Kapitel 5
Nachdem ich von der Tube nach Hause gelaufen bin, koche ich mir nocheinmal schnell ein paar Nudeln ab, die ich dann mit Ketchup esse. Nicht unbedingt das Beste und Gesündeste aber was solls- es geht eben am schnellsten. Während ich esse, setze ich mich vor den Fernseher, aber wirklich etwas Bestimmtes schaue ich nicht. Ich bin die ganze Zeit so gespannt, wie der neue Typ aus dem Training so ist.
Als ich fertig bin, ist es auch schon Spätnachmittag. Ich hole meine Tasche mit meinem Schwimmzeug drin und laufe wieder Richtung Tube. Zum Glück ist die Schwimmhalle nicht weit weg, sondern nur ein paar Stationen weiter. Dort angekommen sehe ich schon Jim vor dem Eingangsbereich stehen und rauchen. Ich frag mich manchmal echt, wie so jemand eigentlich Schwimmlehrer sein kann. Es ist zwar nicht so, dass ich noch nie an einer Zigarette gezogen habe, aber Kettenraucher bin ich zumindest nicht.
"Hey Louis! Na, freust du dich auf deinen neuen Teamkollegen?", begrüßt mich Jim, als er mich auch entdeckt hat. "Naja geht so. Wieso genau soll er jetzt überhaupt dabei sein?", erwidere ich unbewusst etwas gereizt. "Paul will das Team verlassen. Er und seine Familie ziehen nach Amerika und da kann er ja logischerweise nicht mehr zum Training kommen", erklärt mir Jim, "aber der Neue ist soweit ganz okay, also soweit ich das jetzt einschätzen kann".- "Achso okay. Paul wird echt fehlen", sage ich etwas nachdenklich. Mit Paul habe ich mich eigentlich immer recht gut verstanden. Er ist zwar etwas ruhiger als die anderen Jungen, aber trotzdem nett und ein guter Schwimmer.
"Jetzt mach dir mal nicht so viele Gedanken. Du bist immernoch der Beste aus dem Team und das wird auch so bleiben", rät mir mein Trainer.
Er hat gut Reden. Es wäre nicht das Erste mal, dass einer der anderen Jungen aus dem Team geschmissen wird, bloß weil ein Neuer da ist. Auch wenn ich das momentan eher nicht vermute, weil ja demnächst das Turnier ansteht, aber danach wäre das schon möglich. Mit dem Neuen sind wir nämlich eine ungerade Zahl und mit einem weniger sähe das Ganze optisch einfach besser aus. Das Team gegen das wir antreten, sind allerdings auch 11 Leute, genauso wie wir. Ich schätze, dass Jim genau deswegen für das Turnier jemanden dazugewählt hat.
"Naja, danke. Bis gleich", sage ich noch zu ihm und gehe Richtung Umkleiden. Ich bin mal wieder der Erste, aber ich hab es lieber, wenn ich mir mehr Zeit lassen kann beim Umziehen. Außerdem ist es sonst recht eng in dem Raum, mir reicht es schon, mich nach dem Training mit allen hier rein zu quetschen. Als ich in die Halle gehe, springe ich direkt ins Wasser und fange an, ein paar Runden zu schwimmen, bis die anderen kommen. Kurz darauf höre ich laute Stimmen und muss schmunzeln. Die Jungs sind immer so laut, dass sie alles andere übertönen. Ein Grund mehr also, immer früher hier zu sein.
Als ich aus dem Wasser steige, sehe ich die Anderen auch schon um die Ecke kommen. Aber noch ist der Neue komischerweise nicht dabei. Seltsam. Warscheinlich ist das echt so ein Schnösel, der auch noch eine eigene Umkleide hier reserviert hat. Aber egal, mir solls recht sein. Ein Arsch weniger, der sich beim Umziehen an mich quetscht.
Als die Jungs alle da sind sehe ich auch Paul. "Man Paul, ich hab gehört, du verlässt uns?!", frage ich ihn. "Hallo auch, Louis", erwidert er belustigt,"aber ja, in ein paar Wochen geht's auf nach New York".
"Krass! Ich denke mal wegen deinem Vater, oder?", frage ich ihn. "Ja, Dad wurde dorthin versetzt. Tja und ich werde dann da auf die Uni gehen. Ich bin ja mal gespannt, wie es da alles so ist", erwidert Paul.
