe ich das nur verdient." Sie zog einen Schmollmund und sah Zeréna beleidigt an. Diese könnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Ja und nein. Zane wollte ihn mit mir anschauen."
Candy zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Zane? Twilight? Nimmst du mich auf den Arm?"
„Nope, er hat es selbst vorgeschlagen." Immer noch ungläubig stellte sie den Film zurück.

„Apropos Zane, was ist eigentlich mit ihm? Du hast gesagt, er ist irgendwie anstrengend. Wie genau war das gemeint? Ist der Junge nicht immer irgendwie anstrengend?"
Zeréna schaute sie belustigt an, ehe sie die Frage nachdenklich stimmte. „Keine Ahnung, er benimmt sich so eigenartig. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll!" Candy setzte sich wieder auf das Sofa und klopfte mit einer Hand neben sich auf das Sofa.

„Setzen. Und dann fängst du ganz von vorne an."
Zeréna setzte sich neben sie auf das Sofa und begann damit, ihr alles von dem Tag an als Zane auf dem Parkplatz der Schule so komische Sachen gesagt hatte, zu erzählen.

Eine Weile später sah Candy sie schweigend nachdenklich an.
„Ok, gehen wir mal meine persönliche Checkliste für meine Theorie durch. Du sagtest, er sucht viel Körperkontakt?"
Zeréna musste bei dieser Frage gar nicht so lange nachdenken. „Ja, ständig."

Candy nickte, als wäre sie mit ihrer Antwort zufrieden. „Er sagte Sachen wie du bist süß oder du sollst ihn küssen unter dem Vorwand, dass Freunde sowas eben tun?"
„Es ist nur ein Mal gewesen, also vielleicht war es nur..." Zeréna wurde prompt unterbrochen.

„Danke, dass reicht mir schon. Er meinte also, er wäre verliebt und will dir aber nicht sagen, in wen und rastet fast aus, als du ihn danach gefragt hast?"
„Ja? Aber Candy, das hab' ich doch alle schon mal erzählt!" Skeptisch musterte sie ihre Freundin und fragte sich, ob sie überhaupt eine Lösung für das Problem hatte.

„Ganz klar, ich hab' die Lösung. Diese Verblendete Art scheint wohl doch nicht nur eine Eigenschaft von Simon zu sein."
Überrascht sah sie Candy an. „Wirklich?"
Das Mädchen sah sie kopfschüttelnd an. „Wirklich jetzt Zeréna, es ist doch ganz klar, dass er in dich verliebt ist."

Zerénas Augen weiteten sich. „Was? Du spinnst doch! Ich wusste, du würdest dir nur irgendwas Komisches ausdenken! Er ist mein bester Freund, er ist doch nicht..."

Weiter kamen die beiden nicht, denn die Tür wurde aufgeschlossen und Zane kam zur Tür rein. „Bin wida da Zeraaa!", lallte er, bevor er auf dem Marmorboden zusammenklappte.
Zeréna sprang entsetzt auf und verdrängte Candys komische Behauptung.
„Zane!", rief sie erschrocken und rannte aus dem Wohnzimmer in die Eingangshalle zu Zane.

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