Der Klügere ... isst Kuchen! - 2 -
Wo könnte sich der Brummbär verkrochen haben? Mit zwei Kuchenstückchen im Schürzentuch - die Waffeln sind leider alle - begebe ich mich auf die Suche nach Rhys. Im Dunkeln gar nicht so einfach. Nachdenklich drehe ich mich im Kreis. Rhys ist wütend auf mich, auf sich selbst und den Rest der Welt. Aber ich glaube nicht, dass er irgendwo im stillen Kämmerchen trotzt. Wenn es hier einen Fitnessraum gäbe, würde er sicher Gewichte stemmen oder den Boxsack verprügeln.
Ich versuche es in den Stallungen, doch dort dösen nur Pferde und Fliegen. Schwarz reckt seinen mächtigen Schädel über das Gatter und ich streichle seine weichen Nüstern. »Noch nicht mal dir erzählt er seinen Kummer«, flüstere ich dem Hengst zu. »Dein Herr ist ein ganz schön harter Brocken.«
Das Pferd schnaubt mir zustimmend seinen warmen Atem ins Gesicht. »Wo soll ich ihn suchen?« Aber Schwarz wendet sich einfach ab und schubbert sich das Hinterteil an der Boxenwand.
»Na sag mal!«, beschwere ich mich. »Was ist denn das für eine Antwort?« Der Hengst gibt nur ein gelangweiltes Pferdebrummen von sich. Er fühlt sich hier sicher und beschützt und ich bin wiedermal der Störenfried. Das bringt mich jedoch auf einen Gedanken.
Rhys steckt garantiert irgendwo, wo er seine Ruhe hat und dennoch alles im Auge behalten kann. »Danke«, verabschiede ich mich leise und husche aus dem Stall.
Ich finde Rhys tatsächlich auf dem oberen Wehrgang. Kurz vor dem Zugang zum Wohnturm verbreitert sich die Mauerkrone, um Platz für eine halbüberdachte Umrundung zu lassen. In dieser Ausbuchtung sitzt er mit dem Rücken zur Wand am Boden, ein Bein quer über den Weg ausgestreckt, das andere angewinkelt und den Ellbogen darauf abgestützt. Mein Näherkommen geflissentlich ignorierend, starrt er über das nächtliche Meer zum Horizont, an dem fernes Wetterleuchten den Himmel mit spektakulären Lichteffekten verzaubert.
Wortlos lasse ich mich neben ihm nieder und breite das Schürzentuch mit dem Kuchen auf. Ein Stück schiebe ich in seine Richtung. »Hier, bevor dein Magen mit dir um die Wette knurrt.«
»Ich hab' keinen Hunger«, brummt er abweisend.
Ich breche mir eine kleine Ecke ab und verzehre sie schmatzend. »Hm, göttlich. Du hast keine Ahnung, was du verpasst.« Geräuschvoll lecke ich mir die Finger ab. »Owain ist nicht so mäkelig. Wenn er weiter so futtert, wird er sich bei eurem nächsten Übungskampf einfach auf dich draufsetzen.«
Ein giftgrüner Blick schießt zu mir herüber. »Ach, dann bin ich also auch noch ein dürrer räudiger Köter?«
›Nicht provozieren lassen!‹, rede ich mir selbst zu. »Das Einzige, was an dir mager ist, ist dein Sinn für Humor«, antworte ich gelassen. »Mir gefallen sportlich gebaute Männer.«
Unten im Burghof grölen die letzten Hartgesottenen ein schiefes Trinklied. Ich vernehme Owains brummigen Bass und Ruriks nordischen Akzent. »Übermäßiger Bierkonsum dagegen ...« Mein Augendrehen ist sicher Aussage genug.
»Mhm«, grummelt Rhys und rückt umständlich in eine andere Sitzposition. Dabei lässt er gekonnt den Bierkrug, der neben ihm am Boden steht, hinter seinem Rücken verschwinden. Ich tue so, als hätte ich es nicht gesehen und grinse den Polarstern an. Dazu genehmige ich mir einen weiteres Bröckchen von Moiras Meisterwerk.
»Weißt du, wie viele gesunde Inhaltsstoffe in Nüssen stecken? Die sind gut fürs Herz. Ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, Antioxidantien, wertvolles Eiweiß und die vielen Mineralstoffe, wie Magnesium, Calcium, Kalium und Phosphor ...«
»Weib, du bist nervtötend!«, unterbricht er mich rüde.
»Ich weiß. Das ist einer meiner herausragenden Wesenszüge.« Jetzt, wo ich meinen inneren Ruhepol gefunden habe, macht es direkt Spaß, ihn ein wenig zu triezen.
»Neben vorlaut, stur und aufmüpfig.«
»Also ich würde sagen wahrheitsliebend, charakterfest und willensstark, aber du verstehst es, einer Frau Komplimente zu machen.«
»Ja, ich bin weithin bekannt für meinen Charme.«
Ich glaube, so langsam gefällt ihm unser Schlagabtausch. Seine Augen blitzen mich nicht mehr beleidigt, sondern herausfordernd an. Gong zu Runde zwei!
