So entstehen Legenden
Lord Maredudd ap Gruffydd, zweiter Gemahl der Schwester des Fürsten von Gwynned und Oberbefehlshaber seines südlichen Heeres, massiert sich genervt die schmerzenden Schläfen und versucht sich vorzustellen, wie er den Rest des Tages überstehen wird. Sein Adjutant schickt sich an, heimlich aus dem Zelt zu verschwinden.
»Ianto, besorg eine Frau und den Wein!«, brüllt er ihm hinterher. Und vielleicht noch drei oder vier Schläuche mit etwas Stärkerem, damit er dieser Pest wenigstens stundenweise entrinnen kann. Drei lange Wochen kampieren sie schon in diesem Feldlager. Geschützt von einem dichten Wald und einem Halbrund hoher Berge. Die Truppen des Gegners liegen verschanzt auf der anderen Seite. Die Verhandlungen der Herrschaftshäuser ziehen sich in die Länge, daher halten sich beide Parteien noch zurück, beschränken sich auf Demonstrationen der Stärke und liefern sich nur hin und wieder vereinzelte Scharmützel durch vorrückende Spähtrupps.
Seit zwei Wochen warten sie auf Verstärkung. Auf Llywelyns viel gepriesene Wunderwaffe. Ein ruhmreicher und gnadenloser Kreuzzugkämpfer mit seinem Waffentrupp soll die Wende bringen. Vor vier Tagen sind die Männer endlich eingetroffen. Zu Maredudds anfänglicher Bestürzung ist der angepriesene Ritter kein bulliger Riesenprügel, sondern nur ein normaler, durchschnittlich großer Mann mit vier Begleitern, die der erfahrene Krieger auf den ersten Blick als unausgebildete Waffenknechte erkennt.
Doch Llywelyn ist überzeugt von den Fähigkeiten dieses Ritters und Maredudd wird sich hüten, des Fürsten Ansichten anzuzweifeln. Zugegebenermaßen umgibt den Mann mit den durchdringend grünen Augen eine bedrohliche Aura unheilvoller Mächte. Alle im Lager meiden seinen intensiven Blick. Auch Maredudd verspürt bei ihrer ersten Begegnung ein unangenehmes Kribbeln unter der Haut. Die absonderlichen Geschichten, die über diesen Ritter hinter vorgehaltener Hand erzählt werden, findet er mittlerweile längst nicht mehr so abwegig.
Der granatrote Haarschopf an seinem Helm stammt demnach von einer mächtigen Nordlandhexe, die er besiegt und deren magische Kräfte er übernommen hat. Eine Reliquie aus dem Heiligen Land macht ihn angeblich unbesiegbar. Eine ganze Burg habe er im Alleingang erobert und alle feindlichen Besatzer auf einen Schlag vernichtet. Das ganze Umland seiner Festung muss in Angst und Schrecken leben. Sogar eine Adlige der Marcherlords soll er auf seinen Raubzügen entführt haben, um Lösegeld zu erpressen. Wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit in diesen Geschichten steckt ist es besser, den Mann nicht zu verärgern.
Seit vier Tagen bemüht er sich also, diesem zweifelhaften Helden jeden Wunsch zu erfüllen und erträgt ohne Murren die ständigen Klagen und Beschwerden. Ein zweites Zelt für seine Mannschaft, während die anderen Knechte üblicherweise unter freiem Himmel nächtigen. Extra Bier aus dem nahegelegenen Kloster, da das vorrätige bereits schal sei. Standesgemäße Verpflegung, da der Herr daheim von der Jagd weggeholt und damit um seinen Wildbretbraten gekommen ist. Das Trockenfleisch und der Eintopf der Feldküche wurde nicht eines Blickes gewürdigt. Die Lagermädchen sind nicht hübsch genug und jetzt ist dem Bastard langweilig. Eine Sängerin! Wo, zur Hölle soll er eine Sängerin auftreiben?
