Salzige Tränen und Gebrochene Herzen -2-

Liebe kann man nicht herbeiwünschen ...

Deutlicher hätte Arwen nicht werden können. Entmutigt stößt Rhys den angehaltenen Atem aus und nur schwer findet er seine Sprache wieder. 

»Ich möchte dir noch danken, für deinen ... Versuch, meinen Namen reinzuwaschen.« Verlegen verschränkt er seine leeren Hände hinter seinem Rücken. Warum nur, hat er auch den zweiten Kranz Roderick mitgegeben? 

»Ach, musst du nicht«, fällt ihm Arwen ins Wort. Ihre Hände kneten den zerrissenen Stoff ihres Kleides und sie murmelt undeutlich vor sich hin. »Da kann ich drauf verzichten.«

Ihre ablehnende Haltung verunsichert ihn noch mehr. Auf was will sie verzichten? Auf ein kaputtes Kleid? Oder auf ihn?

Mit fahrigen Bewegungen wischt sich Arwen über ihr regennasses Gesicht, ihr sonst so offener Blick weicht seinem aus. »War ja anscheinend auch nicht nötig. Du hast doch alles ganz großartig im Griff. Es war sowieso nur eine Schnapsidee. Ich dachte, du hilfst mir, dann helfe ich dir ... keine große Sache also. Hätte ich für jeden anderen auch gemacht.« Hastig wendet sie sich ab und lässt ihn einfach stehen.

Ihr sarkastischer Unterton schnürt Rhys die Kehle zu. Niedergeschlagen sieht er ihr nach, bis ihre Silhouette im grauen Nieselschleier verschwimmt. Er versteht die Welt nicht mehr. Keine große Sache? Er hat ihr sein Innerstes offenbart, ihr all seine Geheimnisse und Ängste anvertraut und für sie ist es keine große Sache? Seine eben noch empfundene Euphorie versickert endgültig mit dem Regen im sandigen Boden.

Auch wenn man den Elfen nachsagt, sie wären oberflächlich und leichtfertig. Bei Arwen hatte er das überzeugende Gefühl eines tiefen Verständnisses gehabt. Es hatte ihn fasziniert, wie wenig sie sich von materiellen Dingen oder der Bedeutung seines Standes beeindrucken ließ. In ihren Augen hatte er nur sich selbst gesehen, nie das Verlangen nach den Möglichkeiten, die sein Titel mit sich brachte. 

Aber anscheinend ist ihm bei seiner Einschätzung ein grober Fehler unterlaufen. Vielleicht interessieren Arwen diese Dinge schlichtweg nicht. Seine Zuneigung ist für sie belanglos. 

Nebensächlich.

Alles nur unbedeutende Nichtigkeiten eines einfachen Menschenlebens. 

Niemals hätte er auf ein Wunder hoffen sollen. Sein Magen zieht sich fester als ein keltischer Knoten zusammen und unbewusst ballt er die Fäuste. Wie konnte er nur so leichtsinnig sein, sich auf eine flatterhafte Fee einzulassen? Verfluchte Gefühle! Was bringt es ihm, dass sie sein Herz höher schlagen lässt, wenn sie zugleich darauf herumtanzt und es in tausend kleine Bröckchen tritt? 

Mit knirschenden Zähnen stampft er auf seine herumstehenden Männer zu, um sie an ihre Pflichten zu erinnern. 

»Haben die Damen ausgeplaudert? Will noch jemand ein Verdauungsschläfchen halten?« Seine geknurrten Fragen schrecken die Männer auf. 

»Rhodri, schließ gefälligst das Tor! Evan! Solange das Pech noch heiß ist, können die beiden Piratenbengel die Fässer abdichten. Muss ich euch jeden Furz ansagen? Owain, was ist mit den Wachposten? Da du dir so gern von den Weibern die Hosen ausziehen lässt, sollte ich vielleicht besser eine der Mägde zum Hauptmann ernennen.« Breitbeinig bleibt Rhys im Burghof stehen.

Owain wirft ihm einen schalen Blick zu, deutet eine Verbeugung an und trabt davon. Auch Evan presst die Lippen aufeinander und begibt sich wortlos zu seiner Werkstatt. Rhys bleibt allein zurück, während um ihn herum alle ihre Arbeiten aufnehmen. Genau, wie er es angeordnet hat. 

Missmutig dreht er sich im Kreis. Das Brodeln in seinem Innersten ist längst nicht besänftigt. Diese Feiglinge! Keiner bietet ihm die Stirn, egal, wie unmöglich er sich aufführt. Arwen hätte es ihm nicht durchgehen lassen. 

Aber nein. Er muss sie aus seinen Gedanken verbannen. Es wäre besser, Rodericks Angebot in Erwägung zu ziehen. Ein gut kalkuliertes Ehebündnis mit einer wohlerzogenen, tugendhaften Frau von Stand, die ihren Platz genau kennt.

Rhys schüttelt sich innerlich und verwirft diese Überlegung schnell. Es bliebe noch eine Möglichkeit. Zwar hat er Arwen versprochen, die Beschwörung zu wiederholen. Die erforderlichen Zutaten befinden sich bereits drüben, im Turm. Und natürlich wird er sein Wort halten.

Aber niedere Wesen waren so unzuverlässig! Ständig machten sie Fehler. Oder vergaßen irgendwelche Kleinigkeiten.  

Scheiß auf die Ehre! Dann könnte sie ihn nicht einfach ignorieren, sondern müsste bei ihm bleiben.

