Kapitel 73

"Mr. Tomlinson? Können Sie mich hören?"

Ich versuche zu antworten, doch ich bin so unendlich müde, dass ich nicht die Kraft dazu habe. Meine Kehle ist staubtrocken, es kommt kein Ton heraus. "Louis?", höre ich eine weitere Stimme. "Warum antwortet er denn nicht?"

"Lassen Sie ihm einen Moment Zeit. Es ist nicht gut, wenn er sich jetzt stresst. Er hat genau wie Ihr Sohn eine anstrengende Operation hinter sich, da ist es normal, wenn es einen Augenblick dauert, bis er wieder komplett bei uns ist". Ich höre, dass es Dr. Carter ist, die spricht. Wenn sie Sohn sagt, dann war die Stimme, die nach mir gefragt hat, bestimmt Anne.

Aber Moment- wenn das Anne war, warum ist sie denn dann nicht bei ihrem Sohn, sondern bei mir- einem Kerl, den sie quasi nicht kennt? Heisst das- Nein bitte nicht. Das darf nicht sein. Ist Harry etwa gestorben?!

Ich setze mich ruckartig auf und reiße die Augen auf. Einen Moment sehe ich nichts, doch dann erkenne ich Anne und Dr. Carter, die an meinem Bett stehen. "Wo ist Harry?", krächze ich. Dass ich gerade unglaubliche Schmerzen in der Seite habe, ignoriere ich. "Mr. Tomlinson, legen Sie sich bitte wieder hin, sonst reißt die Naht", sagt Dr. Carter und will mich wieder in die liegende Position drücken. Ich schlage jedoch ihre Hände weg. "Lassen Sie mich! Ich habe gefragt, wo Harry ist!"

Anne tritt an meine Seite und legt mir beruhigend eine Hand auf die Schultern. "Es ist alles gut, Louis. Harry ist im Zimmer nebenan. Er hat die Operation überstanden. Du hast ihm das Leben gerettet", sagt sie und sieht mich dankbar an. Erleichtert lasse ich mich zurück ins Bett plumpsen. Gott sei Dank!

"Wie geht es denn Ihnen? Haben Sie starke Schmerzen? Oder möchten Sie etwas trinken?", fragt die Ärztin. - "Ich habe keine Schmerzen, aber ja ich habe Durst", sage ich. Anne reicht mir einen Becher Wasser, den ich gierig austrinke. "Wie spät ist es denn? Und welcher Tag ist überhaupt?", frage ich. Mein Zeitgefühl ist komplett weg. "Es ist Montagabend. Wir haben gleich zwanzig Uhr", sagt Anne.

Ich nicke dankend. "Und Harry... also... er wird auch wieder ganz gesund?", frage ich. Dr. Carter nickt. "Wenn sein Körper das Organ annimmt, stehen die Chancen sehr gut. Wir hätten keine Minute länger warten dürfen". Ich nicke erleichtert. "Kann ich zu ihm?", frage ich und gähne einmal herzhaft. Sowohl Anne als auch Dr. Carter müssen schmunzeln. "Das verschieben wir erstmal. Sie müssen sich noch ausruhen. Außerdem ist Mr. Styles noch nicht ausgewacht, vor morgen wird das also eher nichts, tut mir leid", erklärt Dr. Carter.

"Schade. Aber darf ich Sie beide vielleicht noch um etwas bitten?", frage ich. Beide Frauen sehen mich erwartend an. - "Ich ... ich möchte es Harry bitte selbst sagen. Also dass er meine Niere hat". - "Ganz wie Sie wollen. Organspenden laufen normalerweise ohnehin anonym ab. Sie sagen es ihm einfach, wenn Sie wollen und wenn nicht... dann eben nicht", schlägt Dr. Carter vor.

Ich nicke zufrieden und gähne erneut.  "Dann lassen wir Sie mal schlafen. Wenn etwas sein sollte, drücken Sie einfach den roten Knopf".

Anne lächelt mich noch einmal dankbar an und drückt meine Hand kurz. "Danke", flüstert sie und verlässt dann mit Dr. Carter den Raum.

Obwohl ich müde bin, kann ich jedoch trotzdem nicht einschlafen. Da ich nun weiß, dass Harry im Raum nebenan liegt, habe ich keine Ruhe mehr. Am liebsten würde ich gerade einfach zu ihm rübergehen, doch ich befürchte, dass das direkt nach einer Operation keine so gute Idee wäre.

Wie Harry wohl reagieren wird, wenn er erfährt, dass die Niere von mir ist?

~*~

Als ich am nächsten Morgen aufwache, sehe ich eine Krankenschwester, die neben mir steht und auf dem Monitor etwas einstellt. "Ah, Sie sind wach. Wie fühlen Sie sich?", begrüßt sie mich freundlich lächelnd. - "Erstaunlich gut. Ich habe auch keine Schmerzen", entgegne ich. - "Das ist schonmal sehr gut. Ich habe gerade die Schmerzmittel etwas reduziert, aber sollten die Schmerzen wieder zu stark auftauchen, drücken Sie auf den roten Knopf und ich ändere es wieder. Sie sollten nur nicht unnötig lange mit Medikamenten vollgepumpt werden", erklärt sie.

