Dämonen und Lavendelöl
Auch die nächsten Tage sind ohne eine Nachricht von Rhys und den anderen vergangen. Moiras Bemerkung über den Drachen hat meine Vermutung bestärkt, dass dieser Elf keineswegs eine echte schuppige Feuerechse gemeint hat. Meinen Nachfragen zu diesem Thema weicht sie allerdings hartnäckig aus.
Seit dem unerfreulichen Zwischenfall mit Ulfar haben wir eine unterschwellig angespannte Stimmung auf der Burg. Nicht alle sind mit meinem Eingreifen einverstanden. Einige der Männer scheinen eher auf Ulfars Seite zu stehen, aber da wir Frauen in der Überzahl sind, behalten sie ihre Meinung meist für sich. Moira hat Mari und Shay im Gesindehaus untergebracht, wo immer jemand in ihrer Nähe ist, auch wenn Ulfar uns alle keines Blickes würdigt. Er spielt sich als Herr über die Schmiede auf und schwänzelt Evans Schwester hinterher. Rhiannon verhält sich höflich, aber distanziert und ich hoffe inständig, dass sie noch so einen scharfen Dolch besitzt.
»Du musst schneller rühren! Sonst brennt die Hirse an.« Moira hat zu ihrem Befehlston zurückgefunden und ich denke mit Wehmut an die besinnlichen Lesestunden im Druidenturm. Aber ich bin froh über jede Aufgabe und kämpfe weiter mit dem zähen Brei. Dabei schwinge ich einen original mittelalterlichen Quirl. Diese sorgfältig entrindete Baumspitze einer jungen Tanne mit dem typischen Astkranz kenne ich von den Souvenirverkaufsständen der Mittelalterfeste. Nie hätte ich mir träumen lassen, so ein Teil mal ernsthaft zu benutzen. Meine Muskeln schmerzen und kleine Bäche Schweiß strömen meinen Rücken hinunter. Das Kochen am offenen Feuer ist Schwerstarbeit. Ich versuche es mit links weiter. Wenn ich schon demnächst Oberarme wie Moira bekomme, dann doch bitte gleichmäßig beidseitig.
»Autsch! Igitt«, quieckt Hywel neben mir und wischt sich den heißen Brei von der Wange, die nun so feuerrot wie sein strubbeliger Haarschopf leuchtet. Mein linker Rückhandschwung braucht noch Übung.
»T'schuldigung«, rufe ich bedauernd und schnappe mir einen der getrockneten Apfelringe, die er gerade kleinschneidet.
»Nichts da!« Noch bevor ich es in den Mund stecken kann, wird mir das Trockenobst von Moira aus den Fingern gerissen. »Rühren! Und zwar so, dass der Brei im Topf bleibt. Ist schließlich nicht für die Hunde!« Sie schiebt einen der vorwitzigen Vierbeiner Richtung Tür. Doch von der anderen Seite kommt, erwartungsvoll den Boden entlang schnüffelnd, schon der nächste.
»Bäh!« Ich springe beiseite, als er mir auf die nackten Füße sabbert und ich einen dritten am Tisch das Bein heben sehe. »Was machen die Viecher hier in der Küche? Das ist unhygienisch. Kusch! Kusch! Raus hier!« Mit großen Augen schaue ich den Hunden nach, die laut bellend davonspringen. Bisher haben sie keinen Wuff auf meine Autorität gegeben. Auch Moira blickt kurzzeitig verwundert, bis eine der Mädge freudestrahlend hereingerannt kommt. »Händler! Es sind Händler da!«
Jeglicher Trübsal ist auf einen Schlag aus dem Raum geblasen. Wie Groupies bei einem Rockkonzert stürmen alle kreischend hinaus. Die Begeisterung ist ansteckend, doch Moira hält mich zurück. »Lauf nach oben und zieh dich um. Das gute Kleid!«, befiehlt sie drängend und schwenkt den großen Topf mit dem Hirsebrei aus dem Feuer.
»Hä?« Ich habe keine Ahnung, was sie von mir will.