»Meinst du nicht, du übertreibst es allmählich?« Evan wirft einen abgenagten Hühnerknochen hinter sich und pult sich mit den Fingern die Fleischreste zwischen den Zähnen hervor. Rhys liegt ausgestreckt auf einem fellbedeckten Strohlager, die Arme hinterm Kopf verschränkt, die Stiefel auf den Knöcheln überkreuzt. »Er kann uns ja nach Hause schicken. Mein Fürst hat behauptet, es würde uns hier an nichts fehlen.«
Kichernd greift Evan zum nächsten Hühnerbein. »Das ist das beste Kriegerlager aller Zeiten.« Mit dem Kopf deutet er zum Nachbarzelt. »Die Jungs bekommen einen völlig falschen Eindruck. Sie werden dir kein Wort mehr glauben, wenn du von Entbehrungen und Schrecken des Schlachtgetümmels erzählst.« Nicht das Rhys jemals etwas erzählt hätte. Doch kein Mensch verliert ohne Grund die Fähigkeit zu Lachen.
»Die Jungs werden wenigstens mit vollen Bäuchen sterben, wenn es ernst wird.« Rhys beugt sich zur Seite und langt nach dem vollen Becher, der neben ihm am Boden steht. »Aber das Bier ist wirklich gut. Wäre schön gewesen, wenn Dafydd bei den Mönchen das Brauen erlernt hätte.«
»So schlecht ist unser Bier auch nicht.« Evan gießt sich ebenfalls einen Becher ein, doch lässt ihn wieder sinken, als ihm klar wird, was Rhys da so nebenher gesagt hat. »Glaubst du, es wird so schlimm?«
»Laut Maredudd hat Llywelyns Vetter einen ganzen Trupp Soldritter und bezahlte Kriegsknechte angeworben. Das ist ein anderes Kaliber als ein Haufen verpflichteter Bauern. Und die kosten jeden Tag ein kleines Vermögen. Daher schätze ich, dass unsere Erholungsphase hier nicht mehr lang anhalten wird.« Grunzend wischt sich Rhys mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.
»Aber unser Heerführer ist der festen Überzeugung ich brauche bloß über den Hügel zu reiten, meinen Schild zu schwenken und der Feind wird vor Angst schreiend Reißaus nehmen. Du kannst also davon ausgehen, dass wir die Plätze in der ersten Reihe haben.«
»Scheiße.« Der Schmied blickt zu den Schwertern, die Rhys griffbereit neben seinem Lager liegen hat. »Ich werde unsere Waffen nochmal überprüfen.« Eine Schwachstelle im Stahl oder im Griff kann während eines Kampfes verheerende Folgen haben und sie können jeden noch so winzigen Vorteil brauchen. Er wischt sich die schwitzigen Hände an seine Hosenbeine. Die stoische Ruhe, die Rhys trotz seiner düsteren Prognose ausstrahlt, ist ihm unheimlich. Was ist nur aus dem fröhlichen, aufgeweckten Jungen geworden, den die großen Brüder nie abschütteln konnten, wie sehr sie sich auch anstrengten?
Evan ist mit Bran und Morgan aufgewachsen. Die Söhne des Lords waren sich nie zu schade für den Umgang mit den Gleichaltrigen aus niederer Stellung. Die beiden steckten auch die gleiche Prügel für die gemeinsam ausgeheckten Streiche ein. Sobald Rhys laufen konnte, war er mit dabei. Nur, dass der freche Racker nie erwischt wurde.
Evan holt seine Streitaxt und beginnt sie zu schärfen. Er hat gute Erinnerungen an seine Jugend. Die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den normannischen Nachbarn endeten dank eines Bündnisvertrages. Den Preis für die folgenden friedlichen Zeiten musste Rhys zahlen. Evan weiß noch, welche verrückten Pläne Bran und Morgan schmiedeten, um die kleine Nervensäge zurückzuholen, bis ihr Vater ihnen unmissverständlich klarmachte, dass ihr Bruder dieses Opfer zum Wohle aller brachte. Rhys würde zum Ritter ausgebildet und nicht im Kerker sitzen, brüllte der alte Lord Kynan quer durch die große Halle. Doch mit jedem der wenigen Male, die er heimkam, war der Junge stiller und ernster gewesen. Den unnahbaren und verschlossenen Mann, der sie nach Cynwrigs Verrat aus ihrem eigenen Verlies befreite, erkannte Evan kaum wieder. Seine Freunde bekamen die Chance gar nicht erst.
