Kapitel 34
Verwirrt stehe ich an der Rückseite des Hauses. Was bitte war das jetzt?! Er kann mich doch nicht einfach so rausschmeißen! Und der Witz an dem Ganzen ist ja, dass ich keinen Plan habe, wo ich bin. Zu allem Übel ist mein Handyakku leer, das heißt ich kann nicht einmal nachsehen, wie ich nach Hause komme. Wütend gehe ich um das Haus herum zur Straße, in der Hoffnung, ich würde irgendeinen Anhaltspunkt finden. Tja, was soll ich sagen- ich finde keinen. Und zu allem Überfluss fängt es jetzt auch noch an, in Strömen zu regnen. Könnte nicht ausnahmsweise heute mal die Sonne scheinen?
Meine Wut lässt auch nicht nach, als ich schon seit Stunden durch die Kälte Londons laufe. Ich bin hier in einem Viertel gelandet, wo nur Bonzen wohnen- dementsprechend war ich hier noch nie. Genervt setze ich mich irgendwann an eine überdachte Bushaltestelle, wo ich zwar mehr oder weniger vor dem Regen geschützt bin- nicht aber vor der Kälte. Es müsste inzwischen schon fast Abend sein. Der ganze Tag ist also vergeudet und ich weiß immernoch nicht, wie ich heim komme.
Irgendwann reicht es mir dann. Ich gehe zu einem Haus und klingle. Keine Ahnung, wer darin wohnt. Dann öffnet sich die Tür und eine ältere Dame schaut mir entgegen. "Ja bitte?", fragt sie skeptisch. "Verzeihen Sie die Störung. Ich habe mich irgendwie verlaufen und mein Handyakku ist leer. Meinen Sie, ich könnte mit Ihrem Telefon vielleicht ein Taxi rufen?" Daraufhin mustert mich die Dame erneut, bis sie plötzlich ruft: "Um Gottes Willen, du bist ja vollkommen durchnässt, komm herein!" Ich schenke ihr ein dankbares Lächeln und trete in das Haus.
Ich hoffe zwar nicht, dass ich bei Kriminellen gelandet bin, aber diese Dame sieht alles andere als böse aus. "Wie heißt du denn, Junge?", fragt sie und reicht mir ein Handtuch. "Louis Tomlinson, Ma'm". - "Ein schöner Name. Ich bin Mary Smith. Du kannst ruhig Du sagen. Komm nur mit in die Küche, da bekommst du erst mal einen warmen Tee", meint sie und ich stelle meine Schuhe ab und folge ihr langsam.
Ich bin mir immernoch unsicher, aber was bleibt mir denn auch anderes übrig. Draußen hole ich mir noch den Tod, und ich habe keine Lust, an meinem Geburtstag im Krankenhaus zu liegen. Ich sehe mir kurz die Bilder an, die an der Wand in der Küche hängen. Ein kleiner Junge mit einem etwas größeren Mädchen ist zu sehen und schaut schüchtern in die Kamera. Er kommt mir irgendwie so bekannt vor, ich kann aber auch nicht sagen, woher.
Mary reicht mir eine Tasse mit dampfendem Tee darin. Ich bedanke mich bei ihr und trinke einen Schluck. Sie deutet auf einen Stuhl und ich setze mich, während sie meine Jacke zum trocknen auf die Heizung legt. "Dann erzähl mal, wie du hierher gekommen bist", fordert sie mich dann auf.
"Ich bin gestern nach einer Party bei einem mehr oder weniger Freund gewesen. Er hat mich dann jedoch einfach rausgeschmissen und ich hatte keine Ahnung, wie ich zu meiner Wohnung zurückkomme", erkläre ich ihr die Kurzfassung. "Er hat dich rausgeschmissen?!", fragt sie fassungslos. Ich nicke und trinke etwas von dem Tee, welcher wirklich gut schmeckt. "Das geht ja mal überhaupt nicht. So etwas macht man doch nicht, vor allem nicht bei diesem Wetter", regt sie sich auf.