»Du hast durchtrieben vergessen. Ich habe absolut keine Hemmungen, Moira zu erzählen, dass du ihr Backwerk verschmähst.« Geziert putze ich mir Mehlstaub und Rußflocken von meinem Kleid. »Ich schätze mal die nächsten drei, vier, fünf Wochen wirst du weder Apfelstückchen, noch ein Tröpfchen Honig in deinem Hirsebrei finden.«
Die Drohung scheint er nicht zu fürchten. Rhys gibt nur solch ein undefinierbares männliches Grunzgeräusch von sich. Aber so schnell gebe ich mich nicht geschlagen.
»Hast du eine Vorstellung davon, wieviel Arbeit in diesem Kuchen steckt? Der ist mit Bucheckern gebacken. Zuerst das ewige Rumkriechen im Wald, dann müssen die kleinen Kriebeldinger stunden-, ach was sage ich, tagelang gepult werden. Und beim Rösten kannst du nicht einen Wimpernschlag lang wegschauen, sonst sind sie im Nu verbrannt. Da stehst du in der Hitze des offenen Feuers und immer nur rühren und wenden und rühren und ...«
»Hölle und Verdammnis! Weib, gib endlich Ruhe!« Fluchend wie ein Rohrspatz langt Rhys nach dem Kuchen und stopft sich das Stück im Ganzen in den Mund. Schmunzelnd verzehre ich den Rest meines Teils und werfe ihm einen langen Blick zu.
»Möchtest du das wirklich?«, frage ich leise. »Dass ich dich in Ruhe lasse?«
Angestrengt kauend kann er mir nicht gleich antworten. Und er kämpft dabei nicht nur mit dem Gebäck. Ich lasse ihm Zeit und blicke zu den Sternen hinauf. Der vertraute Anblick der sommerlichen Sternbilder ist tröstlich. Wie winzig und unbedeutend wir Menschen mit unseren Problemen doch eigentlich sind.
»Ich bin kein besonders unterhaltsamer Kerl«, murmelt Rhys neben mir. Das Funkeln in seinen Augen hat einem resignierten Ausdruck Platz gemacht.
»Ach, das würde ich so nicht sagen.« Ich wende mich ihm zu und streiche ihm sacht ein paar Krümel aus dem frisch gestutzten Bart. Wann hat er sich eigentlich rasiert?
Das Wetterleuchten kommt näher und der Wind frischt auf. Das Knistern, welches in der Luft liegt, ist sicher der Vorbote eines nahenden Gewitters.
Meine Hand liegt immer noch an seiner Wange und ich fühle seine Anspannung. Rhys zieht ein Gesicht, als suche er nach Worten für eine bedeutende Ansprache.
»Wir müssen nicht immer reden«, wispere ich atemlos. Mein Blick ruht auf seinem sinnlichen Mund. Als er ihn öffnet, lege ich ihm den Daumen auf die Lippen. »Du denkst zuviel nach. Ich weiß doch auch keine Antworten auf das, was mit uns hier passiert. Du bist mir so fremd und doch habe ich das Gefühl, dich schon ewig zu kennen.«
Er nimmt meine Hände in seine und betrachtet unsere verschränkten Finger. »Kommt dir das nicht seltsam vor?«
»Ich lebe davon, Märchen zu erzählen. Da kann ich mich schlecht beschweren, wenn ich mich in einem wiederfinde, oder?«
Nachdenklich hebt Rhys den Blick. »Und wer bin ich in deinem Märchen? Der glorreiche Prinz oder das jungfrauenfressende Untier?«
Seine dichten, dunklen Wimpern betonen die Farbe seiner Augen und ich versinke in dem mystischen Grün.
»Das fragt mich ernsthaft der Mann mit dem Drachentattoo? Nun ja.« Ich dehne die Wörter übertrieben in die Länge. »Du bestreitest vehement ein Held zu sein und ein weißes Pferd hast du auch nicht, bleibt also nur ...«
Bedauernd wiege ich meinen Kopf. Dann neige ich mich vor und flüstere ihm ins Ohr: »Zum Glück bin ich keine Jungfer und ich habe gar nichts dagegen, wenn du ein wenig an mir rumknabberst.«
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Und genau das tut mein Drache dann auch.
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Wir schwelgen im schönsten Zungenkuss, als sich Rhys plötzlich aufrichtet und seinen scharfen Blick in die Dunkelheit richtet. Tiefschwarze Wolken haben sich über uns zusammengeschoben und verschlucken das Licht der Sterne. Ich brauche einen Moment, dann vernehme ich ebenfalls leise Gesprächsfetzen und das Echo nahender Schritte. Rhys knirscht hörbar mit den Zähnen, während ich anfange zu kichern. Das bringt mir eine missbilligend gehobene Augenbraue ein.
»Du bist jetzt nicht ernsthaft sauer, weil die Wachen auf Patrouille gehen?«, frage ich flüsternd.
