Willkommen auf Caer Draig

»Autsch!«

Ich habe mich jetzt dreimal gezwickt - Ohrläppchen, Oberarm, Wade - und mir ein paar Haare ausgerissen, doch nichts hat geholfen. Noch immer bin ich in diesem Albtraum gefangen. Nach dem Aufwachen hege ich ganz kurz die Hoffnung, beruhigt aufatmen zu können.
Doch das Gerumpel, welches mich weckt, ist nicht die städtische Müllabfuhr, sondern ein klappriger Karren mit einer Ziege davor und drei halbwüchsigen Jungen dahinter, die durch den Burghof lärmen.

Ich husche zurück ins Bett, ziehe mir die Felldecke über den Kopf und hadere mit meinem Schicksal. Gestern abend ist mir dieser Elf erschienen - ich fasse es noch immer nicht - und jetzt soll ich einem Drachen das Herz brechen. Dabei heiße ich weder Beowulf noch St. Georg und habe auch keine weißen Schwingen auf dem Rücken. Abgesehen davon wie idiotisch es ist, über diese Aufgabe überhaupt nachzudenken.

Andererseits, wenn ein echter spitzohriger Elf in einer schillernden Nebelwolke verpuffen kann, warum sollte dann nicht auch ein Drache unter der Burg hausen.

Das Klappern der Tür und ein darauffolgendes leises Rascheln lässt mich unter der Decke hervorlunsen. Eirlys kniet vor dem Kamin, schichtet Zweige und kleine Holzscheite ein und stopft eine Handvoll Stroh dazwischen. Mit geschickten Händen schlägt sie mit einem Feuerstein Funken. Nach etwas Pusten und Wedeln höre ich es knistern und rieche Rauch. Geschäftig langt Eirlys nach weiteren Holzscheiten aus einem flachen Weidenkorb und binnen kurzer Zeit prasselt ein wärmendes Feuer. Jetzt läuft sie zur Kommode, greift sich die tiefe Waschschüssel und kippt sie schwungvoll aus dem Fenster. Aus einem Eimer gießt sie frisches Wasser in Krug und Schüssel. Hat sie das alles alleine hier zu mir raufgeschleppt?

Beschämt, dass ich dem Mädchen die ganze Arbeit überlasse, krieche ich aus meiner warmen Höhle.
»Guten Morgen, Eirlys«, begrüße ich sie, schnappe mir den grünen Umhang und flitze hinter den Vorhang. Der glatte Steinboden ist kalt unter meinen nackten Füßen und ich schmiege mich wärmesuchend in den weichen Wollstoff. Er riecht nur noch schwach nach dem netten Rhys, dem ich im Wald begegnet bin. Geradezu sinnbildlich, dass sich sein Duft genau wie seine Freundlichkeit so schnell verflüchtigt hat.

Diesmal eile ich schnell in die inzwischen behagliche Wärme des Zimmers zurück. Eirlys fegt eifrig Dreck zusammen, den ich gar nicht wahrgenommen habe. Aus einem Sack schüttelt sie frische Binsen und duftende Kräuter auf den Boden. Ich begebe mich zur Waschschüssel und lege den Umhang auf den Rand der Kommode. Was gäbe ich für eine Dusche und frische Anziehsachen. Die Klamotten an meinem Leib trage ich jetzt den dritten Tag.

»Wollt ihr lieber ein Bad nehmen?«, fragt mich das Mädchen. Allein der Gedanke verursacht mir wohlige Glücksgefühle. Aber dann sehe ich meinen kleinen zierlichen Engel unzählige schwere Wassereimer die vielen Stufen nach oben buckeln und bringe es nicht übers Herz.

»Ein andermal«, antworte ich. »Heute genügt mir die Schüssel.« Etwas hilflos blicke ich mich um. »Eirlys? Wie putzt ihr euch die Zähne?« Ich komme mir ziemlich blöd vor, aber sie kichert nur belustigt.

