Tränen
Dieses Kapitel widme ich @Pragoma , der sich unermüdlich mit immer neuen, tollen Ideen für eine bessere wattpad-Community einsetzt und trotzdem noch die Zeit findet, bei so vielen anderen zu lesen und zu kommentieren. Vielen Dank für deine Unterstützung und natürlich auch für deine Sternchen.
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»Ich bin vollkommen unschuldig! Ich schwöre, damit habe ich nichts zu schaffen! Beim erhabenen Sternenglanz meines Haares! Für diese Geschehnisse kannst du mich nicht verantwortlich machen!«
Fahrig die Finger knetend, stelzt Aranel durch die obere Turmkammer. Sein schönes Gewand ist verknittert und aus seinen sorgfältig geflochtenen Zöpfen lösen sich einzelne Strähnen.
»Ich weiß. Sie sind übers Meer gekommen. Vielleicht sollten wir einen Schutznebel über die Küste legen. Aber das wird hinderlich für die Fischer.« Nachdenklich lehnt Tásúil an einer Fensternische und blickt auf die Menschentraube unten im Hof.
»Und dann musste ich mich entscheiden!« Händeringend führt Aranel seine Wanderung fort. »Da waren die Kinder! Allein! In dieser grottigen Gruft! Beim Dunkelelf, was da hätte passieren können!«
Ein verschmitztes Lächeln umspielt Tásúils Mundwinkel. »Jetzt beschwöre nicht unsere verfluchten Verwandten. Es erstaunt mich, dass du dich plötzlich um das Wohl der Sterblichen kümmerst.«
»Nun ja, die kleinen Menschlein sind geradeso erträglich. Aber jetzt habe ich mir doch tatsächlich die Strümpfe dabei beschmutzt.« Angeekelt reibt Aranel über einige Schlammspritzer an seinen enganliegenden Beinkleidern. »Ich will nur nicht, dass du mir ... das da zur Last legst.« Mit einem unbestimmten Fingerzeig weist er hinunter zur aufgebrachten Menge, die sich dicht an dicht um die Heimkehrenden drängt.
»Das tue ich doch gar nicht. Es war allein die Entscheidung des Mädchens, sich den Unholden entgegenzustellen«, erklärt Tásúil beruhigend.
»Aber jetzt ist alles so eindeutig. Sie wird sich ihrem Retter an den Hals werfen und ihm für ewig dankbar sein. Das ist kein rühmlicher Ausgang für unsere Wette.« Schmollend hockt sich Aranel neben den Geliebten.
Tásúil zupft dessen sich auflösende Zöpfe auseinander und beginnt, sie neu zu flechten. »Dankbarkeit ist keine Liebe, Aranel. Oder möchtest du, dass ich aus Dankbarkeit an deiner Seite bleibe?«
»Manch einer nimmt, was er kriegen kann«, brummt der Elf. Missmutig an den Fugen des Mauerwerkes kratzend, grübelt er insgeheim, wofür ihm Tásúil dankbar sein sollte. Erschreckenderweise fällt ihm nichts Bedeutsames ein. Doch schließlich ist er ein Prinz. Im Alten Reich gibt es endlose Reihen von Bewunderern und Verehrerinnen.
An deren heuchlerischen Aufmerksamkeiten er fast erstickt wäre.
»Ich halte mein Wort, Aranel. Gibt es bis Alban Hevin keinen echten Liebesbeweis, werde ich mit dir in das Königreich unter den Hügeln zurückkehren. Vertraust du mir etwa nicht?« Fragend hebt Tásúil die Augenbrauen.
Aranel wendet sich ihm zu und legt seine Hand an die Wange des Gefährten. »Vertrauen?« Sein Blick verliert sich in den eisblauen Tiefen unter goldüberhauchten Wimpern. »Bedingungslos. Immer. Einzig dir.«
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Rhys versucht, Arwen so gut es geht vor den besorgten Burgbewohnern abzuschirmen. Sie gibt sich nach außen hin ruhig, hält den Kopf hoch erhoben und schreitet wie eine Königin an seiner Seite. Doch ihre Augen sind riesig in dem viel zu blassen Gesicht. Mit einer Hand hält sie den Umhang vor der Brust zusammen, mit der anderen zerquetscht sie ihm den Arm. Noch immer spürt er ihr Zittern. Oder ist es sein eigenes?