"Jungs! Hört auf zu quatschen, ich hab was mit euch zu besprechen", ruft uns Jim zu sich. Oh man, jetzt stellt er bestimmt den Neuen vor. Wir drehen uns zu ihm um und kommen ein bisschen näher. Erst da sehe ich einen Jungen hinter Jim stehen. Fuck. Das darf jetzt nicht wahr sein. Der Junge tritt einen Schritt vor und grün trifft auf blau. Ich schaue ihn an und auf einmal wird mir alles klar. Er ist der Junge, der abends noch zu Jim in die Halle gegangen ist und der heute Mittag an unserem Tisch saß.
"Hi, ich bin Harry Styles. Ich bin ab jetzt in eurem Team und werde dann Paul ersetzen". Er schaut kurz durch die Runde und sein Blick bleibt erneut an mir hängen. Es scheint, als könnte er mit seinen smaragdgrünen Augen direkt in meinen Kopf schauen und meine Gedanken lesen, so durchdringend ist sein Blick. Mir wird plötzlich heiß und mein Blut fängt an zu kochen. Ach du scheiße. Was ist denn bitte mit mir los? Jim reißt mich aus meinen Gedanken als er plötzlich mit seiner Trillerpfeife einen lauten Pfiff loslässt.
"Genug gestarrt! Ab ins Wasser, schwimmt euch mal ein paar Runden warm und dann fangen wir an", ruft er. Alle springen ins Becken und kraulen drauflos. Zum Glück habe ich die Aufwärmphase schon hinter mir und schwimme gemütlich am Rand entlang.
"Hey. Darf ich fragen, wie du heißt?", höre ich auf einmal eine Stimme hinter mir. Ich brauch mich nicht umzudrehen um zu wissen, wer das ist. "Musst du dich nicht aufwärmen?", frage ich Harry. Zugegeben, es klang patziger, als ich eigentlich wollte, aber ich mag diesen Typen einfach nicht. "Ich bin vorhin schon geschwommen, bevor du gekommen bist. Ich mags eher, wenn ich hier mehr Platz habe. Ich schätze, dir geht es nicht anders, oder?", erwidert Harry. Will der sich irgendwie bei mir einschleimen?? Ich murmle nur kurz:"Ja, mag sein".
"Also?"- Was willst du denn noch, Harry?" Er schwimmt etwas vor mich, dreht sich auf den Rücken und schaut mich an. "Du hast mir noch nicht auf meine Frage geantwortet, wie du heißt". -"Was interessiert dich das?", entgegne ich. "Naja, wir sind jetzt in einem Team. Ich schätze, es wäre besser, dich mit deinem Namen anzusprechen. Aber ich kann dich natürlich auch den Jungen mit den eisblauen Augen nennen. Wie du willst".
Er dreht sich wieder um und schwimmt an mir vorbei. "Louis!", rufe ich ihm genervt hinterher, als ich meine Sprache wiedergefunden habe. Dass er so schlagfertig ist, hätte ich nicht gedacht. Harry dreht kurz seinen Kopf zu mir um und grinst. "Freut mich dich kennenzulernen, Louis!" Wenn er jetzt allen Ernstes denkt, dass das auf Gegenseitigkeit beruht, hat er sich ordentlich getäuscht.
"Louis, Harry! Wollt ihr jetzt noch ein Kaffeekränzchen im Wasser abhalten, oder kommt ihr auch mal zu uns?", höre ich Jims Stimme. Kurz darauf ertönt lautes Gelächter. Ich drehe mich um und stelle fest, dass der Neue und ich die einzigen im Becken sind. Fuck. Er hat mich so abgelenkt, dass ich nicht gemerkt habe, dass die Aufwärmphase längst rum ist.
Harry lacht nur kurz:"Wir kommen ja schon". Er stützt sich am Rand ab und hebt sich aus dem Wasser. Unbewusst mustere ich seinen Körper, da er in diesem Moment seine Rückenmuskeln spielen lässt. "Louis, hör auf zu starren", lachen die anderen mich aus und reißen mich so aus den Gedanken. "Ich starre nicht", entgegne ich genervt und klettere mit hochrotem Kopf am Rand hoch. Harry steht neben ihnen und mustert mich nur schmunzelnd.
Bevor ich mich jedoch noch weiter blamieren kann, teilt uns Jim Übungen zu, die wir machen sollen. Anschließend stellen wir uns in zwei Gruppen auf und müssen auf Zeit gegen einen Jungen aus der anderen Gruppe schwimmen. "Louis, Harry, ihr schwimmt gegeneinander", meint Jim. Natürlich, was auch sonst. Ich seufze und stelle mich auf.
