Theater, Theater

Nachdem ich es beim letzten Mal vermurkst habe, dieses Kapitel ist für Dich, liebes Irres_Irrlicht. Deine Anmerkungen haben mir geholfen, diese Geschichte besser und halbwegs glaubwürdig zu machen. Und nun erfährst Du, was Du unbedingt geklärt haben wolltest.

************************************************************

Stöhnend strecke ich meine schmerzenden Glieder und hieve mich in die Höhe. Meine Kenntnis von Dafydds modifizierter Reiseplanung lässt mir einfach keine Ruhe. Es wird höchste Zeit, dass ich mich mit Rhys ausspreche.

Allerdings ist es ziemlich schwierig den Mann zu erwischen, trotz des relativ begrenzten Raumes der Festung. Er erscheint weder zum gemeinsamen Essen, noch zum Kirchgang. Zugegebenermaßen war ich auch zu feige mit ihm zu reden, solange er in der Schmiede mit scharfen, spitzen und noch dazu heißen Gegenständen hantierte. Sobald ich ihn nun irgendwo erblicke, ist er auch schon wieder verschwunden.

Geht er mir etwa absichtlich aus dem Weg? Die ganze Nacht habe ich auf dem steinernen Boden vor seiner Kammer ausgeharrt. Erfolglos. Ein Anflug von Eifersucht brennt sich meine Kehle hinunter. Wo oder bei wem schläft der Kerl?

Steifbeinig stakse ich durch den Gang hinaus auf die Wehrmauer. Die Sicht hier oben ist atemberaubend. Landeinwärts locken erste Sonnenstrahlen silbrigen Nebel aus den Wäldern und auf der gegenüberliegenden Seite überziehen diese die tiefblauen Wellen der Irischen See mit einem goldenen Glitzern. Ich atme tief ein. Die salzige Luft ist erfrischend rein und die erhabene Schönheit der erwachenden Natur erdet und beruhigt mich.

Früher wäre ich für kein Geld der Welt freiwillig um diese Uhrzeit aufgestanden. Traurigerweise werde ich mich später nicht mehr daran erinnern.

Vehement rubbel ich mir das Gesicht und verscheuche diese wirren Gedanken. Der ganze Zeitreise- und Realitätsverschiebungskram ist Gift für meine geistige Gesundheit.

In den anderen Grund für meinen konfusen Gemütszustand laufe ich hinter der nächsten Biegung glatt hinein.

»Huch!« Verlegen trete ich einen Schritt zurück, während Rhys sich demonstrativ abwendet und aufs Meer hinaus sieht. Ich räuspere mich umständlich. Wo sind all die vernünftigen Sätze hin, die ich mir zurechtgelegt hatte?

»Was für ein herrlicher Morgen«, äußere ich lahm. »An einem wirklich wundervollen Ort. Hast du ihn eigentlich sehr vermisst?«

Mit schmalen Augen wendet sich Rhys mir zu und ich könnte mir selbst in den Hintern treten. Was rede ich denn da? Ich brauche ein unverfängliches Thema, um mit ihm warm zu werden. »Als Kind meine ich ... also, als du weg musstest ... ach, vergiß es.« Na prima. Enfys - setzen! Durchgefallen. Wieso halte ich nicht besser meine Klappe? Ich hätte einen Brief schreiben sollen, oder einen Comic zeichnen.

»Frag ruhig. Du meinst sicher meine Zeit in Wristlesham.« Er antwortet mir ruhig und entspannt. Seine Offenheit überrumpelt mich und fast könnte ich glauben, dass zwischen uns alles wieder in Ordnung ist, wäre da nicht diese kalte Distanziertheit in seinen Augen.

»Na ja, ich möchte nicht aufdringlich sein. Es ist doch sehr persönlich.« Nervös fummel ich an meinen Schürzenbändern, zupfe imaginäre Fussel von meinem Kleid, drehe Däumchen und warte darauf, dass sich der Boden unter mir auftut.

»Das Ganze ist kein Geheimnis. Außerdem hast du genug Zeit mit Martin und Dafydd verbracht, die zwei zusammen tratschen mehr als die Fischweiber von Dinbych-y-pysgod.« Er legt die Hände auf die Mauerbrüstung und lässt den Blick schweifen. »Natürlich habe ich meine Heimat vermisst. Aber ich wurde nicht schlecht behandelt. Ich bekam immer genug zu essen und ich musste auch nicht im Stall schlafen.«
Gelassen sieht er mich an und zögert nur einen Herzschlag lang, bevor er mich anlügt. »Es war wie ein zweites Zuhause.«

Ich würde ihn am liebsten tröstend umarmen und will ihm keineswegs noch mehr Kummer bereiten, doch ich halte es nicht länger aus und platze mit dem heraus, was mir auf der Seele liegt. »Dafydd wird es auch vermissen und er kommt wieder, da bin ich mir sicher, denn er wird die Olivenbäume mitbringen, die noch nicht hier sind, obwohl es hieß, dass du sie hergeholt hast, was wieder typisch historischer Blödsinn ist und sie werden dort an der Mauer wachsen, auch wenn das in unserem Klima eigentlich unmöglich ist und in achthundert Jahren ... noch immer ... da sein ...« Mir geht die Luft aus und Rhys wirkt kein bisschen erleichtert. Seine grimmige Miene jagt mir einen kalten Schauer über die Haut.