»Hier, so machen wir das.« Sie zeigt auf ein Schälchen mit Salz, stippt mit dem Finger hinein und verreibt es im Mund. »Wie haltet Ihr das denn?«, fragt sie mich neugierig.

»Och, fast genauso«, beeile ich mich zu antworten. »Gibt es vielleicht auch etwas Seife?«

»Aber natürlich, Madame.« Während ich mich meiner Unterwäsche entledige, fummelt Eirlys ein winziges Korbdöschen aus der Schublade und präsentiert mir eine kleine Kostbarkeit. Ein feines Seidentuch enthüllt ein cremefarbenes, mit rosafarbenen Blütenblättern durchzogenes Seifenstück. Zarter Rosenduft schlägt mir entgegen. Ich behandle es ebenfalls wie einen Schatz und gehe sehr sparsam damit um. Eirlys beäugt derweilen interessiert meinen Spitzen-BH und das passende Höschen. Ich schätze, die Dessous entsprechen nicht so ganz der hier üblichen Mode.

Manch einer meiner Show-Kollegen besteht auf authentische Kleiderordnung bis auf die nackte Haut und vermutlich werde ich mich in nächster Zeit damit anfreunden müssen. Zumindest bis ich diesen Drachen aufgespürt und zur Strecke gebracht habe.

Ich schrubbe mir Hals, Arme und den Rest von oben nach unten und wir kommen ins Plaudern. Bereitwillig erzählt mir Eirlys alles, was ich ihrer Meinung nach unbedingt über das Burgleben wissen muss. Sie plappert ohne Punkt und Komma und ich versuche, sie mit ein paar geschickten Fragen auf das Thema Drachen und unterirdische Gänge zu bringen. Dass es dieses Höhlensystem gibt weiß ich, schließlich bin ich, so wie alle anderen Kinder des Ortes, hier fleißig auf Schatzsuche gegangen. Auch wenn es streng verboten war. Oder gerade deswegen.

Doch vom Keller, dem Verlies und den geheimen Gängen weiß sie nicht viel. Außer dass es dort finster und gruselig ist.

»Aber Lord Rhys sperrt nie jemanden dort ein«, berichtet sie mit ehrfürchtiger Stimme. Ich kann nur hoffen, dass es dabei bleibt. Andererseits wäre es eine Möglichkeit dem unterirdischen Reich näher zu kommen.

»Die Letzten, die dort unten waren, hat Lord Rhys befreit und alle haben ihn gefeiert, weil wir nach dem Überfall kein Zuhause mehr hatten und im Wald gewohnt haben und mein Vater ist bei dem Überfall auch umgekommen, aber jetzt wohnen wir bei meinem Onkel, das ist der Schmied und meine Mutter spinnt die beste Wolle, alle wollen wissen wie sie sie so toll färbt, aber das verrät sie nicht, außer mir hat sie es natürlich verraten, aber es ist ein Familiengeheimnis und ich darf es nicht weitersagen.«

Wahnsinn, dieses Kind wäre eine tolle Perlentaucherin. Solange, wie sie ohne Luft zu holen auskommt. Über die Geschichte mit dem Überfall möchte ich gern mehr erfahren. Und wenn Rhys so ein Held ist, wieso haben dann alle Angst vor ihm. Aber wenn man vom Teufel spricht ...

Nach einem kräftigen Poltern schwingt die Tür auf und der hier ansässige Herr der Hölle spaziert ungefragt herein. Aufkreischend kralle ich mir den Umhang und wickle mich damit ein. Schmuck und standesgemäß sieht der Unhold heute aus. Mit goldglänzendem offenem Haar auf einer schwarzen, reichbestickten Tunika über weißem Hemd und braunen Lederhosen. Ganz der Burgherr. An zwei gekreuzten Gürteln baumeln lange Dolche links und rechts an seiner Hüfte. Wie er so mit wiegendem Schritt näher kommt, erinnert er mich an einen Revolverhelden aus einem alten Western. Fragt sich nur, wen er gleich abknallen wird.

