Kapitel 70

Als Harry sein Mittagessen erhält, schmeißt er mich schließlich raus. Seufzend mache ich mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Immer wieder halte ich Ausschau nach irgendwelchen Männern, die mich verfolgen, doch ich kann nichts Ungewöhnliches feststellen. Ich muss zugeben, auch wenn ich es mir vor Harry nicht so anmerken lassen will, ich bin mehr als beunruhigt. Wenn Jack schon sagt, dass seine Leute mich beobachten, dann glaube ich nicht, dass er schwindelt. Man hat ja gesehen, wozu dieses Monster im Stande ist. Er ist gefährlich und skrupellos. Nicht unbedingt die beste Mischung.

Als ich daheim bin, stelle ich einen Nudelauflauf, den ich schnell zubereitet habe (natürlich nach Harrys Rezept) in den Backofen. Während er bäckt, steige ich nochmal unter die Dusche, um den Krankenhausgeruch loszuwerden. Und auch wenn ich Harrys Klamotten liebe, aber meine eigenen sind mir dann doch lieber. Ich bin eben ein Gewohnheitstier. Mit einem Blick auf mein Bett läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, dass Harry am Dienstag noch hier lag und ohnmächtig war und ich es einfach nicht wahrgenommen habe.

Ich wechsle das Bettlaken, da Harrys Verletzungen etwas darauf abgefärbt haben und werfe dieses mitsamt Harrys geliehenen Klamotten von heute in die Waschmaschine. Dann reiße ich ein paar Fenster auf, um frische Luft reinzulassen und entferne sämtliche Plastikverpackungen, die die Sanitäter am Dienstag liegengelassen haben. Gerade als ich mich zum Essen auf die Couch gesetzt habe, klingelt mein Handy. Genervt stöhne ich, halte aber inne als ich sehe, dass der Anrufer mein Freund ist. Fuck. Vielleicht ist es das Krankenhaus. Ist Harry vielleicht etwas passiert??? In meinem Kopf spinnen sich gerade sämtliche Gedanken zusammen.

Schnell knalle ich den Teller mit dem Nudelauflauf auf den Tisch und kralle mein Handy. "Ist was mit Harry?", frage ich atemlos. Einen Moment herrscht Stille. "Wiebitte?", höre ich dann die Stimme meines Freundes. Erleichtert atme ich aus. "Man Hazza, du hast mir einen Schrecken eingejagt! Ich dachte schon, das wäre das Krankenhaus!" Harry stößt geräuschvoll Luft aus. "Fuck nein. Ich wollte dir nur etwas erzählen und dich etwas fragen. Was möchtest du zuerst hören?".

- "Das was du mir erzählen möchtest", entgegne ich und stopfe mir eine Portion Nudelauflauf in den Mund.

Harry möchte gerade anfangen, da stockt er plötzlich. "Du hast gekocht?", fragt er erstaunt. - "Ja, stell dir vor. Ich habe Nudelauflauf gemacht. Und bevor du nach einem Beweisfoto fragst, ich nehme dir eine Portion mit, wenn ich wieder zu dir komme. Immerhin darfst du jetzt wieder feste Nahrung zu dir nehmen", sage ich grinsend. Harry nimmt den Vorschlag begeistert an, das Krankenhausessen scheint ihn wohl nicht so vom Hocker zu hauen. "Aber gut, was ich eigentlich sagen wollte: morgen Mittag kommt die Polizei zu mir. Sie wollen mich befragen. Ich weiss nicht ob du Zeit hast, aber meinst du, du könntest dabei sein?", fragt er. - "Klar. Das brauchst du nicht erst zu fragen. Ich lass dich nicht allein", nuschle ich mit vollem Mund. - "Super danke. Ich weiß nicht, ob ich das allein so... durchstehen könnte... mit fremden Menschen". Ich gebe einen verstehenden Laut von mir. "Und jetzt zu meiner Frage. Ich wollte sie dir schon viel eher stellen, aber ich kam nie wirklich dazu, also: warum bist du auf einmal mein Verlobter? Habe ich etwas verpasst?", fragt er. Ich höre förmlich sein Grinsen durch den Lautsprecher meines Handys.

Ich dagegen könnte schwören, dass meine Wangen gerade eine rote Farbe angenommen haben. Krass was Harry mit mit anstellt. Früher bin ich nie wegen irgendetwas rot geworden.

