Kapitel 6
Als ich am nächsten Morgen aufwache, spüre ich als erstes die Schmerzen in meinem Fuß. Jim hat mir gestern noch eine Nachricht geschrieben und mir geraten, meinen Knöchel zu kühlen und eine Sportsalbe drauf zu schmieren. Ich befürchte allerdings, dass das nicht viel gebracht hat. Ich schnappe mir mein Handy und rufe bei meinem Hausarzt an. Er hat heute Nachmittag noch einen Termin frei, ich muss also nicht einmal einen Kurs in der Uni schwänzen, sondern kann von dort aus direkt in die Praxis fahren.
Hunger habe ich heute nicht wirklich, und da ich ohnehin schon ein bisschen spät dran bin, gehe ich schnell ins Bad und ziehe mich anschließend um. Kurz überlege ich aber nehme mir dann doch schnell einen Müsliriegel für unterwegs. Dann schnappe ich mir meinen Rucksack und ein neues Kühlpad und möchte mich gerade auf den Weg zur Tube machen, als ich eine Nachricht erhalte. Mit einem Blick auf mein Handy sehe ich Nialls Namen:
Niall: Ich fahre heute mit dem Auto. Soll ich dich mitnehmen?
Ich: Ja gern. Wann bist du dann hier?
Niall: 10 Minuten
Der Tag startet wirklich gut. Wobei ich sagen muss, dass die Dienstage immer ziemlich entspannt sind, weil ich da nichts vor habe. Gut, heute muss ich ja zum Arzt, aber selbst das kann mir meine Laune nicht verderben. Kurz darauf höre ich die Hupe eines Autos vor der Tür. Ich nehme mir meine Sachen, gehe raus und steige zu Niall ins Auto. "Morgen. Wie kommts, dass du mal mit dem Auto unterwegs bist?", frage ich ihn. -"Paul hat mir gestern noch geschrieben und gemeint, dass du dich beim Training verletzt hast. Da dachte ich mir, dass ich meinen besten Freund halt mal mit dem Auto mitnehme".
Ich grinse ihn dankbar an. "Ja, ich hab dir ja von dem Neuen erzählt. Wegen ihm bin ich gestern an so eine Eisenstange geknallt und jetzt ist alles blau und angeschwollen, aber ich gehe heute zum Arzt", erkläre ich ihm. -"Oh scheiße...Schreib mir dann mal, was er gesagt hat", bittet Niall mich. -"Klar, mach ich."
"Wie ist der Neue denn überhaupt so?", fragt er mich jetzt neugierig. -"Keine Ahnung, was ich von ihm halten soll. Er ist arrogant, reich und er schwimmt leider genauso schnell wie ich". Niall lacht nur laut los. "Lass mich raten: Du kannst ihn deswegen nicht leiden, weil er gut schwimmen kann? Man Louis, du wirst schon nicht aus dem Team geschmissen!" -"Weiß mans? Und außerdem ist es doch Harry's Schuld, dass ich verletzt bin!" Niall stutzt kurz und wirft mir einen kurzen Blick zu, ehe er wieder auf die Straße schaut. "Sein Name ist Harry?", fragt er mich dann. -"Ja, wieso? Kennst du ihn?"
"Ja, er ist der Junge, dem ich die Uni zeigen sollte. Ich hab ihn dann gestern Nachmittag das erste Mal gesehen aber ich muss sagen, er kam mir eigentlich nicht arrogant rüber. Im Gegenteil: Er war wirklich sympathisch". Ich verdrehe die Augen und entgegne nur sarkastisch:"Schön, dann heirate ihn doch!"
"Man Louis. Jetzt warte doch erstmal ab, ihr werdet euch bestimmt gut verstehen", rät er mir zuversichtlich. Ich dagegen seufze nur und sage nichts mehr dazu, da Niall gerade auf den Parkplatz der Uni fährt. Ich bedanke mich kurz bei ihm fürs Mitnehmen und wir verabreden uns zum Mittagessen in der Cafeteria. Anschließend humple ich zu dem Unterrichtszimmer, wo ich einen Stuhl gegenüber von mir aufstelle und meinen Fuß darauf lege. Danach wickle ich noch das Kühlpad, das ich mir mitgenommen habe, herum.