Wir sind als letztes an der Reihe, von daher kann ich mich noch kurz entspannen, bevor es los geht. Plötzlich tippt mich jemand an. Ich drehe mich rum und sehe Harry direkt vor mir stehen. Vor Schreck trete ich einen Schritt zurück und knalle mit meinem Knöchel gegen die Eisenstange der Leiter, die ins Wasser führt. "Fuck! Kannst du nicht aufpassen?", fahre ich ihn an. Erschrocken schaut er mich an bevor er sich vor mich hinkniet, um meinen Fuß zu begutachten. "Scheiße Louis, tut mir echt leid! Ich dachte, du wüsstest, dass ich hinter dir stehe", meint er. -"Ja, super, das bringt mir jetzt auch nichts mehr, oder denkst du ich hätte Augen am Hinterkopf?!"
Ich gehe ebenso in die Hocke und schaue auf meinen Knöchel, der bereits jetzt schon anschwillt und knallrot beziehungsweise blau-lila ist. "Soll ich dir was zum Kühlen holen? Das sieht echt nicht gut aus", meint Harry. -"Danke, das weiss ich selbst. Und nee, lass mal". -Okay, wenn du meinst. Soll ich beim schwimmen dann irgendwie Rücksicht nehmen? Ich meine, ich denke nicht dass du dann so extrem schnell vorankommst, oder?" Ich verdrehe nur genervt die Augen. "Alter, ich bin keine Memme, verstanden?"- "Ich habs ja nur gut gemeint", meint Harry jetzt allen ernstes.
Als ich sehe, dass wir gleich an die Reihe kommen, humple ich wieder zurück und stelle mich hinter die restlichen Jungs. Ich warte noch kurz und schon stehe ich am Anfang und höre den Pfiff. Ich springe ins Wasser und schwimme drauflos. Neben mir sehe ich im Augenwinkel Harry. Mein Fuß schmerzt durch den Wasserdruck extrem und die Schwimmbewegungen, die ich durchführen muss, um schnell voranzukommen, machen das Ganze auch nicht unbedingt besser. Allerdings beiße ich die Zähnen zusammen und gebe mein Bestes. Wie durch einen Nebel höre ich die Jungs hinter mir, die uns anfeuern. Als ich an der Schwimmwand gegenüber ankomme, stoße ich mich ab, drehe um und schwimme zurück.
Ob Harry schneller ist als ich, kann ich nicht sehen, aber das Jubeln, das jetzt von vorn kommt, wird lauter. Ich gehe also davon aus, dass es eine knappe Geschichte wird. Als ich wieder am Rand ankomme, höre ich wieder den Pfiff und die Stoppuhr. Ich blicke mich um und sehe, dass er auch wieder neben mir ist. "Alter ihr wart einfach beide gleich schnell und noch dazu mal wieder die Besten aus dem ganzen Team!", höre ich Paul und ein paar andere rufen. Fuck. Das kann doch jetzt nicht sein, dass Harry genauso gut ist wie ich. "Man das hätte ich jetzt nicht erwartet. Ich dachte du bist ein bisschen langsamer, schon allein wegen deinem Knöchel und weil du ja auch kleiner bist als ich", sagt Harry zu mir, als alle ihre Sachen und Handtücher aus der Hallenecke holen. Ich kann ja nur langsam hinterher humpeln- dank dem tollen Mr. Styles...
"Tja, kann ja nicht jeder so riesig sein wie du", entgegne ich ihm und verdrehe mal wieder genervt die Augen. Dieser Typ geht mir echt auf die Nerven- egal was er sagt oder tut. "Louis, das war jetzt nicht böse gemeint. Das war eigentlich eher ein Kompliment", meint Harry jetzt. -"Danke, aber auf deine Komplimente kann ich gut verzichten." -"Dann eben nicht", sagt er und zuckt mit den Schultern. Ich erwidere nichts weiter darauf, sondern lasse mich auf eine der Liegen fallen, die in der Halle stehen. Ich hebe meinen Fuß ein Stück an und begutachte ihn nocheinmal. Das hat mir ja gerade noch gefehlt: Es hat sich jetzt schon ein riesiger Bluterguss gebildet. Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass ich so stark gegen diese Eisenstange geknallt bin.