"Naja... es kann eventuell sein, dass ich mich als dein Verlobter ausgegeben habe, um am Dienstag zu dir gelassen zu werden", gebe ich zu. Harry kichert leise und bringt mich durch dieses wunderschöne Geräusch zum Lächeln. "Ach jetzt verstehe ich. Ich habe mich die ganze Zeit schon gewundert. Ich muss zugeben, der Gedanke gefällt mir irgendwie", sagt er, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass der zweite Teil nicht für mich gedacht war. "Ich verspreche dir, Schatz, irgendwann bekommst du einen Antrag von mir, der sich gewaschen hat. Mit allem drum und dran", sage ich grinsend und erhalte ein zustimmendes Geräusch von der anderen Leitung. "Das will ich doch hoffen", meint Harry.

"Aber nimm es mir nicht übel, ich werde jetzt auflegen. Ich will ein bisschen schlafen", gesteht er. - "Alles klar. Dann sehen wir uns morgen? Ich komme dann mittags zu dir ja?"

"Ja, das wäre super. Bis morgen, Lou. Ich liebe dich". - "Ich liebe dich auch. Pass auf dich auf".

~*~

"Hey Louis, schön dich mal wieder zu sehen", werde ich von Liam begrüßt, als ich ihm am nächsten Morgen auf dem Weg zur Tube begegne. - "Wir haben uns bloß fünf Tage nicht gesehen", gebe ich lachend zurück.

"Ist mir doch egal. Erzähl mal, wie geht es Harry?", fragt er mich. Liam wendet sich kurz ab um Zayn einen Kuss zu geben, der sich neben uns setzt, da wir mittlerweile in der Tube sind. "Hi Louis", sagt Zayn.

Ich hebe grüßend die Hand und erzähle dann beiden von den Geschehnissen der letzten paar Tage. Auch sie sind mehr als geschockt, als sie erfahren, was Jack alles getan hat. "Harry wird doch hoffentlich endlich zur Polizei gehen, oder?", fragt Liam, als ich fertig bin und sie auch über Harrys Gesundheitszustand aufgeklärt habe. Ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Heute Mittag gehe ich zu ihm, da wohl zwei Polizisten zu Harry kommen und ihn befragen wollen. Ich werde dabei sein also wüsste ich nicht, warum Harry nicht die Wahrheit erzählen sollte", sage ich nachdenklich.

"Hoffentlich macht er das. Jack gehört endlich weggesperrt. Das merkt doch jeder Blinde, dass Harry nicht freiwillig in irgendeiner Sekte oder sonst was ist", entgegnet Zayn empört. Ich nicke nur. Es ist ja genau meine Meinung, aber teilt Harry diese auch?

"Wann können wir ihn denn mal besuchen?", fragt Liam, während wir aus der Tube aussteigen und zur Uni laufen. "Diese Woche sollte es denke ich schon gehen. Bisher waren nur seine Mum und ich bei ihm. Ich kann heute mal nachfragen, wenn ihr wollt", schlage ich vor und erhalte zustimmendes Nicken von dem Pärchen neben mir. "Aber mal was Anderes: du hast seine Mum kennengelernt?", hakt Liam nach und umschlingt Zayns Finger mit seinen. Ich muss zugeben, die beiden sind wirklich ein verdammt Schönes Paar. Ich habe noch nie mitbekommen, dass sie sich gestritten haben.

"Ja durch Niall. Vor Anne bin ich allerdings nur der beste Freund. Ich glaube nicht, dass sie etwas ahnt. Sie weiß auch nur, dass Harry angeblich einen Fahrradunfall hatte. Und dann ist mir aufgefallen, dass ich Harrys Stiefvater sogar mehr oder weniger kenne. Leider. Ich musste ihn mal im Restaurant bedienen", erkläre ich.

"Um Gottes Willen", stößt Liam aus. - "Ja das kannst du laut sagen", sage ich und seufze laut. Schließlich trifft Niall vor der Uni auf uns und umarmt mich fest. "Hey Kumpel", begrüßt er mich.

Auch ihm erzähle ich die neusten Informationen über Harry, die er nicht ohnehin schon wusste. "Ich finde allerdings komisch, dass Harrys Schwester ihn gar nicht besuchen kommt", fällt mir auf einmal auf. - "Anne hat mir erzählt, dass Gemma momentan im Urlaub ist. Sie ist Kinderärztin in dem Krankenhaus, in dem auch Anne arbeitet. Sie wird Harry denke ich mal demnächst anrufen", erzählt Niall.

