Kapitel 96

Heute ist Freitag. In den vergangenen Tagen habe ich mich darum gekümmert, meinen alten Job vollständig zu kümmern und meinen Arbeitsplatz freizuräumen. Der Praxisleiter war so freundlich und hat mir die Kündigungsfrist erlassen, sodass ich bereits nächste Woche in der Klinik anfangen darf. Am Montag habe ich, nachdem ich erfahren hatte, dass ich den Job habe, noch ein wenig mit Ben gespielt, wie ich es ihm versprochen habe. Er hat sich riesig gefreut, als wir zusammen aus Lego eine kleine Stadt gebaut haben. Immer wieder gab er mir Anweisungen, wo ich am besten einen Stein hinsetze, sodass ich mir nun sicher bin, dass Ben später mal Architekt wird.

Gerade ist es Mittag. In knapp zwei Stunden treffe ich mich mit Lucas. Ich habe in den letzten paar Tagen einige Male mit ihm telefonieren können. Er hat sich riesig darüber gefreut, als ich ihm von meinem neuen Job erzählt habe und meinte gleich, dass wir das feiern müssen. Also werden wir zuerst gemeinsam einen Kaffee trinken und anschließend mit Niall, Liam, Zayn und einer Freundin von Lucas in einen Club gehen und darauf anstoßen. Komischerweise bin ich seltsam nervös vor meinem Treffen mit Lucas. Wir haben uns während der Telefonate ausgezeichnet miteinander verstanden, wie vorher bereits auch schon. Ständig brachte er mich zum Lachen, sodass ich heute tatsächlich leichten Bauchmuskelkater davon habe. Wie peinlich. Aber vor allem fühle ich mich Harry gegenüber schlecht. Ich habe das Gefühl, ihn zu hintergehen. Auch wenn mir jeder versichert, dass genug Zeit vergangen ist und ich mich auf eine andere Person einlassen kann, so kann ich diesen Aussagen noch nicht genug Glauben schenken. Ist ein Jahr wirklich genug? Gibt es überhaupt einen bestimmten Zeitpunkt, an dem man sich wieder verlieben darf? Natürlich bin ich vom Verlieben noch weit entfernt, doch... Naja, Lucas ist unglaublich attraktiv, er ist charmant, bringt mich immer zum Lachen und ist außerdem sehr einfühlsam und sanft. Mit Sicherheit werde ich heute Abend noch einige Todesblicke eifersüchtiger Mädels zugeworfen bekommen...

Während ich so lange darüber nachdenke, bemerke ich gar nicht, dass inzwischen einiges an Zeit vergangen ist und ich mich nun wirklich beeilen muss, um nicht zu spät zu kommen. Gestresst springe ich unter die Dusche, nur um danach unschlüssig vor meinem Kleiderschrank zu stehen. Immer wieder zerre ich ein T-shirt heraus, das jedoch gleich darauf wieder auf meinem Bett landet, da es nicht zu dem restlichen Outfit passt. Seufzend stehe ich also nur mit einem Handtuch um die Hüften vor meinem Spiegel und versuche, zuerst meine Haare zu richten. Gerade als diese einigermaßen sitzen, klingelt es an der Haustür. Geschockt stelle ich mit einem Blick aus dem Fenster fest, dass es Lucas ist. Wir hatten ausgemacht, dass er mich hier abholt und wir gemeinsam zum Cafe fahren. Mit roten Wangen vor Scham öffne ich ihm die Tür und blicke auf meine nackten Füße. "Hi", murmle ich. Einen Moment lang sagt er nichts, doch als ich vorsichtig aufblicke und sehe, dass er mit offenem Mund meinen Oberkörper betrachtet, zucken meine Mundwinkel belustigt. Schließlich räuspert Lucas sich verlegen und tritt in meine Wohnung ein. "Hey, Louis", sagt er und umarmt mich schüchtern. Ich atme tief ein und genieße seine warmen Hände, die auf meinem nackten Rücken liegen. "Ich muss ehrlich gestehen, dass ich überhaupt nicht weiß, was ich anziehen soll", gebe ich zu, als wir uns voneinander lösen. "Das habe ich bereits festgestellt", entgegnet Lucas grinsend und zeigt auf mein Handtuch, das sich langsam verabschiedet. Meine V-Linie ist beinahe komplett freigelegt und der Ansatz meines Penis' ist zu sehen. Mit knallroten Wangen und aufgerissenen Augen ziehe ich das Handtuch schnell wieder ein Stück hoch und halte es mit meinen Händen fest.