»Du kannst doch feilschen, oder? Wenn wir das unserem jungen Herrn überlassen ...« Sie verdreht vielsagend die Augen. »Der ist dafür zu gutmütig und offenherzig.«
»Ach, und meine Wenigkeit ist eher kaltschnäuzig und durchtrieben?« Brüskiert sträube ich mich. »Und worum soll ich handeln? Ich habe doch gar kein Geld.«
Die Köchin verpasst mir nur einen Klaps auf den Hintern. »Eil dich, Mädchen und sorg dich nicht um die Bezahlung. Sei einfach eine arrogante vornehme Schnepfe und mach seine Waren so richtig madig, Tochter des Arawn.« Sie zwinkert mir spitzbübisch zu und reibt sich geschäftstüchtig die Hände.
Das wird mir wohl ewig anhängen. Aber wenn es einem guten Zweck dient, bin ich immer gern behilflich.
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»Jo, ho, Leute! Rurik ist da. Die besten Waren aus allen Landen! Kommt und kauft, was euer Herz begehrt! Feine Pelze aus dem eisigen Norden, edle Gewürze aus dem heißen Süden, Tuch und Seide in den schönsten Farben. Kommt herbei, Leute, kommt und kauft!«
Ich stehe oben auf der Treppe und sammle mich für meinen Auftritt. Die beiden Planwagen sind schon von den Bewohnern der Burg umringt und fröhliche Rufe schallen über den Hof. In Rekordgeschwindigkeit entfernen die Händler die Abdeckungen der Wagen und breiten ihre Schätze auf ausklappbaren Holzgestellen links und rechts der Gefährte aus. Der Chef der Truppe dirigiert seine Leute vom Kutschbock aus und führt bereits erste Verkaufsgespräche.
»Langsam, wir gehen ganz langsam«, raune ich Eirlys zu. Wie wir es in aller Eile besprochen haben, nimmt sie den goldbestickten Saum meines feinen dunkelgrünen Umhanges und trägt ihn wie eine Schleppe, auch wenn er bei meiner Größe gar nicht über den Boden schleifen würde. In aller Seelenruhe schlendern wir auf das Gewusel zu. Neben Dafydd, der einen Haufen Lederstücke und Felle begutachtet, bleibe ich stehen, Eirlys artig hinter mir.
»Dafydd, mein Lieber, lass dir nicht wieder irgendwelchen Ramsch andrehen«, sage ich mit Missbilligung und lege ihm die Hand auf den Arm. Verdutzt blickt er mich an, während meine Finger prüfend über die Felle gleiten. Der Händler richtet seine Aufmerksamkeit sofort auf mich. Ich verkneife mir ein Schmunzeln. Der Mann hat einen ausgeprägten Sinn für die wichtige Kundschaft. Ausgestattet mit jeder Menge Leder und Silberschmuck lächelt mich Thor höchstpersönlich an. Breite Schultern, strahlendblaue Augen, strohblonde Zöpfe in Haar und Bart vervollständigen das Bild.
»Edelste Pelze, Mylady. Otter, Biber, Nerz. Rurik bietet Euch nur das Feinste an.« Seine großen Hände fächern die Ware flink nebeneinander auf. »Und als ganz besonderen Schatz für die holde Dame«, gekonnt macht er eine Kunstpause und zieht ein dunkles Fell mit feinem silbrigen Schimmer aus dem Stapel. »Schwarzfuchs - damit lasst Ihr Könige und Fürsten vor Neid erblassen.«
»Mhm«, murmel ich und ziehe eine kleine Schnute. Ich verbanne jeden Gedanken an den Wert dieser Pelze und stelle mir stattdessen einen Wühltisch beim Sommer-Sale in der Shopping Mall vor. »Russischer Zobel oder Feh ist es nicht gerade.«
Für einen Moment kommt seine selbstbewusste Rede ins Stocken. Doch schnell fängt er sich und winkt nach dem Hünen, der am Brunnen Wasser für die Pferde geholt hat. Auf ein Handzeichen von Mr. Wikinger holt dieser ein sorgsam verpacktes Bündel vom zweiten Wagen. Gelassen sehe ich ihm entgegen und wundere mich, dass der Mann trotz der frühsommerlichen Wärme Lederhandschuhe trägt und die Kapuze seines Umhanges tief ins Gesicht gezogen hat.
