Rettung
Verwundert schreckte Sheila hoch. Auch Nestor hatte den Kopf gehoben. "Hast du das auch gehört?", flüsterte Sheila. Ich war unheimlich zu Mute. Nestor lauschte in die Stille. "Jetzt ist es wieder ruhig", stellte er fest. "Ja, aber da war eindeutig etwas gewesen!", beharrte Sheila. Kam Anemonius gleich, um sie zu richten? Sie spürte, wie Angst ihre Kehle zuschnürte.
Da war es wieder! Ein Rumpeln, noch lauter als zuvor! Sheila konnte kaum einen Schrei unterdrücken, und Nestor flatterte verstört auf. Wieder verstummte das Poltern. Sheila fasste sich Mut und rief mit zittriger Stimme in die Stille: "Hallo? Ist da wer?" Die Wand begann zu zittern, so dass Erde von der Decke rieselte.
Plötzlich gab es einen lauten Knall und etwas krachte zu Boden. Sheila quiekte vor Schreck laut auf und warf sich zur Seite. Nestor flatterte wie wild herum, während seine rasselnden Ketten großen Lärm verursachten. Auf einmal verstummte Sheila. Das... das konnte nicht wahr sein! Fassungslos starrte sie auf die Person, die im Dreck am Boden lag. Trotz der Dunkelheit erkannte sie sie sofort. "Mama!", schrie sie sogleich und wollte ihre Mutter umarmen, aber ihre Ketten zerrten sie zurück an die eiskalte Wand.
Jennifer richtete sich stöhnend auf. Ihre Hände waren zerkratzt und ihr Haar völlig zerzaust. "Sheila!", rief sie nun ebenfalls und stolperte zu ihrer Tochter. "Ich dachte, ich sehe dich nie wieder!" Sie drückte Sheila an sich und schluchzte. Sheila fasste sich endlich wieder und fragte verwirrt: "Wie... wie kommst du hierher? Ich dachte.. du warst auf einmal verschwunden und... ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!" "Oh Sheila, da gibt es so viel zu erzählen... aber was ist mit dir passiert? Warum bist du hier gefesselt? Und wer ist dieser Vogel?", warf Jennifer ein. Sheila überkam plötzlich die heiße Angst. Die Eulen, die sie bewachten, würden sicher bald wiederkommen! Schließlich hatten sie hier einen riesigen Krach gemacht! Und dann säßen sie in der Klemme!
"Mama... wir müssen hier sofort weg! Ich und Nestor, die Meise, sind unschuldig eingesperrt! Und wenn wir nicht bald verschwinden, bemerken dich unsere Bewacher!", rief sie ängstlich. Jennifer begriff sofort. "Ich kann euch hier fortbringen! Ich komme aus einem Geheimgang, der führt in eine Höhle! Wisst ihr, wo die Schlüssel sind für eure Handschellen sind?", meinte sie. Sheila nickte und antwortete: "Da! Gleich vor dem Gitter hängen sie! Kommst du da ran?"
Jennifer rannte zu den Gitterstäben und quetschte ihre Hand durch die Lücken. Ihre Finger fuhren an dem alten Eisen entlang, sie versuchte es zu fassen... Da hörte Sheila plötzlich einen Eulenschrei im Gang "Oh nein, die Wachen kommen zurück!", flüsterte sie panisch, "Schneller!" Endlich klirrte es und ihre Mutter hielt den Schlüsselbund in der Hand. Nun musste alles schnell gehen; sie flitzte zu ihrer Tochter, steckte den Schlüssel in das Schloss der Eisenschelle, befreite Sheila und auch Nestor. Schon rauschten Schwingen in den Flur, da sprang Jennifer hoch, zerrte ihre Tochter durch ein Loch in der Wand, warf sich selbst hinterher, schleuderte die Tür zu...
Stille. Sheila hielt zitternd die Luft an. Sie hörte wie ihre Mutter neben ihr flach atmete. War Nestor hinterhergekommen? Sie konnte nichts sehen, es war stockdunkel. Sie nahm nur den Geruch von feuchter Erde wahr. Nun durchdrangen Eulenschreie ihren Körper. Laute, wütende, verwirrte Schreie. Die Eulen hatten ihre Flucht also bemerkt! Sofort ging ein aufgeregter Tumult los. Sheila vernahm die Stimmen der Vögel, wie sie durcheinander riefen. "Was ist passiert?", "Holt sofort Anemonius!" oder "Wie konnten sie entkommen?"
Auf einmal spürte sie eine warme Hand an ihrer Schulter, die sie nach hinten zog. Blind ließ sie sich führen, spürte, wie sie durch einen Gang und anschließend eine Tür gedrückt wurde. Hinter ihr schloss Jennifer ab, sie drehte zweimal einen Schlüssel im Schloss. Etwas berührte Sheila an der Wange und sie spürte winzige Krallen in ihrer Schulter. Anscheinend war Nestor ebenfalls die Flucht gelungen.