In dem Moment- wer hätte es gedacht- kommt Harry mal wieder zu mir und geht vor mir in die Hocke. Auf einmal legt er seine Hand auf meinen Knöchel und übt leichten Druck aus. Erst da merke ich, dass er ein Kühlpad zwischen seiner Hand und meiner Haut hält. Mit seiner anderen Hand stützt er meinen Fuß leicht ab. Ich zucke erschrocken zusammen, da ich auf die Kälte und die Schmerzen nicht gefasst war. "Halt still, sonst tut es noch mehr weh", rät Harry mir. Dieses Mal kann ich allerdings das erste mal keinen amüsierten Ton heraushören, er klingt eher besorgt. Dort wo seine Hand liegt, spüre ich ein leichtes Kribbeln. Er hat erstaunlich weiche und warme Hände und es fühlt sich auf meinem verletzten Knöchel wirklich gut an.
"Musst du nicht nach Hause?", frage ich ihn leise. Er schaut mir kurz in die Augen und sagt dann:"Nein, mein Vater weiß Bescheid, dass ich ein paar Minuten länger brauche. " Als ich eine Tür knallen höre, zuckt Harry leicht zusammen. Ich schmunzle, da ich schon weiß, dass die Tür zum Nebeneingang ziemlich laut ist. Gleichzeitig ist mir klar, dass Harry und ich die einzigen in der Halle sind. Alle Anderen haben sich vorhin bereits verabschiedet und Jim weiß, dass ich manchmal noch etwas länger hier bleibe, weswegen er mir vor einigen Wochen einen Ersatzschlüssel für die Halle gegeben hat.
"Ist Jim nicht mehr da?", fragt Harry in dem Moment. "Nein, er ist schon gegangen, aber ich habe einen Schlüssel. Ich bleibe manchmal noch hier nach dem Training", antworte ich ihm. "Achso okay. Du bist extrem ehrgeizig, oder?" Ich mustere ihn kurz, da ich nicht sagen kann, ob diese Aussage herablassend gemeint ist oder nicht. Als ich ihm allerdings nichts dergleichen ansehen kann, meine ich nur:"Naja, mir macht Schwimmen einfach Spaß und bald ist ja auch das Turnier."
Harry nickt wissend und erhebt sich. Kurz denke ich, dass er jetzt auch geht, aber er setzt sich neben mich auf die Liege. Meinen Fuß legt er auf seinen Schoß und fängt an, meinen Knöchel ganz leicht zu massieren. Erst will ich ihn anfahren, als er leichten Druck ausübt, doch im selben Moment stelle ich fest, dass es sich erstaunlich gut anfühlt. Möglichst unauffällig mustere ich Harry von der Seite. Seine nassen Locken fallen ihm in die Stirn und er lässt unbewusst seine Muskeln an den Armen spielen. Ich muss zugeben, dass er leider Gottes wirklich gut aussieht. Seine Muskeln sind nicht zu stark ausgeprägt, aber trotzdem definiert. Seine Lippen sehen unglaublich weich aus, ich glaube, er ist ein wirklich guter Küsser. Scheiße. Was denke ich mir eigentlich hier? Ich mag Harry doch gar nicht?!
Erschrocken über meine eigenen Gedanken springe ich auf und ziehe im gleichen Moment die Luft durch die Zähne ein. Ich bin mit meinem verletzten Fuß auf den Boden gekommen und habe mein komplettes Gewicht darauf verlagert. Als ich das Gefühl habe, dass ich gleich wieder nach hinten auf die Liege kippe, spüre ich Harry's Hände an meiner Schulter und meinem Rücken. "Warte, ich helfe dir". Er legt meinen Arm um seinen Nacken und stützt mich an meiner Taille, während ich auf einem Bein Richtung Umkleiden hüpfe. "Sollen wir dich mit nach Hause nehmen? Mein Vater steht draußen mit dem Auto", fragt er. -"Nein danke, mich holt gleich ein Kumpel ab", sage ich wahrheitsgemäß, wobei ich auch gar keine Lust hätte, in dem Schnöselauto mitzufahren. Ich mag Harry ja schließlich überhaupt nicht.
"Okay. Aber falls dein Knöchel morgen nicht besser ist, solltest du vielleicht zum Arzt gehen. Und nochmal sorry, ich wollte das wirklich nicht", sagt er jetzt leise.-"Ja, ist jetzt eh egal. Man sieht sich", entgegne ich nur kühl und gehe in die Umkleiden. Als ich mich fertig umgezogen habe, höre ich die Eingangstür. Harry ist wohl auch gerade gegangen. Ich lösche überall das Licht und gehe raus. Als ich die Tür zuschließe, höre ich noch, wie ein Auto davon fährt. Kurz darauf sehe ich dann auch Mike, der vor mir anhält und ich steige ein.
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