16. Kapitel

Nicht nur Zeréna war von der plötzlichen Gesellschaft überrascht, sondern auch das kleine, braunhaarige Mädchen, das ein paar Meter von ihr entfernt mit einer Puppe auf dem Boden saß und sie erstaunt ansah. Sie war es auch, die als erstes ihre Stimme wiederfand.

„Bist du Zeréna?", fragte sie und Zeréna war sofort hin und weg. Das kleine Mädchen hatte eine engelsgleiche Stimme und sah wirklich niedlich aus.
Ihre langen, braunen Wellen fielen ihr locker über den Rücken, sie hatte leichte Sommersprossen, rehbraune, große Augen mit vollen, schwungvollen Wimpern und eine Stupsnase. Sie sah aus wie eine kleine Prinzessin wie sie da vor ihr auf dem Boden saß, in einem süßen mit Blumen bestickten Kleid und sie fragend ansah.

„Ja die bin ich.", sagte Zeréna und lächelte das Mädchen freundlich an. „Und wer bist du?" Sie schien nicht älter als neun Jahre alt zu sein.
„Ich bin Celine.", sagte das kleine Mädchen, ohne den Blick von ihr abzuwenden. „Du siehst aus wie eine Prinzessin."

Bei den Worten ging ihr das Herz auf. Sie liebte kleine Kinder, vor allem Mädchen. Das rothaarige Mädchen ging neben ihr in die Knie und schmunzelte leicht. „Ach was, du siehst aus wie eine kleine Prinzessin. Was spielst du denn gerade?"

Jetzt lächelte auch Celine freundlich und zeigte ihr ihre Puppe. „Das ist Sara. Ich hab' gerade überlegt, was ich ihr anziehen soll, dass ich sie nachher allen vorstellen kann." Wie auf ein Stichwort kramte sie in einer kleinen Truhe herum und legte drei Kleider neben sie. „Kannst du mir helfen?"

Zeréna zog sich die Schuhe aus, stellte sie neben sich ab und setzte sich neben Celine.
„Klar helfe ich dir. Wir Mädchen müssen doch zusammenhalten.", stimmte sie schmunzelnd zu und betrachtete die drei Kleider. Jetzt konnte sie auch einen genaueren Blick auf die Puppe werfen.

Sie war zu großen Teilen aus Stoff, ihre Hände, die Füße und der Kopf waren jedoch aus zartem Porzellan. Die Haare hatten die selbe Farbe wie das Mädchen, wirklich eine schöne Puppe.

„Schau Mal, wie wäre es mit dem hier. Das sieht fast aus, wie das Kleid, das du anhast. Dann habt ihr einen Partnerlook.", schlug Zeréna vor und deutete auf ein anderes Kleid, das noch in der Truhe lag. Celine musterte das Kleid kritisch und hielt es hoch, als müsste sie die Qualität prüfen, was Zeréna erneut ein schmunzeln aufs Gesicht zauberte.

„Ja, ich denke, du hast recht." Ohne irgendwelche Einwände zog sie der Porzellanpuppe das Kleid an und zeigte sie ihr dann. „Jetzt sieht sie so schön aus, wie du."
„Dankeschön.", sagte sie lächelnd. Das kleine Mädchen war wirklich zuckersüß.

„Am Anfang wollte ich meinem großen Bruder nicht glauben, dass du wie eine echte Prinzessin aussiehst, aber er hatte tatsächlich recht.", plapperte Celine fröhlich drauf los während die Sara die Haare kämmte. Überrascht sah sie zu dem braunhaarigen Mädchen hinüber. „Was hat Cole gesagt?"

„Er hat gesagt, dass heute ein wunderschönes Mädchen vorbeikommt, dass Zeréna heißt, mit dem ich mich sicher ganz toll verstehen werde. Er hat auch gesagt, dass er das Mädchen ganz arg mag und dass sie aussieht, wie eine Prinzessin und bald mit uns hier im Schloss lebt. Stimmt das, wirst du hier bei uns wohnen?"

Zeréna schnürte es die Brust zu, als sie Celines Worte hörte. Sowas hatte Cole über sie gesagt? Sicher hatte er das alles gar nicht ernst gemeint. „Ich weiß noch nicht genau, vielleicht."

