Kampfansage

Schwer atmend bleibe ich in der Tür meines Zimmers stehen. Mein Herz rast, weil ich die vielen Stufen des Wohnturmes ohne anzuhalten empor geeilt bin. Was will ich jetzt machen? Abgrundtiefe Verzweiflung und himmelschreiende Empörung ringen in mir um die Vorherrschaft und zermalmen bei ihrem Kampf jeden klaren Gedanken. Soll ich mich heulend aufs Bett werfen oder kreischend gegen die Wand schlagen?

Beides ist unglaublich verlockend, doch ein Rest Vernunft hält mich zurück. Den aus Felsgestein gemauerten Wänden wäre ein Wutausbruch schnuppe und viel Gehör würde ich mir auch nicht verschaffen. Lediglich neue blaue Flecken, doch die werden den Schmerz meines verletzten Herzens nicht verdrängen ...

›Ich möchte dir danken ...‹  Was für ein scheinheiliges Gesäusel! Erschöpft reibe ich mir über die Wangen, ohne den Tränenstrom stoppen zu können. Dabei bin ich für Rhys nur ein Lückenbüßer, bis er sein vornehmes Fräulein mit Stammbaum abholt. Hätte nur noch gefehlt, dass mir der edle Herr Ritter ein Blümchen überreicht.

Von meinem kaputten Kleid bröckeln erste kleine Schlammbatzen. Es sieht aus, als würde die Erdschicht des halben Burghofes daran hängen. Beschämt blicke ich auf die Krümelspur, die ich bereits im Gang hinterlassen habe. Davon will ich nicht noch mehr in mein Zimmer schleppen. Auf keinen Fall möchte ich, dass ein Häufchen Dreck alles ist, was den Menschen, die mich so liebevoll aufgenommen haben, von mir in Erinnerung bleibt. 

Also schäle ich mich vorsichtig aus dem Kleidungsstück, schlage die beschmutzte Seite nach innen ein und lege es seitlich am Boden ab. Mit letzter Kraft drücke ich das massive Türblatt hinter mir zu und lehne mich zitternd dagegen. Dunkelheit und Kälte breiten sich in mir aus, werfen mich in einen bodenlosen Abgrund der Verzweiflung. Diesmal verliere ich so viel mehr als nur einen Liebhaber. Was habe ich eigentlich verbrochen, dass mir selbst ein magischer Elfenzauber kein Glück vergönnt?

Schniefend schlurfe ich auf das breite Bett zu und verkrieche mich hinter den luftigen Vorhängen. Meine Hände streichen über die samtigen Felle, suchen Trost und bleiben an dem waldgrünen Umhang hängen, der mich seit meinem ersten Tag hier begleitet. Fein säuberlich gefaltet liegt er zwischen den Kissen. Wie kommt der wieder hierher? Bronwyn hatte ihn doch zum Waschen mitgenommen. Will Rhys ihn ebensowenig wie mich behalten?

Mit einem tiefen Seufzer setze ich mich auf. Die Heulerei bringt mich nicht weiter. Ich will an meinem vorletzten Tag keine mitleidigen Blicke ernten. Trotzig werfe ich den Umhang beiseite. Ich werde keinem Mann mehr nachtrauern, der mich wegen einer anderen abweist! Aber Rhys werde ich vor meiner Heimkehr noch zeigen, auf was er verzichtet!

Dieser Vorsatz reißt mich aus meiner Lethargie. Ich rutsche vom Bett, laufe zur Waschschüssel und nach einigen Spritzern eiskaltem Brunnenwasser bekommen meine Lebensgeister neuen Auftrieb.

»There's a fire starting in my heart
Reaching a fever pitch, it's bringing me out the dark
Finally I can see you crystal clear
Go ahead and sell me out and I'll lay your ship bare ...«

Der Song von Adele schleicht sich auf meine Lippen und wird zu meiner persönlichen Kampfansage.

»See how I'll leave with every piece of you
Don't underestimate the things that I will do
There's a fire starting in my heart
Reaching a fever pitch and it's bringing me out the dark.«

Er begleitet mich zur großen Truhe und ich ziehe und zerre, bis ich den schweren Deckel oben habe. Entschlossen greife ich nach meinem vornehmen Kostümkleid. Glücklicherweise ist es so angefertigt, dass ich es auch ohne fremde Hilfe gut anziehen kann.