Ich zucke nur mit den Schultern. Was soll ich auch anderes sagen? Ich weiß ja selbst nicht, was ich von der ganzen Situation halten soll. Ich unterhalte mich noch eine ganze Weile mit Mary. Sie erzählt mir von ihren beiden Enkelkindern. Der Junge ist anscheinend etwas jünger als ich, er ist 19. Er soll wohl an der gleichen Universität studieren wie ich, aber Lehramt. Dann ist er vielleicht sogar mit Harry in einem Kurs.
Als mir dann endlich wärmer ist, reicht Mary mir ihr Telefon. "Mein Mann Brian könnte dich aber auch heimfahren", schlägt sie mir vor. Ich lehne dankend ab. Ich will ja nicht noch mehr Umstände machen, als ohnehin schon. Ich rufe mir ein Taxi zu der Adresse hier, die Mary mir nennt. Als ich meine inzwischen trockene Jacke wieder angezogen habe, bedanke ich mich erneut bei Mary.
Ich hatte heute anscheinend sogar mal Glück, es hätte auch schlimmer kommen können. Als mein Taxi da ist, zieht Mary mich in ihre Arme. "Mach's gut, Junge. Ich habe mich wirklich gefreut, dich kennenzulernen. Du darfst uns gerne mal besuchen kommen", meint sie. Ich glaube sogar, dass ich dieses Angebot annehmen werde. Ihre Adresse habe ich ja jetzt und sie ist extrem lieb. Fast schon wie meine eigene Oma.
Ich verabschiede mich von ihr und setze mich in das Taxi. Der Fahrer bringt mich nach Hause und ich reiche ihm das Geld. Als ich in meiner Wohnung bin, lasse ich mich völlig kaputt auf die Couch fallen. Der Tag heute war einfach nur anstrengend. Erst bin ich bei Harry und denke, dass er in der Nacht irgendetwas mit mir angestellt hat, dann dusche ich auch noch mit ihm, er schmeißt mich raus und ich lande bei einer alten Dame.
Ich weiß auch immernoch nicht, was Harrys Aktion sollte. Natürlich bin ich ihm dankbar, dass er mich gestern quasi gerettet hat, aber den Rest hätte er sich wirklich sparen können. Das Komische daran ist aber, dass ich mich bei ihm gefühlt habe, als wären die ganzen letzten drei Wochen nie passiert. Wir haben uns super verstanden und ich habe ich bei ihm wieder so sicher gefühlt.
Tja, bis ich dann plötzlich vor seiner Tür saß. Irgendetwas muss passiert sein, dass ich so schnell gehen musste. Ist vielleicht Niall zu Harry gekommen und er wollte nicht, dass der Ire mich bei ihm sieht? Sind die beiden etwa zusammen? Aber Niall ist doch nicht schwul! Oder?
Es ist doch zum Verzweifeln. Genervt stehe ich auf und ziehe mir andere Klamotten an. Harrys dagegen werfe ich in die Waschmaschine. Er bekommt sie bei Gelegenheit wieder. Ich würde den Haufen zwar am liebsten einfach in die Mülltonne pfeffern, aber irgendetwas hindert mich daran.
Dann stecke ich mein Handy ans Ladekabel. Als ich es wieder anschalten kann, sehe ich, dass Harry mich ein paar mal angerufen hat. Ich habe allerdings gerade absolut keine Lust, mit ihm zu reden, also ignoriere ich es einfach. Außerdem hat Liam mir geschrieben.
Liam: Bist du gestern gut nach Hause gekommen?
Liam: Wir haben dich dann irgendwann aus den Augen verloren...
Da ich keine Lust habe, darüber zu reden, antworte ich einfach:
Ich: Ja, alles gut
Er schickt einen Daumen hoch zurück. Seufzend mache ich mich daran, meine Wäsche zu sortieren und zusammenzulegen. Auch wenn das nicht unbedingt zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, so muss es leider ja doch gemacht werden. Dann wird mir auf meinem Handy ein Videoanruf angezeigt. Es ist meine Mum. Ich drücke auf den grünen Hörer und ein paar Sekunden später sehe ich das Gesicht meiner Mum.