Überrascht hob sie den Kopf und sah zu Zeréna. „Warum weißt du es nicht? Ist mein Bruder nicht dein Prinz? Du bist doch eine Prinzessin." Sie machte eine seltsame Bewegung mit ihrer Hand und eine Prinzessinnenkrone erhob sich von einem kleinen Schminktischchen in der Ecke des Zimmers, ehe sie langsam auf sie zugeflogen kam und sich sanft auf ihren Kopf senkte.

Zeréna stand der Mund offen vor erstaunen und Verwirrung. Wie hatte sie das gemacht. Celine sah zufrieden mit sich aus und richtete den Blick dann auf etwas hinter Zeréna. Das Lachen, dass sie hörte, kam ihr nur allzu bekannt vor.

„Celine, so solltest doch nicht vor Besuch zaubern, schon vergessen." Cole durchquerte das Zimmer, kniete sich neben seine kleine Schwester und wuschelte ihr sanft durch die Haare. Das Mädchen senkte schuldbewusst den Blick.

Hatte sie das gerade richtig verstanden, das kleine Mädchen hatte gezaubert? Sicher, anders konnte sie sich das auch nicht erklären und ihre Mutter hatte ihr auch davon erzählt, aber es mit eigenen Augen zu sehen, war doch nochmal etwas ganz anderes.

„Tut mir leid, ich mach's nie wieder, versprochen."
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Braves Mädchen." Dann wendete er sich Zeréna zu.
„Dann hast du also schon meine kleine Schwester kennen gelernt. Sie ist wirklich bezaubernd, nicht?"

Sein Lächeln war in dem Moment so aufrichtig, dass sie gar nicht anders konnte, als zurück zu lächeln. Sie wollte ja nicht die Illusionen seiner Schwester zerstören, der er offensichtlich so liebte.

„Ja, sie ist wirklich goldig.", sagte sie und sah ihr dabei zu, wie sie die anderen Kleider ihrer Puppe wieder in der kleinen Truhe neben ihrem Bett verstaute. „Ein richtiger Engel."

Cole stand wieder auf und reichte ihr die Hand, um ihr auf zu helfen. Nach kurzem Überlegen nahm sie das Angebot an und hob ihre Schuhe auf. „Zeréna und ich lassen dich noch ein bisschen alleine. Wir sehen uns dann nachher beim Essen, ja?" Celine nickte nur, ohne den Blick nochmal zu heben.

Als Coles Blick auf das rothaarige Mädchen fiel, schmunzelte er leicht und kam zu ihr. Er hob die Arme über ihren Kopf und Zeréna beobachtete ihn verwirrt dabei, bis sie die Krone in seinen Händen sah. Wie konnte sie die nur wieder vergessen?

Er setzte die Krone stattdessen seiner Schwester auf den Kopf, ehe er mit ihr das Zimmer verließ. Leise schloss er die Tür hinter sich und seufzte.

„Ich weiß ja nicht, was sie dir alles erzählt hat, aber es kann nichts Gutes gewesen sein.", sagte er seufzend, sah sie an und lief dann den Gang entlang. Schnell folgte Zeréna ihm, die Schuhe immer noch in der Hand.

„Ach, nur jede Menge über eine wunderhübsche Prinzessin die bald hier wohnen soll, nichts weiter." Sie versuchte, ihre Stimme beiläufig klingen zu lassen und beobachtete genau seine Reaktion. Hatte er irgendetwas davon ernst gemeint.

Ihre Antwort schien ihm nicht so wirklich zu gefallen. „Manchmal ist sie wirklich viel zu offenherzig. Du musst wissen, sie mag nicht jeden. Besonders mit Frauen hat sie so ihre Probleme.", erzählte er, ohne darauf näher einzugehen. Ob das wohl einen bestimmten Hintergrund hatte?

„Ich hätte dir das alles gerne irgendwann später selbst erzählt. Celine hat das ganze wohl etwas beschleunigt." Nun war Zeréna neugierig geworden. Was wollte er ihr erzählen?

