1. Kapitel

Zeréna betrachtete sich im Spiegel. Wenn man sie sah, erkannte man sie meistens schon von weitem an ihrem roten Haar, die sie von ihrer Oma geerbt hatte. Sie mochte ihre Haare nicht wirklich, aber viele ihrer Verwandten betonten, wie schön ihre Haare seien. Und so auch Zane.

Zane war Zerénas bester Freund. Sie waren sich das erste Mal in der dritten Klasse begegnet, und das, obwohl die beiden praktisch nur aus deren Fenstern schauen mussten, um einander zu sehen. Allerdings wurde Zane die ersten zwei Jahre zuhause unterrichtet. Wenigstens waren sie direkt in eine Klasse gekommen.

Doch das wesentliche Problem war die Fehde zwischen ihren beiden Familien. Das ging nun schon so, seit sie denken konnte. Und auch schon längst Verstorbene waren darin involviert gewesen. Sie hatten sich solange gegenseitig angegriffen, bis irgendwann jemand aus Zanes Familie umkam, denn nur wenige hatten, wie Zane und Zeréna, über die Barrieren hinwegblicken können.

Dann herrschte ein paar Generationen Frieden, warum, wusste keiner so genau, doch der Streit scheint nun doch wieder neu aufzuflammen.
Sie kennen es wohl nicht anders, hatte sich Zeréna oft gedacht.

Sie stand kurz vor ihrem 18 Geburtstag und freute sich schon riesig auf ihre Party. Doch erstmal musste sie das Schuljahr zu Ende bringen, denn sie hatte in den Sommerferien Geburtstag. Dann war sie endlich mit der Schule fertig.

Sie warf einen letzten Blick in den Spiegel, um zu überprüfen, dass ihre Haare auch wirklich nicht in alle Richtungen abstanden, ehe sie nach ihrer Tasche griff und sich den Haustürschlüssel von der Kommode nahm. Gut gelaunt verließ sie das Anwesen ihrer Familie.

Zeréna schlenderte die Straße entlang und sah kurz zum Haus der Matthews, doch sie konnte Zane nirgends sehen. Gut so, dachte sie sich. Sie durften bloß nicht zusammen gesehen werden, sonst gab es für beide echt einen riesen Ärger.

Am Ende der Straße bog sie links ab und stellte sich in die Seitenstraße, der übliche Treffpunkt der beiden. Wenn wir schon zur selben Schule gehen, dachte sie, kann er mich ja wenigstens mitnehmen. Aus der Ferne hörte sie sein Motorrad anrasen, denn im Gegensatz zu ihr hatte er schon seinen Führerschein, er war ja schon 18.

Wenige Augenblicke später wurde Zane langsamer und fuhr an den Straßenrand. Grinsend nahm er sich den Helm vom Kopf. Zeréna beobachtete, wie er sich durch die Haare fuhr. „Angeber.", sagte sie schmunzelnd und kam auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Ohne sein Grinsen einzustellen, erwiderte er die Umarmung. „Natürlich, ich muss doch immer gut aussehen!"

Innerlich musste sie ihm irgendwie zustimmen, auch wenn sie das nie sagte. Sie wollte sein Ego nicht noch weiter in die Höhe pushen, aber er sah wirklich verdammt gut aus.

Zane hatte kurze braune Haare, war braungebrannt und muskulös, dazu kamen dann noch seine smaragdgrünen Augen. Die Beiden wussten jedoch nicht, wo die herkamen, denn alle in seiner Familie hatten dunkle Augen. Aber es störte ihn nicht weiter, im Gegenteil, er sah damit noch besser aus.

„Wollen wir dann langsam los oder willst du mich noch weiter anhimmeln?", fragte er und reichte Zeréna seinen Ersatzhelm, der genau gleich aussah, wie seiner. Komischerweise hatte seine Familie es noch nie in Frage gestellt, dass er beim Fahren immer einen zweiten Helm an seinem Motorrad befestigt hatte.

„Klar." Sie setzte sich den Helm auf, stieg hinter Zane aufs Motorrad und legte ihre Arme um seine Brust.
„Du darfst ruhig kuscheln Zera!", sagte Zane und sie vermutete, dass er schon wieder am Grinsen war, ehe er ordentlich Gas gab. Vor Schreck schlang sie ihre Arme dann tatsächlich noch etwas fester um ihn.