»Entschuldigung?«
Evan blickt angespannt zu Rhys hinüber. Der hat das leise Hüsteln ebenfalls vernommen und seine langen Beine bereits vom Strohlager heruntergeschwungen.
»Was?«, knurrt er kurzangebunden nach draußen.
Ianto tritt zaghaft einen Schritt ins Zelt. »Lord Maredudd richtet sein größtes Bedauern aus, doch im gesamten Umkreis ist keine Musikertruppe mit einer Sängerin zu finden. Sicher kann doch eines der Mädchen von hier ...«
»Nein!«, unterbricht ihn Rhys unwirsch. »Da ist keine Rothaarige dabei.« Er kneift die Augen zusammen und begutachtet Iantos braunen Haarschopf. »Komm mal näher ans Feuer. Du hast rote Haare. Kannst du singen?«
»Ich?« Stocksteif bleibt der Adjutant an der Zeltklappe stehen. »Aber ... also ... wie meinen? Das ... das ... also, ich glaube nicht?«, stammelt er mit hochrotem Gesicht.
»Der Rhythmus ist nicht mal schlecht. Der Text allerdings ausbaufähig.« Mit verschränkten Armen und finsterer Miene mustert Rhys den verängstigten Burschen. Evan beobachtet die Szene mit Verwunderung. Dann beißt er sich auf die Innenseite seiner Wange, um nicht loszulachen. Dass Rhys Späße treibt ist eindeutig neu.
»Ianto!«, brüllt es durch das Lager. Die stämmige Gestalt von Lord Maredudd zwängt sich ebenfalls ins Zelt und Evan erhebt sich augenblicklich. Rhys dagegen lässt sich provokativ wieder auf die Felle sinken. »Immer hereinspaziert. Habt Ihr wenigstens einen anständigen Wein aufgetrieben oder muss ich weiter wie die Bauern hier dünnes Bier trinken?«
Der Heerführer packt seinen Laufburschen an der Schulter und stößt ihn ins Freie. »Was faulenzt du hier rum? Mach dich an die Arbeit! Und Ihr, mein Herr«, zischt Maredudd Rhys entgegen, »nutzt besser die Nachtruhe zur Stärkung. Im Morgengrauen rücken wir vor!«
Mit lautem Flattern schlägt die Plane gegen die Zeltstange und begleitet Lord Maredudds eiligen Abgang. Tief durchatmend versucht Evan seinen wild klopfenden Herzschlag zu beruhigen. »Tja, dann schau ich mal rüber zu den Jungs.« Er dreht sich zu Rhys um und Furcht kriecht ihm das Rückgrat hinauf. Das spöttische Funkeln ist aus Rhys' Augen verschwunden. Er blickt in smaragdgrünes Eis ohne die geringste Gefühlsregung. »Scheiße«, murmelt Evan nochmals und stolpert mit weichen Knien aus dem Zelt.
Rhys starrt in den Zelthimmel, ohne irgendetwas zu sehen. Er fürchtet sich nicht vor dem Kampf oder dem drohenden Tod. Doch dass sie daheim vier weitere Männer verlieren werden, bereitet ihm Sorgen. Wieso nur hat er sich überreden lassen Begleiter mitzunehmen? Dass sich ausgerechnet Evan noch freiwillig gemeldet hat, ärgert ihn maßlos. Den Schmied kann auf der Burg keiner einfach so ersetzen. Mit den Händen reibt er sich über das Gesicht und stößt zitternd den angehaltenen Atem aus. Nur weil er diese beschissene Beschwörung verbockt hat, sitzen sie jetzt hier in der Falle. Sein kleiner Bruder wäre für Llywelyn uninteressant gewesen.
Liebliche Harfenklänge ertönen und Rhys gratuliert sich im Stillen. Jetzt ist der passende Zeitpunkt, um den Verstand zu verlieren.