»Ihr habt einen exzellenten Geschmack, Mylady. Dies hat ein normannischer Edelmann bestellt, aber da es uns hier an diesen wundervollen Ort verschlagen hat ...« Mit einem raschen Messerschnitt durchtrennt Rurik die Verschnürung des Päckchens und schlägt das Leinentuch auseinander. Schneeweißes, flauschiges Fell quillt heraus. Geradezu andächtig streicht er darüber. »Sealskin. Ihr müsst nie wieder kalte Nächte fürchten, M'lady.«
»Merde!« Voller Abscheu ziehe ich meine Hand zurück. »Ich unterstütze doch keine Robbenbabyschlächter!« Mittlerweile haben sich viele Zuschauer um uns gescharrt. Hinter dem Wagen entdecke ich Moira, die verstohlen den Daumen nach oben reckt.
Ich stelle mich in Positur und frage mit vorgestreckter Brust und erhobener Augenbraue herablassend: »Sag mir Nordmann, was bringt dich auf den absonderlichen Gedanken, ich müsste des Nachts frieren?«
Dafydd wendet sich mit hochroten Wangen ab. Der Händler bemüht sich angestrengt, sein Lächeln im Gesicht zu behalten. Vermutlich schickt er ein stummes Stoßgebet zu Odin. Da die nordischen Götter aber bekanntermaßen einen vollen Terminkalender haben, erlösen ihn weder Blitz und Donner noch eine Schar Raben von meiner Anwesenheit.
Der verhüllte Mann im Hintergrund lacht leise und bekommt den Ellbogen des Wikingers in die Rippen. Rurik legt sich die Hand aufs Herz und verbeugt sich leicht. »Verzeiht einem reisenden Fremden seine vorschnellen Worte. Eine so heißblütige Lady benötigt natürlich nicht das Fell eines armen Tieres. Erlaubt mir, Herrin, Euch etwas anderes aus meinem bescheidenen Angebot vorzuführen.«
Ich klimpere mit den Wimpern ohne den Blick zu senken und lasse ihn zappeln.
»Nun gut.« Mit einer huldvollen Geste stimme ich zu. Rurik scheint der Ehrgeiz gepackt zu haben. Flüsternd gibt er seinem Partner Anweisungen und deutet auf den zweiten Wagen.
»Wenn Ihr mir folgen wollt, Mylady. Ich habe die seltensten und edelsten Gewürze dabei. Eine wahre Bereicherung für die Küche einer Dame mit so erlesenen Ansprüchen.«
»Ah, fantastisch. Da gibt es so einiges, was mir hier fehlt.« Ich folge ihm mit Eirlys im Schlepptau und da sich auch Daffyd, Moira und Hywel anschließen, habe ich eine prächtige Entourage. Mit einem 1000 Watt Lächeln beginne ich aufzuzählen: »Getrocknete Tomaten, Chiliflocken oder ein paar Jalapenos, Pimentkörner ... ach und Tonka-Bohnen wären schön. Aber am allerwichtigsten ist Kaffee. Es ist auch nicht schlimm, wenn ihr keinen Arabica habt. Robusta tut es zur Not auch.«
Die beiden Männer halten in ihren Bemühungen inne, sämtliche Säckchen, Krüge, Töpfchen und Phiolen aus gut verschlossenen Kisten herauszukramen. Rurik wirft mir einen Blick aus schmalen Augen zu. Er sieht Chris Hemsworth wirklich etwas ähnlich und ich komme nicht umhin, ihn ein wenig anzuschmachten. Das irritiert den armen Mann nur noch mehr.
»Ich habe Zimt, Nelken, Mandeln, Muskat, Senf und Pfeffer.«
»Kampot oder Kubebenpfeffer?«, hake ich interessiert nach.