Er fuhr auf die Hauptstraße und legte nun noch mehr an Tempo zu, das manch einem vielleicht Angst gemacht hätte, aber Zeréna vertraute ihm Blind. Außerdem war sie ein echter Adrenalinjunkie und liebte hohe Geschwindigkeiten.

Eine viertel Stunde später fuhren die beide auf den Parkplatz der Schule und Zane steuerte auf die Hälfte des Parkplatzes zu, in der auch die anderen ihre Motorräder parkten. Es war nie irgendwie vorgeschrieben worden, wo wer zu parken hatte, aber das war hier wohl so ein ungeschriebenes Gesetz. Zeréna stieg ab und nahm den Helm runter.

Am Straßenrand standen drei Mädchen und sahen tuschelnd zu ihnen rüber. Eigentlich hatte sie sich schon daran gewöhnt, dass Zane immer und überall die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog, doch ab und zu regte es sie richtig auf. Nicht, weil sie eifersüchtig war, sondern weil er es genoss.

Zane nahm währenddessen seinen Helm ab und fuhr sich wieder durch die Haare. Die Mädchen begannen zu kichern und eine sagte gerade so für sie hörbar: „Zane ist soooo heiß! Zeréna hat echt Glück, dass er so viel Zeit mit ihr verbringt!"

Zeréna sah stirnrunzelnd zu den Mädchen rüber, welche sofort den Blick abwendeten. An der Schule hatte sie irgendwann den Ruf als Zanes Wachhund bekommen, weshalb sich sowohl die Mädchen als auch die Jungs von ihr fernhielten. „Sag mal, nerven die dich nicht?"

Er grinste leicht. „Nein, wieso sollten sie, die tun doch nichts."
Zeréna sah ihn genervt an. ,,Na weil keine von denen es ernst meinen würde. Die kennen dich nicht und sehen dir nur hinterher, weil du echt gut aussiehst!" Jetzt hatte sie es gesagt, sicher war sein Egometer gerade nach oben hin explodiert. Verärgert drehte sie sich von ihm weg und verschränkte dir Arme vor der Brust.

Zane legte mit aller Seelenruhe den Kopf schief und legte den Helm auf den Sitz seines Motorrades. „Bist du etwa eifersüchtig?"

Zeréna drehte sich zurück zu Zane. „Ist das jetzt dein Ernst? Ich will nur das Beste für dich, du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben! Du brauchst keine Tusse neben dir." Zeréna fand keine besseren Worte für ihre Gedanken. Dennoch war sie etwas eifersüchtig, wenn auch nicht so, wie er es vielleicht meinte. Sie wollte einfach nicht ihren besten Freund an ein anderes Mädchen verlieren.

„Du bist süß.", sagte Zane auf einmal, und das ohne zu Grinsen. Zeréna sah erstaunt zu ihm auf. Er war wirklich einen Kopf größer als sie, und das nervte sie manchmal. „Was hast du gerade gesagt?"

Er hob mit seiner Hand ihr Kinn an und kam mit seinem Gesicht ihrem ganz nah. „Ich sagte, dass du süß bist Zera.", raunte er ihr zu. Doch sie ließ das relativ kalt. „Geht es dir nicht gut? Hast du Fieber oder sowas?"

Als hätte er sich an ihr verbrannt, ließ er ihr Kinn wieder los. „Natürlich geht es mir gut, was ist das denn für eine Frage. Lass uns reingehen, der Unterricht fängt gleich an."

Er nahm seinen Helm und machte sich auf den Weg, und zwar mit so schnellen Schritten, dass Zeréna ihm gar nicht hätte folgen können, selbst wenn sie gewollt hätte. Erstaunt sah sie ihm nach. Was war heute nur los mit ihm?

Der Schultag verlief ziemlich ereignislos. Zeréna hatte den Eindruck, dass Zane heute einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden war, denn er ging ihr die ganze Zeit aus dem Weg.

Leider hatte sie es versäumt, sich mit anderen Leuten anzufreunden, weshalb sie den ganzen Tag nur gelangweilt aus dem Fenster starrte. Sonst ließ er sie nie alleine, weil er wusste, dass sie niemanden sonst hatte. Zwar verstand sie sich auch mit seinen Freunden, doch lange nicht so gut, dass sie sich einfach zu ihnen gesellen wollte.

