Kapitel 86

"Wollen Sie vielleicht eben nach Ihrem Freund schauen? Er ist jetzt schon recht lange weg", überlegt Officer O'Brian. Tatsächlich sitzen er und ich jetzt bereits seit über zwanzig Minuten im Büro und warten auf Harry. Eigentlich wollte er ja nur einen Moment frische Luft schnappen. "Ja, ich hole ihn", sage ich und verlasse das Büro.

Ich gehe an der Theke vorbei an Officer Evans, der mich freundlich anlächelt. Draußen angekommen schaue ich mich suchend um, doch entdecke Harry nirgends. Ich kneife die Augen etwas zusammen und scanne die Umgebung vor der Tür ab, doch außer Menschen mit Regenschirmen ist niemand zu sehen. Verwirrt gehe ich wieder nach drinnen und überlege einen Moment. Dann gehe ich weiter zu den Männertoiletten. Vielleicht ist Harry ja hier. Doch- Fehlanzeige. Ich schaue in allen Klokabinen nach, doch bin alleine im Raum.
"Entschuldigung, haben Sie Mr. Styles gesehen?", frage ich Officer Evans. Dieser nickt und zeigt nach draußen. "Er ist vor circa 25 Minuten raus gegangen. Dort stand er eine Weile, bis er einen Anruf bekam. Er sah ziemlich blass aus. Auf alle Fälle ist er dann um die Ecke gegangen und bis jetzt kam er nicht wieder rein", erklärt er. Ich bedanke mich und gehe erneut vor die Tür. Ich befolge Evans' Tipp und laufe um das Gebäude herum, doch auch hier ist keine Spur von meinem Freund. Ich suche alles ab, jedoch ohne Erfolg. Hat Harry etwa so große Angst vor der Aussage, dass er abhaut?

Stirnrunzelnd gehe ich wieder zurück in O'Brians Büro. "Ich habe ihn nicht gefunden", sage ich knapp und ernte dafür einen verwirrten Blick. "Aber wo soll er denn sonst sein, wenn nicht draußen?", fragt er Polizist vor mir. Er steht auf, öffnet das Fenster und lässt seinen Blick suchend über das Gelände schweifen. Glaubt der etwa, ich bin blind? "Ich weiß nicht, vielleicht... vielleicht ist er nach Hause gegangen. Sie müssen wissen, er hatte große Angst vor diesem Gespräch, denn das was er Ihnen bis jetzt erzählt hat, war ja nur ein ganz kleiner Teil von all dem, was wirklich passiert ist", erkläre ich. Nachdenklich laufe ich durch den Raum. Wir warten noch eine ganze Weile, ob Harry vielleicht doch noch auftaucht. Irgendwann nehme ich dann mein Handy und wähle seine Nummer. Es tutet und tutet.

"Hallo, hier ist die Sprachbox von Harry Styles. Ich bin gerade leider nicht erreichbar. Wenn Sie wollen, können Sie eine Nachricht nach dem Piepton hinterlassen...."

- "Hey Schatz, ähm... Officer O'Brian und ich warten hier schon die ganze Zeit auf dich. Bitte melde dich bei mir. Ich fahre jetzt erstmal heim und dann können wir ja morgen nochmal hierher", sage ich und lege dann seufzend auf.

"Machen Sie sich keine Gedanken, Mr. Styles wartet bestimmt in Ihrer Wohnung auf Sie. Ich bin morgen noch den ganzen Tag hier im Büro, sie können dann jederzeit vorbeikommen", sagt der Kommisar. Ich reiche ihm zum Abschied die Hand und verlasse dann das Gebäude. Kaum bin ich draußen, bin ich auch schon bis auf die Knochen vollkommen durchnässt. Es schüttet wie aus Eimern und ich habe natürlich keinen Regenschirm dabei. Mit schlechter Laune stapfe ich durch die verregneten Straßen Londons. Wie heißt es so schön: Der April macht was er will. Genauso ist es und dass ich in einer Stadt wohne, in der es ohnehin fast immer regnet, macht es auch nicht besser. Als ich endlich an meiner Wohnung ankomme, habe ich eigentlich erwartet, dass ich Harry darin vorfinde.

"Harry?", rufe ich, als ich eintrete. Natürlich bekomme ich keine Antwort. Ich durchsuche alle Zimmer, doch er ist nicht hier. Dass ich dabei zahlreiche Pfützen auf dem Boden hinterlasse, ignoriere ich. Hier muss eh mal wieder geputzt werden. Erneut kontrolliere ich mein Handy, doch ich habe keine neuen Nachrichten erhalten. Mit einem komischen Gefühl gehe ich ins Badezimmer, stelle meinen Handyklingelton auf ganz laut und stelle mich dann unter die Dusche. Langsam merke ich die Kälte, die sich den Weg durch meinen Körper bahnt. Ich lasse eine Ewigkeit heißes Wasser auf mich herunter prasseln, ohne wirklich etwas davon zu spüren. Ich verstehe einfach nicht, wo Harry hin ist! Gerade hatte er sich getraut, auszusagen, da haut er einfach ohne ein weiteres Wort ab. Er hätte doch auch einfach fragen können, ob wir das Gespräch pausieren und morgen weiterführen können. Auch dass er nicht an sein Handy geht, ist merkwürdig. Normalerweise ist er eigentlich immer erreichbar.

Ich bin so tief in meinen Gedanken versunken, dass ich fast nicht mitbekomme, wie mein Handy klingelt. Sofort reiße ich die Duschtür auf, springe hinaus und rutsche auf dem glatten Fliesenboden aus. Ich knalle volle Kanne mit meinem Arsch auf den harten Boden. So eine scheiße aber auch! Ist mir denn heute gar nichts gegönnt?! Fluchend stehe ich auf, ignoriere dabei die Schmerzen und schnappe mir mein Handy.