Während der Professor anfängt, kann ich mich jedoch mal wieder kaum konzentrieren. In Gedanken bin ich ständig beim Training. Harry sah wirklich geschockt aus, als ich mich seinetwegen verletzt habe. Vielleicht hat er das ja doch nicht mit Absicht gemacht. Und danach war er ja total fürsorglich und hat mir was zum Kühlen gebracht. Okay, seine Massage war auch nicht gerade unangenehm. Ich habe mich wirklich wie ganz weit weg gefühlt, so als wären Harry und vor allem auch seine Berührungen nicht real. Irgendwie hat-
"Mr. Tomlinson! Wenn sie meinem Unterricht schon nicht zuhören, würde ich es trotzdem äußert nett finden, wenn Sie wenigstens die Augen aufmachen könnten. Denn falls Sie es nicht mitbekommen haben, ich fragte gerade in die Runde, wer denn alles seinen Laptop dabei hat, und wie Sie sehen, melden sich alle Studenten hier in diesem Raum. Und ihr Laptop liegt ja wohl vor Ihnen oder irre ich mich?", unterbricht mich plötzlich die Stimme des Professors. Alle anderen lachen, während ich dagegen knallrot im Gesicht werde. "Tut mir leid. Aber ja, ich habe meinen Laptop auch dabei", murmle ich. Die restliche Stunde bemühe ich mich, dem Unterricht zu folgen, da uns ein Programm gezeigt wird und ich da wirklich aufpassen muss.
Als die Stunde endlich vorbei ist, schnappe ich mir meinen Rucksack und laufe in Richtung Cafeteria. Plötzlich werde ich von hinten angerempelt, sodass ich gegen die Wand rechts von mir klatsche und mein Laptop sich auf dem Boden wiederfindet. "Man kannst du mal aufpassen? Heb mir gefälligst meinen Laptop wieder auf!", fahre ich den Jungen an. Er dreht sich zu mir herum und - FUCK. Ich schlucke, als ich in die smaragdgrünen Augen schaue. "Bist du eigentlich blind?! Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass du mich über den Haufen rennst!", füge ich noch hinzu, als ich meine Stimme wiedergefunden habe. Jedoch sieht Harry nicht weniger geschockt aus wie ich. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein...
Er bückt sich nur und hebt meinen Laptop wieder auf. Wenn er den ruiniert hat, dann ist die Hölle los, das kann ich ihm garantieren. "Weisst du, du könntest dich ja wenigstens mal entschuldigen!", sage ich noch und reisse ihm meinen Laptop aus den Händen. Dann drehe ich mich um und humple davon. Der kann mich mal mit seiner scheiß Art. Erst ist Harry nett und hilfsbereit und im nächsten Moment verhält er sich wie ein Elefant im Porzellanladen.
In der Mensa angekommen setze ich mich wieder an meinen Stammplatz. Ich habe mir vorhin in der Pause etwas beim Bäckerstand neben der Uni geholt, da ich noch Nudeln von gestern für heute Abend übrig habe und zweimal am Tag brauche ich nicht eine richtige Mahlzeit. Kurz nachdem ich angefangen habe, zu essen, kommen Zayn und Liam auf mich zu. "Hey Louis, na wie geht's dir? Ich hab schon von Niall gehört, was gestern im Training passiert ist. Soll ich dir was zu Essen mitnehmen? Dann musst du dich nicht extra an der Theke anstellen", begrüßt mich Liam. Ich lächle und hebe meine Bäckertüte hoch:"Alles gut, danke. Ich hab mir vorhin was geholt". Die beiden nicken und stellen sich an der Essensschlange an.