"Möchten Sie etwas essen? Leider kann ich Ihnen kein 5-Sterne-Frühstück anbieten, da Sie nach der Operation noch nicht so große Mengen essen dürfen. Ich hätte aber Weißbrot und Joghurt". Augenblicklich knurrt mein Magen, was die Krankenschwester zum Lachen bringt. "Dann hat sich meine Frage wohl erübrigt. Ich bringe Ihnen etwas", sagt sie. Kurz darauf erscheint sie wieder mit einem kleinen Tablett. Sie dreht den Tisch etwas und stellt es darauf. "Guten Appetit", wünscht sie mir. "Dankeschön", sage ich. Sie geht aus dem Zimmer und ich widme mich dem Essen.

Als ich gerade einen Schluck Tee nehme, klingelt mein Handy. Eine Nachricht von Harry trudelt ein.

Harry: Hallooooh, Lewisssss

Da scheint wohl bei jemandem noch die Narkose nachzuwirken. Belustigt lese ich auch die weiteren Nachrichten, die eintreffen.

Harry: wie gehtz diur

Harry: louiiiiieee

Harry: kommmst du heute?

Harry: also zu mirr?

Ich: Hey Schatz, wie geht's dir? Ich esse gerade und du? Ich schaue später mal vorbei.

Harry: supiii. Mir gehz prima. Bis dahann!

Ich lege mein Handy wieder weg und esse den Rest meines Frühstücks leer. Dann erhalte ich auf einmal einen Anruf von Niall.

"Hey Niall", begrüße ich ihn. - "Hi, sag mal wo bist du denn? Wolltest du nicht heute wieder in die Uni kommen? Sag bloß du bist bei Harry", überfällt er mich ungeduldig.

"Ähm... so in der Art?", entgegne ich vorsichtig.

"Das heißt?"

"Naja... es gab gestern einen Vorfall... Harrys Naht ist irgendwie aufgerissen und die Niere wurde beschädigt. Und..
Ähm... es kann eventuell sein, dass ich ihm eine Niere vermacht habe?"

Ich höre ein erschrockenes Geräusch durch mein Handy. "Du hast was?!"

"Niall, jetzt raste mal nicht so aus, es ist alles gut gegangen, sowohl bei mir als auch bei Harry. Anne und Gemma kamen als Spender beide nicht infrage und Eurotransplant hatte nichts Passendes da. Hätte ich Harry sterben lassen sollen?", frage ich ironisch.

- "Ähm.. nein, aber... das kam jetzt so plötzlich. Ich meine... wer weiß denn bis jetzt Bescheid?", fragt der blonde Ire. - "Bis jetzt nur du, Gemma und Anne. Ich habe ihnen gesagt, dass ich es Harry bei Gelegenheit selbst erklären möchte", erwidere ich.

"Wow, krass. Dann äh. Tja was sagt man da? Respekt? Glückwunsch?" Ich lache leicht, doch lasse es sofort wieder bleiben, da es an der Seite extrem zieht. "Du brauchst nichts sagen. Ich bin einfach nur froh, dass alles geklappt hat. Bis jetzt nimmt Harrys Körper die Niere anscheinend gut an. Er ist vorhin erst wach geworden, soweit ich weiß".

- "Man Louis. Was ihr alles an Drama in eurer Beziehung habt", seufzt Niall. - "Ich weiß. Ich bin auch nicht sonderlich stolz drauf aber ich habe Harry. Das ist alles was zählt", erkläre ich. - "Hach, ihr seid so süß".

Wir reden noch eine Weile, bis Niall schließlich wieder zurück in die Uni muss und wir uns voneinander verabschieden.

Kurz darauf kommt Dr. Carter in mein Zimmer. Sie untersucht die Naht und macht ein paar Notizen in meine Patientenakte. "Das sieht soweit alles gut aus. Sie können heute gegen Abend schon aufstehen und ein paar Schritte gehen, wenn Sie möchten", schlägt sie dann vor. Sofort nicke ich begeistert. "Und bevor Sie fragen: wenn ich ein Auge zudrücke, dürfen Sie auch zu Mr. Styles gehen. Aber bitte nicht zu lange". - "Alles klar, vielen Dank", sage ich zufrieden.

"Ich hätte jedoch mal eine Frage. Es geht mich vielleicht nichts an, da Mr. Styles und Sie beide volljährig sind. Allerdings möchte ich mich nicht verplappern. Sind Sie nun verlobt oder nicht? Und warum geht Mrs. Twist von einem Fahrradunfall aus?"

Ich schlucke und überlege einen Moment eine geeignete Ausrede, doch mir fällt keine ein. Es bleibt also nur die Wahrheit.

"Das... das ist etwas kompliziert. Harry und ich sind ein Paar, aber das weiß niemand aus seiner Familie, das hat private Gründe. Und seine Mum geht von einem Fahrradunfall aus, weil Harry ihr schlichtweg nicht die Wahrheit erzählen wollte. Zumindest noch nicht. Er wollte zuerst alles der Polizei erzählen und ich schätze mal danach seiner Familie... aber... dazu kam er ja nicht", sage ich und muss mich bemühen, nicht wieder an den schrecklichen Anblick gestern Mittag zu denken.

"Ich verstehe. Dann sind Sie also Mr. Styles'...-"

"... bester Freund, exakt", helfe ich ihr auf die Sprünge. Sie nickt verstehend und wendet sich dann zum Gehen. "Aber Sie stehen erst heute Nachmittag auf, ja?"

"Natürlich".

---
Bitte das Voten nicht vergessen😊

Was meint ihr, wird Harry sich darüber freuen, dass die Niere von Louis ist?🤔

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top