»Du hast es also gewusst.« Keine Frage. Eine Feststellung seinerseits, begleitet von einem zynischen, freudlosen Auflachen.

»Aber ... aber erst später, ich meine ...«

Er lässt mich nicht ausreden. »Ich werde das Eschenwäldchen roden lassen.« Seine Finger trommeln ein hektisches Stakkato auf den Stein. Dann zeigt er hinüber zum nahen Waldrand. »Und den Eichenhain gleich mit. Ich brauche Bauholz.«

»Äh?« Ich habe keine Ahnung, was das jetzt soll.

»Dafydd will doch ein Schiff. Außerdem brauchen wir größere Ställe und mehr Weidefläche. Dafür wird die Feuchtwiese trockengelegt. Und ich lasse den Murmelbach anstauen. Da kommt eine Sägemühle hin. Das ganze Gestrüpp drumrum brennen wir am besten gleich nieder.« Geradezu lauernd wartet er auf meine Reaktion.

»Aha.« Das. Ist. Seltsam. Was bitte, soll ich dazu sagen? So, wie er gerade drauf ist, werde ich mich hüten, ihm offen zu widersprechen. »Das klingt nach viel Arbeit. Brauchst du dafür nicht qualifizierte Fachkräfte?« Ich deute vorsichtig zur rauschenden Brandung hinunter. »Vom Schiffbau sollte man besser Ahnung haben, wenn man mit dem Ergebnis übers Meer segeln will.«

Mit verschränkten Armen lehnt sich Rhys an die Mauer und schnalzt mit der Zunge. »Die kann man mieten.«

»Ja, sicher.« Ich nicke eifrig mit dem Kopf und versuche, den Sinn dieses Stimmungswandels zu begreifen, bevor ich erneute Bedenken äußere. »Aber ist das nicht ziemlich teuer?« Ich werde das Gefühl nicht los, dass das Ganze eine Art Test ist, den ich nicht bestehe. Es wäre mir viel lieber, er würde toben und Feuer spucken.

Herablassend wedelt er meinen Einwand beiseite. Dann zieht er eine schmale, feingliedrige Eisenkette aus der Tasche seines Gewandes, schwingt sie hin und her und lässt diese spielerisch durch die Finger gleiten. Mir wird ganz schwindlig vom Zusehen und ich trete noch einen Schritt zurück.

»Dafydd kommt doch als wohlhabender Mann wieder. Oder ich heirate irgendeine reiche Schnepfe, die scharf auf einen Adelstitel ist.«

Genauso gut hätte er mir eine Ohrfeige verpassen können.

»Fein«, quetsche ich etwas piepsig eine Antwort heraus und zwinge mich zu einem nonchalanten Lächeln. Ich werde mir hier keine Blöße geben, aber ich kann ihm auch nicht länger zuhören. Nach Dafydds Abreise war Rhys sauer und etwas neben der Spur. Jetzt ist er total entgleist. Ob Bruder Martin helfen kann?

»Ich sollte mich auch nützlich machen«, schlage ich ihm vor. »Am besten besorge ich mit den Kindern das Zeugs, was zum Wolle färben gebraucht wird. Wurzeln, Rinde, Kräuter und so Gedöns, ... bevor die Orks alles platt machen.« Den letzten Teil denke ich mir mit Grausen. Schnell raffe ich die Röcke und flitze zum nächsten Abstieg.

Es dauert ewig, den Mönch zu finden. Gut, ich hätte natürlich gleich zur Kapelle laufen können. Doch aus der Küche wabbert der Duft von frisch gebackenen Waffeln und verleitet mich zu einem Abstecher. Nach Rhys' verstörenden Ankündigungen brauche ich jede Stärkung, die ich kriegen kann. Vielleicht ist es auch ein Zeichen. Ich sollte mich endlich auf die Rückreise in meine Zeit konzentrieren. Ob ich die Bedingung mit dem Elf noch verhandeln kann? Zwar habe ich mit Rhys geschlafen, aber er lässt mich nicht an sich heran und anscheinend bedeute ich ihm auch nichts.

Im Trubel der Frühstücksvorbereitungen komme ich nicht zum Nachdenken und um Rat fragen, kann ich auch niemanden. Im Gotteshaus dagegen ist es einladend still. Den Altar schmücken bunte Wiesenblumen und grüne Kränze aus frischem Laub. Rhiannon hat diese gestern angefertigt.