Schließlich trennen sich unsere Wege und ich laufe zu dem Hörsaal, in dem gleich die Vorlesung stattfindet. Als ich auf einem Platz sitze, reicht Nate mir ein paar Blätter. Ich sehe, dass es die Notizen der vergangenen zwei Tage sind und gebe ihm zum Dank einen Schokoriegel, den ich in meinem Rucksack habe. Immerhin eine Sorge weniger, ich hatte mir nämlich schon überlegt, wie viel ich verpasst hatte. Jetzt muss ich nurnoch Willy und Tommy klarmachen, dass ich am Freitag mal wieder nicht zur Arbeit erscheinen werde. Eigentlich war diese Woche fest ausgemacht, da ich die letzte Zeit quasi Urlaub auf unbestimmte Zeit hatte. Mir war es einfach alles ein wenig zu stressig. Seufzend nehme ich mir vor, Willy später anzurufen und ihm abzusagen.

Die Vorlesung zieht sich mal wieder wie Kaugummi. Man wir sehr habe ich das vermisst. Nicht.

Als dann endlich Mittag ist, fahre ich zu meiner Wohnung und esse noch etwas. Dann gebe ich eine kleine Portion des Nudelauflaufs von gestern in eine Dose für Harry. Vorsichtshalber packe ich mir in meinen Rucksack mal noch ein paar Klamotten, falls ich die ganze Nacht bei Harry bleibe.

Glücklicherweise vergeht die Fahrt zum Krankenhaus recht schnell und es dauert nicht lange, da stehe ich im Eingangsbereich. Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es 12:36 Uhr ist. Die Polizei wird denke ich auch bald hier aufkreuzen.

Gerade als ich durch die Tür gehe, werde ich unsanft zur Seite gestoßen, sodass ich gegen die Wand knalle. "Gehts noch?!", brülle ich der Person hinterher, doch ich sehe den Kerl nur kurz, bis er um die nächste Ecke verschwindet. Kopfschüttelnd wische ich den Dreck von meiner Jacke und betrete das Krankenhaus. "So ein Arschloch", fluche ich leise vor mich hin. Man hätte sich ja wenigstens entschuldigen können. Ich gehe den Gang entlang, fahre mit dem Fahrstuhl ein Stockwerk nach oben und bin schließlich fast bei dem Zimmer meines Freundes angelangt. Plötzlich öffnet sich seine Zimmertür und ein gespenstisch weißer Harry steht vor mir. Er steht etwas gebückt und hält die Arme vor seinem Bauch umklammert. Er starrt mich mit riesen Augen an. "Harry, du sollst doch liegen bleiben", sage ich und gehe auf ihn zu. Plötzlich schluckt er einmal schwer, seine Augen verdrehen sich und er knallt auf den Boden.

Erschrocken renne ich zu ihm. "Harry, was ist los?!" Ich gebe ihm einen Klapps auf die Wange. "Baby, antworte mir doch!", rufe ich angsterfüllte. Als Harry komplett das Bewusstsein verliert, gleiten seine Arme von seinem Bauch und ich stoße einen erschrockenen Laut aus. Durch sein Shirt sickert eine Menge Blut durch, welches schließlich auf den Boden läuft und sich dort zu einer Pfütze bildet. "HILFE!", schreie ich hysterisch. In dem Moment kommen ein Arzt und zwei Krankenschwestern den Gang entlang gerannt und knien sich neben uns.

Mittlerweile laufen mir die Tränen in Strömen die Wangen herunter und ich lege Harrys Kopf in meinen Schoß. Ich nehme nicht mal wahr, was die Ärzte um mich herum machen, ich habe nur einen Gedanken: Harry darf nicht sterben. Ich streiche ihm ununterbrochen durch die Haare. "Bitte Baby, halt durch. Ich brauch dich doch noch!", schluchze ich. Die Ärzte legen einen Zugang und spritzen ihm etwas. Dann zerschneiden sie sein Shirt und ich habe das Gefühl, ich muss mich übergeben.

Seine Naht am Bauch wurde anscheinend gewaltvoll aufgerissen. Die Wunde blutet stark hat sich durch einen glatten Schnitt, vermutlich durch ein Messer, deutlich vergrößert.

Plötzlich verkrampft sich Harry, die Ärzte rufen Dinge, die ich nicht verstehe und verfrachten meinen Freund auf eine Trage. Ich lasse seine Hand nicht los, während wie zum Operationssaal rennen. Unterwegs tastet ein Arzt seine Seite ab. Und dann höre ich auf einmal etwas, was mein Herz beinahe stehen lässt:

"Seine Niere wurde beschädigt".

---
Bitte das Voten nicht vergessen😶

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top