Die Begegnung mit seiner Schwester hatte Cole in ihren Augen eindeutig in ein besseres Licht als von vor zwanzig Minuten gerückt, ganz traute sie ihm aber dennoch nicht über den Weg. Er hatte sich wirklich unmöglich benommen.

„Weißt du, meine Eltern hätten mich gern auf eine Schule hier in der Nähe geschickt. Aber als sie dann herausgefunden haben, wo du zur Schule gehst, hatte sich das auch erledigt.
Anders als du bin ich mit dem Wissen aufgewachsen, dass ich jemanden heiraten werde, den ich mir nicht selber aussuchen kann. Das war gar nicht so leicht. Als ich das erste Mal in ein Mädchen verliebt war, war das richtig seltsam. Wie sagst du einem Mädchen, dass du nicht mit ihr zusammen sein darfst, weil du verlobt bist? Da war ich fünfzehn, das hätte sie mir ohnehin nicht abgekauft."

Cole lachte leicht und öffnete ein Zimmer. „Da wäre übrigens das Badezimmer gewesen.", sagte er mit einem Schmunzeln, doch Zeréna hob nur abwehrend eine Hand. Vermutlich wusste er selbst schon, dass es nur ein Vorwand von ihr gewesen war, um schnell zu verschwinden. Immerhin war er ja nicht auf den Kopf gefallen.

„Nun gut, um dich weiter mit meiner Geschichte zu langweilen, mache ich mal bei Zane weiter. Mit ihm hab' ich mich tatsächlich am Anfang nur angefreundet, weil ich mehr über dich herausfinden wollte. Und tatsächlich hat er erstaunlich schnell ziemlich viel über dich erzählt. Nur hab' ich nie verstanden, warum."

Zeréna wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Hatte er Zane die ganze Zeit über nur benutzt, um an sie heran zu kommen? Wenn das der Fall war, würde sie ihm das sicher nicht ohne weiteres durchgehen lassen.

Cole hielt ihr eine weitere Tür auf und verdeutlichte Zeréna mit einer Handbewegung, dass sie den Raum betreten sollte. Als sie eintrat sah sie sich staunend um.

In der Mitte des Zimmers waren zwei Ecksofas so zueinander aufgestellt worden, dass sie ein Viereck bildeten, das man durch zwei Lücken bequem erreichen konnte und zwischen den beiden Sofas stand ein großer Tisch, auf dem eine Fernbedienung und ein paar Zeitschriften lagen.

An der einen Seite des Raumes war ein großer Fernseher an der Wand aufgehängt worden und zu beiden Seiten stand ein breites Regal, auf denen merkwürdige Figuren standen –  Kunstliebhaber also.

Doch der eigentliche Blickfang des Raumes befand sich auf der Wand gegenüber vom Fernseher.
„Ist das etwa..." Zeréna machte einige Schritte auf das riesige Glas zu, hinter dem das Wasser in allem möglichen Farben leuchtete.

„Jap, das ist ein Aquarium. Echt cool, oder?" Das riesige Aquarium erstreckte sich über die gesamte Wand. Auf dem Boden lagen regenbogenfarbene Steinchen, sie erkannte verschiedene Seegräser und Algen und an zwei Stellen stiegen in regelmäßigen Abständen kleine Luftbläschen aus dem Boden empor. Zeréna hatte noch nie so viele bunte Fische gesehen.

„Das ist total schön.", sagte sie leise und legte ihre Hand auf das Glas. Sofort kamen lauter kleine Fische angeschwommen. Entzückt drehte sie sich um, doch Cole stand nicht wie erwartet neben ihr, sondern hatte es sich auf einem der Sofas bequem gemacht.

„Darf ich dich weiter mit meiner Geschichte langweilen?", fragte er sie schmunzelnd und sie setzte sich gegenüber von ihm auf das andere Sofa. Die Schuhe stellte sie neben ihren Füßen auf den kühlen Marmorboden, ehe sie Cole abwartend ansah. „Nur zu."

Cole lehnte sich im Sofa zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sicher wirst du inzwischen herausgefunden haben, dass Zane bis über beide Ohren in dich verknallt ist." Cole schien diesen Satz mit Absicht nicht als Frage, sondern als Feststellung zu formulieren, doch als Zeréna die Hitze in die Wangen stieg, war ihm das wohl Antwort genug.