»Eirlys, solltest du nicht längst am Weiher sein?« Seine tiefe Stimme lässt das Kind neben mir zusammenzucken. Eiligst schiebe ich sie hinter mich.

»Das Mädchen trifft keine Schuld. Ich habe ihr befohlen mir die Haare zu machen.« Mit hochgerecktem Kinn trete ich ihm entgegen.

Mit einer arrogant nach oben gezogenen Augenbraue blickt er ungerührt um mich herum. »Die Lady kann sich ihre Haare selber kämmen. Die Gänse sind wichtiger.«

»Jawohl, Herr«, haucht Eirlys betreten und saust zur Tür hinaus. Wenigstens ist sie erstmal aus der Schussbahn. Ich dagegen stehe mittendrin.

»Ich wollte meinen Umhang holen. Ich wusste nicht, dass er es dir so angetan hat«, frotzelt seine Lordschaft mit einem süffisanten Grinsen. Seine Blicke streifen meine unbedeckten Beine und bleiben kurz an der Spitzenwäsche auf dem Bett hängen.

Ja, das könnte dir so passen! Ich sollte ihm den Fetzen einfach vor die Füße werfen. Aber splitterfasernackt die stolze Heldin zu spielen, ist nicht mein Ding.

»Wann bekomme ich meine Sachen zurück?«, frage ich daher, ohne auf seine Bemerkung einzugehen.

»Dein Kleid wurde gestern noch gewaschen. Es muss erst mal trocknen, bevor die Näherin es ausbessern kann.« Grimmig reißt er mit einer Hand den Deckel der Truhe auf, den ich gestern nur mühsam mit Eirlys zusammen hochbekommen habe. »Hier steht eine ganze Truhe voller Kleider. Sind die etwa nicht gut genug?«

»Die sind mir viel zu klein. Du musst doch wissen, wie groß deine Frau war«, motze ich aufgebracht.

Rhys starrt mich verblüfft an. »Wer?«

»Na Lady ... Lady Rhaya?«

»Lady Rhayne«, verbessert er mich. »Das sind die Sachen meiner Mutter.« Nachdenklich blickt er in die Truhe. »In meiner Erinnerung war sie recht groß. Aber ich war auch noch ein Kind, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.«

Beschämt sinke ich auf den Schemel und ziehe meine Beine unter den Umhang. »Tut mir leid«, entschuldige ich mich zerknirscht. »Ich weiß, wie man sich da fühlt. Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Meine Eltern kamen nicht gut miteinander aus. Früher habe ich meiner Mutter die Schuld gegeben. Aber mittlerweile ...« Ich zucke mit den Schultern. »Mein Vater kann jeden verzaubern und zum Lachen bringen, aber ein Mann der ewig zwanzig bleibt, ist auf die Dauer auch mächtig anstrengend.«

Rhys hat den Kopf leicht schräg gelegt und betrachtet abschätzend meine verhüllte Figur. Meine nackten und noch etwas schmutzigen Füße lugen unter dem Saum hervor.

»Ich lasse dir was zum Anziehen bringen. Du hättest übrigens auch ein Bad nehmen können«, fügt er fast liebenswürdig hinzu.

»Das hat mir Eirlys auch angeboten. Aber ich will nicht, dass wegen mir jemand das ganze Wasser hier herauf schleppen muss.«

Er verdreht die Augen und verschränkt die Arme vor der Brust. »Wir haben eine Badestube. Sie ist hinter der Küche und wird von der Feuerstelle mitbeheizt. Daher haben wir auch immer warmes Wasser.« Geradezu stolz preist er diese Errungenschaft an.

»Du hast mir aber befohlen hier oben zu bleiben«, entgegne ich mit einem unschuldigen Augenaufschlag.

»Ich hätte nicht gedacht, dass du dich daran hältst«, antwortet er mit einem winzigen Lächeln um die Mundwinkel.