»Schwarzer Pfeffer«, presst er knurrig hervor. Ich ziehe einen Flunsch und wende mich mit einem enttäuschten Achselzucken an Moira. »Keinen Kaffee, keine Chilis, keinen Safran und nur schwarzer Pfeffer.«
Moira breitet in gespieltem Entsetzen die Arme aus. »Was will man machen. Es ist schwer, an gute Ware zu kommen.« Dafydd verfolgt unser Gespräch mit großen Augen, doch glücklicherweise hält er den Mund.
»Ich habe sehr gute Ware!«, verteidigt sich Rurik aufgebracht. »Was Ihr hier aufzählt, gibt es noch nicht mal auf dem Basar in Basra!«
»Basra?«, frage ich und sein triumphierendes Grinsen kehrt zurück. Aber ich bin noch nicht fertig.
»Nun, Basra ist ja ganz hübsch. Der weite Himmel mit dem besonderen Licht und die verspielte Architektur, wenn man den Schatt al Arab entlanggesegelt kommt. Der Fischmarkt im Hafen ist auch großartig, aber der Basar? Ist doch gar kein Vergleich zum Bazar-e Bozorg in Isfahan. Die großartige Qeyssarie-Pforte mit ihrer wundervollen Bemalung über drei Etagen, die Kuppelhallen mit ihren perforierten Dächern, die das Licht zu den darunterliegenden Ständen hindurchlassen, im Sommer angenehm kühl, im Winter ausreichend warm, ein Angebot über alles, was unter dieser Sonne existiert. Oder der Khan el Khalili in Kairo! Dort kann man den ganzen Tag zubringen und immer wieder Neues entdecken.«
Mit einem verträumten Ausdruck seufze ich sehnsuchtsvoll. »Aber der schönste ist der Djemaa el Fna in Marrakesch mit dem prächtigen Atlasgebirge im Hintergrund. Die Köstlichkeiten der Garküchen, von geschmorten Fleischgerichten über Couscous oder Schneckensuppe, das exotische Obst, wie deliziöse Granatäpfel, süße Datteln und Feigen und die duftenden Gewürze, die prächtigen Farben der Stoffe und Teppiche, das lebhafte Getümmel der Händler und Besucher, alles umgeben von den märchenhaften Souks und den blühenden Terrassen. Ach, das waren noch Zeiten. Ein Traum aus tausendundeiner Nacht. Auf Rosenblütenblättern bin ich gewandelt.«
Die einsetzende Stille nach meiner Rede ist etwas beängstigend. Habe ich zu dick aufgetragen? Alle hängen gebannt an meinen Lippen. Also schniefe ich noch ein wenig und tupfe mir die Augenränder.
Ruriks linkes Auge zuckt hektisch. Blinzelnd löst er sich aus seiner Erstarrung und murmelt Unverständliches vor sich hin. »Düfte! Habe ich auch!«, ruft er aufgeregt und greift nach einem weiteren Holzkistchen. »Das Aroma des südlichen Sommers. Lavendel! Voller erstaunlicher Heilkräfte und aphrodisierender Wirkung. Belebend und beruhigend zugleich.« Er präsentiert kleine Beutelchen mit getrockneten Lavendelblüten sowie mehrere zierliche Phiolen. In seiner Eile rempelt er seinen Begleiter an und dessen Kapuze rutscht herunter. Freundliche braune Augen und eine Reihe strahlend weißer Zähne blicken mir schüchtern aus einem ebenholzschwarzen Gesicht entgegen.
»Vorsicht!«, quietscht Hywel erschrocken und zerrt an meinem Ärmel. »Ein Dämon! Er wird uns alle fressen.«
Der große Mann zuckt zusammen und Rurik stellt sich schützend vor ihn. Ich beachte die beiden nicht weiter und blicke suchend auf dem Boden herum. »Wo denn?«
Hywel versucht weiter, mich wegzuziehen und ich fürchte um mein Kleid. »Lass das!«, herrsche ich ihn an. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ein Dämon mit so einem klapprigen Wagen durch die Lande reist, um muffiges Lavendelöl zu verscherbeln.«
»Malik ist Maure und kein Dämon und mein Lavendelöl ist nicht muffig!«, beschwert sich Rurik. »Sogar am königlichen Hof reißen sich die Damen um mein Lavendelöl.«
Ich tue seinen Einwand mit einem Handwinken ab. »Sag ich doch, Altweiberparfum.«
Auch Bruder Martin hat sich inzwischen zu uns gesellt und beobachtet das Schauspiel mit seinem typischen Schmunzeln. Da er den 'Schwarzen Mann' völlig unaufgeregt hinnimmt, beruhigen sich auch die anderen Gemüter. Nur Hywel führt sich auf wie ein verschrecktes Kleinkind. Demonstrativ trete ich näher zu den Händlern.