Ich setze mich auf eine der hinteren Kirchenbänke und schließe die Augen. Doch weder meine innere Stimme, noch die des Herrn verschaffen mir Klarheit.

Leises Gemurmel und ein mädchenhaftes Kichern aus der Sakristei lassen mich aufhorchen. Wer treibt sich dort hinten rum? Die Kinder waren doch alle beim Tafel decken. Leise erhebe ich mich und schleiche auf Zehenspitzen zur kleinen Tür des Anbaus.

»Komm her zu mir, mein kleiner Sonnenschein. Brauchst doch keine Angst zu haben. Ja, so ist es fein. Siehst du, ich bin ganz vorsichtig.«

Was zum ...? Ich stoppe und presse mir die Hand vor den Mund. Das ist eindeutig Bruder Martins Stimme. Bekommt dieser Tag des Grauens noch eine Steigerung?

Mit festem Schritt rausche ich energisch um die Ecke und platze mitten hinein - in eine gründliche Überraschung.

Drei Augenpaare blicken mir erschrocken entgegen. Rhiannon richtet verlegen ihre Kleidung, Bruder Martin versucht krampfhaft den kleinen Teagan unauffällig abzulegen. Doch dessen kleine Hände haben sich in dem lockigen Bart des Mönches festgekrallt und er gluckst ein fröhliches Babylachen.

So ist das also! Ich grinse bis zu den Ohren und schäme mich still meiner schlechten Gedanken. Dann fahre ich mir mit Daumen und Zeigefinger über die Lippen, mache mit der Hand eine Drehbewegung und werfe den unsichtbaren Schlüssel über meine Schulter.

Erleichtert nimmt Rhiannon ihren Sohn wieder an sich, während der Mönch ihm liebevoll über's Köpfchen streicht. Mit einem verlegenen Hüsteln zuckt er entschuldigend mit den Schultern.

»Meinen Segen habt ihr«, versichere ich ihnen aufrichtig und suche mir einen kleinen Schemel zum Setzen. Dabei seufze ich niedergeschlagen. »Wenigstens eine schöne Neuigkeit heute.«

»Wieso?«, will Bruder Martin wissen. »Meidet Euch Rhys noch immer?«

»Nö. Wir hatten gerade ein längeres Gespräch. Er hat große Pläne.« Dann geht es doch mit mir durch. Ich werfe die Hände hoch und echauffiere mich gewaltig. »Er ist völlig übergeschnappt! Jetzt will er den Wald abholzen, ein Schiff bauen und heiraten!«

Der Mönch weicht meinem Armwedeln aus und stößt dabei an einen Kerzenleuchter, der krachend umfällt. Die Lichter brechen ab und rollen über den Boden. Teagan fängt an zu jammern und Rhiannon beeilt sich, ihn mit kleinen Hüpfern zu beruhigen.

»Entschuldigung«, murmle ich betroffen und beeile mich, die Kerzen einzusammeln.

Der Mönch pfropft sie umständlich wieder auf und sieht mich dabei prüfend an. »Wäre dies denn so schlimm?«, fragt er vorsichtig.

»Hä?« Entgeistert bringe ich keine bessere Antwort zustande.

»Nun, wollt Ihr nicht seine Frau werden?«

Alle im Raum halten den Atem an. Selbst Teagan stellt sein Quengeln ein und richtet seine großen braunen Augen erwartungsvoll auf mich.

»Von mir war überhaupt nicht die Rede!« Ich klinge gekränkter, als mir lieb ist. Schließlich habe ich einen solchen Schritt nie auch nur in Erwägung gezogen. »Seine Auswahlkriterien waren reich und Schnepfe. Trifft beides nicht auf mich zu.« Toll, jetzt höre ich mich an, wie eine beleidigte verschmähte Jungfer. Das läuft hier völlig falsch. Ich soll doch ihm das Herz brechen und nicht umgedreht!

Energisch springe ich auf, wende mich an Rhiannon und wechsle abrupt das Thema. »Du brauchst doch noch Pflanzen zum Wolle färben, nicht wahr? Welche genau soll ich besorgen?«

Sie versteht meinen Wunsch nach Ablenkung auf Anhieb.

»Nun, der Wiesensalbei blüht oberhalb der Steilklippen und der Waid hat bereits schöne Blattrosetten. Aber es ist ein ziemlich anstrengender Weg.« Besorgt schaut Rhiannon zu Martin. Doch dieser ist mit seinen Gedanken bei einem anderem Thema und grummelt aufgebracht vor sich hin. »So ein Idiot. Was für ein Dummkopf! Wie blind ist der Kerl? Ich war viel zu nachsichtig ...«

Ich lasse Martin schwafeln und ziehe Rhiannon beiseite. Mit einem überzeugenden Lächeln raune ich ihr zu: »Kein Problem. Denn ich kenne eine Abkürzung!«

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top