»Ha, ha«, grummelt er mürrisch. »Erst machen sie gar nichts und jetzt übertreiben sie es gehörig.« Rhys nimmt mich bei der Hand und bugsiert mich in eine schmale finstere Nische im Mauerwerk des Turmes. Eng aneinandergepresst verharren wir im Schatten, bis die Posten mit ihren rußenden Fackeln ahnungslos an uns vorübergeschritten sind. Ich komme mir vor wie ein Teenager, der sich zum Knutschen in den dunklen Hausflur drückt. Wie aufregend waren diese Zeiten des ersten Verliebtseins.
In Erinnerung an so manche Dummheit vergrabe ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge und verpasse ihm einen fetten Knutschfleck. Rhys gibt keinen Mucks von sich, revanchiert sich aber, indem er mir derb in den Hintern kneift. Ich mache einen kleinen Hüpfer und ersticke meinen Quietscher an seiner Schulter. Noch näher können wir einander nicht kommen, solange wir die Klamotten noch anhaben. »Zu mir oder zu dir?«, raune ich ihm fragend zu, um diesen Umstand bald möglichst zu beheben.
Rhys vergewissert sich zuerst, ob wir wieder allein sind, dann zieht er mich zurück auf den Wehrgang.
»Der Baumeister dieser Burg hat wirklich an alles gedacht«, äußere ich anerkennend. »Sogar an geheime Stelldichein-Nischen.«
»Das ist der Rauchabzug für die unteren Räume. In den Buchten lagern die Wachen trockene Fackeln.« Amüsiert schüttelt Rhys den Kopf. »Hast du die Stangen nicht bemerkt? Du hast doch praktisch drauf gesessen.«
»Oh. Da war ich wohl von einer anderen Stange etwas abgelenkt«, gestehe ich augenzwinkernd. Daraufhin schiebt er mich mit seinem Körper gegen die Mauer und verschließt meinen Mund mit einem stürmischen Kuss. Die Wand an meinem Rücken hat die Wärme des Tages gespeichert und ist trotzdem angenehm kühl im Gegensatz zu der Hitze, die von Rhys ausgeht. Ich spüre seine harten Muskeln und seine noch härtere Erregung. Sein Knie drängt zwischen meine Beine und wir reiben uns begehrlich aneinander. Ohne die Hände vom anderen zu lassen, stolpern wir blind in das Gebäude.
Ich kann mich nicht wirklich auf den Weg konzentrieren, doch schließlich landen wir in einem Zimmer mit einer niedrigen Schlafstatt. Details zur Inneneinrichtung registriere ich keine. Ich habe nur Augen für den aufregenden Mann vor mir.
Hektisch zerren wir uns gegenseitig die Kleidung vom Leib. Rhys ist diesmal genauso ungeduldig wie ich. Der erneute Hunger unseres Verlangens überrascht uns beide. Als würde unser Leben davon abhängen, fallen wir keuchend übereinander her. Unsere Körper vereinigen sich wie zwei passgenaue Gegenstücke. Rhys besitzt außerordentlich geschickte Finger, die zielstrebig die richtigen Stellen finden, um mich vor Lust zittern zu lassen. Und dann erst sein Mund und ach, seine Zunge ...
Heftiges Donnergrollen rumpelt draußen durch die Nacht, ohne dass wir uns davon stören lassen. Der Schall bricht sich zwischen den Türmen der Burg, hallt von den steinernen Wänden wider, bringt mein Trommelfell zum Vibrieren und übertönt zuverlässig meine Lustschreie. Unzählige Blitze erleuchten unser weiches Felllager wie Spotlichter eine Bühne. Das Universum schrumpft auf die Größe dieses Raumes. Es gibt nur noch mich und Rhys und die tobenden Urgewalten.
Mein Ritter ist ein fordernder und dominanter Liebhaber, dennoch beugt er sich meinem Wunsch, als ich ihn von mir herunterdrücke und wir die Positionen wechseln. Jetzt bestimme ich den Rhythmus und reite ihn wiegend ebenso an den Rand der Ekstase, wie er mich zuvor. Das wütende Unwetter draußen macht mir keine Angst. Die Energie der entfesselten Natur durchdringt mich und rauscht durch meine Adern. Ich werde zu einer wilden Göttin, frei und mächtig und unsterblich. In der Hitze unserer Leidenschaft glühe ich auf wie eine Supernova, als mich der Höhepunkt überrollt und Rhys mitreißt. Glücklich und erschöpft sinke ich in seine Arme.
In dieser Nacht gibt es nichts, was wir fürchten müssten.
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Wenn die wahren Götter doch nur einmal meiner Meinung wären.
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Hallo ihr vielen lieben Menschen!
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mit mir Arwen und Rhys bis hierhin begleitet haben, sei es nun als stiller Leser oder fleißiger Kommentator (extra Umarmung und Küsschen) und mir auch zu vielen leuchtenden Sternchen verholfen haben. Ohne euch würde mir das Schreiben nur halb so viel Spaß machen und die Geschichte vermutlich in irgendeinem Schubkasten dahinvegetieren. Keine Sorge, dies wird keine Verabschiedung, sondern nur die Ankündigung einer kleinen Pause. Ich fahre in den lang ersehnten und dringend benötigten Urlaub. Danach geht es weiter. Ich hoffe, ihr bleibt mir gewogen und schaut wieder vorbei.
Bis bald Eure Runa
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