»The scars of your love remind me of us
They keep me thinking that we almost had it all
The scars of your love they leave me breathless
I can't help feeling

We could've had it all (you're gonna wish you)(Never had met me)

Rolling in the deep (tears are gonna fall)
(Rolling in the deep)«

Mit jeder Strophe wächst mein Widerstandsgeist. Jede einzelne Liedzeile spricht mir aus tiefster Seele. Die Musik ist meine Rettungsleine. Ich halte daran fest und ziehe mich mit jeder Note Stück für Stück aus dem Sumpf der Hoffnungslosigkeit.

»You had my heart inside (you're gonna wish you)
Of your hands (never had met me)
And you played it (tears are gonna fall)
To the beat (rolling in the deep)Baby, I have no story to be told
But I've heard one on you, now I'm gonna make your head burn
Think of me in the depths of your despair
Make a home down there, as mine sure won't be shared«

Zaghaft stiehlt sich ein Lichtstrahl in mein Kämmerchen. Die Frühsommersonne kämpft sich draußen durch das Wolkengrau, als möchte sie mir ebenfalls Mut zusprechen. Ihre Wärme verdampft die Nässe von Mauern und Dächern und dickflüssiger Nebel wabert durch mein Fenster herein. Wiedereinmal werde ich von der magischen Schönheit dieses Ortes ergriffen. Die hellen Sonnenstrahlen lassen die farbigen Wandmalereien regelrecht leuchten, die silbrigen Schwaden über dem Boden geben dem Ganzen einen mystischen Touch. Auf Zehenspitzen wate ich durch den Dunst zur Frisierkommode und bringe meine Haare mit kräftigen Bürstenstrichen zum Glänzen. Ich fahre mit den Fingern hindurch, um eine elegante Frisur zu kreieren, doch dann lasse ich den störrischen Locken ihren Willen. Ich werde mich nicht verbiegen, verstellen oder gar anbiedern! Das ist nicht meine Art und ich werde auch jetzt nicht damit anfangen.

»Throw your soul through every open door (whoa)
Count your blessings to find what you look for (whoa)
Turn my sorrow into treasured gold (whoa)
You pay me back in kind and reap just what you've sown

We could've had it all (tears are gonna fall, rolling in the deep)

We could've had it all (you're gonna wish you never had met me)
It all, it all, it all (tears are gonna fall, rolling in the deep)«

Voller Inbrunst singe ich die letzten Takte. Die Bürste ist mein Mikrofon und ich drehe mich immer schneller im Kreis. Die zauberhaften Fresken verschwimmen zu einem bunten Farbenkreisel, beflügeln meine Fantasie und tragen mich davon in einen Traum von echten Drachen, Einhörnern und lieblichen Feen. Für einen Moment schließe ich die Augen. Wenn ich nur fest genug daran glaube, lande ich vielleicht wirklich in einem Märchen. In einem, mit einem aufrichtigen Prinzen.

☙❧

Mit geheimnisvollen grünen Augen.

☙❧

Mein Arm streift den Bettpfosten, ich stolpere, fasse nach dem Vorhang und sinke in einem Wirbel aus Binsen, Staub und Nebel zu Boden. Benommen warte ich auf das Nachlassen des Schwindels und verfluche mein hoffnungslos romantisches Herz. Aus mir wird eine verbitterte, einsame alte Schachtel werden, wenn ich weiter dieser verlorenen Liebe hinterherweine.

»So will ich nicht enden!«, schreie ich die Zimmertür an.

Prompt öffnet sich diese, die Ursache meines Kummers stürzt herein, wird kreidebleich und fällt vor mir auf die Knie. Seine starken Arme ziehen mich an seine harte, männliche Brust, sein wild schlagendes Herz dröhnt mir in den Ohren. Ich möchte mich befreien, doch mein Körper ist anderer Meinung und presst sich noch dichter an Rhys. Dann liegt mein Gesicht in seinen wundervollen Händen und sein tiefer Kuss raubt mir jeden Willen.

»Das musst du auch nicht, Cariad. Diesmal komme ich nicht zu spät!«






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