»Halloho, ist jemand zu Hause?«
Rhys zuckt beim Klang der Stimme zusammen und fährt von der Strohmatte in die Höhe. Neben dem eisernen Feuerkorb lümmelt der verfluchte Elf auf einem Schemel und schwenkt einen funkelnden Kristallkelch in der Hand.
»Recht heimelig hast du es hier. Sogar fürstliche Verpflegung.« Amüsiert betrachtet das spitzohrige Wesen die halbverspeisten Reste der Fleischplatte.
»Du kannst auch Henkersmahlzeit dazu sagen«, antwortet Rhys höhnisch. Für den Spott des Elfen hat er keine Nerven übrig.
»Na, na, nicht immer so pessimistisch. Du darfst den Glauben der Menschen nicht unterschätzen. Es ist immer wieder höchst erstaunlich, welche Wirkung der auf euch zerbrechliche Geschöpfe hat.« Mit einem Schmunzeln legt der Elf die Hand über das Feuer und winzige glutsprühende Funken tanzen seinen Arm hinauf. Orangeglühende Feuerzungen lecken aus dem Eisenkorb und bilden flammende Ranken mit irisierenden Blütenköpfen, die sich mit lautem Knall öffnen und in allen Regenbogenfarben erstrahlen.
Rhys betrachtet das Schauspiel mit Argwohn. »Was willst du hier?«, brummt er seinen Besucher an.
»Charmant und höflich wie immer.« Die Flammenblumen zerstieben und der Elf zieht einen beleidigten Flunsch. »Bei soviel Sinn für das Schöne wird mir ganz schwummrig.«
»Tu dir keinen Zwang an. Meinetwegen kannst du gleich wieder davonschwummern.« Rhys langt nach seinem Bier während der Elf nachdenklich die Stirn runzelt.
»Dieses Wort gibt es gar nicht. Und die vielgepriesenen höfischen ritterlichen Umgangsformen scheinen mir eine Erfindung der Barden zu sein.« Der Kristallkelch füllt sich mit tiefrotem Wein und der Elf nippt einige winzige Schlucke.
Rhys unterdrückt ein Stöhnen und zwingt sich zu einem falschen Lächeln. »Also gut, mein Hübscher. Welchem Umstand verdanke ich dein überraschendes Erscheinen?«
»Oh, danke.« Der Elf streicht sich geziert über das lange Haar und lächelt genauso falsch zurück. »Siehst du, ein wenig Höflichkeit tut überhaupt nicht weh. Ich wollte mich nur erkundigen, wie es mit unserem Handel steht. Bis Alban Hevin sind es nur noch wenige Wochen.«
Wie Drachenfeuer frisst sich die Wut durch Rhys' Eingeweide. Diese miese Kreatur taucht hier auf, um sich über ihn lustig zu machen. In ihm wächst der unbändige Drang die Unsterblichkeitstheorie der Elfen auszutesten. »Ich bin gerade nicht abkömmlich und ich bezweifle, dass ich Alban Hevin noch erleben werde. Mein Fürst hält mich für einen alles vernichtenden Höllenkampfhund«, faucht er bissig.