Wie tapfer sie sich bemüht, die Fassung zu wahren, während ihm selbst die Knie schlottern und er lauthals schreien könnte.
Mit zusammengebissenen Zähnen knurrt Rhys die überfürsorglichen Helfer an. Nur Moira und Bronwyn bedeutet er durch ein Kopfnicken, ihm und Arwen in die Badestube zu folgen. Schwere, feuchte Luft schlägt ihnen entgegen und die Hitze des Lehmbackofens treibt Rhys den Schweiß auf die Stirn.
»Gleich wird dir wieder warm. Die Frauen werden dir ein Bad bereiten.« Behutsam redet er auf Arwen ein und versucht, ihre eiskalten Finger von seinem Arm zu lösen.
Um so fester klammert sie sich an ihn.
»Mein Kleid ist wieder zerrissen«, flüstert sie entschuldigend mit dünner Stimme.
Als ob dieser blöde Fetzen von Bedeutung wäre. »Du bekommst ein neues.« Rau kratzen die Worte in seiner Kehle. Wenn er nur alles so einfach wieder in Ordnung bringen könnte.
Die beiden älteren Frauen haben den Zuber vor die Rückwand des Küchenofens geschoben und legen Seife und große Tücher bereit. Mit sanftem Plätschern befüllen sie den Bottich mit dampfendem Wasser. Dann versuchen sie, die verstörte Maid beiseite zu nehmen, um ihr beim Entkleiden zu helfen.
Arwen bewegt sich keinen Fingerbreit von ihm fort. Ihre Finger krallen sich in sein Hemd, ihr flehentlicher Blick zerreißt ihm das Herz. »Geh nicht weg«, hauchen ihre bebenden Lippen.
Wie gern möchte er ihrer Bitte für den Rest seines Lebens nachkommen.
»Ich besorge schnell ein neues Gewand«, verspricht Bronwyn und tauscht einen wissenden Blick mit Moira.
»Und ich setze eine kräftige Brühe auf«, ruft die Köchin eilig und schon sind die beiden zur Tür hinaus.
Endlose Minuten bleibt Rhys mit Arwen im Arm stehen. Wer hier wem Halt gibt, kann er nicht mit Gewissheit sagen. Seine Wange schmiegt sich an ihre widerspenstigen Locken, seine Hände können nicht aufhören über ihren Körper zu streichen, nur um ganz sicher zu gehen, dass er sie lebendig zurück hat.
»Es tut mir so leid«, wispert Rhys in ihr weiches Haar. Was auch immer Arwen ist, seine Leute haben sie mit all ihren seltsamen Eigenarten längst akzeptiert, nur er war wieder zu langsam. Er wollte sie zum Weinen bringen - jetzt ist ihm beim Anblick ihres nichtversiegenden, stillen Tränenstroms speiübel.
Schniefend rückt Arwen ein Stück von ihm ab und wendet sich dem Zuber zu. Langsam fallen sein Umhang und ihre Kleidungsstücke zu Boden. Er greift helfend nach ihrer Hand, als sie leicht schwankend in das warme Wasser steigt. Mit angezogenen Beinen kauert sie sich, noch immer zitternd, in die Mitte der Wanne. Rhys kniet außerhalb daneben und seift ihr vorsichtig Rücken und Arme ein.
Arwens Blick gleitet beschämt nach unten. Erst jetzt entdeckt sie das bereits getrocknete Blut des Piraten auf ihrer Brust. Ihr spitzer Aufschrei lässt Rhys zusammenzucken. Arwen reißt ihm die Seife aus den Fingern und rubbelt vehement über ihre Haut. Hilflos muss Rhys mit ansehen, wie sie immer hektischer über ihren Leib schrubbt, der von heftigen Schluchzern geschüttelt wird.
Nur zu gut kennt er die finsteren Gefilde, in die es sie hinab zieht. Diese düstere Hölle im eigenen Kopf, aus der es kein Entkommen gibt.
»Hör auf damit, Arwen. Lass es gut sein.« Rhys bemüht sich, ruhig zu bleiben. Sie so leiden zu sehen, schmerzt ihn unendlich und er redet verzweifelt weiter, um sie irgendwie von ihrem Elend abzulenken.