„Ich hab' mir schon sowas gedacht. Es ist untypisch für ihn, einfach nicht in die Schule zu kommen. Wenn er krank gewesen wäre, hätte er es dir sicher gesagt. Ich hab' es auch erst vor kurzem herausgefunden, da stand er eines wundervollen Vormittags hier bei mir auf der Matte und hat mich gefragt, ob ich Zeit für ein Bierchen hätte. Ich hab' ihn natürlich rein gelassen und er hat mir davon erzählt, dass er dir gerne sagen würde, wie gern er dich mag, sich aber nicht traut."

Das muss wohl der Abend gewesen sein, an dem Zane nach den ganzen Tag über verschwunden war und erst am Abend total betrunken wieder zu ihr gekommen war, dachte sich Zeréna. Cole machte kurz eine Pause und überlegte, wie er fortfahren sollte.

„Versteh mich nicht falsch, ich hab' ihm nicht aus Pflichtgefühl zugehört, ich mag Zane wirklich gern. Er ist ein wichtiger Freund von mir. Aber an dem Abend ist er mir zunehmend auf die Nerven gegangen und das nur, weil er die ganze Zeit von dir erzählt hat."

Sie sah den Jungen vor sich mit gerunzelter Stirn an, denn sie verstand einfach nicht, worauf er hinauswollte.

„Weißt du, ich hab' dich schon ziemlich lange in der Schule beobachtet. Wie du immer alleine irgendwo gesessen hast, wie du deine Vorträge gehalten hast, wie du im Unterricht nachdenklich auf deinem Stift herumgekaut hast. Ich hab' dir zugesehen und mich gefragt, wie du so viel Zeit mit Zane verbringen kannst und er sich nicht in dich verliebt. Aber als er es gesagt hat, ging mir das total gegen den Strich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich auch ohne diesen Heiratsquatsch irgendwann angesprochen hätte."

Langsam dämmerte es ihr und die Falten auf ihrer Stirn glätteten sich. Warum sagte er ihr das alles?

„Lange Rede, kurzer Sinn. Ich mag dich Zeréna. Das Ganze ist ziemlich blöd gelaufen, das muss ich zugeben. Ich hab' nicht erwartet, dass du so bald von dem Abkommen erfahren würdest, eigentlich wollte ich dich einfach so besser kennen lernen."

Während er das sagte, riss er ein Blatt von einer der Zeitschriften ab und betrachtete es gedankenverloren, ehe sie dabei zusehen konnte, wie sich die Seite der Zeitschrift langsam verformte und sich wie von selbst zusammenfaltete – bis Cole eine kleine Papierrose in seiner Hand hielt.

Er pustete sie an und der kleine Gegenstand überquerte den Tisch, bis er direkt vor ihr zum Stehen kam.
Sie streckte vorsichtig die Hand nach der kleinen Papierblume aus und betrachtete erstaunt, wie Detailreich sie geformt war. „Wow.", sagte sie leise und drehte sie leicht zwischen ihren Fingern.

Cole sah zufrieden aus, denn dem Mädchen schien sein Geschenk zu gefallen.

„Ich möchte ganz ehrlich zu dir sein. Vielleicht hast du es auch schon bemerkt, aber ich habe dich bis jetzt absichtlich von Zane ferngehalten. Es geht mir wirklich gegen den Strich, dass du so viel Zeit mit ihm verbringst. Außerdem ist mir bewusst, dass irgendwas zwischen euch beiden vorgefallen sein muss, sonst wäre Zane nicht so lange zuhause geblieben."

Cole beugte sich leicht nach vorne und stützte sich mit den Unterarmen auf seinen Beinen ab.
„Ich möchte, dass du mehr Zeit mit mir verbringst Zeréna. Ich möchte dich richtig kennen lernen und ich möchte, dass wir nochmal ganz von vorne anfangen, ja?"

Der schwarzhaarige Junge sah sie bittend an und Zeréna wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte. „Warum?", war die erste Frage, die sie stellen konnte, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
„Ganz einfach Zeréna, weil ich mich in dich verliebt habe."

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