Mit einem selbstgefälligen Grinsen leuchten die violetten Augen seines Gegenüber. »Na und? Glaubt der Gegner das auch? Wo bleibt dein Selbstvertrauen Ritter?«
Rhys reagiert mit abfälligem Schnauben. »Ich bin nicht größenwahnsinnig. Die Angst des Gegners mag mir einen Vorteil im Kampf verschaffen, aber sie wird kein Heer in die Flucht schlagen. Schließlich kann ich nicht Feuer spucken. Oder willst du es mir beibringen?«
»Das ist physiologisch leider unmöglich.« Der Elf hüpft geschmeidig von seinem Schemel. Freudestrahlend verkündet er großspurig: »Aber es reicht, wenn die anderen es glauben!«
Ungläubig starrt ihn der Ritter an. »Bietest du mir gerade deine Hilfe an? Aus welchem Grund? Und erzähl mir nicht, dass dich mein Schicksal bekümmert.«
»Stimmt, das ist mir ziemlich egal«, flötet sein nerviger Gegenüber. »Ob einer bleibt, ob einer geht, wen interessiert das schon.« Der Elf legt sich die Hand auf die Brust. »Aber als Elfenprinz geht es mir um die Ehre. Die momentane Entwicklung ist nicht akzeptabel.«
»Gut. Mir soll's recht sein.« Resigniert schüttelt Rhys den Kopf. »Dann zauber halt einen Feuerregen. Solange meine Männer heil nach Hause kommen.«
Im Lager von Llywelyns Vetter herrscht nervöse Anspannung. Knechte und Knappen wuseln umeinander, satteln die Pferde und tragen die Waffenausrüstung zusammen. Leise Rufe erklingen zwischen den Feuern und Zelten. Die Späher berichten von Bewegungen jenseits des Hügels und in aller Eile wird das Heer in Kampfbereitschaft versetzt. Es ist keine leichte Aufgabe, die Ritter und Waffenknechte nach einer durchzechten Nacht munter zu bekommen. Flüche ertönen, Stiefel poltern zu Boden, das Klatschen von Ohrfeigen schwingt in der Luft.
Mit der Morgendämmerung zieht dicker Nebel auf, legt sich schwer auf die Lichtung, verschluckt die Sicht auf das offene Feld und dämpft jedes Geräusch zu geisterhafter Stille.
»Was soll'n der Scheiß«, knurrt Gwynarch das Wetter an und reißt seinem Knappen Helm und Handschuhe aus den Händen. »Kommen die feigen Hunde bei dieser Suppe aus ihrem Loch gekrochen?«
Kimbal und Macsen gesellen sich zu ihm und starren angestrengt in die graue Wand. »Wir brauchen Fackeln«, meint einer der zwei.
»Bist du bekloppt?«, schnauzt Gwynarch beide an. »Damit diese Waschlappen uns gleich kommen sehen?« Manchmal fragt er sich, warum er sich mit diesen Idioten abgibt. Aber Kimbal hat stets ein paar Goldstücke im Säckl und neben Macsen ist Gwynarch ein Traumprinz für die Weiber. Zu dritt können sie außerdem eine bessere Bezahlung von ihren Auftraggebern aushandeln.
Flanke an Flanke lenken sie ihre Pferde ins freie Gelände. In einer Entfernung von fünf Fuß verschwimmt alles zu undeutlichen Schemen.
»Lasst die Schilde oben. Wo sind die Bogenschützen? Schickt ein paar Salven ins Gehölz!«, zischt Gwynarch dem Fußvolk zu. Seine Kumpane fallen leicht zurück.
»An meine Seite ihr Schisser! Diese Waldbauern zerquetschen wir wie die Fliegen.«
»Das sind nicht nur Bauern, Gwynarch. Da sind erfahrene Krieger bei. Und dieser ... Ritter, du weißt schon«, flüstert Macsen von links hinten.
»Pff, jetzt mach dir nicht ins Hemd. Ritter sind wir auch und wir haben mehr Kämpfe als einen Kreuzzug hinter uns.« Gwynarch zügelt sein Pferd bis seine Partner wieder aufgeschlossen haben.
»Aber wir haben kein Bündnis mit den dunklen Mächten«, ebenfalls flüsternd meldet sich Kimbal von rechts.
»Ihr Schwachköpfe! Los, vorwärts!« Mit seinen behandschuhten Pranken klatscht Gwynarch den Pferden links und rechts von ihm auf die Keulen. Mit lautem Kampfruf stürmen die Männer in ungeordneten Gruppen nach vorn in den Nebel. »Tötet alles, was nicht unsere Farben trägt!«, brüllt Gwynarch über das Feld.
Nach zehn Minuten Waffengeklirr und Geschrei lichten sich die hinderlichen Schwaden und Gwynarch blickt auf verstreute Häufchen seiner Männer, die sich in der dichten Suppe gegenseitig abgeschlachtet haben. Am Waldrand, auf der Anhöhe vor ihnen, steht abwartend eine lange Reihe berittener Kämpfer und Bogenschützen mit Llywelyns Bannern.