Ein lautes Poltern unterbricht sein insgeheimes Ränkeschmieden. Rhys zuckt schuldbewusst zusammen. Mehrere Speere rutschen den Treppengang der Wehrmauer herunter und verkeilen sich zu einem sperrigen Haufen. Vorsichtig blickt er die schmale Stiege hinauf. Auf wackligen Beinen steigt Pal die Stufen hinab und versucht umständlich, die verlorenen Waffen aufzusammeln.

Resigniert verdreht Rhys die Augen. Dann zerrt er der dem erschrockenen Mann kurzerhand die Sachen aus den Händen. 

»Was soll das werden? Verbringt Martin neuerdings Wunderheilungen? Du gehörst ins Bett!«

Pal bleibt der Mund offen stehen und ungläubig blickt er Rhys an. »Aber Mylord ...«

»Nichts aber! Abmarsch! Wenn ich dich die nächsten Tage beim Arbeiten erwische, leg' ich dich persönlich in Ketten!« Mit grimmiger Miene scheucht Rhys den verdutzten Burschen zu seiner Unterkunft und lehnt die Speere in ordentlicher Reihe an die Mauer. Gedankenverloren streicht er sich über die Rippen. Bevor die Waffen wieder eingelagert werden, will er die Holzstiele besser auf Beschädigungen kontrollieren.

Das melodische Pitsch, Patsch sich eilig nähernder Stiefeltritte dringt an seine Ohren und genervt blickt Rhys über seine Schulter. 

Im Schlängellauf kommt Bruder Martin mit einem dampfenden Krüglein auf ihn zu. Der herbe Duft frisch aufgebrühter Kräuter weht ihm voraus. »Wo ist sie denn hin? Gerade habe ich sie noch gesehen.«

»Wen? Die leckere Wacholderwildscheinkeule?« Rhys gibt sich desinteressiert und prüft mit dem Daumennagel die Festigkeit des ersten Speerschaftes. »Hätte ich Rodericks Satteltaschen abklopfen sollen?«

»Nein. Deine heitere und liebenswerte Ausstrahlung. Die ist da vermutlich auch drin verschwunden«, brummt Martin. Mit elegantem Hüftschwung umrundet der Mönch die größeren Pfützen, ohne etwas von dem heißen Gebräu zu verschütten und bleibt vor Rhys stehen. »Ich rede von Lady Arwen.« Suchend blickt er sich um. »Ich habe ihr einen Tee aufgesetzt. Sie kann doch nicht so schnell verschwunden sein.«

»Kann sie wohl. Eine ihrer leichtesten Übungen. Macht sie doch ständig! Wusch und weg ist sie«, antwortet Rhys aufbrausend.

»Was hast du zu ihr gesagt, hm? Kannst du dieser wundervollen Frau nicht etwas mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen?«

»Wie bitte? Jetzt ist es meine Schuld? Meine Aufmerksamkeit langweilt sie nur!« Mit Wucht rammt Rhys den Speer in den harten Boden. Splitternd bricht der hölzerne Stiel, die Einzelteile landen vor seinen Füßen. 

»Verdammt nochmal!« Frustriert tritt Rhys dagegen. »Morsches Gelumpe!« Zischend pult er einen langen Splitter aus seiner Hand. »Bei einer echten Bedrohung wären wir ziemlich aufgeschmissen.«

Betrübt nickt Martin mit dem Kopf, doch dann kehrt sein freudiger Optimismus zurück.

»Es ist wirklich eine glückliche Fügung, dass uns der normannische Nachbar wohlgesonnen ist. Diese freundschaftliche Beziehung solltest du aufrechterhalten.«

»Hm.« Rhys schiebt die kläglichen Überreste des Wurfspeeres mit dem Stiefel zusammen. »So was ähnliches hat Arwen auch gesagt.«

»Sie ist eine kluge und vorausschauende Frau!« Der Mönch schmunzelt zufrieden. Dann legt sich seine Stirn in Falten und er wird ungewöhnlich ernst. »Aber sie gefällt mir nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Ich hoffe nur, es sind keine Vorzeichen einer Erkrankung. Ist dir nicht aufgefallen, wie bekümmert und blass sie seit Tagen ist? Und diese Schwermut, die sie immer wieder befällt. Ich vermisse ihre sprudelnde Energie und ihr strahlendes Leuchten!« 

Martin blinzelt ratlos. »Ich habe das Gefühl, sie wird immer weniger. Sie wirkt schon fast durchscheinend.« Vorsichtig klemmt er sich das Krüglein in den weiten Kuttenstoff seiner Armbeuge. »Vermutlich sind es noch die Nachwirkungen dieses schrecklichen Vorfalls. Sie wird sich schon nicht in Luft auflösen, nicht wahr?« Der Mönch lacht kurz auf und boxt Rhys kumpelhaft gegen die Schulter. Er ist wohl in dem Glauben, ihn mit seinem witzigen Spruch zu beruhigen.

Rhys starrt ihn entgeistert an und seine Verärgerung schlägt in blankes Entsetzen um. Zu gut erinnert er sich an eine Unterhaltung, von der er sich zutiefst wünscht, dass sie nie stattgefunden hätte.

›Sammle das Salz ihrer Tränen und kümmere dich nicht um dieses törichte Ding. Sie wird hierbleiben, sich eingewöhnen und anpassen und irgendwann dazugehören. Und dann werden sich deine Bedenken einfach auflösen ...‹

Himmel und Hölle! Was, wenn dieser hinterhältige Elf das wortwörtlich gemeint hat?

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