»Ein Duft, der bezaubert, ist mehr als ein blaues Blümchen. Jasmin, Gardenie, Rosen und Veilchen, Bergamotte und Patschuli, ein Hauch Ambra oder Zeder im Abgang, leicht wie ein Frühlingshauch oder sinnlich wie eine tropische Nacht.« Mit einem gezierten Kopfnicken deute ich Moira herzukommen. »Vielleicht findet unsere Köchin ja etwas von eurem Angebot brauchbar.« Zu ihr gewandt flüstere ich laut hörbar: »Der arme Mann hat sicher mindestens drei Frauen und zwölf hungrige Kinder zu ernähren.«
Moira bleibt todernst und stimmt mir zu. »Wir sind ja keine Unmenschen. Dann nehmen wir eben schwarzen Pfeffer, wenn's denn sein muss.«
Rurik sieht mich in deprimiertem Schweigen an und muss seine Niederlage wohl erst noch verdauen. Ich möchte einen großartigen Abgang hinlegen und vollführe eine elegante Drehung, stolpere aber dabei über den ängstlichen Hywel, der sich mit Eirlys an meine Schleppe klammert.
Undamenhaft quietschend bilden wir ein Knäuel aus Armen, Beinen, Umhang und Schleier, wobei ich versuche, nicht auf die Kinder zu fallen. Zum Glück höre ich kein verräterisches Ritsch. Mein Kleid scheint diesmal nicht zu leiden. Schnell rappel ich mich wieder auf, klopfe mir den Staub vom Rock und richte mein imaginäres Krönchen. Mit einem Räuspern schnappe ich mir den schlacksigen Jungen.
»Herrgottnochmal, Hywel! Du bist zu alt für so ein albernes Benehmen.« Ich fasse seine Hand und schleife ihn zurück zu den Händlern. »Genauso wie es weiße, schwarze, braune und gescheckte Pferde gibt, gibt es auch Menschen mit verschiedenen Hautfarben. Das ist vollkommen unerheblich und sagt nichts darüber aus, ob ein Mensch gut oder schlecht ist! Je nachdem, wo man lebt, ist die Haut heller oder dunkler. Du würdest in der heißen Sonne Afrikas im Nu verbrennen und wie ein gekochter Krebs aussehen.«
Hywel macht ein langes Gesicht und scharrt betreten mit den Füßen im Sand.
»Entschuldige dich!«, fordere ich mit Nachdruck. Doch da es mir wichtig ist, dass er nicht nur auf Befehl handelt, beuge ich mich zu dem Zwölfjährigen hinab. »Kennst du den dummen Spruch Rote Haare, Sommersprossen sind des Teufels Volksgenossen ? Das ist auch totaler Blödsinn.« Ich wuschle ihm durch seine kupferroten Haare.
»Lasst gut sein, Mylady. Ist nicht schlimm«, spricht uns Malik leise an. Das Timbre seiner Stimme ist weich und melodisch. Der ganze Aufruhr ist ihm sichtlich unangenehm.
»Doch«, widerspreche ich. »Das ist schlimm. Und am schlimmsten ist, dass sich daran auch in tausend Jahren nicht viel ändern wird.« Eine tiefe Traurigkeit erfasst mich und meine hochnäsige Attitüde entgleitet mir. Verlegen kratzt sich Hywel den Kopf und schaut nachdenklich zu mir auf. Dann strafft er die Schultern und macht einen Schritt nach vorn.