Die Geräusche der Eulen verstummten langsam und endlich erschien schwaches Licht am Ende des Ganges. Sie trat über die Schwelle und stieß einen erstaunten Ausruf aus. Vor ihr tat sich ein unglaublicher Anblick auf. Sie hatte einen relativ großen Raum betreten, in dessen Mitte ein volgestopfter Tisch mit brennender Kerze thronte. An den Wänden standen überall riesige Maschinen und Gerätschaften, die Sheila verdächtig an die ihres Vaters erinnerten, als er seine Frau mit dem Gewehr bedroht hatte. Auch waren hier Regale voller Metallteile, Papiere und Ordner.
Sanft drückte ihre Mutter Sheila weiter, in eine Ecke mit Sesseln und einem niedrigen Tischchen. Dort ließ sie sich nieder und atmete erst einmal tief durch. Stille trat ein. Endlich fand Jennifer Worte. "Puh, das war knapp!", stöhnte sie. Nestor schüttelte sein Gefieder. Nun brachte auch Sheila etwas hervor. "Danke Mama!" Peinlicherweise gab ihr Bauch in diesem Moment ein lautes Grummeln von sich. Ihre Mutter setzte einen besorgten Blick auf. "Hast du Durst oder Hunger, Sheila?", fragte sie.
Shela nickte stumm. Wenn sie jetzt an etwas zu essen dachte, wurde es nur noch schlimmer... Aber ihre Mutter lächelte nur und ging zu einem der Regale, aus dem sie mehrere Konservendosen hervorholte. "Möchtest du...äh.. Ananas, Tunfisch, Kekse... oder Saft?", erkundigte sie sich. Sheila staunte. "Oh ja, irgendetwas, egal was, Hauptsache ich kriege endlich was zwischen die Zähne!" freute sie sich.
Ihre Mutter holte Proviant heran und Sheila aß hungrig alles auf. Nestor bekam auch ein paar Krümel. "Nun sag aber schon, Mama... Wie bist du hierher gekommen? Und wo hast du das alles her?", fragte Sheila verwirrt und deutete auf die Regale.
Ihre Mutter seufzte und begann zu berichten: "Du weißt doch, dass sich weggegangen war, um die Ursache des Rumpelns zu erkunden. Ich habe schnell gesehen, dass einfach nur ein Ast unter dem Gewicht des Schnees zusammengebrochen war und wollte gerade wieder zu dir gehen, da tat sich vor mir plötzlich ein Loch auf und ich stürzte hinab in tiefe Dunkelheit. Ich muss ziemlich weit gefallen sein,. Ich glaube, ich bin eine Leiter und anschließend eine Treppe hinuntergestürzt. Am Ende lag ich irgendwo auf kalten Stufen und alles tat mir weh. Ich habe überhaupt nichts gesehen. Aber zum Glück hatte ich noch eine Taschenlampe in meiner Jackentasche. Also bin ich im Schein der Taschenlampe den Rest der Treppe hinabgestiegen und fand mich in diesem Raum wieder. Nachdem ich eine Kerze von hier angezündet hatte, wurde mir schnell klar, dass ich im Raum eines Forschers sein musste, der nach der Welt der Tiere suchte, denn diese Maschinen kannte ich von Ivan. Vielleicht war es der gleiche Forscher, der dort oben in der Hütte gehaust hat?" "Ja, das kann sein!", rief Sheila aufgeregt, "Der ist aber gestorben! Er war nämlich auch ein Sasaya.. äh ein Emanon-Sucher!"
"Ja, das kann gut möglich sein! Aber ich wollte natürlich nicht hier bleiben, ich wollte zurück zu dir. Ich bin die Treppe wieder hinaufgestiegen, aber die Leiter, die ich hinuntergestürzt bin, war kaputt. Und die Falltür, die am Ende war, war zugefallen, nach dem ich hindurch gestürzt war. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu bangen und hier zu bleiben. Schließlich habe ich aber die Tür endeckt, die hinter diesem Gang, aus dem wir kamen, war. Ich fand die Schlüssel zu ihr schnell und schloss auf. Da hörte ich eine Stimme, die mir so vertraut vorkam... und ich wusste, dass du dort warst! Ich stürmte weiter den Gang entlang und kam an eine Luke, die verriegelt war. Ich rüttelte an dem Riegel, bis er endlich aufsprang und polterte hinaus... und fand dich wieder! Aber nun erzähl, was mit dir geschehen ist! Und... oh weih!.. was mit deinem Rücken passiert ist!"
Sheila begann zu erzählen, ergänzt von Nestor. Ihre Mutter hörte angestrengt zu und wurde immer ängstlicher. Es war bestimmt schon spät, als Sheila geendet hatte. Ihre Mutter sprach noch ihre äußerste Besorgnis aus, dann schlug sie vor, schlafen zu gehen. Jennifer und Sheila rückten ein paar Sessel zu einem Bett zurecht und Nestor schlief auf einem Kleiderhaken an der Wand. Und so brach die Nacht herein über die unterirdische Höhle.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top