"Das ähm... das war nicht beabsichtigt", nuschle ich und fahre mir nervös durch die Haare, die nun nicht mehr ordentlich auf meinem Kopf liegen. - "Das habe ich mir schon gedacht. Aber mir hat trotzdem gefallen, was ich gesehen habe", sagt Lucas grinsend, was mich den Blick senken lässt. Seit wann bin ich denn so unterwürfig!? "Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich anziehen soll und dann.... naja dann habe ich die Zeit vergessen", gestehe ich und lächle vorsichtig. Lucas nickt verstehend und erwidert mein Lächeln. "Ist doch nicht schlimm. Ehrlich gesagt war ich mir selbst ziemlich unsicher und hatte selbst schon Bedenken, dass ich zu spät hier bin", gibt er zu und zuckt mit den Schultern. - "Keine Sorge, du siehst wirklich gut aus", entgegne ich, woraufhin Lucas sich verlegen auf die Unterlippe beißt und lächelt. Als durch das offene Fenster im Flur ein Luftzug durchweht, überkommt mich plötzlich eine Gänsehaut. Es ist zwar inzwischen Mai und damit wirklich angenehm warm draußen, aber um halbnackt hier zu stehen, ist es dann doch noch zu frisch.

"Na komm, wir suchen dir jetzt etwas zum Anziehen. Nicht dass du noch krank wirst", schlägt Lucas vor und läuft los in mein Schlafzimmer. Er war bereits mehrmals in meiner Wohnung, aber das war noch kurz nach... der Sache. Seitdem ist ein Jahr vergangen und er war nicht mehr hier. Ich folge ihm und sehe, wie er sich bereits die Klamotten anschaut, die auf meinem Bett liegen. "Hm, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass du in allem gut aussehen würdest", sagt Lucas nachdenklich. Ich senke lächelnd den Blick und schaue wieder auf meine Füße. Unsicher trete ich von einem Fuß auf den anderen. Als Lucas meinem Blick folgt, geht er schließlich an meinen Schrank, nachdem er mir einen fragenden Blick zugeworfen hat. Aber natürlich verbiete ich ihm nicht, meinen Schrank zu öffnen.

"Dann beginnen wir mal mit dem Leichtesten", sagt er und wirft mir ein Paar Adidassocken und eine Boxershort zu. Während Lucas sich wieder den Klamotten zuwendet, ziehe ich mir die Unterwäsche schnell an. Schließlich bemerke ich, wie er auf einmal einen Schritt zur Seite macht und Harrys Schrank öffnen will. Schnell eile ich zu ihm und halte seine Hände von dem Türgriff fern. "Nein, das... d-das sind nicht meine Klamotten", sage ich leise und schiebe Lucas vom Schrank weg. Er blickt fragend zwischen mir und den beiden Kleiderschränken hin und her, bis ihm schließlich auch die zwei Bettdecken und Kissen auffallen. Ich bemerke seinen traurigen Blick, als er mir wieder in die Augen sieht. "Du bist noch nicht so weit, oder?", flüstert er. Seine Kieferknochen stechen hervor, als Lucas seine Zähne fest aufeinander beißt.