Seine Worte erreichen sie nicht. Das duftende Seifenwasser spritzt ihm ins Gesicht, durchweicht seine Tunika und sammelt sich in schnell wachsenden Pfützen am Boden. Seine Beinlinge saugen die Nässe auf und werden um die Knie immer dunkler. Luftige Schaumblasen schweben als schillernde Perlen an ihm vorüber, doch Arwens krampfhaftes Keuchen führt die geplante beruhigende Wirkung des Bades ad absurdum.
Rhys fühlt sich komplett unfähig, sie aus ihrer Panik zu befreien. Er kann nicht viel mehr tun, als neben ihr auszuharren. Immer schneller beschleunigt sich ihr Atem, ohne das Luft in ihre Lungen gelangt. Mit starrem Blick scheuert sie verbissen weiter, sieht Dinge, vor denen er sie nicht beschützen konnte.
Erst nach mehreren Versuchen gelingt es ihm, ihre wild rudernden Arme zu fassen. Mit einem Ruck zieht er sie zu sich heran und es ist ihm egal, dass er dabei klatschnass wird.
»Arwen! Arwen, sieh mich an. Sieh mich an!«
Ihre Arme zucken in seinen Händen, ihr verzweifeltes Luftschnappen überschlägt sich. Endlich schaut sie zu ihm auf und der Wahnsinn in ihren Augen bringt ihn fast um.
»Langsam atmen! Ich bin bei dir. Atme langsam, mit mir zusammen! Ein und aus ... ein und aus ...«
»Schmutzig ... ich bin schmutzig ... «, stammelt sie zwischen zwei Japsern.
»Nein! Das bist du nicht!« Beinahe rüde fährt er sie an. »Du bist nicht schmutzig und es ist nicht deine Schuld! Es ist niemals die Schuld der Opfer!«
Rasselnd ringt Arwen um Atem, stößt die Luft zitternd wieder aus. »Ich kann nicht mehr ... ich halte das nicht aus! Es ist alles zuviel. Ich gehöre eben nicht hierher.«
»Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Du bist hier in Sicherheit. Alle werden auf dich achtgeben.«
»Nein, Rhys du begreifst nicht.« Scheu senkt sie die Augen, doch ihre Stimme wird fester. »Ich habe mich nicht einfach verlaufen. Und ich bin auch nicht verrückt. Ich mag aussehen wie ihr, aber ich komme ... aus einer völlig anderen Welt.«
»Ich weiß. Das weiß ich doch längst. Und es ist mir egal.« Er reibt sanft über ihre Arme und nimmt ihre flatternden Hände in seine.
Arwen erstarrt. Diesmal dringen seine Worte sofort zu ihr durch.
»Wie, du weißt es? Woher?« In ihre anfängliche Verwirrung mischt sich ein Hauch Misstrauen.
Rhys druckst verlegen herum, doch sie verdient es, die Wahrheit von ihm zu erfahren.
»In dieser Nacht, an Beltane, da war ich in der Feengrotte und ich habe einen Wunsch an die alten Götter gerichtet.«
Staunend mustert sie ihn, als ob er gleich einen dummen Scherz gestehen würde.
Rhys wischt sich über das verschwitzte Gesicht und fährt sich durch die Haare. »Es war eine dumme Idee und ein riesiger Fehler und zuerst dachte ich, das Ganze ist sowieso totaler Unsinn. Aber am nächsten Morgen bist du mir über den Weg gelaufen. Du warst so fremd und so einzigartig, besonders und bezaubernd. Mir wurde klar, dass die Beschwörung doch Auswirkungen gehabt hat. Aber ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Es tut mir wirklich leid.«
Froh, endlich all das ausgesprochen zu haben, lehnt er sich zu ihr hin, will ihr Gesicht liebkosen und sie all den furchtbaren Schrecken vergessen lassen.
Arwen schreckt zurück und sieht ihn an, als wäre er ein vollkommen Fremder.
Hat er sich nicht gewünscht, sie von ihrem Leid abzulenken und den Schmerz aus ihren Augen zu vertreiben? Nun, so tief sturmblau, wie ihr Blick sich umwölkt, ist ihm dies gerade hervorragend gelungen.
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