Bettgeflüster

Diesmal erwache ich ausgeruht und zufrieden in wohliger Wärme. Nur richtig bewegen kann ich mich nicht. Rhys hat sich wie eine tropische Schlingpflanze um mich gewickelt. Er liegt halb auf mir, Arme und Beine sind mit meinen verknotet. Dabei hätte ich ihn nicht unbedingt für den Kuscheltyp gehalten.

Vorsichtig will ich mich befreien, doch genausogut könnte ich versuchen, einen Traktor aus der Parklücke zu schieben. Ich ernte nur ein unwilliges Murren und werde noch fester umschlungen.

Nun gut, es gibt sicher schlimmere Schicksale, als in den Armen eines tollen Mannes aufzuwachen. Daher ergebe ich mich in meines und schaue erst einmal, wo wir überhaupt gelandet sind.

Ich muss mir ein wenig den Hals verrenken, aber viel zu sehen gibt es ohnehin nicht. Der Raum ist geradezu spartanisch ausgestattet. Nackte Wände ohne schmückende Teppiche oder Verzierungen. Das einfache Lager, der Wasserkrug auf dem Boden, die obligatorische schwere Truhe in der Ecke. Alles nicht sonderlich aussagekräftig. Doch dann schwenkt mein Blick zur Seite. »Heiliges Kanonenrohr!«

An der Wand neben dem Bett präsentiert sich, fein aufgereiht, ein hübsch umfangreiches Arsenal an Hieb-, Stich-, Stoß- und Schlagwaffen. Quer davor liegt ein umgefallener großer Schild. Das war wohl der Rumms von letzter Nacht. Ich kann von Glück reden, dass mir nicht die Streitaxt ins Genick gekracht ist.

Mein Ausruf des Erschreckens weckt Rhys auf. Er stützt sich beschützend links und rechts von mir auf die Ellenbogen und wirft einen finsteren Blick in die Runde. Als er keinen Störenfried ausmachen kann, wendet er sein Augenmerk fragend auf mich.

»Guten Morgen«, begrüße ich ihn lächelnd. Sein dichtes goldblondes Haar sturzelt nach allen Seiten und umrahmt sein kantiges Gesicht wie die Mähne eines Löwen. Besorgt denke ich an meine eigene Frisur. Mit nassen Haaren schlafen zu gehen ist nie eine gute Idee.

»Mhm«, grummelt seine Lordschaft mit mäßiger Begeisterung. Ich merke genau, als ihm der nächtliche Zwischenfall in den Sinn kommt. Seine Augen werden schmal und er mustert mich abschätzend. »Alles in Ordnung?«, fragt er leicht verlegen.

»Danke, es geht mir gut.« Ich puste mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Wenn du etwas rücken könntest?«

Sofort rollt er sich zur Seite und nimmt dabei auch die gesamte Decke mit. Kühle Luft streicht über meine Haut und lässt mich frösteln. »Hey, so weit weg nun auch nicht!«, mosere ich und robbe ihm nach. Die Bettstatt ist allerdings nicht allzu breit und daher plumpsen wir gemeinsam am anderen Ende von der Strohmatratze. Er unten und ich wieder auf ihn drauf.

»Urrg ... Na gut. Das habe ich wohl verdient«, schnauft Rhys, während ich mich kichernd an seine Brust schmiege. Jetzt stütze ich mich auf die Ellenbogen und gebe dem Drachentattoo ein Morgenküsschen. »Ich bin nur froh, dass dein Herr keine Knarre unterm Kopfkissen hat«, raune ich dem gehörnten Schädel zu. Es sieht fast so aus, als grinst er zurück.

»Hä? Was habe ich unterm Kopfkissen?« Irritiert blinzelt Rhys mich an. Oh, oh, falsche Zeit, falscher Film.

»Ähm, ich meine Schwert ... Axt ... Morgenstern?« Damit sollte ich die Kurve kriegen.

»Das dürfte reichlich unbequem sein. Das Kasteien überlasse ich den religiösen Eiferern«, äußert er sich befremdlich.

»Hm, ist das hier dein Zimmer?«, versuche ich abzulenken.

»Ja. Was dachtest du denn?«, fragt er stirnrunzelnd. »Dass ich dich in die Rüstkammer schleppe?«

»Na ja«, antworte ich ausweichend und schiele nach seinem Ritterwerkzeug. »Der Gedanke ist nicht ganz abwegig. Es ist nur sehr ... schlicht. Dafür, dass du doch hier die Führungsposition inne hast.«

»Ich brauche keinen Prunk. Die Zimmer, in denen ich mit meinen Brüdern gewohnt habe, benutzt jetzt Dafydd. Und die Gemächer meiner Eltern, na ja, es erschien mir unangebracht. Hier habe ich meine Ruhe und die Kammer liegt günstig.«

Genau. Zwei Schritt und man ist draußen auf dem Wehrgang. Wenn einen schlechte Träume plagen, sicher besser, als durch das gesamte Hauptgebäude zu rennen. Doch dieses Thema schneide ich nicht an, dafür ist die Atmosphäre zwischen uns gerade zu schön entspannt.

»Aber ... aber du hast mich in den hochherrschaftlichen Räumen untergebracht. Das ist ...«, jetzt komme ich tatsächlich ins Stocken, »das ist sehr großzügig von dir. Ich glaube, ich habe mich noch gar nicht richtig dafür bedankt, dass du mich so ohne Weiteres aufgenommen hast. Noch dazu im besten Zimmer des Hauses.« Beschämt rolle ich von Rhys runter und hocke mich mit angezogenen Beinen neben ihn.