Ich atme tief durch und schiebe einige Klamotten zur Seite, ehe ich Lucas'Hände nehme und ihn sanft zu mir aufs Bett ziehe. Als wir nebeneinander sitzen, fahre ich mir einmal über die Augen und seufze nervös. "Lucas, es ist... es ist kompliziert. I-ich..." Als ich nicht fortfahre, sondern stattdessen an der Bettdecke herumrupfe, blickt Lucas mich an. "Du brauchst nichts sagen, Louis. Ehrlich, ich verstehe das. Jeder Mensch braucht unterschiedlich lange, um seine Trauer zu überwinden und wenn du noch nicht so weit bist, dann nehme ich dir das doch auch nicht übel. Aber vielleicht... naja vielleicht bin ich auch einfach die falsche Person, verstehst du? Ich meine... es erinnert dich bestimmt jedes mal wieder daran, wenn du mich ansiehst. Wir waren damals zu spät. Ich mache mir immer wieder Vorwürfe, dass wir möglicherweise nicht alles versucht haben. Vielleicht würde Harry dann wieder bei dir sein."

Sofort unterbreche ich ihn. "Nein, das stimmt nicht!" Ich lege meine Hände auf seine und rücke etwas näher, sodass wir uns nun gegenüber sitzen und unsere Beine sich leicht berühren, was ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut auslöst. "Es war nicht eure Schuld, Lucas. Niemand von uns konnte etwas dafür. Was glaubst du, wie lange ich mir selbst Vorwürfe gemacht habe? Aber im Endeffekt kann ich nicht hellsehen. Natürlich hätte ich besser auf Harry Acht geben können, doch er ist... er war immernoch ein freier Mensch mit einem eigenen Willen. Ich hätte ihn ja nicht in meiner Wohnung einsperren können. Und... das mit seinen Sachen... ich hab es noch nicht übers Herz gebracht, seine Sachen wegzuräumen. Ich habe es einmal tun wollen, doch sobald der Karton vor mir stand und je mehr Dinge darin landeten, desto schwerer wurde es. Ich hatte das Gefühl, als würde ich Harry vergessen wollen. Doch genau das möchte ich nicht. Harry war... er war die Liebe meines Lebens. Selbst wenn ich eine andere Person je wieder so lieben kann, wie ihn... er wird trotzdem immer ein Teil von mir sein", erkläre ich und blicke auf meinen Ring. Eine ganze Weile ist es ruhig im Raum, bis ich plötzlich eine Regung verspüre und Lucas meine Hand mit seiner zu meinem Herzen führt, wo er sie dann darauf legt. "Du wirst Harry immer lieben, und das ist auch gut so. Doch glaub mir, du würdest ihn nicht vergessen, bloß weil du nicht mehr täglich seine Kleidung sehen würdest oder weil seine Bettwäsche nicht mehr dort läge. Harry ist doch immernoch hier drin". Lucas erhöht den Druck auf mein Herz etwas mehr, um seine Aussage zu bestätigen. "Aber ich dränge dich zu nichts. Wenn du noch nicht bereits für eine neue Person bist, dann verstehe ich das. Ein Jahr ist keine lange Zeit und wenn dir das so lieber ist... ich würde auf dich warten, denn du bist eine verdammt besondere Person und ich finde es gut, dass du die Menschen, die du liebst, nicht einfach mal schnell aus deinem Leben streichen kannst. Denn das zeigt mir, dass du wirklich jemand bist, der einen mit ganzem Herzen liebt. Wenn ich es nicht bin, dann ist es so, aber... aber bitte lass dir Zeit". Ich sehe Lucas mit großen Augen an und merke dadurch gar nicht, wie mir eine Träne entweicht. Der Brünette vor mir lächelt sanft und wischt sie mir mit seinem Daumen vorsichtig von der Wange.

Als ich mich immernoch nicht wirklich rühre, schließt Lucas fest seine Arme um mich, sodass ich mich an seine Brust kuscheln kann. Da ich immernoch halbnackt bin, spüre ich seinen warmen Atem angenehm auf meinem Rücken, wo auch seine großen Hände liegen. Und damit fasse ich einen Entschluss:
Ich werde diesem Mann eine Chance geben, mich in ihn zu verlieben. Damit betrüge ich Harry nicht, ich werde ihn immer weiter lieben, doch vielleicht ist in meinem Herzen noch Platz für Lucas.

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Bitte das Voten nicht vergessen😊

Was haltet ihr von Lucas?

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