"Hey mein Schatz. Wie gehts dir?", begrüßt sie mich.
"Ganz gut, und euch?", frage ich. Ich erfahre, dass Lottie mal wieder nicht zu Hause ist, also kann ich heute mal wieder nicht mir ihr quatschen. Dann muss eben meine Mum hinhalten.
"Ist wirklich alles okay? Du siehst irgendwie so niedergeschlagen aus", meint sie und mustert mich skeptisch. Ich seufze und beginne damit, ihr alles zu erzählen. Und mir alles meine ich auch wirklich alles. Von dem Tag, an dem ich Harry das erste Mal getroffen habe, bis zum jetzigen Zeitpunkt.
Als ich fertig mit meiner Erzählung bin, schaut sie mich leicht lächelnd an. "Dann bist du schwul?", fragt sie. Ich stocke kurz, weil ich gar nicht darüber nachgedacht habe, wie Mum darauf reagieren könnte. Ich nicke vorsichtig und werde rot im Gesicht. "Schatz, das muss dir doch nicht unangenehm sein! Im Gegenteil- ich freue mich für dich! Und wenn ich ehrlich bin, ich hatte schon länger so das Gefühl", meint sie.
Erstaunt sehe ich sie durch mein Handy an. "Wie denn das?", frage ich. Sie zuckt mit den Schultern. "Das ist der mütterliche Instinkt, schätze ich. Und wenn ich ehrlich bin, ich hatte auch nicht das Gefühlt, dass das mit Eleanor etwas Ernstes ist", gibt sie zu. Daraufhin muss ich lachen. "Ich denke da hast du sogar recht".
"Sprichst du Harry denn demnächst darauf an?", fragt sie dann plötzlich. Ich seufze. "Ehrlich gesagt- ich habe keine Ahnung. Ich hatte ja eigentlich vor, ihn einfach zu ignorieren. Wir sind nicht mal mehr wirklich befreundet, also wüsste ich nicht, warum ich ihm auf einmal hinterher laufen sollte. Außerdem habe ich die ganze Zeit den Gedanken in meinem Hinterkopf, dass er vielleicht etwas mit Niall am laufen hat", gebe ich zu.
Daraufhin schüttelt Mum energisch den Kopf. "Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Niall erstens schwul ist und zweitens dass er dir jemanden ausspannen würde, oder?", hinterfragt sie. Ich zucke mit den Schultern. "Eigentlich dachte ich das nicht. Immerhin war Niall jetzt schon über so eine lange Zeit mein bester Freund. Ich hatte auch echt nie das Gefühl, dass er auch nach Männern Ausschau hält", sage ich. - "Na also, da hast du's doch. Ich denke, du hast etwas falsch verstanden. Ich sage auch nicht, dass Harry und Niall unschuldig an der Situation sind, aber vermisst du deinen besten Freund denn nicht auch manchmal?"
"Kann schon sein, ja. Aber was soll ich denn dann zu den beiden sagen? Hey Jungs, wie schauts aus- seid ihr zusammen oder kann ich Harry nehmen?", frage ich ironisch. Mum lacht leise. "Quatsch, so meinte ich das auch nicht. Dir wird schon irgendetwas einfallen", rät sie.
"Und was ist, wenn Harry mich dann immernoch lächerlich findet?" - "Er findet dich mit Sicherheit nicht lächerlich. Wenn er doch selbst schwul ist, warum sollte er dich dann auslachen?" Daraufhin weiß ich keine Antwort. "Siehst du? Jetzt lass den Tag heute erstmal sacken und dann kannst du dir ja immernoch überlegen, wie du weiter vorgehst, okay?", schlägt Mum vor. Ich nicke. Bevor wir uns voneinander verabschieden, fällt ihr jedoch noch etwas ein.
"Und Schatz? Bitte pass auf dich auf, ja? Ich möchte ungern noch einmal von dir hören, dass sich jemand an dir vergriffen hat, bloß weil du zu viel getrunken hast, okay?" Sie sieht mich bittend an. Ich nicke. "Ja, ich passe auf". - "Versprochen?" - "Versprochen!"
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