12. Kapitel

Zeréna verbrachte den gesamten Sonntag in ihrem Zimmer und am Montag ging sie nicht in die Schule. Das ständige Klingeln ihres Telefons war ihr irgendwann so auf die Nerven gegangen, dass sie es einfach ausgeschalten hatte, um sich in Ruhe mit einem Buch in die Bibliothek zurückzuziehen.

Sie fühlte sich müde und erschöpft, denn sie hatte seit ihrer Unterhaltung am Küchentisch kaum ein Auge zubekommen. War da ein wenig Ruhe etwa zu viel verlangt?

Sie wusste, früher oder später müsste sie Candy und Zane irgendetwas erzählen. Doch war sie bereit für die Reaktion der Beiden? Sie kam ja noch nicht einmal mit ihrer eigenen zurecht.

Auch ihr Vater sah ziemlich erschöpft aus, als er sich schließlich am späten Vormittag gegenüber von ihr auf einen Sessel fallen ließ und den Vertrag vor ihr auf den Tisch legte.

„Der gehört jetzt dir. Ich denke es gibt einiges, dass du gerne wissen möchtest, oder täusche ich mich da?" Das rothaarige Mädchen sah ihren Vater einfach nur an. Natürlich hatte sie Fragen, doch sie wusste nicht einmal, wo sie anfangen sollte. Geschweige denn, ob sie überhaupt die Antwort wissen wollte.

William seufzte tief. „Weißt du, es ist so. Wir wollten euch noch gar nicht davon erzählen. Wir fanden einfach, dass ihr noch nicht bereit dazu währt, davon zu erfahren. Man hat uns andauernd Druck gemacht und gemeint, du solltest von klein auf mit dem Wissen aufwachsen, dass du bereits...sowas wie verlobt bist, dass es dich am Ende vielleicht gar nicht mehr stört. Aber deine Mutter und ich hielten das für keine gute Idee.

Außerdem haben wir auch etwas gegen dieses Abkommen, aber die Morgans sind der Meinung, dass auch wir unseren Teil der Abmachung einhalten sollten, selbst wenn es schon hundert Jahre her ist."

Während er sprach, hatte er ihre Hände in seine genommen. Irgendwie beruhigte es Zeréna, in seine traurigen Augen zu sehen. Sie hatten etwas Vertrautes, hier fühlte sie sich sicher.

„Und wenn wir ablehnen?", fragte sie ruhig. „Irgendeine Möglichkeit muss es ja geben. Selbst diese andere Familie muss doch einsehen, dass so ein Vertrag längst verjährt ist."

Ihr Vater rang kurz mit sich selbst, ehe er weitersprach. „Hör Mal, es ist so. Dieser Vertrag wurde nicht einfach so unterzeichnet. Er wurde mit Magie praktisch besiegelt. Deine Mutter und ich haben keine Ahnung, was passiert, wenn er nicht eingehalten wird. Ich möchte dich zu nichts drängen. Lediglich dazu bewegen, etwas darüber nachzudenken.

Außerdem möchten die Morgans dich gerne kennenlernen. Ich habe ihnen erstmal abgesagt und meinte, du müsstest diese Nachricht erstmal verdauen."

Zeréna nickte nur. Sie wusste selbst nicht genau, was sie dazu noch großartig sagen sollte. Sie wusste lediglich, dass ihre Eltern gerade ziemlich verzweifelt und überfordert waren. Also wollte sie ihnen die Situation etwas erleichtern.

„Ein Treffen schadet ja nicht. Frag sie einfach, wann es ihnen passt. Ich werde mich schon zusammenreißen können."
Ein hoffnungsvoller Schimmer zeigte sich in den Augen ihres Vaters.

„Wirklich? Nur wenn es für dich wirklich in Ordnung ist." William hätte seiner Tochter niemals erzählt, welchen Druck sie von der Familie bekamen. Wenn es nach den Morgans ginge, hätten sie wohl direkt einen Termin für die Hochzeit arrangiert, noch bevor Zeréna überhaupt sie Möglichkeit dazu gehabt hätte, ihre eigene Meinung zu dem Thema zu bilden.