Auf einmal spüre ich einen starken Schmerz. Ich beiße kurz die Zähne zusammen und schaue dann auf. Ich raste gleich aus! "Sag mal, machst du das eigentlich mit Absicht?!?", fahre ich Harry an, der seinen verf*ckten Rucksack gegen meinen Knöchel gehauen hat, als er ihn auf den Boden stellte. "Hast du irgendwie vor, meinen Fuß so zu ruinieren, dass ich aus dem Team fliege?!" Ich kneife wütend die Augen zusammen und funkle ihn an. Als er immernoch nichts erwidert, reicht es mir. Ich springe auf und packe ihn am Kragen. Dass er einen halben Kopf größer ist, als ich, interessiert mich dabei eher weniger. Während er versucht, sich zu befreien, zische ich ihm zu:"Entweder du entschuldigst dich jetzt bei mir, oder zu ziehst Leine! Und wehe du rempelst mich noch ein mal an oder berührst mich auch nur mit deinen dreckigen Pfoten!"
"Louis! Jetzt lass ihn endlich los!", höre ich Niall. Ich werfe Harry noch einen bösen Blick zu, bevor er meine Hände von seinem Kragen reißt. Niall wirft mir einen verständnislosen Blick zu. "Wegen dem Idiot hier habe ich mich gestern verletzt, vorhin drückt er mich an die Wand und schmeißt meinen Laptop runter und jetzt haut er mir auch noch seinen verfickten Rucksack an meinen Knöchel!", erkläre ich ihm meine Handlung. "Man das war doch nicht mit Absicht! Was kann ich denn dafür, wenn du immer im Weg stehst? Und außerdem übersieht man dich auch schnell", sagt Harry jetzt allen Ernstes zu mir. Ich glaube, ich spinne. Jetzt beleidigt er mich etwa auch noch??? Ich hasse ihn.
"Jungs, jetzt beruhigt euch mal wieder. Harry, du entschuldigst dich bei Louis und du-" Niall wendet sich mir zu -"du setzt dich jetzt hin, isst deine scheiß Brezel weiter und kommst mal wieder ein bisschen runter", weist er uns zurecht. "Das wird mir doch jetzt zu blöd. Ich esse lieber woanders. Viel Vergnügen noch!", entgegne ich nur, packe meinen Rucksack und gehe in Richtung Ausgang. Dort angekommen atme ich kurz durch, bevor ich wieder umdrehe und zurück zum Tisch humple. "Weisst du was, Harry? Das sehe ich gar nicht ein! Das hier ist unser Stammplatz und du hast hier nichts verloren. Statt mir wirst du jetzt gefälligst deinen Arsch hier raus bewegen", fauche ich ihn an.
"Wenn das so ist, dann solltet ihr vielleicht einfach beide gehen! Ich habe Harry hier mit her genommen, weil ich ihm die Uni zeigen sollte und weil ich dann in Ruhe essen wollte. Und zwar nicht mit irgendwelchen spätpubertierenden Idioten, die sich anzicken", mischt Niall sich ein. Harry und ich schauen ihn beide etwas sprachlos an. Mein bester Freund ist normalerweise ein Mensch, der nicht aus der Ruhe zu bringen ist. Dass er jetzt so laut wird, hätte ich nicht erwartet. Harry schaut mich kurz von der Seite an, ehe er mir meinen Rucksack abnimmt und ihn neben meinen Platz auf den Boden stellt. Dann streckt er mir die Hand hin.
"Louis, es tut mir leid, dass ich so blöd war. Und ja du hast Recht, ich hätte besser aufpassen sollen", sagt er und schaut mich dabei mit seinen grünen Augen an. Ich zögere kurz und greife dann seine Hand. "Ja okay, ich hätte auch nicht gleich so ausrasten sollen. Tut mir leid", entgegne ich, wenn auch immernoch etwas widerwillig. "Frieden?", fragt Harry zögerlich. Ich sehe zu Niall, der mir aufmunternd zunickt. "Waffenstillstand", gebe ich zurück und ziehe meine Hand wieder aus Harry's. Wir müssen ja nicht gleich übertreiben. Als ich mich auf meinen Stuhl setze, werfe ich einen Blick zu Niall, der jetzt auch wieder ruhiger aussieht. Harry setzt sich mir gegenüber und kurz darauf kommen auch Liam und Zayn zurück. Sie haben von den letzten Minuten hier zum Glück nichts mitbekommen.