„Was ist denn nur los mit dir?", hatte sie ihn in der Pause gefragt. Er sah sie ungerührt an, fast schon kühl. „Nichts, was soll schon sein? Frag mich nicht so einen Unsinn!"

Zu allem Überfluss setzte er sich in den Stunden zu Cole, der Höhepunkt jedoch kam nach der Schule. Zane war einfach ohne sie weggefahren. Daraufhin hatte sie Zane sauer angerufen.

„Ist das jetzt dein Ernst? Heute Morgen benimmst du dich wie ein Idiot, dann rennst du vor mir weg, ignorierst mich und fährst dann ohne mich weg? Spinnst du? Du könntest mir auch was sagen, ich kann nämlich jetzt eine Stunde nach Hause laufen, weil ich den Bus verpasst habe und komme zu spät zu meiner Mathenachhilfe!"

Am anderen Ende der Leitung war es totenstill. Irritiert sah sie auf ihr Handy, doch der Anruf lief noch. „Zane?"
„Mir ist eingefallen, dass ich einen wichtigen Termin habe. Ich ruf dich nachher an." Dann legte Zane einfach auf, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Zeréna starrte fassungslos auf ihr Handy. „Das gibt's doch nicht..."

„Zeréna?" Irgendwo hinter ihr hörte sie eine bekannte Stimme. Irritiert drehte sie sich um. Sonst sprach sie doch eigentlich niemand an. Sie erkannte Cole, der an sein Motorrad gelehnt dastand und zu ihr herübersah. Hatte er etwa alles mitgehört? Wie peinlich! Seufzend rang sie sich ein Lächeln ab. „Sorry, ich hab' vielleicht etwas überreagiert."

Der Junge lachte nur. „Halb so wild. Manchmal braucht Zane wahrscheinlich einfach mal jemanden, der ihm die Meinung geigt, sonst macht der irgendwann nur noch, was er will." Er streckte ihr einen Helm entgegen. „Hab gehört, du brauchst eine Mitfahrgelegenheit. Steig auf, ich weiß ja, wo Zane wohnt."

Verwirrt ging sie auf den Jungen mit den schwarzen Haaren zu. „Du brauchst deinen Helm doch selbst, ich kann ruhig laufen. Außerdem wohnst du doch in einer ganz anderen Richtung." Doch Cole hob nur abwehrend die Hand.

„Alles halb so wild. Ich baue einfach keinen Unfall, hab' ich bis jetzt auch super hinbekommen. Auf, Wiederstand ist zwecklos!" Grinsend drückte er ihr den Helm in die Hand und stieg auf sein Motorrad. Was war nur mit diesen Jungs los?

Zeréna merkte relativ schnell, dass Cole ein sicherer Fahrer war, dennoch war sie die ganze Zeit total angespannt, sie wünschte sich sogar, er würde langsamer fahren.

Erleichtert stieg sie von dem Motorrad ab und zog sich den Helm vom Kopf, ehe sie ihm den Helm zurückgab. „Dann bedanke ich mich mal fürs fahren." Cole zeigte ihr einen Daumen hoch. „Ich kann doch eine verzweifelte junge Dame in Nöten nicht im Stich lassen."

Zeréna lachte, doch ehe sie etwas sagen konnte, ergriff er wieder das Wort. „Nein wirklich, warum versteckst du dich immer in seinem Schatten?" Er nickte in die Richtung von Zanes Haus. „Du bist echt ziemlich nett. Meiner Meinung nach hättest du mit deiner lustigen Art längst Freunde gefunden."

Sie dachte kurz über seine Worte nach, schüttelte dann aber den Kopf. „Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit der Situation. Mir macht das nichts aus, wenn ich nur Zane habe. Außerdem habe ich schon Freunde, nur gehen die nicht bei uns auf die Schule." Mit Freunde meinte sie eigentlich nur Candy, ihre beste Freundin. Oder auch ihre einzige.

„Na wenn du meinst. Ich fahr dann mal weiter, hab ja auch noch ein Stückchen vor mir." Cole setzte sich den Helm auf und hob zum Abschied die Hand, ehe er davonraste.

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