„Ja, macht nur. Mir soll's recht sein. Weißt du, wer dieser Junge ist?", fragte sie ihren Vater vorsichtig. Von Zane hatte sie ja schon so eine Vorahnung bekommen, aber sie wollte sich einfach nicht vorstellen, dass Cole die ganze Zeit über von der Sache gewusst hatte, während er sich bei ihnen eingeschleimt hatte. Das würde ihn definitiv einiges an Sympathie kosten.

„Ich kenne den Jungen selbst nicht. Die Morgans deuteten lediglich an, dass er seit geraumer Zeit auf deine Schule geht, um sich dir bereits anzunähern, ohne dir etwas darüber zu verraten, wer er ist. Es könnte also durchaus sein, dass du ihn schon kennst."

Zeréna seufzte. Obwohl sie keine wirklich neue Erkenntnis bekommen hatte, war die Sache ihrer Meinung nach doch relativ eindeutig.

„Alles klar, ich danke dir Dad." Noch bevor ihr Vater irgendwas darauf erwidern konnte, klingelte es an der Haustür. Und es hörte überhaupt nichtmehr auf zu klingeln.

Mit einem leicht genervten Gesichtsausdruck erhob sich ihr Vater und wollte sich gerade auf den Weg machen, da stürmte schon ein ziemlich aufgebrachter Zane in die kleine Bibliothek. Direkt hinter ihm Simon, der versuchte, irgendwie auf ihn einzureden.

Instinktiv machte sich Zeréna auf dem Sofa ganz klein. Zane hasste es, ignoriert zu werden. Und jeder hier konnte deutlich erkennen, wie wütend er gerade war. Umso erstaunter war sie, dass Zane ganz förmlich vor ihrem Vater zum Stehen kam und ihm die Hand reichte.

„Mister Evans, ich bin Zane Matthew. Ich hoffe Sie verzeihen es mir, dass ich hier einfach so hereinstürme, aber ich würde mich gerne ein paar Minuten alleine mit Ihrer Tochter unterhalten."

Obwohl ihr Vater versuchte, ein ernstes Gesicht zu machen, sah sie ihm doch an, dass er schwer beeindruckt war. Mit sowas hatten sie wohl alle nicht gerechnet. Simon stand einfach nur überfordert daneben, unschlüssig, ob er irgendwas sagen sollte.

„Zane also, dann freut es mich, dich mal persönlich kennen zu lernen.", sagte William, nachdem er Zanes Hand ergriffen hatte, um sie kurz zu schütteln. „Natürlich gebe ich euch ein paar Minuten. Komm Simon."

Ohne ein weiteres Wort verließ der Mann den kleinen Raum voller Büchern. Simon sah noch einmal kurz zu seiner Schwester, ehe er ihm folgte. Dann waren die beiden alleine.

Wie selbstverständlich ließ er sich nun auf dem Sessel nieder, auf dem vor etwa zwei Minuten William noch gesessen hatte, ehe er sie ernst ansah.

„Könntest du mir bitte Mal erklären, warum du mich einfach ignoriert hast? Ich versuche dich seit Stunden zu erreichen. Und dann musste ich mir in der Schule jetzt den ganzen Morgen das widerliche Grinsen von Cole gefallen lassen. Weißt du was er mich gefragt hat? Ob du wegen ihm nicht in die Schule gehst? Könntest du mir das ganze bitte erklären? Ich war nämlich kurz davor, ihm eine reinzuhauen."

Er sah sie auffordernd an und Zeréna vergrub ihr Gesicht in ihren Handflächen, ehe sie seufzte und Zane die Schriftrolle zuschob, die ihr Vater dort hatte liegen lassen. „Ließ dir das einfach Mal durch." Mit gerunzelter Stirn nahm er das vergilbte Papier in die Hand, rollte es auf und begann damit, zu lesen.

Als er fertig war, wollte er es wieder zusammen und sah sie ein wenig verwirrt zu seiner besten Freundin hinüber. Dann erzählte sie ihm alles, was ihre Mutter ihr gestern erzählt hatte. Von den Familien und der Magie bis hin zu dem Vertrag.