»Ach, hast du nicht?« Rhys verschränkt die Arme unterm Kopf und räkelt sich wie ein Kater, der den Sahnetopf leer geschleckt hat. Dabei lässt er die Brustmuskeln spielen und schenkt mir einen schläfrigen Blick aus halbgeschlossenen Augen. »Dann musst du das schleunigst nachholen.« Ein verruchtes Lächeln umspielt seinen sinnlichen Mund und all meine weiblichen Hormone tanzen Samba. Mistkerl!

Allerdings funktioniert dieses Spiel auch andersherum. »Hat der Herr bestimmte Wünsche?« Mit theatralischer Geste streiche ich durch mein Struwwelpeterhaar. »Soll ich vielleicht einen Schleiertanz aufführen oder ein Honigbad nehmen, damit der Drache was zum Abschleckern hat?«

Seine Augenbrauen wandern bis unter den Haaransatz und Rhys wird unter seiner sonnengebräunten Haut tatsächlich ein wenig rot. Mit einer fließenden Bewegung zieht er mich zu sich herunter und küsst mich hungrig.

»Welch unnötiger Aufwand. Am liebsten habe ich es, wenn du Luft und Mondlicht trägst«, knurrt er heiser.

»BIM! BIM! BIM! BIM! BAM!« Das Läuten der Glocken lässt uns erschrocken zusammenfahren.

»Ist schon wieder Sonntag?«

»Haben wir schon wieder Sonntag?«

Im gleichen entsetzten Tonfall äußern wir denselben Gedanken. Für einen kurzen Moment schauen wir uns sprachlos an, nur um danach zusammen albern zu kichern. Mit sichtlichem Bedauern rückt Rhys mein Unterkleid gerade und ich suche seufzend nach dem Oberteil.

»Meinst du es fällt auf, wenn wir bei der Andacht fehlen?«, äußere ich mit wenig Hoffnung.

»Geringfügig. Aber Martin kann da sehr kleinlich sein.«

Dieses Argument ist ausschlaggebend dafür, dass wir uns eiligst ankleiden. Rhys ist natürlich Ruck zuck fertig, während ich noch mit unzähligen Häkchen und Schnüren kämpfe.

»Ich gehe schon mal runter«, raunt er mir zu, knabbert an meinem Ohrläppchen und zieht geschickt an den richtigen Stellen, um die widerspenstigen Bänder meines Kleides zu entwirren. »Bist du dir sicher, dass du keine Zofe brauchst?«, meint er spöttisch.

»Ha, ha, ich brauche nur meine normalen Anziehsachen«, murmel ich beleidigt. Dann schaue ich auf und ziehe scharf die Luft ein.

»Halt! So kannst du auf keinen Fall vor die Tür gehen!«

»Was? Wieso?« Verwundert blickt Rhys an sich herunter.

Ich lege ihm die Hände an die Wangen. »Du hast da was im Gesicht.«

Bestürzt die Augenbrauen zusammenziehend, greift er nach meinen Händen.

»Ach gut.« Ich atme tief auf. »Jetzt ist es weg.«

Sichtlich verwirrt starrt mich Rhys an.

»Da war ein Lächeln! Das hätte dir im Nu«, ich schnippe mit den Fingern, »deinen Ruf versaut.« Mein todernster Einwand bewirkt eine unglaubliche Veränderung.

Es beginnt mit einem Zucken seiner Mundwinkel, dann fängt Rhys an, schallend zu lachen. Er hält sich den Bauch und kann gar nicht mehr aufhören. Plötzlich sieht er so jung aus, wie er eigentlich ist.

»Na, jetzt kann ich dir auch nicht mehr helfen.« Ratlos schüttel ich meinen Kopf.

»Kein ... kein Problem«, keucht Rhys mit tränenden Augen. »Ich kann ja auf dem Weg nach unten ein paar kleine Kinder erschrecken.«

Vermutlich wird sich die gesamte Kirchgemeinde erschrecken, wenn er dort mit überbordender Fröhlichkeit auftaucht. Hoffentlich werde ich nicht verdächtigt, ihn verhext zu haben.

Dass Rhys nicht mit mir gemeinsam zur Kapelle geht, versetzt mir einen kleinen Stich. Allerdings erinnert es mich auch an meine verzwickte Lage. Bis Mittsommer sind es nur noch ungefähr zwei Wochen und ich weiß immer noch nicht, was ich eigentlich will. Natürlich sehne ich mich nach meinem vertrauten Zuhause, aber die Menschen hier sind mir auch ans Herz gewachsen. Und Rhys nie wieder sehen? Mitnehmen werde ich ihn ja sicher nicht können.

Im Burghof herrscht große Aufregung. Die Planwagen der Händler stehen reisefertig parat und drumherum haben sich alle versammelt und reden laut durcheinander. Nach Kirchgang sieht es jedenfalls nicht aus. Mit einem mulmigen Gefühl nähere ich mich der Ansammlung. Rhys stellt sich gerade neben Bruder Martin, der das Verladen der Wolle beaufsichtigt. Anscheinend ist doch nicht Sonntag.

Rurik und seine Mannen scheinen auf irgendetwas zu warten und der Mönch wirkt seltsam angespannt. Was zum Teufel, haben wir verpasst?

Plötzlich teilt sich die Schar der Schaulustigen und Dafydd kommt mit einem großen Bündel über der Schulter angestürzt. Er strahlt genauso wie Rhys eben noch und ruft lauthals: »Die Händler reisen weiter.«

»Was du nicht sagst. Da wäre ich nie drauf gekommen«, antwortet Rhys trocken. Dafydd wirft das Bündel auf einen der Wagen und dreht sich zu seinem Bruder um.

»Ja. Und ich fahre mit!«

Meine Sorge, jemand könnte Rhys für verzaubert halten, hat sich schlagartig erledigt.

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