»So eine Scheiße! Kimbal! Macsen!« Gwynarch versucht seine Truppe zum Angriff zu sammeln. Sie stehen strategisch ungünstig, sind aber immer noch in der Überzahl. Ein Mann löst sich aus der Reihe der Gegner und reitet mit gezogenem Schwert ein Stück den Hang herunter auf sie zu. Sein schwarzes Pferd stampft ungeduldig mit den Hufen und weißer Schaum tropft dem Hengst vom Maul. Vom Helm des Reiters fällt ein roter Haarschopf auf seine Schultern und ein ebenfalls roter Drache ziert seinen Schild.
»Das ist er Gwynarch! Lass uns verschwinden, bevor sich der Boden auftut und die Hölle uns verschlingt.«
Gwynarch fällt ihm in die Zügel und hindert Macsen mit Gewalt daran sein Pferd zu wenden. »Du bleibst hier, Feigling! Kämpf wie ein Mann!« Doch Macsen stößt ihm – ihm! – das stumpfe Ende der Streitaxt vor die Brust und reißt seine Zügel an sich.
»Lass los du Arsch! Ich bin doch nicht lebensmüde! Dieser verfluchte Nebel war Hexenwerk und kein Zufall! Dagegen können wir niemals gewinnen!« Macsen gibt seinem Roß die Sporen und prescht im Galopp davon. Wie auch der jämmerliche Rest der Truppe. Vor Wut aufheulend schlägt Gwynarch mit seiner eigenen Axt nach einem Flüchtenden. Wegen diesen Hasenfüßen soll er auf seinen Sold verzichten? Dann fällt sein Blick auf Kimbal, der wie versteinert von seinem Pferd zum Wald hinauf starrt.
Gwynarch erwartet einen gegnerischen Angriff und hebt instinktiv seinen Schild. Doch die Männer oben auf der Anhöhe stehen noch immer in Reih und Glied. Der Nebel steigt weiter in die Höhe, schlängelt sich durch die Baumwipfel und windet sich an einem riesigen rotschuppigen Leib empor, der zwischen den mächtigen Kronen alter Eichen aus dem Wald ragt. Ein langer Hals senkt sich aus den Wolken herab und das gehörnte Haupt eines Drachens wendet sich ihnen zu.
»Da ... da ... da ...« Gwynarch merkt selber, dass er stammelt, doch er kann es nicht abstellen. Das Untier im Wald hinter dem feindlichen Heer breitet seine Flügel aus, reckt die breite Brust nach vorn und saugt mit einem mächtigen Atemzug den restlichen Nebel in seine Lungen.
»Aaaah ...« Mit einem panischen Schrei reißt er sein Pferd herum, packt Kimbals Stute am Halfter und setzt den anderen Geflüchteten nach. Über die Reichweite einer Drachenflamme gibt es viel zu wenig verlässliche Aussagen.
Rhys schaut sprachlos auf die verstört davonlaufenden Männer und erstaunt an sich herunter. Was war das denn?
Seit dem Weckruf hat er Ausschau nach seinem spitzohrigen Verbündeten gehalten. Bisher ohne Erfolg. Mit gemischten Gefühlen befolgte er Maredudds Anweisungen, die Spitze des Angriffs zu übernehmen. Seine Entscheidung, den Morgennebel erst abziehen zu lassen, erwies sich als kluger Schachzug. Doch die Reaktion des Feindes ist mehr als absonderlich.
Lord Maredudd ap Gruffydd trabt auf seinem Apfelschimmel heran und blickt hinunter auf das leergefegte Schlachtfeld mit den vereinzelt umherliegenden Leichen.
»Äh, wo ist der Gegner?«, fragt er verwundert.
»Erledigt.« Rhys schiebt sein Schwert wieder in die Scheide. »Sonst noch was?«
Maredudd vergrößert vorsichtig den Abstand zu ihm. »Nein, ich denke nicht. Gute Heimreise, Mylord.« Mit einem Nicken verabschiedet ihn der Heerführer. Rhys winkt nach seinen Begleitern. »Ab nach Hause«, raunt er Evan zu, »bevor der Alte es sich anders überlegt.«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top