Irgendwie hat sich die Atmosphäre im Raum verändert. Es liegt ein leichtes Knistern in der Luft bis das Grummeln meines Magens dieses unterbricht.

»Das Frühstück hast du verpasst. Aber Moira findet sicher noch einen Happen. Frag einfach in der Küche, wenn du soweit bist.« Kurzangebunden lässt er diese drei Sätze fallen, dreht sich auf den Hacken um und verschwindet.

Der Mann ist so unberechenbar wie das Wetter im April. Ich wasche mir noch schnell die Füße und schlüpfe wieder in meine Unterwäsche. Ich weiß ja nicht, wer als nächstes hier auftauchen wird. Es dauert auch gar nicht lange, bis es erneut klopft. Diesmal öffnet sich die Tür nur langsam und eine zierliche Frau tritt ein, beladen mit einem großen Stapel Kleidungsstücken. Ich laufe ihr entgegen, um ihr etwas abzunehmen.

»Puh, danke«, schnauft sie und blickt mich neugierig an. Sie hat freundliche braune Augen und viele kleine Lachfältchen. »Ich bin Bronwyn, die Näherin. Eurer Gewand ist noch nicht fertig, aber vielleicht finden wir hier was passendes. Hm.« Sie mustert mich von Kopf bis Fuß mit dem professionellen Blick einer Schneiderin und zieht dann ein dunkelgrünes Teil aus dem Haufen. »Mit so feinem Stoff kann ich aber nicht dienen, Madame.« Ich frage mich, ob meine Erscheinung hier die zukünftige Unterwäschenmode revolutionieren wird.

»Das macht gar nichts«, versichere ich ihr. »Und bitte nenn mich Arwen. Ich habe keine großen Ansprüche. Hauptsache ich muss nicht länger halb nackt rumlaufen. Der Herr wünscht schließlich seinen Umhang zurück.«

»Ach was, das olle Ding. Der hat doch viel schönere.« Lachend hält sie das schlichte Kleid an mir hoch. »Das müsste in etwa hinkommen. Brauchen wir nur noch ein warmes Hemd.«

Wieder wühlt sie zielsicher durch das Kleiderbündel und fischt ein sandfarbenes, langärmeliges Unterkleid heraus. Ich ziehe mein dünnes Hemdchen wieder aus und lasse es mir über den Kopf stülpen. Darüber kommt das grüne Teil, das aus zwei einfachen Stoffbahnen besteht, mit Ausschnitten für Kopf und Arme. Das Ensemble ist zwar etwas zu weit und natürlich auch wieder zu kurz, aber Bronwyn scheint zufrieden. Sie schnürt mir noch eine dunkle Schürze um, zupft ein wenig hier und da und zieht abschließend den Stoff über meiner linken Schulter zusammen. Mit einer kleinen Fibel befestigt sie den Faltenwurf und holt noch ein leichtes Tuch, mit welchem sie mein Haar zusammenbindet.

»Fein«, ruft sie begeistert. »So, und jetzt zeig ich dir den Weg in die Küche. Nur keine Angst, hier frisst dich keiner.«

Bei der Köchin bin ich mir da nicht so sicher.

Moira entpuppt sich als resolute vollbusige Matrone, die äußerst ungehalten auf die Störung ihrer gewohnten Ordnung reagiert.

»Ich habe keine Zeit, um hier jedem eine Extrawurst zu braten!«, poltert sie los, als Bronwyn mich in die Küche schiebt. Die Hände auf die ausladenden Hüften gestemmt, steht sie wie ein Feldmarschall mitten in der Küchenschlacht und befehligt mit scharfen Worten die emsig um sie herum werkelnden Helfer. Mit heftigem Schnauben pustet sie sich zwischendurch vereinzelte rotblonde Strähnchen aus der Stirn, welche sich immer wieder angriffslustig unter ihrer Haube hervorkringeln. Vielleicht habe ich meinen Drachen hier schon gefunden?