Als sie geendet hatte, schien sie seine Verwirrung nicht im Geringsten beseitigt zu haben, im Gegenteil. „Das...davon haben mir meine Eltern nie irgendwas erzählt, was sollte das!" Zane seufzte und starrte dann einfach auf seine Hände. „Das kann doch nicht denen ihr Ernst sein!"

Zeréna schmunzelte traurig. Sie konnte seine Reaktion gut nachvollziehen, sie fühlte sich immer noch genauso.
„Das scheint alles total weit hergeholt, nicht wahr? Aber du und Simon seid da ja schön raus. Nicht gerade die feine Art, alles mir aufzuhalsen." Zerénas schwacher versuch, Zane aufzuheitern, hatte so ziemlich gar keinen Effekt. Er schien sich nur noch mehr aufzuregen.

„Wenn ich das also richtig verstanden habe sollst du Cole heiraten? Diesen einen Cole, der bis gestern Abend noch mein bester Freund war und der den ganzen Tag so schadenfroh vor sich hin gegrinst hat?" Er sah sie ungläubig an und Zeréna nickte, zuckte dann aber gleich mit den Schultern.

„Ich denke es mal, wenn du sagst, dass der Nachname passt. Es dürfte denke ich ganz klar sein, wenn er sich heute wirklich so dämlich aufgeführt hat. Dad weiß auch nur, dass er wohl auf unsere Schule geht."

Zeréna konnte deutlich sehen, wie sich Zane anspannte und anfing, mit den Zähnen zu knirschen. „Was für ein widerliches Arschloch, er hat es die ganze Zeit über gewusst und kein einziges Wort darüber verloren. Und dann spielt er sich so auf?" Seine Hände ballten sich zu Fäusten und Zeréna wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, um ihn etwas zu beruhigen.

„Zane, im Endeffekt ist es immer noch meine Entscheidung. Also mach dir da nicht so viele Gedanken." Sie lächelte ihn zaghaft an während er sie fassungslos anstarrte.

„Zeréna, hast du eigentlich begriffen, worum es hier geht?" Er hielt ihr die Schriftrolle hin, als wollte er ihr sie zum ersten Mal zeigen. „Das hier ist ein Vertrag. Ok, er wurde vor hundert Jahren unterschrieben, aber wenn deine Eltern die Wahrheit sagen und da Magie im Spiel ist, wird man den nicht einfach so brechen können!", wiederholte er mit Nachdruck und warf das Abkommen zurück auf den Tisch, ehe er aufgebracht aufstand.

„Also tu nicht so, als müssest du mich vor irgendwas beschützen, die Betroffene bist nämlich immer noch du."

Zeréna stand auf und umrundete den Tisch, um ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter zu legen. „Zane, dafür finden wir sicher eine Lösung. Ich bin ja nicht alleine, sicher wirst du mich auch dabei unterstützen, falls sich kein Ausweg finden lässt."

Erneut versuchte sie es mit einem zaghaften Lächeln, doch Zane sah sie mit einer Mischung aus Zorn, Kummer und noch irgendwas Anderem an.

Doch bevor sich Zeréna darüber den Kopf zerbrechen konnte, was das in seinen Augen genau war, zog Zane sie am Handgelenk näher zu sich und beugte sich zu ihr hinunter.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihren besten Freund an, als sich ihre Lippen trafen. Noch bevor sie richtig realisiert hatte, was gerade passierte, erwiderte sie den Kuss als wäre es das normalste auf der Welt, seinen besten Freund zu küssen. Sie spürte seine Hand an ihrem Rücken, als er sie näher zu sich zog.

Doch so schnell wie er sie geküsst hatte, so schnell löste sich Zane wieder von ihr. Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an und ging ein paar Schritte rückwärts, um Abstand zwischen die beiden zu bringen. „Zeréna, ich..."

Ohne seinen Satz zu beenden drehte er sich von ihr weg und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Sie hörte die Haustüre zuknallen und dann war er weg.

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