»Es tut mir leid«, sagt er mit fester Stimme und reckt dem Afrikaner zitternd seine Hand entgegen.
Mein Herz steht kurz still, als Malik sich die Handschuhe abstreift und ganz vorsichtig die Kinderhand mit seinen großen Pranken umschließt. Dabei verbeugt er sich mit glänzenden Augen und murmelt mit belegter Stimme: »Danke.«
Erneut wische ich mir die Augenränder, aber diesmal ist meine Rührung echt. Durch die Reihen der Zuschauer geht ein Raunen und mir wird bewusst, dass mehr oder weniger alle mit mir die Luft angehalten haben.
»Dass ich das noch erleben darf.« Bruder Martin faltet andächtig die Hände vor seinem runden Leib. »Rurik Jarlsson im sprachlosen Zustand. Der Herr erweist mir wahrlich seine Gnade.«
Der Händler kneift die Augen zusammen und mustert den Gottesmann prüfend. Dann erleuchtet eine Erkenntnis seine Miene und er stürmt mit ausgebreiteten Armen auf Martin zu.
»De Broes? Martin de Broes! Du alter Sack. Einen ziemlichen Speckgürtel hast du dir angefuttert. In was für einer Verkleidung läufst du hier rum?«
»Das ist keine Verkleidung«, berichtigt Martin und befreit sich aus der überschwenglichen Umarmung. »Nach vielen Jahren der Wirrungen habe ich meine Bestimmung gefunden.«
»Hauptsache es geht dir gut«, meint Rurik mit einem Grinsen auf Bruder Martins wohlgenährte Gestalt. »Dann hast du also Ruhm und Reichtum abgeschworen?«
Der Mönch nickt zustimmend. »Weltlicher Besitz hat mir kein Glück gebracht. Wie ich sehe, hast auch du deine Vorgehensweise geändert, um zu Wohlstand zu kommen.«
Ruriks dröhnendes Lachen hallt von den Burgmauern wider. »Ja, ich muss den Leuten nicht mehr hinterherrennen, um ihnen ihr Gold abzuknöpfen. Jetzt bringen sie es mir freiwillig.« Er wirft mir einen schrägen Blick zu. »Zumindest die meisten.«
Ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln. »Für ein Pfund Kaffee hätte ich Euch mein kostbares Geschmeide überlassen.« Das ich nur Modeschmuck trage, muss ich ihm ja nicht verraten. In seinen Augen erscheint ein berechnendes Glitzern. »Ich werde es mir merken, Mylady. Seid Ihr die Herrin dieser Burg?«
»Ich? Oh, nein. Nein, nein, nein.« Abwehrend hebe ich die Hände und weise auf Dafydd. »Ich bin hier nur zu Gast. Das da ist seine Hoheit Junior.«
Dafydd schreckt leicht zusammen und der verträumte Ausdruck in seinem Gesicht weicht kurzzeitiger Bestürzung. »Äh, ja. Das bin ich. Dafydd ap Kynan.« Er versucht sich an dem für Rhys typischen gelassenen Auftreten, doch ihm fehlt eindeutig das Raubtiergen, um die entsprechende Wirkung zu erzielen. Unsicher schielt er zu Bruder Martin. »Also im Moment, solange mein Bruder für Fürst Llywelyn kämpft.«
»Llywelyn? Da habe ich gute Neuigkeiten. Der Fürst von Gwynned war erfolgreich. In Caernarfon spricht man von nichts anderem. Er hat seine Gegner vernichtend geschlagen. Angeblich sind sie wie verschreckte Hasen vor ihm davongerannt.« Rurik klopft dem Mönch auf die Schulter. »Wie in unseren besten Zeiten.«
Von den Umstehenden ertönen erfreute Zurufe und auch mein Herzschlag beschleunigt um ein Vielfaches. Nur Ulfar, der sich am Rand herumdrückt, starrt griesgrämig herüber. Sogleich ist meine Vorfreude getrübt. Auch bei den Siegern eines Kampfes gibt es oft Verluste. Angst und Hoffnung wirbeln mein Inneres durcheinander.
Und was mache ich, wenn mein Drache zurück ist?
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