Niall stellt ihnen Harry kurz vor, bevor wir uns alle endlich unserem Essen widmen. Trotzdem sehe ich, wie Harry mir einen fragenden Blick zuwirft. Ich sehe ihn an und er deutet auf seinen Stuhl, auf dem er sitzt. Im ersten Moment weiß ich nicht so recht, was er von mir will, bis ich dann verstehe dass er mir anbietet, dass ich meinen Fuß neben ihn auf den Stuhl legen kann. Ich nicke leicht zögerlich und er rutscht mit seinem Hintern ein Stückchen an den Rand des Stuhls, sodass ich Platz habe. Ich hebe mein Bein an und lege meinen Fuß auf die Sitzfläche. Ich sehe, dass Harry meinen blitzblauen Knöchel mustert. Wenn mich nicht alles täuscht, sieht er sogar etwas schuldbewusst aus? Okay, nein. Das bilde ich mir bestimmt nur ein. Wie gesagt, wir müssen ja nicht gleich übertreiben.
Bevor ich etwas sagen kann, merke ich, wie Harry seine Hand an meinen Knöchel legt und diesen wieder sanft massiert. Ich zucke leicht zusammen und werfe einen Blick in die Runde. Muss ja niemand sehen, was Harry macht. Bevor ich jedoch etwas Falsches sage, stecke ich mir schnell ein Stückchen Brezel in den Mund. Ich sehe zu meinem Gegenüber, welcher leicht schmunzelt und seinen Blick dann von mir abwendet. Ich versuche, dem Gespräch meiner Freunde zu folgen, aber Harry's Hände hindern mich daran. Seine Massage fühlt sich so gut an...
Zugegeben, normalerweise wäre er der Letzte, der das dürfte, aber was soll ich machen? Er ist ja schließlich schuld daran, dass ich verletzt bin. Als plötzlich eine Hand vor meinem Gesicht herumwedelt, zucke ich erneut zusammen. "Louis?", höre ich Niall sagen und sehe ihn verwirrt an. "Was ist denn?", frage ich. "Wo warst du mit deinen Gedanken? Ich habe dich gefragt, wie du heute zum Arzt kommst", erklärt er mir lachend. Da ich keine Lust habe, auf seine erste Frage einzugehen, entgegne ihm ihm:"Mit der Tube, wie denn sonst?"
Er nickt, bevor er sagt:"Ich würde dich ja gerne fahren, aber ich hab noch eine Vorlesung heute Nachmittag". Niall ist eindeutig zu gut für mich. "Alles gut, mit der Tube komme ich ja gut dahin", erkläre ich. "Soll ich dich fahren? Ich habe heute Nachmittag frei", mischt sich auf einmal Harry ein. Er nimmt seine Hand von meinem Knöchel weg und bückt sich zu seinem Rucksack hinunter, wobei er sich über mein Bein beugen muss. Dabei liegt seine Brust leicht auf meinem Bein, woraufhin ich wieder das Gefühl habe, als würden mich Tausende von Nadeln piksen. Es fühlt sich jedoch komischerweise nicht unangenehm an- im Gegenteil.
Entsetzt von diesem Gefühl räuspere ich mich und ziehe meinen Fuß möglichst unauffällig vom Stuhl. Harry setzt sich wieder auf und sieht mich verwundert an. Ich umgehe seinen Blick und schaue auf den Tisch. Nach einem kurzen Moment greift er das Gespräch wieder auf:"Ich habe gerade nachgeschaut. Mein Vater hat mir geschrieben, dass er unser Auto heute nicht braucht. Ich könnte dich also fahren, wenn du willst". Ich schaue ihn verwundert an, ehe ich merke, dass Niall mich mit seinem Ellenbogen leicht pikt, damit ich endlich antworte. Ich räuspere mich erneut und sage dann:"Also wenn das keine Umstände macht..."
"Macht es nicht, ich habe heute sowieso nichts zu tun". Er reißt einen Fetzen einer Serviette vom Tisch ab und zückt einen Stift. Kurz darauf reicht er mir den Zettel und ich sehe eine Handynummer darauf. "Schreib mir einfach deine Adresse und die deines Arztes. Ach ja und wann du da sein musst".
Ich nicke nur und stecke den Zettel in meine Jackentasche.
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