Eingeschüchtert lasse ich mich von Bronwyn auf eine seitliche Bank drücken. Die große Burgküche in Liveaction ist beeindruckend. Der in die Ecke gemauerte Lehmbackofen ist in vollem Betrieb und strahlt mächtig Hitze ab. In dem Raum dahinter ist sicher die angepriesene Badestube. Auch von einigen der verschiedenen Kochstellen steigt bereits Rauch auf. Über einer steinernen Rinne schrubben zwei Kinder Essgeschirr. Überall wird geputzt, geschnippelt, gerührt und geklappert. Ich fühle mich wie ein Fremdkörper.

Mit mütterlich beschützender Geste legt Bronwyn mir die Hände auf die Schultern. »Jetzt sei nicht so, Moira. Du kannst das arme Mädchen doch nicht verhungern lassen.«

Die Köchin mustert meine improvisierte Aufmachung mit zusammengekniffenen Augen. Insbesondere meine Stiefel haben ihre Aufmerksamkeit erregt.

»Armes Mädchen! Das ich nicht lache. Aber wir sind ja keine Wilden.«
Mit diesen Worten knallt sie mir ein Brettchen mit einem Ranft dunklem Brot und einem Stück würzigem Käse vor die Nase.

Ich verstehe den Seitenhieb. Meine Waliser-Vorfahren waren bei ihren englischen Nachbarn und den normannischen Eroberern nicht sonderlich hoch angesehen. Und nach meinem Auftritt in der großen Halle halten mich sicher alle für eine Adlige aus dem Grenzland. Ihre Abneigung gegen diese Herrschaften zeigt mir Moira, indem sie mir dieses einfache Leute Essen vorsetzt. Pech für sie, dass in meinem Jahrhundert Vollkornprodukte und Ziegenkäse wieder sehr gefragt sind. Während ich genüsslich kaue, suche ich nach einer möglichst logischen Erklärung meiner Anwesenheit. Ohne rechten Erfolg. Vielleicht ist es das Beste, eine Amnesie vorzutäuschen. Verwunderlich, dass Rhys da nicht weiter nachgefragt hat. Bei dem ganzen Geplapper, welches ich von mir gegeben habe, stuft er mich sicher als entlaufene Irre ein.

Mit einiger Bewunderung beobachte ich Moira, die mit lauter Stimme und alles sehendem Rundumblick ihr Reich fest im Griff hat. Ihre bärbeißige Art erinnert mich an meine Tante Mildred. Bei Tante Millie zählen Taten mehr als gute Worte und so beschließe ich es auch hier zu halten.

»Vielen Dank für das Essen«, spreche ich Moira höflich an. »Kann ich irgendwie behilflich sein?«

Mit erstaunt nach oben gezogenen Augenbrauen sieht sie mich an. Ich bemühe mich um mein schönstes Lächeln. Ha, ich habe sie überrumpelt!

»Äh ... du kannst das Feuer dort drüben anfachen und den Kessel für die Suppe aufhängen.«

»Gut.« Ich krempel mir die Ärmel hoch und wende mich in die angezeigte Richtung. So schwer kann das doch nicht sein. Zuerst fege ich die alte Asche mit einem Reisigbesen zusammen, danach schlichte ich wie Eirlys dünne Zweige und Späne in die Feuerstelle. Schlageisen, Zunder und Feuerstein liegen in einer Wandvertiefung parat. Zu dumm, dass ich mich nie für diese Technik des Feuermachens interessiert habe. Bogenschießen und Messerwerfen fand ich auf den vielen Mittelalterfesten viel cooler. Nach dem fünften vergeblichen Versuch schwitze ich aus allen Poren und höre hinter mir ein missbilligendes Grunzen. Entnervt packe ich den Krempel beiseite, schnappe mit einen der längeren Anzündzweige und entzünde ihn kurzerhand am anderen Herdfeuer der riesigen Küche. Stolz präsentiere ich Moira mein Feuerchen und hieve den schweren Kessel an den Haken darüber.