"Harry?", frage ich atemlos.

Einen Moment lang höre ich nichts.

"Harry, bist du dran?"

- "Ich muss dich leider enttäuschen, ich bins nur", höre ich die Stimme meines besten Freundes. "Achso". Enttäuscht seufze ich auf und wische mit einem Handtuch die Pfütze vom Boden weg, die durch mich gerade entstanden ist. "Hast du Streit mit Harry? Ich dachte eigentlich, ich störe euch jetzt beim Knutschen oder so", sagt Niall.

"Nein, er... Niall, kannst du vorbeikommen?", frage ich niedergeschlagen. - "Jetzt?"

"Ja, bitte".

- "Ich bin in zehn Minuten bei dir", verspricht der Ire und legt auf.

~*~

Nach knappen 15 Minuten klingelt es an der Tür. Auch wenn ich weiß, dass es mit Sicherheit Niall ist, so habe ich trotzdem die Hoffnung, dass Harry davor steht. Eigentlich hat er zwar einen Schlüssel, doch diesen Fakt ignoriere ich. Vielleicht hat er ihn ja vergessen.

Umso enttäuschter bin ich, als wirklich nur der blonde Ire davor steht und mir zwei Pizza Kartons aus unserer Lieblingspizzaria entgegenstreckt. "Hey Niall", begrüße ich ihn niedergeschlagen, nehme die Pizzen ab und gehe schonmal voraus ins Wohnzimmer. "Hi. Wenn ich das mal so sagen darf, du siehst wirklich scheiße aus. Hast du dich mit Harry gestritten? Wo ist er überhaupt, ich dachte er wohnt jetzt hier?" Seufzend lasse ich mich auf die Couch fallen und stelle Niall und mir jeweils ein geöffnetes Bier hin. "Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Wir waren heute bei der Polizei...-"

-"Ehrlich? Das ist ja super! Und was haben die dort gesagt?", unterbricht mich Niall. Ich strecke ihm seine Pizza entgegen, damit er still ist. Tatsächlich beißt er genüsslich ab und hält den Mund.

"Also wir waren heute wie gesagt bei der Polizei. Harry ist sogar freiwillig mitgekommen, was ich echt nicht erwartete hatte. Er hat so große Angst, dass man ihm nicht glaubt. Dabei waren alle Polizisten echt freundlich. Harry hat angefangen, zu erzählen. Allerdings ist er nicht weit gekommen... Gerade als er mit Jack angefangen hat, wollte er eine Pause und an die frische Luft. Ich wollte ihn natürlich begleiten, doch er sagte nur, dass er einen Moment allein sein muss. Tja, und danach war er auf einmal verschwunden", erzähle ich. Niall runzelt die Stirn und wischt sich die fettigen Finger an einer Serviette ab. "Wie jetzt- verschwunden?", hakt er nach. Ich nicke und starre aus dem Fenster. "Ich wollte ihn wieder reinholen, doch der Polizist beim Eingang meinte nur, dass Harry einen Anruf bekam und verschwand. Ich erreiche ihn auf seinem Handy nicht und das Ganze ist jetzt schon ein paar Stunden her", erkläre ich besorgt. Draußen regnet es immernoch in Strömen. Harry wird sich den Tod holen, wenn er da so lange herumläuft. Außerdem ist er gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden. Eine Erkältung würde seinem Immunsystem enorm schaden, da dieses durch die Medikamente geschwächt werden musste, damit es meine Niere nicht abstößt.

"Und hast du keine Ahnung, wo er sein könnte?", fragt Niall, doch leider kann ich darauf nur den Kopf schütteln. Ich nehme mein Handy und schreibe Harry eine Nachricht, doch sie kommt nicht bei ihm an. Es wird nur ein graues Häckchen angezeigt. "Louis, mach dir nicht so viele Sorgen. Harry wird bestimmt nur einfach mal seine Ruhe brauchen, er wird hier bald wieder auftauchen. Spätestens heute Abend steht er vor der Tür und beschwert sich, warum du nichts gekocht hast". Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln. Tatsächlich könnte ich mit das gut vorstellen. Harry weiss zwar, dass ich nicht kochen kann und er hat sich damit abgefunden, aber dennoch zieht er mich damit immernoch gerne auf.

"Vielleicht hast du recht. Ich warte einfach mal bis heute Abend ab."

- "Genau. Und was hast du heute noch so vor?", fragt Niall. - "Später kommt noch der neue Schrank für Harry hier an. Den muss ich noch irgendwie aufbauen, aber kein Plan, wie das funktioniert", sage ich grinsend. Niall zieht die Augenbrauen hoch und lacht. "Lass mich raten: du fragst mich gerade indirekt, ob ich dir helfen kann?" Ich zucke bloss mit den Schultern und setze einen unschuldigen Blick auf. "Möglicherweise? Beste Freunde helfen sich doch gegenseitig", sage ich.
- "Oh man, ich frage mich ja immer wieder, wie du es eigentlich bisher geschafft hast, allein in deiner Wohnung zu überleben... du kannst weder kochen, noch gescheit putzen und ebenso wenig kannst du Schränke zusammenbauen".

Gerade als ich irgendetwas argumentieren möchte, klingelt es an der Tür.

Schnell springe ich los und reiße sie auf.

Vielleicht ist es ja Harry.

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Bitte das Voten nicht vergessen😊

Was meint ihr wo Harry sein könnte?👀

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