»Hm«, lautet ihr Kommentar zu meiner unkonventionellen Aktion. »Aber kochen kannst du?«

»Natürlich kann ich kochen.« Was für eine blöde Frage. So unbedarft bin ich nun auch wieder nicht.

»Na dann.« Sie hält mir ein wuchtiges Hackmesser hin. »Heute gibt's Huhn.«

Toll. Hühnchen mag ich sehr gern. Soll ich mit dem Beil Geschnetzeltes machen? Dann sehe ich entsetzt die drei ängstlich gluckernden Hühner in dem engen Weidenkäfig. Ach du Scheiße!

»Was jetzt? Ich denke, du kannst kochen?«

»Aber doch nichts lebendiges!«

»Hywel!« Mit einer verzweifelten Geste ruft Moira nach einem der Küchenjungen.

»Ich könnte ja Kartoffeln schälen«, werfe ich kleinlaut ein und beiße mir gleich darauf auf die Zunge. Kartoffeln gibt es doch jetzt noch gar nicht in Europa!

»Ach, vielleicht möchte Madame gleich das Würzen übernehmen?«

»Oh, gerne.« Erfreut fange ich an aufzuzählen, was ich verwenden würde: »Salz, Pfeffer, Paprika, Chili, etwas Muskat und Ingwer, Curry ...« Mist, welche Gewürze kennt man in diesem Jahrhundert?

»Vielleicht auch noch etwas Safran?«, fragt Moira überschwenglich.

»Naja, muss nicht unbedingt ...« Weiter komme ich nicht, da explodiert die Köchin.

»Wir sind doch hier nicht am Hof des Königs von England! Raus aus meiner Küche! Mach dich irgendwo anders wichtig!«

Ich denke, da sollte ich nicht widersprechen. »Knoblauch und Estragon tuns auch«, rufe ich noch und sause hinaus. Hinter mir poltert etwas, aber ich drehe mich lieber nicht um.

Wütend sammelt Moira ihre große Schöpfkelle wieder ein und verpasst dem grinsenden Hywel eine Kopfnuss. Ein sichtlich erheiterter Owain kommt in die Küche gestiefelt und langt nach einem der kleinen Kuchen, die zum Auskühlen auf einem langen Brett lagern. Prompt trifft ihn die Schöpfkelle auf die diebischen Finger.

»Nichts da, Tunichtgut. Was treibst du dich hier rum? Solltest du nicht unseren kleinen Lord verdreschen?«

»Das macht Rhys heute selber.« Owain leckt sich schmatzend die Finger ab und wirft ein Auge auf das nächste Küchlein. »Du bist wahrlich eine Zauberin der Kochkunst, Moira.«

»Und du bist und bleibst ein Lausebengel!« Aber sie schiebt ihm das Gebäckstück hin.

»Also, was hälst du von unserem Gast?«, fragt er kauend. »Begegnet man so jemandem einfach mal eben beim Ausritt?«

»Ich weiß ja nicht, wo seine Lordschaft sich rumgetrieben hat.« Moira hält sich mit Spekulationen zurück.

»Vielleicht ist sie einfach nur eine hübsche Kaufmannstochter?« Owain liebäugelt mit noch einem Kuchenstück, aber er will den Bogen auch nicht überspannen.

Die Köchin prustet verächtlich.
»Ich kann dir nur sagen, was sie auf gar keinen Fall ist. Ein einfaches Mädchen, welches nicht mal Feuer machen kann, aber sich dafür mit den teuersten und exotischsten Gewürzen auskennt? Nie im Leben! Hübsch sein kann jeder und mit Kleidung kann man täuschen, doch die Hände eines Menschen lügen nicht! Und dieses Mädchen hat noch keinen Tag in ihrem Leben harte Arbeit verrichten müssen.«

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top